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Hinter der Fassade

von

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Kapitel 30: Eine neue Welt | S

Der Fall des Drachen brachte eine solche Hektik mit sich, dass selbst Niles davon mitgerissen wurde. Krönungen in Nohr und Hoshido. Friedensverhandlungen. Lord Leo war als Berater des Königs immerzu mit eingespannt, besonders, als es darum ging, die innenpolitischen Spannungen in Nohr zu schlichten. König Garon hatte das Land und die Leute heruntergewirtschaftet.

Niles verstand sie. All die Gegner der Krone. All den Hass auf das Königshaus, all die bitteren Menschen in den Gossen, die von Dreck und Leichen lebten. Es brauchte schier endlose Geduld, endlose Gespräche, und fast genauso viele Gefechte, bis die neue Führung sich im ganzen Land einen stabilen Stand aufgebaut hatte. Der Krieg war vorbei, doch noch immer machten sie sich die Hände schmutzig.

Und kaum, dass Nohrs interne Lage sich stabilisierte, dass das letzte Blut von den Händen gewaschen war, kam die Einladung zur nächsten Krönung. Niles konnte verzichten, nach Valla zurückzukehren, doch natürlich würde er Lord Leo begleiten, so sein Prinz das denn wünschte. Zusätzlich zu der Krönung sollte auch ein letzter, endgültiger Friedenspakt zwischen Hoshido und Nohr besiegelt werden.

 

Der Wind der Veränderung wehte. Niles hätte blind sein müssen, um es nicht zu bemerken. Nicht einmal die großen Dinge. Nicht die neuen Wege, die das Reich einschlug. Selenas Kaufwut war zurück, und sie war schlimmer denn je. Odins Theater und die langatmigen Reden, die er niemandem als sich selbst hielt, wurden mehr und mehr dominiert von Themen wie Wiedersehensfreude und Rückkehr. Er bemerkte den Reisesack in Laslows Zimmer, wann immer er nachts zu ihm schlich, um zwischen Küssen und Berührungen jedes Wort zu ersticken, das er sonst hätte sprechen mögen.

Niles wollte nichts davon hören.

Nicht, warum er ging. Nicht, wohin er ging. Nicht, warum er nie wiederkehren würde. Er war sich sicher, er würde nicht.

 

Der endgültige Frieden zwischen Nohr und Hoshido, der Tag, an dem König Xander und König Ryoma sich die Hände reichten, war auch der Tag, an dem zwischen Laslow, Odin und Selena eine Aufbruchsstimmung begann, die beinahe greifbar war. Kaum zurück in Schloss Krakenburg verschwanden sie alle drei in ihren Zimmern. Niles vermutete, um ein letztes Mal ihr Gepäck zu überprüfen. Gedanklich Abschied zu nehmen. Keiner von ihnen wirkte, als würde er es mit Worten tun wollen.

Sie waren so feige, ungesehen zu verschwinden.

Aber natürlich. Es tat weniger weh, sich nicht verabschieden zu müssen. Es war einfacher, sich nicht rechtfertigen zu müssen. Nicht erklären zu müssen, weshalb man alles wegwarf, das man über Jahre hinweg erreicht hatte. Wie man welche Heimat auch immer gegen einen gemeinsam gefochtenen Krieg aufwog, gegen Bande, die so fest geknüpft waren, dass man meinen sollte, sie könnten nicht mehr reißen.

Niles verstand.

 

Er würde sich auch nicht verabschieden.

 

Im Schein einer Öllampe stand Laslow vor seinem Bett, starrte hinunter auf eine mickrige Ansammlung an Plunder, die sein Gepäck sein dürfte. Von seinem Platz im Türrahmen aus erkannte Niles im schummrigen Licht nichts. Laslows Körpersprache erzählte genug – er schien unsicher zu sein, ob er mit seinen Vorbereitungen zufrieden war. Ob er abwägte, welches Erinnerungsstück am Ende doch wertlos genug war, um zurückgelassen zu werden? Für jemanden wie Laslow, der so gern Erinnerungen nachhing, war das wohl keine leichte Entscheidung.

Eine Weile beobachtete er, doch es passierte nichts. Der junge Mann blieb an seinem Platz, starrte seine Besitztümer an, und kam aus dem Hadern nicht heraus. Es wurde langweilig, also stieß Niles irgendwann vernehmlich die Luft aus.

„Du gehst also.“

Laslow drehte sich nicht zu ihm um. Er spannte sich an, wie ertappt. Niles verdrehte das gesunde Auge im Angesicht von so viel Naivität. Hatte er wirklich geglaubt, niemand würde es merken? 

„Odin und Selena sind schon die ganze Zeit in Aufbruchsstimmung. Habe mich gefragt, wann ihr es endlich durchzieht.“

„Du wusstest es. Und trotzdem–“

Jetzt klang er verletzt. Sein halber Vorwurf gab ihren kleinen Stelldicheins so viel mehr Gewicht. Niles lachte.

„Warum sollte ich das Vergnügen verwehren? Sag nicht, du bereust es, Laslow.“

Langsam drehte er sich um, sah Niles nun doch an. Sein Gesichtsausdruck war nur schwer zu lesen, unerwartet gefasst. Unerwartet nicht Laslow.

„Ich bereue nicht“, erwiderte er fest. Sein Lächeln war ehrlich, „Aller Schmerz ist besser, als nie geliebt zu haben, Niles.“

Niles‘ Grinsen wurde breiter. Ihm war bewusst, wie er in Laslows Augen aussehen musste: Kalt, grausam, gemein. Nichts weiter als ein herzloses Ungetüm, das sein Vergnügen auf Kosten anderer Leute Gefühle hatte. Er wollte keinen anderen Effekt erzielen. Laslow wäre verschwunden, ohne Abschied, ohne jedes Wort. Es war nur recht und billig.

„Ich habe nicht vor, mich diesem Schmerz auszusetzen.“

Laslows Lächeln wankte. Selbst im schlechten Licht sah Niles den Schmerz, der seine Fassade durchbrach.

„…ha. Wieder ein Korb. Ich spüre die vertraute Umarmung meiner alten Freundin Ablehnung. Wie sehr ich sie doch nicht vermisst habe!“

Selbstironie. Schlechte Sprüche. Spätestens, seit Laslow selbst zugegeben hatte, dass sie nichts als hohle Worte waren, maß Niles ihnen keine Bedeutung mehr bei. Er trat näher zu ihm hin, packte ihn grob bei den Handgelenken.

„Spar dir dein Theater, Laslow.“

Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Presste die Lippen zusammen und senkte schuldbewusst den Blick. Ihm wurde wohl selbst bewusst, dass er unfair wurde. Niles‘ Blick wurde sanfter, ungesehen.

„Hör mir lieber bis zum Ende zu. Lord Leo braucht jetzt vieles, aber keinen räudigen Straßenköter an seiner Seite. Ich bin nicht gut für seinen Ruf, egal, wie sehr ich mich im Krieg bewährt habe. Was soll ein Mann wie ich schon dienen können jetzt im Frieden, der nichts gelernt hat als zu stehlen und zu töten? Es ist in unser beider Interesse, wenn ich nicht an seiner Seite bleibe.“

Hoffnung, nur ein kurzes Flackern. Unglaube. Angst, dass er doch falsch interpretierte. Laslow sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen.

„Niles–?“

„Schau nicht so. Du hast mich richtig verstanden.“

Überzeugt sah Laslow nicht aus. Niles schüttelte den Kopf, hob eine Hand an seine Wange. In einem längst vertraut gewordenen Reflex schmiegte Laslow sich der Berührung entgegen und schloss die Augen. Beruhigte sich.

„Wohin es dich auch zieht, ich werde dich begleiten. In fremde Länder. Fremde Welten.“ – Laslow zuckte ertappt zusammen. Das erklärte, warum Niles nie Spuren dieser Leute irgendwo gefunden hatte. – „Ich habe die Hölle schon gesehen. Mich kann nichts mehr erschüttern.“

 

Einen langen Moment herrschte Stille zwischen ihnen. In Laslows inzwischen wieder geöffneten Augen spiegelten sich Überlegungen, die Niles nicht verstand. Irgendwann schien er zu einer Erkenntnis zu kommen, und plötzlich blitzten gleichermaßen Schalk und Unsicherheit in seinem Blick.

„Auch nicht, dass ich ein Prinz bin?“

Niles lachte. Manchmal fiel einem einfach nichts anderes mehr ein.

 

„… Punkt für dich.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Arcturus
2019-10-08T18:29:49+00:00 08.10.2019 20:29
> Odins Theater und die langatmigen Reden, die er niemandem als sich selbst hielt, wurden mehr und mehr dominiert von Themen wie Wiedersehensfreude und Rückkehr.
 
Das macht mir Angst. x’D
 
> Es wurde langweilig
 
Das ist auch typisch... *hust*
 
> Das erklärte, warum Niles nie Spuren dieser Leute irgendwo gefunden hatte.
 
Das war link, Niles.
 
> „Auch nicht, dass ich ein Prinz bin?“
 
*kicher*
Und an diesem Punkt stelle ich mir die Familienzusammenführung vor. Ich frage mich ja, wen die mehr schocken würde. Niles oder Chrom. *hust*
 
Jedenfalls ... daaaaaaaaaaaaaaaaaanke Danke, danke, danke, danke. Danke für diese sehr inigoige, laslowige, nilesige Fanfic. Daaaanke! ♥♥♥
Antwort von:  Puppenspieler
08.10.2019 20:33
Keine Angst haben! XD Wäre schlecht, wenn Odin dir Albträume beschert.

Aaach. Nilesy ist doch ein Lieber. <3

Also. Ich- ich glaube, Niles ist mehr geschockt als Chrom. Der sammelt doch gern fragwürdige Leute vom Straßenrand auf, den dürfte das also nicht soooo sehr jucken...
Die Vorstellung ist aber wirklich glorreich.

Sehr, sehr, sehr, SEHR GERNE!!!! *^*
Ich würde ja sagen, jederzeit wieder, aber für dich gibt's dann wohl als nächstes eher Baumhäuser, wenn es nochmal Fire Emblem wird! XD ♥♥♥♥♥
Antwort von: Arcturus
08.10.2019 20:35
Du weißt, Odin ist eine Gratwanderung für sich. Der Schwall der grausig strahlenden Verderbnis!!!!!
Und so. xD

Ja, stimmt auch wieder. Chrom ist ja nicht nur ein Jäger, sondern auch ein Sammler. Aber Niles ... diesen Schwiegervater. Diese Schwiegermutter. Diese Schwägerin. Und OH GOTT IST DAS MINI-ODIN?!?!?!?!? (insert Mini-Schwall here.)

Jep, Baumhäuser ist wahrscheinlicher. Wobei, dürfte ja eh dauern. Außer, sie verteilen sich.
Antwort von:  Puppenspieler
08.10.2019 20:38
Ja, das... ja. Trifft es perfekt. XDDD Oh mein Gott!

Niles kann einem schon leidtun, irgendwie. Alles anstrengende Leute - aber er hat es sich ausgesucht, er soll bloß nicht weinen. Und den Mini-Odin soll er positiv sehen! Der lässt sich sicher noch positiv beeinflussen... vielleicht... mit viel Glück und überzeugendem Geschwurbel...

Ich habe Hoffnung! Außerdem gibt's ja vielleicht wirklich Notfall-One-Shots.


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