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Leichtsinn ist kein Mut

KagaKuro | Wichtelgeschichte
von

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■ five ■

„Schneller, schneller!“, rief der kleine Junge aufgeregt und deutete mit ausgestreckter Hand auf das imposante Gebäude.

„Masaru-kun, es ist unhöflich –“, setzte Kuroko an, doch er merkte schnell, dass man ihm kein bisschen zuhörte. Das Funkeln in den dunklen Augen war zu enthusiastisch, die kleinen Beinchen zu zappelig, um an diesem Tag auch nur irgendetwas über Verhaltensregeln aufzunehmen.

Kuroko konnte es ihm nicht verübeln, er selbst spürte die Aufregung ebenfalls, auch wenn man ihm diese grundsätzlich nicht ansah. Seit Masaru vor drei Wochen – eine Woche vor ihm – aus dem Krankenhaus entlassen worden war, sprach er von nichts anderem, als den echten Toyotomi Hideyoshi treffen zu wollen. Es hatte nicht besonders lange gedauert, bis Kuroko herausgefunden hatte, wer Masarus neuer Held war – und er konnte ihm nur stumm beipflichten. Er kannte keine mutigere Person.

Kuroko ließ den Jungen nicht aus den Augen, als sie das Verwaltungsgebäude der Feuerwehr betraten. So merkte er auch mit Verspätung, dass jemand bereits im Eingangsbereich auf sie wartete.

Als sich ihre Blicke trafen, erkannte er angenehme Heiterkeit auf Kagamis Gesicht. Er trug seine Uniform, die sauber war und hatte seinen Helm unter den Arm geklemmt. Die roten Haare standen in alle Richtungen ab und die Kette, an der er Himuros Freundschaftsbeweis in Form eines Rings trug, klimperte leise, als Kagami das Gewicht verlagerte. Ein dezentes Gefühl von Nostalgie ergriff von Kuroko Besitz und er war froh, Kagami ausgeruht und gut gelaunt zu sehen.

„Hallo“, grüßte er kurz angebunden, ehe er einen Blick hinab zu Masaru warf. „Sag »hallo«, Masaru-kun.“

Auch diese Worte schienen die Ohren des Jungen nicht zu erreichen, denn er starrte voller Ehrfurcht zu Kagami hinauf. Im ersten Moment glaubte Kuroko, dass Masaru hinter ihm in Deckung gehen würde, doch dann rannte er urplötzlich auf Kagami zu.

„Hiyoshi! Hiyoshi!“, trällerte er lachend und sprang Kagami mit einem Satz entgegen. Bevor dieser sich hinab beugen und Masaru perplex auffangen konnte, hatte sich dieser unlängst wie ein Äffchen an sein Bein geklammert.

„Uh – ähm – huh“, drang es unschlüssig aus Kagamis Mund und Kuroko fing seinen ratlosen Blick auf. „Hiyoshi? Verwechselt er mich?“

Kuroko schenkte ihm ein seltenes, breites Schmunzeln.

„Nein. Vielen Dank, dass du uns den Besuch ermöglicht hast, Kagami-kun.“
 

„Sie haben mir Masaru-kun heute erneut anvertraut“, sagte Kuroko leise, nachdem er es mit Mühe fertiggebracht hatte, Kagami aus dem Klammergriff des Jungen zu befreien.

„Natürlich haben sie das“, schnaufte Kagami und runzelte die Stirn, als würde er Kurokos Zweifel nicht nachvollziehen können. „Du läufst in ein brennendes Haus, um den Racker zu retten – es gibt also vermutlich keine Person, mit der er sicherer wäre.“

Kagamis direkte, ehrliche Worte sorgten dafür, dass Kuroko sich etwas besser fühlte. Er senkte den Blick auf den Haarschopf Masarus, dessen gesamte Aufmerksamkeit noch immer Kagami galt. Sein Mund stand bereits seit ungefähr fünf Minuten offen und wollte sich nicht schließen.

„Geht es dir gut?“ Die Frage hörte sich an, als läge sie schon lange auf Kagamis Zunge. Er musste sich zusammengerissen haben, um ihn nicht sofort damit zu überrumpeln.

„Ja“, antwortete er einsilbig. Dies schien Kagami zu genügen, denn seine gestrafften Schultern entspannten sich.

„Hiyoshi-san, darf ich ihn sehen?“, mischte sich Masaru zunächst ohne Kontext ein, doch spätestens, als ein brummendes Geräusch seinen Mund verließ, lag auf der Hand, was er sehen wollte.

„Ja, dürfen wir ihn sehen, Kagami-kun?“, schnappte Kuroko die Worte Masarus auf.

„Klar. Aber dafür müssen wir die Rutschstange benutzen. Kommst du damit klar?“

Masaru nickte so intensiv, dass er auf und ab sprang.
 

„Nochmal!“, forderte Masaru, als er, an Kagami geklammert, sanft im Erdgeschoss ankam. Kagami lachte und ließ die Stange los, um ihn auf den Boden abzusetzen.

„Schaffst du es allein, Kuroko?“

Von oben hinab blickend, nickte Kuroko Kagami zu und benutzte die Rutschstange gemäß seiner Anweisung. Er war noch immer nicht besonders gut darin, Dinge zu erklären, weshalb Kuroko seiner eigenen Tempoeinschätzung vertrauen musste, als er hinab rutschte, doch es ging langsam genug voran, um die Aufgabe problemlos zu meistern.

Bevor er mit den Füßen auf dem Boden aufkam, griffen starke Hände um seine Taille und zogen ihn von der Stange.

„Kagami-kun, ich bin kein Kind“, merkte Kuroko trocken an.

„‘tschuldigung, hatte ich seit deiner dummen Entscheidung nicht mehr im Kopf“, brummte Kagami und mied plötzlich jedweden Blickkontakt.

„Du bist wütend“, stellte Kuroko sachlich fest, als er versuchte Kagami ein Loch in die Wange zu starren. „Immer noch.“

„Natürlich!“, platzte es aus Kagami heraus. „Du weißt gar nicht, was ich… wie ich…“ Ohne auch nur einen Gedanken vollends zu artikulieren, verpasste er Kuroko in seiner Frustration eine saftige Kopfnuss, die ihn zusammenzucken ließ.

„Es tut mir leid, Kagami-kun. Ich werde mich so lange entschuldigen, bis du nicht mehr verärgert bist“, bot er an und rieb sich die schmerzende Stelle, doch als Kagami nicht reagierte, beschlich ihn die Vermutung, dass selbst dies nicht helfen würde.

„Ich darf meine Stelle behalten“, wechselte Kuroko das Thema und durfte dabei zusehen, wie der Fisch den Köder schluckte. Kagami sah ihn wieder an, wenn auch nur über die Schulter hinweg.

„Das ist gut. Wird der Kindergarten wiederaufgebaut?“

„Ja, aber es wird eine Weile dauern. Masaru besucht derzeit einen anderen, die anderen Kinder ebenfalls. Die Ursache des Brands war der defekte Ofen, den das Küchenpersonal benutzt hat, um das Mittagessen vorzubereiten.“

„In der Zeitung hat man dich mutig genannt. Riesengroßer Mist, wenn du mich fragst. Du warst leichtsinnig, nichts anderes. Oder hast mir nicht genug vertraut“, sprach Kagami ohne seine Worte zu filtern. Kuroko akzeptierte sie stumm. „Was hat der Coach gesagt?“

„Nicht viel. Sie war zu sehr damit beschäftigt, mich in ihrem Würgegriff festzuhalten“, gestand Kuroko unumwunden.

Kurzzeitig legte sich ein geladenes Schweigen über sie, bis dieses von Masarus Stimme durchbrochen wurde.

„Da ist er!“, quietschte er begeistert und deutete auf den Feuerwehrwagen. Sofort sprintete er los, um ihn aus nächster Nähe zu betrachten.

„Bleib in der Nähe, Masaru-kun!“, rief Kuroko ihm hinterher. Eine Weile sah er dem Jungen dabei zu, wie er um das Fahrzeug tänzelte und nicht genug von diesem Anblick bekommen konnte. Wahrscheinlich dachte er darüber nach, eines Tages in Kagamis Fußstapfen zu treten. Kinderträume waren wechselhaft wie das Wetter, aber manche Ereignisse prägten einen für das ganze Leben. Kuroko konnte es kaum erwarten, Hyuuga Masaru heranwachsen zu sehen.

„Kagami-kun“, murmelte er und trat an seinen Freund heran, bis dieser keine Wahl hatte, als seinem durchleuchtenden Blick zu begegnen. „Ich kann dir nicht versprechen, dass ich nicht wieder etwas Leichtsinniges tun werde, um die Kinder zu schützen, die noch ihr ganzes, aufregendes Leben vor sich haben. Aber ich kann dir versprechen, dass ich beim nächsten Mal auf dich… warten werde.“

Die rötlich schimmernden Augen weiteten sich. Kagami stammelte ein paar unverständliche Silben, ehe er sich räusperte.

„Fein, das sollte genügen.“

Kagami hob die Hand, ballte sie zur Faust und streckte sie auffordernd Kuroko entgegen, um dieses Versprechen entsprechend zu besiegeln. Es war eine so vertraute Geste, dass Kuroko einen Moment lang vergaß zu atmen. Erinnerungen und Empfindungen, die er sicher in seinem Herzen aufbewahrte, quollen über und erfüllten seine Brust mit einem warmen Kribbeln. Er streckte seine Hand ebenfalls aus, doch statt den Fauststoß zu erwidern, umschloss er Kagamis Finger sanft und löste sie aus der Verschränkung.

Im Krankenhaus war er zu schwach gewesen, um die große Hand, die ihn und Masaru beschützt hatte, mit dem verdienten Druck festzuhalten, doch nun war er dazu in der Lage. Sie war rau und die Haut abgenutzt, doch Kuroko empfand nichts anderes als Geborgenheit und Zuneigung, als er sie sachte, aber entschlossen drückte.

„Kagami-kun“, begann er, doch bevor er auch nur ein weiteres Wort sagen konnte, vollzog Kagami eine plötzliche Bewegung mit der freien Hand. Schon im nächsten Augenblick konnte Kuroko nichts sehen. Kagamis Plastikhelm, viel zu groß für ihn, war auf seinem Kopf gelandet und versperrte ihm die Sicht.

„Kagami-kun?“, wiederholte er, dieses Mal verdutzt.

Kuroko spürte einen sanften Druck, der gegen seine Stirn ausgeübt wurde. Überrascht kam er zu dem Schluss, dass Kagami seinen Kopf gegen seinen gelehnt und den Abstand zwischen ihnen verringert hatte.

„Kagami-kun, ich kann deinen Atem spüren“, kommentierte Kuroko unverblümt und sah unter dem Rand des gelben Helms gerade noch so, wie sich Kagamis Adamsapfel bewegte, als er schwer schluckte.

„Stört dich das?“, hauchte er zittrig.

Kuroko musste nicht eine Sekunde darüber nachdenken.

„Nein.“

In der Ferne hörte er Masarus ungeduldiges Quengeln, doch weder er, noch Kagami machten Anstalten sich zu rühren. Endlose Sekunden verstrichen. Schließlich war es Kurokos Pflichtbewusstsein, das sich meldete.

„Geh. Ich warte hier“, flüsterte er, seine Worte bedeutungsschwer. Nur zögerlich richtete sich Kagami wieder auf. Seine Hand zog er erst im allerletzten Moment zurück – als Kuroko sich schon längst den Helm abgenommen hatte, um wieder zu sehen.

Kagami nickte und wandte sich ab, um Masaru den Feuerwehrwagen zu zeigen, so wie er es versprochen hatte. Auch Kuroko würde alle Versprechen an diesem Tag halten. Es war in Ordnung, er würde warten. Das Warten machte ihm nichts aus, weil er das Gefühl hatte, etwas entfacht zu haben, das nicht gelöscht werden musste.



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