Zum Inhalt der Seite

und dann war alles anders

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Samstag, 8. September 2018

Nichts.

Die ganze Woche über keinen Ton von Marco, an wen er denn gedacht hatte.

Wen hatte ich denn nun geküsst?

Hatte er mit ihm gesprochen?

Und wenn ja: Wollte er dann vielleicht einfach nichts von mir und war schlicht genauso betrunken gewesen wie ich?

Nein…

Eigentlich hatte er einen ganz leichten alkoholischen Geschmack gehabt. So als hätte er maximal ein Bier getrunken, wenn überhaupt.

Warum also?

Warum sagte Marco mir nichts.

„Das ist komisch.“, entschied Lavinia und planschte mit den Füßen im Pool unserer Villa. „Zu mir hat er auf jeden Fall auch nichts gesagt. Nicht einmal, dass er einen Verdacht hat, wer es war.“, erklärte sie mir und sah entschuldigend zu mir rüber.

Ich seufzte und nickte, dann sahen wir beide hinüber zu Nahele, der ein paar Bahnen schwamm. Hinter uns auf einer der Liegen kicherte Grace unaufhörlich. Wir hatten aufgegeben zu versuchen sie in unser Gespräch einzubinden.

Mit wem auch immer sie schrieb, sie war so versunken, dass sie uns gar nicht mehr wahrnahm.

„Fragen wir ihn einfach, wenn er wieder raus kommt.“, entschied Elli und beugte sich leicht vor, um mit den Händen durch die Oberfläche zu streichen.

Vini und ich nickten.

„Was ist eigentlich mit dir los, Elli?“, fragte die Pinke dann. Verständnislos sah unsere Freundin auf und blinzelte.

„Wieso? Was soll mit mir sein?“

„Na du warst fast die ganze Woche krankgeschrieben…“

… Und dem fragenden Blick von Vini nach zu urteilen, wollte sie dann doch noch eine Erklärung für die Sache mit Coach Graham, aber ich konnte ihr nachfühlen, warum sie nicht fragte…

Ich traute mich ja auch nicht das Gesehene zum Thema zu machen.

Außerdem: Es war doch zu absurd…

Oder nicht?

Elli winkte ab.

„Eine Magenverstimmung. Keine Ahnung. Vielleicht ein kurzer Infekt oder ich habe was Falsches gegessen, fragt mich bitte nicht.“

„Aber es geht dir besser ja?“

„Ein wenig.“, sie zuckte die Schultern. „Aber zumindest habe ich mich seit zwei Tagen nicht mehr übergeben.“, sie grinste breit, was uns zum Lachen brachte.

„Hättet ihr mir nicht sagen können, dass Mütter anstrengend sind?“, fragte Marco da gerade und glitt gestresste neben Lavinia ins Wasser.

„Ich hatte keine Ahnung, tut mir leid.“, rechtfertigte ich mich.

„Ich dachte nur meine Mutter wäre so…“, überlegte Elli.

„Also ich vermisse meine Mama…“, Lavinia seufzte und bewegte weiter die Beine durch das Wasser.

„Wie geht es ihr denn?“, fragte ich mitfühlend und sah, wie nun auch Nahele wieder unsere Richtung einschlug.

„Besser, laut unserem letzten Skype-Telefonat. Aber es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sie wieder richtig laufen kann und die Hand-Augen-Koordination wieder halbwegs vernünftig funktioniert…“

„Da hatte ich noch echt Glück.“, entschied ich in die Runde und die anderen nickten.

Marco hielt sich zwischen Lavinia und mir an der Poolwand fest und sah wie wir zu Nahele, der gerade neben Elli den Rand erreichte.

„Wie läuft es drin?“, fragte er Marco – komischer Weise redeten die beiden auf einmal völlig normal und gelassen miteinander.

„Sie stellt alles auf den Kopf.“, Marco seufzte. „Sie meinte, dass Salon und Esszimmer nicht ordentlich sind und scheucht die Zimmermädchen umher.“

„Am liebsten würde sie alles rausreißen und neu gestalten.“, pflichtete ich ihm bei.

Es ging um seine Mutter. Nachdem Marco ihr am Donnerstag gesagt hatte, dass wir uns beide „sehr freuen“ würden, wenn sie einzöge, war sie bereits heute – nur zwei Tage später – mit Sack und Pack bei uns eingetroffen.

Wir waren mehr als überrumpelt gewesen, aber was hätten wir tun sollen?

Sie wieder wegschicken?

Wir hatten sie ja selbst eingeladen zu bleiben…

„Ich habe ihr gesagt, dass wir das nicht wollen.“, versuchte Marco mich zu beruhigen, aber ich hatte dennoch ein komisches Gefühl bei der Sache.

„Sie wollte in Vaters Zimmer einziehen.“, erklärte ich missmutig und Marco senkte schuldbewusst den Kopf.

„Was? In das Master-Schlafzimmer?“, den anderen drei klappte die Kinnlade runter.

„Hey, worum geht es?“, fragte Grace gut gelaunt, als sie sich endlich neben Elli auf den Poolrand setzte.

„Um die Mutter von Marco.“, klärte Nahele sie auf.

„Das war die große Brünette mit den Katzenaugen, oder?“, fragte sie und Marco nickte.

„Korrekt.“

„Die macht mir irgendwie Angst.“

Lavinia und ich steckten die Köpfe zusammen und kicherten.

„Habt ihr euch das gut überlegt? Also dass sie hier einzieht?“, fragte Nahele Marco und er nickte, machte aber keinen sonderlich überzeugten Eindruck.

„Wir kriegen das schon hin… irgendwie…“, verkündete ich und mein Bruder sah mich dankbar lächelnd an.

„Na was kann sie schon machen?“, ich zuckte die Schultern. „Trennen wird sie uns nicht können. Das hier ist unser beider Zuhause. Wir haben das zusammen geerbt und sie ist eigentlich nur ein Gast, oder?“

Die anderen stimmten mir einvernehmlich zu.

Jemand griff nach meinen Knien.

Verwirrt sah ich auf meine Beine hinab, die Marco auseinander schob.

„Hey! Nicht hier ihr Schmutzfinke!“, kicherte Lavinia und spritzte Wasser nach ihm.

„Nicht hinschauen Mädels, das ist nicht jugendfrei!“, Nahele versuchte irgendwie Elli und Grace die Augen zuzuhalten, was aber nicht wirklich funktioniert.

„Ihr seid echt schlimmer als jedes Kleinkind.“, grummelte Marco, schob sich zwischen meine Beine und schlang die Arme um meine Hüfte.

Einfach nur schlicht dankbar legte er den Kopf an meinen Bauch und schloss die Augen.

„Och wie süß.“, machte Lavinia und wuschelte ihm durch das dichte, schwarze Haar.

„Hey!“, protestierte er lachend.

„So ein süßes Baby!“, pflichtete ich Vini lachend bei.

Fehler.

Seine Arme schraubte sich fest um meinen Körper und er stieß sich vom Beckenrand ab.

„NEIN!“, schrie ich lachend und packte Lavinia am Arm, die schadenfroh loslachte.

Doch mit einem Platschen landeten wir beide in dem erfrischenden Becken.

Pustend kam ich wieder hoch und strich mir die Haare aus dem Gesicht.

Lavinia rieb sich die Augen – noch immer kichernd.

Grace und Elli schrien auf und ruderten zeternd mit den Armen. Nahele war scheinbar aus dem Wasser geklettert, hatte sie in das Becken geschuppst und sprang nun mit einer großen Arschbombe zurück in das Nass. Elli und Grace quiekten auf, während Marco schon die Arme aus dem Wasser streckte und klatschte.

Zur Strafe drückten Vini und ich ihn zeitgleich unter Wasser.

Wir tollten und jagten uns gegenseitig durch den Pool.

Kaum zu glauben.

Marco war einer unserer Gruppe.

Wie war das nur Geschehen?

Weil Vater verstorben war? Hatte ihn das so sehr aus der Bahn geworfen?

Musste denn erst ein Mensch sein Leben lassen, damit wir beide wie Freunde miteinander umgehen konnten?

Ausgerechnet unser Vater?

Als Lavinia auf der Flucht vor Marco aus dem Wasser stieg und los rannte, lief sie beinahe in eine Frau hinein.

Marcos Mutter.

Freundlich lächelnd – wie immer eigentlich – trat sie zu uns an den Pool und beobachtete uns.

„Oh, Entschuldigung, Ma’am.“, bat unsere Freundin und wich instinktiv ein paar Schritte zurück.

Marco fixierte seine Mutter und stellte sich langsam hinter Lavinia.

„Aber nicht doch, nicht doch, meine Liebe.“, sang sie ungemein freundlich. Wir im Pool verbliebenen sahen uns kurz an und kletterten dann ebenfalls aus dem Wasser.

„Du musst Lavinia sein, habe ich recht?“, sie reichte ihr die Hand. Vini sah kurz beinahe eingeschüchtert auf die Finger hinab, ergriff sie dann aber.

„Ja, Lavinia Albrecht.“

„Es freut mich sehr deine Bekanntschaft zu machen. Endlich. Ich habe schon viel von dir gehört. Ich bin Celin Florentin, Marcos Mutter. Nenn mich ruhig Celin.“

Ich blinzelte und sah meine Freunde an. So freundlich war sie tatsächlich nicht zu mir gewesen!

„Wer sind deine anderen Freunde, mein Liebling?“, fragte Miss Florentin weiter und sah nun zu uns.

Marco nickte.

„Das sind Elli, Grace und Nahele. Er ist der Quarterback meiner Mannschaft.“

„Der Quarterback!“, stieß sie beinahe freudestrahlend aus.

Was hatte sie bitte mit Quarterbacks?

„Wenn ich das gewusst hätte…“

Dann was?

Sie betrachtete Nahele eingehend von oben bis unten, was dem wohl sichtlich widerstrebte. Unsicher sah er zu mir und dann zu Marco und Lavinia, die zwischen Miss Florentin und Nahele hin und her sahen.

Man, diese Andeutung war einfach nur widerlich.

„Nun ja, wie dem auch sei. Ich muss euch jetzt bitten zu gehen, Kinder.“

Mir fiel die Kinnlade runter. Wie konnte sie es wagen MEINE Freunde aus MEINEM Haus zu schmeißen?

„Mam, eigentlich hatten wir geplant zusammen hier zu essen.“, klärte Marco sie auf, doch sie winkte ab, als wäre sein Wort unwichtig.

„Das tun wir auch. Ich habe bereits decken lassen. Kommt rein, meine Lieben. Ihr werdet begeistert sein von dem, was uns das Küchenpersonal gezaubert hat.“, es war auffällig, wie sie nur Marco und Lavinia ansah.

Mir klappte der Mund auf, aber die Zurechtweisung gegenüber der Älteren blieb mir im Halse stecken.

Ich selbst würde mich so beschreiben, dass ich normal um kein Wort verlegen war, doch Nana hatte mich so nicht erzogen, dass ich eine ältere Person verbal angriff.

Egal was in meinem Kopf gerade vor sich ging.

Noch dazu: Es war doch Marcos Mutter.

Ich sah zu meinem Bruder. Er schien ebenso fassungs- und hilflos zu sein wie ich.

Wie konnte sie einfach meine Freunde rauswerfen?

Schlimmer noch: Marco war doch jetzt auch ein Freund von uns, oder nicht?

Sie hatte einfach seine Freunde aus dem Haus geworfen.

Wie konnte sie das tun?

Sie war doch nur ein Gast!

Lavinia sah verloren zu Nahele und dann zu Marco hinauf.

„Ach, wisst ihr was? Ich muss eh los.“, versuchte Grace die Stimmung zu entschärfen indem sie so tat, als mache ihr dieser Arschtritt nichts aus. „Ich wette mein Schatz wird sich freuen, wenn ich etwas früher zu ihm komme als geplant.“, sie zwinkerte uns gutgelaunt zu und raffte ihre Sachen zusammen.

Nahele nickte.

„Ist gut. Wo soll ich dich absetzen? Wohnheim?“

„Ja bitte.“

„Nimmst du mich auch mit?“, fragte Elli kleinlaut.

„Klar.“

Meine Freunde nahmen sich ihre Klamotten und Taschen und verabschiedeten sich erst von mir.

„Wir telefonieren nachher bestimmt.“, flüsterte Nahele mir zu. Ich nickte nur perplex und folgte den dreien zu Lavinia und Marco.

Als sie sich schließlich auch mit kurzem Handdruck bei Miss Florentin verabschiedeten – was der sichtlich missfiel, ihrer Handhaltung danach zu urteilen, sah Marco mich und Lavinia an.

„Na dann lasst uns mal essen. Ich habe schon kräftig Hunger und ihr?“

Lavinia nickte dankbar, sah aber ihrem Cousin, der nur langsam den anderen beiden Mädels folgte, wehleidig hinterher.

„Oh, tut mir leid, aber Serena habe ich nicht mit eingeplant.“, sprach Marcos Mutter gut gelaunt und selbst meine Freunde, die eben durch die Verandatür verschwinden wollten, sahen sich überrascht an.

Als uns das Gesagte erreichte sah man jedem von uns deutlich an, wie schockiert wir waren.

„Bitte was?“, fragte ich nun ungläubig.

„Ich bin mir sicher, dass du“ – SIE! Verdammt! SIE! Ich wollte nicht, dass diese Person mich duzte, jetzt noch viel weniger! – „verstehst, dass ich diesen besonderen Abend nur mit meinem Sohn und seiner wunderschönen Freundin verbringen möchte. Ich bin mir sicher, dass du ein anderes Arrangement finden wirst.“

Langsam kroch die Wut in mir hoch.

Erst meine Freunde und jetzt ich?

Sie wollte mich wirklich aus dem Haus werfen?

Sie war MEIN Gast und nicht anders herum!

Gut, sie hatte es nicht so direkt gesagt, aber im Prinzip war das doch die Kernaussage ihrer Worte, oder: „Verschwinde!“

Am liebsten hätte ich sie rausgeschmissen.

Und zwar durch eines der obersten Fenster.

Nein, am liebsten hätte ich sie mit der nächsten Rakete zum Mond befördert und sie dort ausgesetzt.

Wie konnte sie es wagen?

Ich sah finster zu meinem Bruder, der kreidebleich wurde.

Beinahe hektisch sah er zwischen seiner Mutter und mir hin und her.

Wollte er denn gar nichts dazu sagen?

Würde er mich nicht verteidigen?

Ich atmete ein paar Mal tief durch.

Schmerz schnürte mir mein Herz zu.

Warum sagte er denn nichts?

Ich schluckte schwer.

Und wenn ich sie nun rauswarf?

Wenn ich ihr sagte, dass sie zu weit ging und sich zur Hölle scheren sollte?

War dann unser Frieden wieder dahin?

Würde er Partei für seine Mutter ergreifen?

Sein Blick blieb frustriert an mir hängen.

Ja, würde er.

Er hatte sich entschieden.

Für dieses Weibsstück.

Wütend machte ich kehrt und klaubte meine Sachen zusammen.

„Serena!“, jammerte Marco, als ich an ihm vorbei marschierte und ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen in die Villa trat.

Mein Zuhause…

Aus dem ich gerade von einer Fremden vertrieben wurde.

„Sera? Liebling?“, fragte Nana verwirrt, als ich auch sie einfach wütend passierte. Sie hatte von alle dem natürlich gar nichts mitbekommen.

Ich riss die Eingangstür auf und sprang die Treppen beinahe in einem Satz runter, marschierte auf Naheles altes Auto zu.

Die Türen knallten, als wir einstiegen.

„Lasst uns irgendwo essen gehen, ich lade euch ein.“, verkündete unser Freund vom Fahrersitz aus, als er sich anschnallt.

„Und du schläfst heute bei mir.“, entschied Grace hilfsbereit.

Ich dagegen starrte nur aus dem Fenster.

Wohl bewusst, dass sich eine Träne aus meinem Augenwinkel heraus drückte.

Sie hatte mich wirklich aus meinem eigenen Haus geworfen…

Und mein Bruder ließ es zu.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück