Zum Inhalt der Seite

und dann war alles anders

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Montag, 3. September 2018

Labor Day…

Es regnete…

Und ich saß alleine Zuhause.

Was für ein Mist.

Grace war verabredet.

Elli war verabredet.

Nahele war mit seinen Eltern weg und Lavinia mit Marco unterwegs.

Tolle Bescherung.

Antriebslos saß ich auf der Couch im Salon und blätterte in dem Buch, das wir für Englisch lesen sollten.

Es war so ruhig im Haus. Jeder stellte sich wohl die Frage, wie es nun weitergehen sollte. Nicht wenige sahen sich bestimmt bereits nach einem neuen Job um…

Nana servierte mir Kakao und Torte und versuchte mich von dem Buch abzulenken. Viel verstand ich ohnehin nicht von dem, was da geschrieben stand. Ich war mit den Gedanken ganz woanders. Wir unterhielten uns gerade über die Möglichkeit mir ein neues Auto zu besorgen, als Mr Sanchez, der Anwalt meines Vaters, von unserem Butler hereingeführt wurde.

Bei meinem Anblick zwang er sich zu einem Lächeln, das ihm nur mittelprächtig glückte. Es war nicht so, dass er mich nicht leiden konnte – eigentlich kannte er mich ja kaum – er wusste nur nicht, wie er mir am besten begegnen sollte.

So nahm er schlicht eine meiner Hände und drückte sie fest mit seinen, beteuerte dabei immer wieder sein Beileid.

Seine und Nanas Gesellschaft war angespannt. Die zwei versuchten ungezwungen ein Gespräch zu beginnen und regten sich halbherzig darüber auf, dass ich an einem Feiertag für die Schule die Nase in ein Buch stecken musste, doch zum Lächeln brachte mich auch das nicht.

Was würde geschehen, wenn er uns eröffnete, dass Vater rein gar kein Geld mehr besaß? Dass er es für irgendwas verschleudert hatte und wir nun pleite waren?

Ach, was für ein Unfug.

Nicht Dad! Niemals!

Schließlich kehrte auch Marco heim – Nana hatte ihm gesagt, dass er zum Kaffee wieder in der Villa sein sollte.

Natürlich hatte er Lavinia im Schlepptau.

„Ah, Mr Matthews“, begrüßte der Anwalt ihn und strich sich sein Sakko glatt, als er sich erhob.

Unsicher betrat mein Bruder den Salon und sah die Anwesenden an. Lavinia folgte ihm einfach.

Sofort sprang Nana auf.

„Setz dich doch schon einmal, mein Liebling.“, bat Nana Marco und griff mütterlich nach Lavinias Hand, um sie wieder hinaus zu führen. Was hier besprochen werden sollte, betraf immerhin ausschließlich die Familie.

Sie führte sie in Richtung Küche davon, während Marco zu uns rüber kam.

Er gab Mr Sanchez die Hand und wandte sich dann mir zu.

Der Anwalt straffte die Schulter und wartete wohl auf eine große Explosion – unser Hass zueinander war auch in Vaters engerem Kreis legendär – doch es geschah nichts.

„Hi“, flüsterte Marco mir zu drückte mit beiden Händen meine Schultern.

Ich musste lächeln. Es war schön seine Wärme und Nähe zu spüren. Es gab mir die Sicherheit, dass wir das hier zusammen durchstehen konnten, egal was geschehen würde.

Ich sah zu ihm auf, doch er fixierte nur einen der Stühle und zog ihn zu mir heran.

Schwerfällig ließ er sich darauf fallen und legte einen Arm über meine Lehne.

Sein Herrenduft stieg mir in die Nase und ich atmete einmal tief durch.

Die Salontür wurde geschlossen und Nana gesellte sich wieder zu uns. Sie schenkte uns ein warmes Lächeln doch in ihrem Blick war deutlich zu lesen wie traurig sie dennoch war.

„Wo wir nun vollständig sind, können wir beginnen.“, sprach Vaters Anwalt und öffnete seine Mappe, die er mitgebracht hatte.

Nervös spielte ich mit meinen Fingern und sah auf die Tischplatte.

Jetzt kam sie sicher – die Offenbarung, dass wir uns unser bisheriges Leben nicht mehr leisten konnten…

Ich hatte ungeheure Angst davor und kam mir unglaublich schäbig vor, dass ich nur daran denken konnte mein weiches Bettchen und meine ganzen Kleider zu verlieren, obwohl doch etwas viel Wichtigeres aus unserem Leben verschwunden war: Unser Dad.

Das Problem war nur: Über Dad kamen wir wohl irgendwann hinweg. Er war nie da gewesen. Wir waren von Angestellten aufgezogen worden, während er in der Welt herum reiste. Wir haben ihn nur selten zu Gesicht bekommen. Viel würde sich daher nach seinem Tod nicht ändern…

Nicht im Zusammenhang mit ihm.

Aber unsere Umgebung und unser Lebensstandard vielleicht schon?

Hilfesuchend sah ich zu Marco, der den Blick gleich bemerkte und mich einen Moment ansah.

„Ah, hier ist es.“, Mr Sanchez zog das Testament aus der Mappe und setzte sich eine Lesebrille auf.

Das Dokument begann mit dem Namen und den Geburtsdaten unseres Vaters und ich spürte den Druck meines Bruders gegen meine Schulter.

Sanft zog er mich an sich und hielt mich fest.

Nana schien förmlich das Herz aufzugehen, als auch sie näher rückte und jeweils eine unserer Hände in ihre nahm und sie fest hielt.

Es folgte eine Aufzählung aller Besitzstände unseres Vaters, die irgendeinen Wert hatten – die Villa, das Penthouse, eine Jacht, diverse Autos – auch mein zu Schrott Gefahrenes war noch darunter – und vor allem sein großes, global agierendes Unternehmen zusammen mit den Anteilen sämtlicher Tochterfirmen.

Alles in Allem wurde das Vermögen auf mehrere Millionen Dollar geschätzt und ich musste zugeben, dass mir ein Stein vom Herzen fiel.

Damit müssten wir doch wenigstens einige Zeit lang gut leben können, oder?

Wie viel kostete das Leben eigentlich?

Ich hatte wirklich keine Ahnung vom Umgang mit Geld. Ich musste mir nie Gedanken darüber machen.

Ich fühlte mich schlecht, als mich diese Erkenntnis überrollte. So bekam ich nur am Rande mit, dass das gesamte Vermögen uns zu gleichen Teilen zugesprochen wurde, wobei Mr Sanchez uns bis wir 21 Jahre alt sein würden, zur Seite stünde.

Weiterhin las er vor: „Bis zum 18. Geburtstag meines Sohnes Marco im September 2018, soll meine Haushälterin Miss Natalya Jacobs die Vormundschaft über meine beiden Kinder übernehmen. In der Hoffnung, dass Marco und Serena bis dahin endlich ihre Streitereien begraben, wünsche ich mir, dass mein Sohn anschließend als neues Familienoberhaupt die Fürsorge für seine Schwester übernimmt, bis sie im Januar 2019 ebenfalls 18 Jahre alt wird. Sie sollen sich gegenseitig immer unterstützen und lernen zusammenzuhalten – wie eine richtige Familie.“

Oh je, ob das eine so gute Idee war?

Nana neben mir schniefte leise und strich sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

Ich bekam nicht mehr viel mit.

Meine Gedanken drifteten davon und erst als Marco das Wort erhob, sah ich wieder auf: „Was ist mit unseren Angestellten? Von Ihnen wird niemand seinen Job verlieren, oder?“, fragte er hoffnungsvoll, jedoch unsicher.

Ich glaube auch er hatte nicht ganz jedes Wort verstanden – oder sich behalten.

Mr Sanchez nickte großzügig.

„Selbstverständlich, Mr Matthews. Sie wissen, meine Kanzlei verwaltet bereits seit etlichen Jahren die Finanzen Ihres Vaters und unsere Steuerberater kümmern sich auch um die Lohntüten Ihrer Mitarbeiter. Ich habe Ihnen eine detaillierte Aufstellung mitgebracht…“, er zog einen dicken Ordner unter dem Tisch hervor und wollte ihn gerade aufschlagen, als Marco abwehrend eine Hand hob.

„Das – sorry – ist gerade echt etwas viel. Können wir uns das bitte in Ruhe anschauen? Ich glaube dazu haben wir beide gerade keinen Nerv, oder?“

Ich schüttelte nur den Kopf. Ich musste nicht hochsehen um zu wissen, dass er auf mich herab blickte.

Der Anwalt lächelte fast erleichtert und sofort streckte Nana die Hände nach dem Ordner aus.

„Geben Sie mir das. Ich schließe es in den Tresor und wenn die beiden soweit sind gehe ich die Unterlagen mit ihnen durch.“

Der Anwalt nickte verstehend und schlug noch eilig alles zu, ehe Nana es an sich reißen konnte.

„Seien Sie auf jeden Fall unbesorgt, Mr Matthews, Miss Matthews. Die Aktien stehen sehr gut und ihre Finanzen sind in bester Ordnung. Ihre Angestellten werden nicht in absehbarer Zeit auf der Straße sitzen.“

Ich stieß die Luft aus und mein Bruder nickte dankbar.

„Gut… mehr müssen wir erstmal nicht wissen…“, murmelte er und ich stimmte ihm mit knapper Geste zu.

Stille breitete sich über dem Tisch aus, bis Nana plötzlich den Rücken durchdrückte.

„Ok, ich würde vorschlagen, dass ihr beide euch nun wieder ausruht. In der Küche wartete Lavinia auf euch. Ich werde noch mit Mr Sanchez ein paar Formalien klären, wegen der Überführung eures Vaters und der Beerdigung.“

Dass wir gerade wie kleine Kinder hinausgescheucht wurden, interessierte uns nicht weiter.

So folgte Marco mir aus dem Salon.

In der Eingangshalle – nicht wie angekündigt in der Küche – lief Lavinia mit ihrem Telefon auf und ab und versuchte scheinbar fahrig jemanden zu erreichen. Sie sah nur kurz auf, dann wandte sie sich wieder ihrem Display zu.

Eine große Hand legte sich in meinen Rücken.

„Geht es dir gut?“, flüsterte Marco und ich nickte, doch mein verlorener Blick sprach wohl Bände.

„Wir schaffen das schon!“, versprach er mir leise.

Wie er das sagte.

Ich dachte daran zurück, wie ich in der vergangenen Nacht in seinen Armen eingeschlafen war und nichts wünschte ich mir in diesem Moment mehr, als genau das noch einmal zu erleben.

Wie schnell doch unsere Beziehung von Abneigung und Hass umgeschlagen war zu: Ich wollte ihn ständig bei mir haben. Sein Herzschlag unter meinem Ohr, seine Hände auf meinen Armen und meinem Rücken.

Unsere Körper förmlich umeinander geschlungen…

Ich schüttelte den Kopf – was er zum Glück nicht mehr bemerkte, da Lavinia auf uns zukam.

„Hey, Marco“, sagte sie sanft und drehte ihn in ihre Richtung. Diese Bewegung und mein Schritt zur Seite sorgten dafür, dass seine warme Hand auf meinem Rücken verschwand.

Lächelnd sah ich dabei zu, wie sie ihm die Arme um den Nacken legte und fest drückte.

Marco schlang die Arme um ihre Taille und schloss die Augen. Hätte er das nicht gerade bei mir machen können? Ich war doch auch da! Und ich brauche es…

„Geht es dir gut?“

„Passt schon“, murmelte er tief und sah ihr nach, als sie sich von ihm löste und dann auch mich fest knuddelte.

„Bei dir auch alles gut, Sera?“

Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Wie man es nimmt… Es wird schon wieder.“, erklärte ich und sah zu meinem Bruder, der mir aus irgendeinem Grund auswich.

Er betrachtete Lavinia einen Moment und wies dann auf das Smartphone in ihrer Hand.

„Gibt es Probleme?“, wollte er wissen.

„Ja und nein, keine Ahnung…“, gestand sie und sah ratlos auf ihr Display. „Ich weiß nicht genau. Nahele hat mich eben angerufen und wollte wissen wo ich bin. Dabei weiß er eigentlich ganz genau, dass ich heute mit dir unterwegs war.“, sie sah verwirrt zu Marco hoch, als ich spürte, dass es in meiner Hosentasche zu vibrieren begann. „Auf jeden Fall geht er jetzt nicht mehr an sein Telefon.“

Ich zog das Gerät aus meiner Tasche und sah rauf.

„Nahele“, erklärte ich aus einem Reflex heraus und lenkte so die Aufmerksamkeit von beiden auf mich.

Unter ihren neugierigen Blicken nahm ich das Telefonat an.

„Hi Hele“

„WARUM GEHST DU NICHT AN DEIN VERFLUCHTES TELEFON?“, schrie er mich direkt an und ich musste das Gerät weghalten.

„Himmel, komm mal wieder runter.“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Wir hatten einen Termin mit Dads Anwalt.“

„Wir?“

„Na ich und Marco und Nana.“

„Dann ist Lavinia also nicht bei euch?“

„Doch.“

Ein lautes Störgeräusch unterbrach uns. Er hatte sein Handy wohl auf sein Bett oder so fallen lassen – im Hintergrund hörte ich ihn leise fluchen.

„Was ist? Was sagt er? Gib ihn mir!“, bat Lavinia und streckte schon beide Hände nach meinem Telefon aus, aber ich schob sie weg.

„Lass, ich mach schon. Der ist nicht so gut drauf.“, raunte ich ihr zu und sie zog sich wenig begeistert wieder an Marcos Seite zurück…

Wo er ihr einen Arm umlegte und mich abwartend ansah.

„Hi Sera…“, hörte ich dann eine kleinlaute Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Hi… Wieder beruhigt?“, fragte ich Nahele, der aber nur die Luft ausstieß.

„Ich weiß nicht… Was machst du heute Abend?“

„Hm… Weiß noch nicht…“

„Hast du Lust bei dem Wetter mit mir ins Kino zu gehen?“

„Kino?“, fragte ich verwirrt und sah aus dem bodenlangen Fenster. Die Frage die ich mir stellte war: Welcher Alternativen hatte ich?

Hier alleine rumsitzen, wohl wissend, dass mein Bruder oben mit meiner Freundin rummachte…

„Kino? Wieso Kino?“, fragte Marco im Hintergrund und begann leise mit Lavinia zu diskutieren.

„Ja, bitte. Ich würde dich in einer halben Stunde mit dem Auto abholen?“, bettelte Nahele weiter. „Oder wir gehen irgendwo ein Eis essen oder Kuchen oder was weiß ich. Bitte, Sera!“

Ich sah mich nach Marco und Lavinia um, die noch immer aufgeregt diskutierten und sich nur kurz unterbrachen, als sie einen Blick zu mir warfen.

„Ok, dann bis gleich.“, verabschiedete ich ihn und sprang die Treppe hinauf.

„Hey, Sera!“, rief Marco mir nach, aber da Lavinia schon wieder einschritt und ihm irgendwas zuraunte, lief ich einfach weiter in mein Zimmer.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück