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Nichts bleibt für sie

von

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Nirgendwann

Von Träumen durch die Nacht gejagt erwachte sie lange Stunden vor dem Morgen. Die kleine Kammer umfing sie ruhig, die Melodie des nahen Waldrandes drang durch das geöffnete Fenster hinein und erzählte ihr von einem plätschernden Bachlauf, vom Wind im Farn und von ruhelosen Seelen.
 

Auch sie war ohne Frieden. Begraben von schweren Leinenstoffen und der Last der Erinnerung lag die junge Dalish in dem schlichten gezimmerten Bett und starrte leer in das Dunkel, das den Raum ausfüllte. Einen langen Moment über verblieb sie reglos. Dann schließlich – einer Erschöpfung, die nicht aus den schlaflosen Stunden der vergangenen Monde rührte, zum Trotze - richtete sie sich auf. Ihre Silhouette zeichnete sich gegen den Schimmer eines schwindenden Mondes ab: Ein schmaler Leib, schlecht genährt und derart geduckt, als habe er das Aufrichten verlernt. Helles Haar auf blasser Haut, ein blaues Augenpaar und anstelle des linken Armes, den sie als hohen Preis hatte leisten müssen, nur eine Wunde. Eine, die das Bluten aufgehört hatte – im Gegensatz zu einer viel größeren, die zwar tief in ihr lag, aber keinesfalls verborgener Natur war. Der Blick eines aufmerksamen Auges allein erkannte, dass Schmerz in Strömen aus jenen Kerben lief, die ein seltsames Schicksal ihr geschlagen hatte.
 

Lautlos trat er aus der Nacht hervor, eine menschliche Form annehmend, und an ihr Lager heran. Sie sah nicht auf, wusste jedoch um seine Anwesenheit. Die hagere Gestalt neben ihr war einst ein treuer Gefährte gewesen, ein kindliches Wesen von unzählbaren Jahren. Die breite Krempe einer zerschundenden Kopfbedeckung verbarg seine Züge.
 

"Verschwindend."

Seine Stimme zerstörte nicht den Frieden dieser frühen Stunde. Vielmehr ergänzte sie diese und erschien als ewig dagewesener Teil von ihr.

"Verblassend."

Er blickte auf sie herab. Noch immer war ihr Haupt gesenkt, der Blick verlor sich auf der Decke, die ihren Körper umschlungen hielt.

"Kaum mehr wirklich hier, doch wirklich nicht anderswo."

Er stockte kurz.

"Verschwindend." wiederholte er sodann.

Langsam nur hob sich ihr Kinn. Heiser klangen ihre Worte, so, als habe sie seit Tagen nicht gesprochen.

"Ich bin lange fort." setzte sie an.

"Was ist es noch, das mich hier hält?"

"Keine Hoffnung – nicht die eigene, nicht die der anderen. Ein altes Gefühl der Schuld?"

Erneut hielt er inne.

"Schuld und Schmerz. Rastlosigkeit."

Endlich sah sie zu ihm auf und ihre Augen begegneten einander. Seine ungerührt und doch verstehend, ihre ein Meer nie vergossener Tränen. Er las in ihnen.

"Von der Wurzel gerissen, den Blüten beraubt. Und den Dornen."

Überraschung stand in seinen letzten Worten.

"Die Magie, das Nichts… die Bindung ist gelöst. Fast vollends verschwunden. Du bist ohne Kräfte."

Ein Nicken.
 

Nicht der physische Verlust, den sie erlitt, als der Wolf ihr den Arm nahm, hatte sie sosehr verstümmelt – vielmehr hatte ein finaler Wunsch nach Frieden sie so weit gebracht. Die Magie war stets stark in ihr gewesen, doch sie war weit entfernt von der Ersten der Hüterin, die sie einst gewesen war, weit entfernt von der Inquisitorin, der sogenannten mächtigen Heroldin Andrastes.
 

"Still. Fast… besänftigt."

Seine Fingerspitzen legten sich auf ihre Stirn. Kühl und beruhigend. Die sanfte Geste berührte sie und endlich quoll eine Träne aus dem Schatten ihres Lids hervor, rann die Wange hinunter und perlte von ihren gesprungenen Lippen.

"Ich kann den Schmerz wegnehmen."

Sein Angebot stand unangenommen in der kleinen Kammer. Seine Züge begannen, ihr Leid zu reflektieren.

"Es tut dann nicht mehr weh."

Barmherzigkeit und Mitgefühl sprachen aus den Worten des Geistes, der in dieser Nacht keinen größeren Schmerz in ganz Thedas verspüren konnte, als den einer alten Gefährtin und Freundin.

"Dieser Schmerz ist der Meine. Er ist alles, was geblieben ist."

Ein Beben lag in ihrer Stimme.

"Es gibt nur eine Barmherzigkeit, die ich von Dir erbitten würde. Doch wie könnte ich diese verlangen?."

Er löste die Berührung und trat einen Schritt zurück von ihr. Fast so als fürchte er, das blanke Metall seiner Klingen, die ungenutzt am Gürtel lagen, zu nah an den zerbrochenen Körper zu führen.
 

Er ergriff das Wort erneut, einer Impression nachgehend, und wirkte, als sähe er weit über die weltlichen Grenzen des kleinen Zimmers hinaus.

"Wild. Ein junges Reh, nein, eine Halla."

Das Bild, das er beschrieb, musste sich lebhaft aufzeichnen vor seinem inneren Auge, genährt von Erinnerungen, angereichert mit Emotionen, gesammelt über Äonen.

"Gerissen und blutend. Sterbend."

Sie verblieb still.

"Das hat er nicht gewollt. Er… er ist nicht diese Art von Wolf!"

Sich eine Reaktion, eine Antwort, ein Verstehen erhoffend starrte er sie an aus nunmehr weit geöffneten Augen heraus.

"Das ist er nicht."

"Ich weiß."

Ein blasses Lächeln voll schier unendlicher Wärme strich über ihre Lippen, ohne dort zu verweilen.

"Doch ich bin diese Art von Halla."

Ihre Hand streckte sich nach der seinen aus und umfasste sie.
 

"Sterbend." wiederholte er.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Phinxie
2018-12-24T09:05:56+00:00 24.12.2018 10:05
Ich muss sagen, ich bin begeistert von deinem Schreibstil!
Er lässt sich flüssig lesen, ist elegant und geschmeidig, deine Worte harmonieren miteinander und nichts wirklich irgendwie fehl am Platze. Deine Beschreibungen machen es dem Leser einfach, sich in die Szenerie hineinzuversetzen und auch die Gefühle von Lavellan kommen großartig heraus!
Ich lese selten etwas so gutes hier auf Mexx und bin froh, einfach mal in deine FF hier reingeschnuppert zu haben ^^
Auch Cole hast du wahnsinnig gut hinbekommen - ich habe ihn in Dragon Age schon gemocht mit seiner Art und obwohl ich das Spiel sehr lange Zeit nicht mehr angerührt habe, habe ich ihn sofort wieder erkannt. Und auch das macht einen guten Schreibstil aus ^_^
Ich werde diese Geschichte wohl weiterverfolgen :)

Liebe Grüße und frohe Weihnachten,
Phinxie :3
Antwort von:  Telana
27.12.2018 15:46
Hallo Phinxie,
und vielen, vielen lieben Dank für Deine Worte. Es freut mich sehr, dass mein Schreibstil Dir gefällt - ein schöneres Kompliment kann es denke ich nicht geben - zumindest nicht für mich :)


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