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Koi no mae wa ...

Wie alles begann ...
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Kapitel hab ich tatsächlich komplett in der Klinik geschrieben. Ich schreibe dort relativ viel, weil zwischen den Therapien und Gruppen oft ziemlich viel Zeit ist. Komplett anzeigen

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[Meto] Mauern

An den nächsten drei Tagen sah ich Tsuzuku nicht. Es regnete und so blieb ich zu Hause, verbrachte die Zeit mit meiner Spielekonsole und damit, mein Zimmer und mein eigenes Bad mal ordentlich aufzuräumen und in Ordnung zu bringen.
 

Zwar dachte ich schon immer wieder an Tsu, fragte mich, was jemand wie er bei solchem Wetter machte, aber ich hoffte einfach mal, dass er irgendwo untergekommen war.

Am dritten Tag ging ich dann doch mal raus, zum Akutagawa-Park, um nach Tsuzuku zu sehen, doch er war nicht da. Einer der anderen Obdachlosen sagte mir, Tsu sei in die Unterkunft gegangen, also ging ich dort hin, aber ich kam auch da nicht weit. Die Diakonin, die dort ihren Dienst tat, konnte sich nicht erinnern, Tsu gesehen zu haben, auch nicht, als ich ihr einigermaßen detailliert seine Körperkunst beschrieb. Mein Problem mit dem Sprechen tat sein Übriges dazu, sodass ich Tsuzuku auch an diesem Tag nicht sah, weil er sich irgendwo herumtrieb und ich nicht wusste, wo ich sonst noch nach ihm suchen sollte.

Langsam machte ich mir doch Sorgen um ihn. Er war so instabil und ich hatte das bestimmte Gefühl, dass es in ihm drin noch viel dunkler aussah, als er es nach außen hin zeigte.
 

Am vierten Tag schien gleich morgens wieder die Sonne, und ich ging wieder los, um Tsuzuku zu suchen. Im Park war er nicht, in der Unterkunft auch wieder nicht, und so ging ich in die Innenstadt und suchte dort weiter.

In einem kleinen Park am anderen Ende der Innenstadt sah ich dann ein paar Leute herumhängen, vielleicht auch Obdachlose, die beschloss ich zu fragen.

Sie musterten mich halbwegs interessiert, als ich auf sie zu ging und stockend und unsicher fragte, ob sie heute hier irgendwo einen jungen Mann mit vielen Tattoos und Piercings gesehen hatten, antwortete tatsächlich einer von ihnen: „Ja, so einer mit knallroten Schuhen, ne?“

Rote Schuhe, das kam hin, die hatten Tsuzuku und ich ja gemeinsam für ihn gekauft.
 

„Wo … er ist … hi-hingegangen?“, fragte ich.

Der Mann deutete auf die andere Straßenseite, wo sich ein kleiner Kiosk befand, in dessen Schaufenster neben Zeitungen auch Zigaretten und Flaschen mit Spirituosen zu sehen waren.

„Da drüben ist er rein. Ich glaube, er wollte sich Alkohol besorgen. Er sah nämlich nicht besonders glücklich aus.“

Ich bedankte mich und lief in die besagte Richtung, und tatsächlich fand ich Tsuzukus Sachen auf einer Bank liegend. Er selbst war zuerst nicht zu sehen, erst als ich hinter die Bank ins Gebüsch schaute, sah ich ihn dort auf dem Erdboden sitzen. Mit geschlossenen Augen lehnte er an der Rückseite der Bank, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen eine Flasche mit klarem Sake.
 

„Tsuzuku?“, sprach ich ihn leise an, er fuhr erschrocken zusammen und sah sich um. Sein Blick war glasig vom Alkohol und sah zugleich so leer und todtraurig aus, dass ich erschrak.

„Hey, was ist denn los?“, fragte ich und ging um die Bank herum, hockte mich neben ihn hin.

„Nichts“, antwortete er, ohne mich anzusehen.

„Das glaub ich dir nicht. Man betrinkt sich nicht einfach wegen ‚nichts‘.“

Tsuzuku sah mich an, sein Blick schien zu sagen ‚Lass mich in Ruhe‘, aber er sagte: „Ich glaub nicht, dass du das wissen willst.“
 

Ein bisschen unsicher war ich schon. Tsuzukus Probleme waren offensichtlich ziemlich schwerwiegend, und ich wusste nicht, ob ich ihm würde helfen können.

Und trotzdem, ich wollte es wissen. Und wenn es nur war, damit er sich, wenn er es mir erzählt hatte, ein wenig erleichtert fühlte.

„Und wenn doch?“, fragte ich. „Wenn ich das wissen will, weil du mein einziger Freund bist?“

Tsuzuku sah mich an, blickte dann wieder ins Leere und sagte mit vom Alkohol beschwerter Stimme: „Ich komm‘ nicht mit Menschen klar. Bei dem Regen musste ich in die Unterkunft, und da war es so voll, überall Menschen, keine Ruhe …“

„Und deswegen trinkst du jetzt?“

Er nickte nur.

„Hilft es denn wenigstens?“

Tsu zuckte mit den Schultern. „Ich weiß halt nichts Besseres. Außer … na ja, ritzen vielleicht …“

„Hast du das jetzt auch wieder gemacht?“

Er schüttelte den Kopf. Und ich atmete erleichtert auf. Dass er das manchmal tat, sich selbst verletzte, erschreckte mich immer noch, und so war ich jetzt einfach froh, dass er wenigstens das jetzt nicht getan hatte. Obwohl sich zu betrinken auch keine gute Lösung war.
 

Ich blieb bei Tsuzuku, ging nicht weg, passte auf ihn auf. Er saß einfach da, trank und rauchte und sagte nicht mehr viel. Einmal weinte er ein wenig, sagte aber nicht, warum, und ich fragte auch nicht viel, sondern legte nur meine Hand auf seinen Rücken, bis er sich wieder beruhigt hatte.

Irgendwann stand er auf, ließ die Flasche stehen, trat die Zigarette aus (es war so ungefähr die zehnte gewesen) und setzte sich auf die Bank, auf seinen Schlafsack.

Ich setzte mich neben ihn, er sah mich an und sagte, ganz leise: „Danke, Meto …“

„Wofür?“

„Dass du da bist …“

Ich lächelte. „Ich tu das gern.“

„Du musst wirklich verrückt sein …“, sagte er.

„Dann bin ich eben verrückt. Ich bin jedenfalls gern für dich da.“ Ich lächelte ihn an, und tatsächlich lächelte Tsuzuku sogar ein klein wenig zurück. Es war nur ein kurzes, kleines Lächeln, aber er sah sofort richtig hübsch aus und es machte mich ein bisschen glücklich.
 

„Möchtest du erst mal hierbleiben?“ fragte ich.

Tsuzuku sah mich an, und in seinem Blick stand eine seltsame Unklarheit, fast so, als könnte er nicht ganz verstehen, was ich sagte.

„… Schlafen …“, flüsterte er, klang jetzt vollkommen kraftlos. „Ich will … nur schlafen …“

„Leg dich hin“, sagte ich. „Ich bleibe bei dir.“
 

Und das tat ich. Er legte sich auf die Bank, auf seinen Schlafsack, und ich blieb bei ihm. Ich saß einfach da und sah zu, wie er einschlief.

Zuerst waren die Anspannung und der seelische Schmerz noch an seinem Gesicht erkennbar, doch dann entspannten sich seine Züge. Ich hoffte, dass er sich bei mir sicher fühlte und mir vertraute, und damit er auch im Schlaf spürte, dass ich bei ihm war, berührte ich ab und zu seine Schulter und Seite.
 

Er schlief lange, bis über die Mittagszeit, als er wieder wach wurde, war es halb zwei. Als er die Augen öffnete und sah, dass ich immer noch da war, schien ihn das zu erstaunen. Hatte er gedacht, ich würde ihn so alleine lassen?

„Du bist ja noch da …“, sagte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

Ich lächelte. „Hab ich doch gesagt, ich bleibe bei dir.“

Tsuzuku sah mich an, mit einer Mischung aus viel Unglauben und ein wenig Freude, dann setzte er sich langsam auf. Sofort griff er sich an den Kopf, stöhnte ein wenig. Wahrscheinlich hatte er einen ziemlichen Kater.

Ich hielt ihm meine Limo-Flasche hin. „Da, das ist gut gegen Kater.“

Er lächelte matt. „Danke.“ Und dann fragte er: „Willst du nicht mal was essen gehen oder so?“

„Ich wollte dich nicht allein hier liegen lassen. Essen kann ich später noch“, antwortete ich.

Tsuzuku hielt sich die Hand vor die Augen, so als ob ihn das Tageslicht blendete.

„Ich würd‘ ja mit dir zusammen essen gehen … aber ich glaube, das lasse ich besser …“ Wieder stöhnte er vor Schmerz. „Mein Gott, ist mir schlecht!“

„Musst du erbrechen?“

Er schüttelte den Kopf. „Jetzt noch nicht …“
 

„Magst du mir nicht sagen, warum du dich wirklich so abgeschossen hast?“, wollte ich vorsichtig wissen.

„Ich werde wahnsinnig, wenn ich in diese Unterkunft muss. Die Leute dort und diese Unruhe, es ist so laut und wirr, das halte ich nicht aus.“ Seinen Händen war die Spannung in ihm anzusehen, so wie er die Finger ineinander verkrallte und immer wieder Fäuste ballte. Ich wusste nicht, ob das Nicht-aushalten-können von Menschenmengen und Unruhe zu einer Depression dazu gehörte, aber mir war ziemlich offensichtlich, dass Tsuzukus Probleme mit Menschen nicht einfach ‚normal‘ waren, sondern Züge einer Krankheit hatten. Aber ich verurteilte ihn dafür nicht. Denn ‚Große Angst vor Menschen‘ war mir selbst ja nur allzu vertraut.
 

„Ich weiß auch nicht, warum ich das so schlecht vertrage“, sagte er. „Früher hätte mir das überhaupt nichts ausgemacht, Menschen und Chaos und so was …“ Er ließ sich wieder auf den Schlafsack sinken, die Hände vor dem Gesicht.

„Als du … noch nicht depressiv warst?“, fragte ich leise.

Tsuzuku zuckte nur mit den Schultern, nickte dann.

„Diese Depression, hast du die schon lange?“

„Mal mehr, mal weniger … Wobei, seit ich auf der Straße lebe, ist sie eigentlich immer da.“ Er sah mich kurz an, blickte dann hoch in die Baumkronen und fuhr fort: „Früher war ich … sprunghafter. Es ging mir zwischendurch oft auch richtig gut. Ich war viel auf Partys und so, hatte Spaß, auch wenn ich zwischendurch manchmal auch traurige Phasen hatte und mich auch damals schon ab und zu geritzt habe. Aber jetzt … jetzt ist alles einfach nur noch schwarz. Ich habe eben niemanden mehr …“
 

„Wen … hattest du denn?“, fragte ich, ganz leise und vorsichtig.

„Freunde …“, antwortete Tsuzuku ebenso leise. „Und … na ja, meine Mutter. Sie … war meine … einzige Familie …“ Aus seiner Stimme sprach eine solche Traurigkeit, dass ich erst gar nicht wusste, ob ich überhaupt weiter fragen sollte. So, wie er es sagte, lebte seine Mutter vermutlich nicht mehr, und er, noch so jung, vielleicht nur drei oder vier Jahre älter als ich, war jetzt Waise.

„Hast du … keinen Vater?“, fragte ich leise.

„Der ist schon verschwunden, als ich klein war.“

„Und … deine Mutter? Was ist mit ihr passiert?“

Tsuzuku sah mich erst kurz an, dann sammelten sich wirklich Tränen in seinen braunen Augen und er blickte zu Boden, während sie über sein Gesicht liefen.

„Sie ist gestorben“, sprach er tonlos. „Ist jetzt wohl ungefähr fast ein Jahr her …“ Er krallte wieder seine Hände ineinander, so als täte es ihm fast körperlich weh, sich zu erinnern, dann sagte er: „Sie hatte ein schwaches Herz, eine Krankheit … Eines Tages kam ich nach Hause und sie lag tot in der Küche …“
 

Ich streckte vorsichtig die Hand aus und berührte Tsuzuku am Arm, streichelte ein wenig, während er wieder weinte. Und als es heftiger wurde, er sich kaum beruhigen konnte, umarmte ich ihn schließlich, hielt ihn fest, während er mein Shirt nassweinte.

„Shhh …“, machte ich leise. „Shhh, Tsu, ich bin da …“

„Danke …“, flüsterte er wieder. „Danke, dass du bei mir bist …“
 

Wir blieben eine ganze Weile noch dort sitzen, so lange, bis Tsuzuku sich wieder ein wenig gefangen hatte, und dann packten wir seine Sachen zusammen und gingen zurück zum Akutagawa-Park, wo er sich wieder seinen üblichen Schlafplatz einrichtete.

Jetzt waren dort mehr Leute als heute Morgen, die Feuerstelle war an, und Haruna, Hanako und ein paar andere saßen dort und machten sich Stockbrot oder ähnliches.

Als Haruna Tsu und mich bemerkte, winkte sie, stand auf und kam zu uns herüber.

„Hey, ihr beiden“, rief sie und als sie uns erreichte, breitete sie die Arme aus, um mich zu umarmen. Tsuzuku bot sie das dann ebenfalls an, aber er ging nicht darauf ein. Ihm war noch anzusehen, dass er geweint hatte, und ich war mir sicher, dass Haruna Verständnis dafür hatte, dass er so nicht einfach umarmt werden wollte.
 

„Wir haben dich heute schon vermisst, Tsuzuku“, sagte sie. „Warst du bei dem Regen in der Unterkunft?“

Er nickte nur.

„War wieder nicht so schön dort, ne?“, sagte sie, und dann zu mir gewandt: „Wenn es regnet, ist das für die meisten hier schon ‘ne kleine Katastrophe. In die Unterkunft geht kaum jemand gerne.“

„Warum die anderen nicht?“, fragte ich.

„Es ist total eng dort, das Gebäude ist viel zu klein. Und das Personal behandelt einen auch nicht gerade nett, sogar die tun so, als sei ein Obdachloser weniger wert“, antwortete Haruna. „Und wenn schon jemand Gesundes dort fast irre wird, muss es für Tsuzuku mit seiner Depression ja noch mal schlimmer sein.“
 

Ob es daran lag, dass Haruna das sagte, oder ob Tsuzuku einfach noch nicht wieder erholt war, wusste ich nicht, aber er sah schon wieder so aus, als finge er gleich wieder an zu weinen.

„Setz dich mal schön auf deinen Platz hin, Tsu, oder geh zu deiner Bank. Meto kommt sicher mit, dann geht’s dir bald wieder besser“, sagte Haruna und berührte ihn leicht am Arm.

Tsu wandte sich um und ging mit gesenktem Kopf und vom Weinen zitternden Schultern in Richtung der versteckten Bank, wo er sich immer hinsetzte, wenn es ihm nicht gut ging. Ich folgte ihm und setzte mich dann neben ihn hin.

„Lass mich alleine“, sagte er leise.

„Sicher?“, fragte ich.

Er nickte, dann zog er die Knie hoch legte die Arme darum und den Kopf so, dass sein Gesicht verborgen war.

„Ich geh zu den anderen“, sagte ich. „Wenn du was brauchst, komm einfach zu mir, okay?“

Wieder nickte er, und ich stand auf und ging zur Feuerstelle zurück.
 

Ich saß dann also eine Weile bei den anderen, dachte dabei aber fast die ganze Zeit über nur an Tsuzuku. Und als er auch nach einer halben Stunde nicht wieder da war, machte ich mir dann doch solche Sorgen, dass ich aufstand und zu seiner Bank zurück ging.

Ich kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie er seinen linken Ärmel hochzog, und dabei hatte er ein kleines, schon aufgeklapptes Armee-Taschenmesser in der rechten Hand. Es war offensichtlich, was er im Begriff war zu tun, und ich starrte ihn nur erschrocken an.

„Geh weg!“, fauchte Tsuzuku, er sah völlig verzweifelt aus. „Bitte …!“

„Warum … machst du das?“, fragte ich leise.

„Weil ich es anders nicht aushalte!“

„Was nicht aushältst?“

„Das Leben …“, antwortete er mit brechender Stimme. „Oder das, was davon noch übrig ist …“

Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Wie konnte ich ihn denn auch davon abhalten, sich zu verletzen? Ihm einfach das Messer weg zu nehmen, traute ich mich nicht.
 

„Geh bitte, Meto. Ich möchte alleine sein“, sagte er dann, etwas ruhiger. „Ich verspreche dir, ich bringe mich jetzt nicht um. Ich will mir nur ein bisschen weh tun, ich brauche das.“

Was sollte ich tun? Ich kannte Tsuzuku noch nicht gut genug, um ihn aufhalten zu können. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu glauben und ihn jetzt erst mal allein zu lassen, auch wenn ich wusste, was er dann tun würde.
 

Und so ging ich, verließ den Park für heute und machte mich auf den Weg nach Hause. Kurz dachte ich darüber nach, zu Hause im Internet nach Informationen über Depression und Selbstverletzung zu suchen, doch ich ließ es dann sein, denn ich fürchtete, dann Dinge zu lesen, die mir Angst machten.

Zu Hause war dann meine Mutter gerade da und sah am Küchentisch sitzend eine Akte durch.

Einen Moment lang erwog ich, ihr zu erzählen, dass ich jetzt fast jeden Tag in einen Park ging, dort ein paar Leute kennen gelernt hatte und mich um einen an Depressionen leidenden Obdachlosen kümmerte.

Aber ich ließ es, erzählte nichts. Mama wusste nicht mal, dass ich mich außerhalb von zu Hause ‚Meto‘ nannte, und von meiner Einsamkeit wusste sie auch nichts. Sie machte sich zwar wahrscheinlich Sorgen um mich, weil ich so wenig und fehlerhaft sprach, aber meistens hatte sie einfach so viel zu tun, dass sie sich kaum um mich kümmern konnte. Ich machte ihr keinen Vorwurf deswegen, mir war es im Moment ganz recht, wenn sie mich in Ruhe ließ.

Meine Eltern wussten ja nicht mal, dass ich homosexuell war, obwohl ich selbst das ja schon sehr früh gemerkt hatte. Und so lange ich mich nicht verliebte, bestand auch kein direkter Grund, es ihnen zu sagen.
 

Ich verbrachte den Rest des Tages in meinem Zimmer, las ein wenig, hörte Musik und spielte dann noch ein paar Runden an der Konsole. Und als es dunkel wurde, ging ich schlafen, wobei ich mal wieder Ruana mit ins Bett nahm.

Leise flüsternd erzählte ich ihr meine Geheimnisse und meine große Sorge um Tsuzuku. Ich hatte ihn allein gelassen, er hatte mich darum gebeten, und ich wusste, danach hatte er sich verletzt, sich selbst blutige Schnitte zugefügt, weil er, wie er sagte, das Leben als solches nur ertrug, wenn er sich ritzte.

Ich fragte mich, was ihn so furchtbar kaputt gemacht hatte. Was war in seinem Leben passiert, dass er das Leben als so sinnlos und schwer empfand, so entsetzlich schwer, dass er nicht anders damit umgehen konnte, als sich selbst weh zu tun? Wie er erzählt hatte, war sein Vater wohl früh abgehauen, und seine Mutter hatte er vor etwa einem Jahr verloren, sodass er jetzt mit ungefähr dreiundzwanzig Jahren offenbar ganz alleine dastand.
 

Am nächsten Tag ging ich wieder in den Park. Einfach, um nach Tsuzuku zu sehen und ihn wissen zu lassen, dass ich für ihn da war. Aber es ging ihm kaum besser als gestern. Er lag auf seinem Schlafsack und ihm war anzusehen, dass er lange geweint hatte. Seine Augen waren gerötet und von leichten Spuren aus getrocknetem Tränensalz umgeben, und er hatte sich die Lippe wund gebissen.

Ich fragte also gar nicht erst, wie es ihm ging, weil ich fürchtete, dass er dann gleich wieder weinen würde. Stattdessen fragte ich leise: „Kann ich mal … deinen Arm sehen?“

Er setzte sich langsam auf, zog die Jacke aus und den linken Ärmel seines langen Shirts hoch. Zwischen dem Drachen auf der Außenseite seines Unterarms und der Madonna auf der Innenseite hatte er drei gerötete Schnitte.
 

Ich stellte meinen Rucksack ab, zog mein Kosmetiktäschchen raus und entnahm diesem ein Pflaster, das ich zu Hause für genau diesen Zweck eingepackt hatte, um es Tsuzuku zu geben.

„Du musst das nicht …“, sagte er.

„Ich will aber“, antwortete ich.

Woraufhin er mir dann aber wirklich seinen Arm hinhielt, sodass ich das Pflaster auf seine verletzte Haut kleben konnte. Tsuzuku sah mich an, mit einer Mischung aus Unglauben und einem winzig kleinen Lächeln, und ich dachte, dass es ihm innerlich wahrscheinlich mehr guttat, als er sich traute mir zu zeigen.
 

„So ist gut“, lobte ich ihn und setzte mich dann zu ihm auf die Matte. So nah saß ich bei ihm, dass ich hören konnte, wie sein Magen vor Hunger knurrte. Und auch dafür hatte ich ihm etwas mitgebracht: Ich hatte zu Hause eine Packung Mochi, gefüllt mit An – Azukibohnenpaste - gefunden und zwei Stück daraus mitgenommen. Die packte ich jetzt aus und bot Tsuzuku einen der beiden kleinen Reiskuchen an.

„Da, iss“, sagte ich und lächelte. „Oder magst du kein An?“

„Doch, schon …“, antwortete er und nahm sich dann den Mochi. Er aß ihn sehr langsam, aber danach sagte er, dass es doch ganz gut geschmeckt hatte.
 

Ich aß den anderen und nahm dann einen Schluck aus meiner Wasserflasche, die ich Tsu danach auch anbot. Er trank schnell und gierig, so als hätte er die ganze Nacht keinen einzigen Schluck Wasser gehabt, und vermutlich traf das auch zu.

„Du musst drauf achten, genug zu trinken“, sagte ich. „Trinken ist wichtig, noch wichtiger als Essen.“

Er wollte mir die Flasche zurückgeben, doch ich fuhr fort: „Behalt sie. Gibt es hier einen Wasserhahn oder so, wo du Wasser holen kannst?“

Tsu nickte und deutete auf ein kleines, gemauertes Toilettenhäuschen am Rand des Parks. „Da drüben, da ist auch ein kleiner Waschraum und ein Wasserhahn drin.“

„Gut“, sagte ich. „Dann möchte ich, dass du, wenn du schon nicht viel essen magst, wenigstens regelmäßig Wasser trinkst. Und ich bringe dir jetzt immer Limo mit, damit du auch bisschen Zucker bekommst.“
 

„Das musst du nicht …“, sagte Tsuzuku.

„Will ich aber. Ich will für dich sorgen, verstehst du?“

„Ehrlich gesagt, ich versteh’s nicht …“

„Dann glaub es mir einfach. Ich mag dich nämlich.“ Ich lächelte ihn an, und er lächelte ein klein wenig zurück.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo~
Es ist an manchen Stellen schon nicht ganz einfach, eine Vorgeschichte zu etwas zu schreiben, an dem ich jetzt schon so lange Jahre arbeite, und da wieder zurück zu schalten und so ... Aber es macht auch Spaß. ^u^

Das 34. Kapitel von YM ist auch schon fast fertig, und da gehts mit großen Schritten auf den gewissen "schönsten Tag im Leben" zu.

mata ne
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: daietto_usagi
2019-04-23T21:24:50+00:00 23.04.2019 23:24
Hmmm soll ich... soll ich nicht?! Ouo
*auf Uhr kuck*
*Müdigkeit und Konzentration check*
*Seitenzahl anschau*
*grübel*
Aaaaaach egal, die Seiten werd ich wohl schaffen. >u< Ich hab Bock.

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ó.o Nawww Tsu nach langem Suchen hinter einer Bank mit Zigarette und Alkohol zu finden, muss auch kein schönes Gefühl sein. Aber immerhin reagiert Tsu durch seine Stimmung und dem Alkohol nicht noch aggressiv, sondern eher... neutral. Ihm wird so ziemlich alles grad egal sein. Immerhin ritzt er sich nicht. Aber zu viel Alkohol sollte er auch nicht nehmen. ^^° Doch wie es aussieht geht ja alles gut.

Naww und Meto passt auf Tsu auf, während dieser ein Nickerchen macht. Guter Meto. ^u^ Würd ich auch machen. Ich mein, allein lassen kann man ihn so nicht. Das würde mir innerlich auch das Herz zerreißen und ich würde mir Vorwürfe machen, wenn ihm dann was passiert, während er im Vertrauen schläft.

q.q Argh armer Tsuzuku. q.q
Ein trauriger Tsu macht usagi auch traurig. Er darf nicht so leiden und weinen.
Gut das Meto bei ihm ist. Der braucht Meto's Nähe jetzt ganz doll.

Okay ich nehm alles zurück. T_T Lieber soll er weinen, als sich weh zu tun.
Boar ich könnte da nicht weg gehen, wenn ich weiß er will sich weh tun, wenn man von ihm weg geht.
Ich würde entweder mich provokant neben ihn setzen und ihm klar machen, das wenn er sich weh tun will, dann muss er es tun, im Beisein des anderen, also Meto ODER (aber ich glaub das geht eher, wenn man sich mehr kennt und vertrauter ist), man schnappt sich Tsu's Arm oder Hals oder so und kratz mit den Fingern etwas tiefer in seine Haut, so das er Schmerz empfinden kann, aber sich nicht selbst ritzen muss. Klar wenn man sowas wie ein Pärchen schon in dem Moment wäre und sich näher ist, dann könnte man als Partner, wenn Tsu es wieder braucht sich hinter ihn begeben, die Arme um Tsu von hinten legen und ihn z.B auf der Brust entlang mit den Fingernägeln in die Haut kratzen. Ich glaub das ist immer noch besser als sich da mit dem Messer Wunden zuzufügen. ó.o Klingt zwar auch hart, aber so durchleidet man den Zwang zusammen vielleicht besser.

Oh man, eben noch mit Tsu innerlich mit gelitten... musste ich grad über meinen eigenen Einfall lachen. Als Meto ganz lieb Tsu verpflegt hat und ihm ein Pflaster gab, stellte ich mir innerlich plötzlich vor, wie Meto nicht nur ein schlichtes Pflaster auf den Arm klebt, sondern ein voll kitschiges Hello Kitty Pflaster oder irgendwas, was voll auf kawaii und süßen Wesen drauf verziert ist und einfach so auf die Wunde klebt, ohne eine Miene zu verziehen. Tsuzuku daraufhin seinen Arm ankuckt und Meto dann voll ungläubig ansieht so wie: "Ist das dein ernst?!" XDDDD Und das erst dann Meto doch voll Schmunzeln muss und das voll lustig findet und meint: "Was denn?! Du tust dir weh, also musst du mit meinen Pflastern leben. Überlege dir in Zukunft zweimal ob du dir wieder weh tun willst, denn dann erwartet dich das immer wieder mein Freund." XD Oh Gott mein Gehirn. Sorry. >u< .... XDDD

Oh wieder was gelernt. Ich kannte das "gefüllt mit An – Azukibohnenpaste" gar nicht. Grad dieses "An".. ich dachte schon, es ist vielleicht ein Schreibfehler?! XD Hm , wieder was gelernt. ^u^b

Nawww Meto will sich um Tsu kümmern, egal ob dieser es versteht oder nicht. Damit muss er nun leben. <3
Wuhuuu ich hab das Kapitel geschafft. \^u^/ Und es war wieder super. Auch wenn mir jetzt die Pflasterstory nicht mehr aus dem Kopf geht. XDD Aber danke für die Vorlage dafür. Hat sich alles wieder super gelesen und ich freue mich auf das nächste Kapitel. ^3^/

Schreibst du in der Klinik eigentlich alles auf Papier oder darfst du dort deinen Laptop verwenden oder hast einen PC oder ähnliches dort, wo du schreiben kannst? ^u^ Fühl dich auf jeden Fall gedrückt und geknuddelt. Ich hab dich lüüüüb~ \^3^/
Antwort von: Harulein
23.04.2019 23:50
Yeay, ich hab Internet (PC im Stationszimmer) und usagi hat mir geschriebeeeen ^u^ Ich hab auch meinen Laptop dabei, an dem schreibe ich ja den ganzen Stoff, aber der kriegt das hier mit dem WLAN nicht hin iwie ...

Ist dir aufgefallen, dass ich fast genau diese Szene "Tsu verschwindet und betrinkt sich und Meto bewacht ihn, während er schläft" schon mal später in MuzuSeka geschrieben habe? Okay, das ist ja schon lange her ...

Naw, die Idee mit "Meto kratzt Tsu, damit der sich nicht selbst wehtut" ist ja fast schon ... kann man sagen, ... süß? Aber dafür sind die beiden an dem Punkt noch nicht vertraut genug hier.
Aber gute Idee. Merk ich mir, kann man vielleicht noch irgendwo einbauen XD

Jaaa, das hätte auch zu Meto gepasst. Einfach so ein rosa Kawaii-Pflaster und dann dieser Stilbruch, wenn der ganz in schwarz gekleidete Tsuzuku so ein pinkes Pflaster am Arm hat, jaa ^o^ Du hast gute Ideen heute, meine Süße <3

Isch habb disch au lüüüb, Lieblingshasüüü <3 <3
*chu chu chu*
dein Haruleinchen


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