Date 1 | Stunde 1
Normalerweise nutzte Sakura die zehn Minuten Pause zwischen ihren Stunden zum Ausruhen und dem Kopf freikriegen, dieses Mal ging das aber nicht. Sie sah auf ihren Plan, worauf die Stunden vermerkt waren, in denen die Patienten kamen. In zehn Minuten plusminus würde ein neuer Patient kommen, und auf den musste sie sich vorbereiten. Ein gewisser... Sakura verfing sich mir ihren Gedanken in der Überschrift ihrer Zeitschablone. "Sakura Haruno: Praxis für Psychotherapie". Sakuras Traum war immer schon die Eröffnung einer eigenen Praxis, zumindest seit der fünften Klasse, wo die meisten davon träumten, Videospieltester zu werden. Und nun, mit 25, konnte sie diesen Traum erfüllt nennen. Das lag größtenteils an Disziplin, Ehrgeiz und unfassbarer Arbeitsbereitschaft und es erfüllte sie mit Stolz, wie weit sie schon gekommen war. Sakura schüttelte den Kopf. Fokus. Nicht in Erfolgen der Vergangenheit schwelgen, sondern sich auf die Zukunft konzentrieren. So, der Name war... Sasuke Uchiha. Sakura fuhr ihren Laptop hoch und suchte nach dem Namen in ihrer Datenbank. Das Erste, das ihr sofort auffiel: Kein Foto. Es war zwar freiwillig, ein Foto hochzuladen, aber da explizit drum gebeten wurde, taten es fast alle. "Sooooooo..." sprach Sakura mit sich selbst: "Name: Sasuke Uchiha... Alter: 24... kein Foto und..." Sakura stutze. So einen Fall hatte sie auch noch nicht. "...keine Angabe des Grundes, warum er Therapie benötigt." Sakura stand auf und ging zu ihrer Studienfreundin Ino, die ihrer Praxis mitangestellt war. Da Sakura sich nicht an den Fall erinnern konnte, musste Ino den Anruf angenommen und die Behandlung angenommen haben. Sie fand Ino im Pausenraum, neben der Kaffeemaschine. "Ino, ich hab da so ne Anomalie bei ner Buchung..." "Ne was?" "Eine Besonderheit. Irgendwie ist der Grund, warum er in Therapie muss, verlorengegangen." "Zeig mal her." Sakura reichte ihr den Rechner und sah förmlich, wie es in Inos Kopf ratterte. Nach kurzer Bedenkzeit fiel es ihr ein. "Ich erinner mich wieder! Der wirkte super-angepisst und hat einfach drauf bestanden, dass er völlig gesund sei und keine Therapie brauchte." "Wieso ruft der dann an?" fragte die Rosahaarige zweifelnd. "Frag ihn doch selbst. Der hat im Voraus bezahlt, also würde er sich einen teuren Scherz erlauben. Und ausserdem, wer bei ner Therapeutin anruft und nen Termin macht, aber drauf behaart gesund zu sein, hat der nicht besonders viel Therapie nötig?" Das entlockte Sakura ein Lächeln. "Ich denke, du könntest recht haben. Na gut, ich bin jetzt mal weg, ne?". Ino nahm einen großen Schluck Kaffee und nickte ihr zum Abschied zu.
Sakura hatte sich nochmal perfekt vorbereitet. Sie hatte sich die Worte ihrer Professorin zu Herzen genommen: "Behandle deine Therapie wie eine Reihe von Dates. Du willst jedoch nicht seine Liebe, sondern sein Vertrauen gewinnen." Das war grob zusammengefasst die Stratigie, die Sakura befolgte. Das hatte nahezu immer funktioniert, und inzwischen beherrschte sie diese Technik nahezu perfekt. Das erste Date, also die erste Stunde, war davon geprägt, einen möglichst guten und interessanten Eindruck zu vermitteln. An diesen Plan hielt sich Sakura auch dieses Mal, selbst wenn dieser Uchiha nur zehn Stunden gebucht hatte, also die Mindestanzahl. Dennoch war sie neugierig und optimistisch, ihren neuen Patienten kennenzulernen. Als sich die Tür öffnete, war dieser Optimismus erstmal verschwunden.
Die Rosahaarige wusste als Biologiestudentin, das Auren nicht existierten. Es war eine Mischung aus Mimik, Gestik und Körperhaltung, die unterbewusst registriert worden waren und von vielen als Aura empfunden wurden. Dennoch nutzte sie diesen Begriff Aura manchmal als Sammelbegriff für all diese Begriffe, weil er kürzer war. Und der, das musste man ihm lassen, sehr attraktive Mittzwanziger, der gerade den Raum betreten hatte, hatte eine Aura, die nichts anderes aussagte als "FICK DICH!" Seine Augen wanderten kühl und analytisch durch den Raum, bevor er sich hinsetzte und Sakura mit seinem stechendem Blick ansah. Sakura brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen. Sie hatte noch nie einen Patienten, der nur im Ansatz so verachtungsvoll und vernichtend geschaut hatte. Fokus! Sie setzte sich gerade hin. "Guten Tag, ich bin Sakura Haruno, nennen sie mich Sakura". Sie schenkte im ein Lächeln umd wartete auf eine Antwort seinerseits. Aber er schaute sie nur verächtlich an und setzte sich. Sakura setzte sich gegenüber hin. "Also sie sind Sasuke Uchiha?" Der Mann wartete kurz, als überlegte er, ob sie es wert sei zu antworten, dann kam ein "Ja.", was mehr geknurrt als gesagt war. Sie ging ihre Liste durch, und Sasuke bestätigte alle ihre Fragen zu Geburtsort, Geburtstag, Wohnort etc. mit dem gleichen knurrenden Ja. Letztendlich war die Haruno beim Punkt angekommen, wo sie nachdem Motiv der Anmeldung fragte. Der Uchiha antwortete einfach nicht und als Sakura die Frage wiederholte, rang er sich immerhin ein "Weiter." ab. Sakura seufzte leise in sich hinein. Sie hatte hier einen Patienten, der nicht rausrücken wollte, warum er hier war. "Darf ich sie denn duzen?" Sie wusste, dass duzen für viele ein wichtiges Kriterium war, um jemandem zu vertrauen. Sie war zwar auf das Nein vorbereitet, aber wie scharf es der Schwarzhaarige aussprach, traf sie überraschend hart. Es war, als hätte er das Nein angespitzt, um ihr es dann ins Gesicht zu schmeißen und sie zu schneiden. "Wie soll ich sie denn nennen?" fragte Sakura resigniert. "Sasu..." "Herr Uchiha." sagte Sasuke und schenkte ihr einen Blick, als ob die Frage an sich blasphemisch wäre. Sakura fiel erst jetzt auf, das er sie nicht einmal aus den Augen gelassen hatte. In Sakura stieg ein gewisser Wiederstand auf. Sie würde sich nicht so leicht einschüchtern lassen. Als Biologiestudentin erkannte sie seine Taktik, sich als Alphamännchen dazustellen. Sie erkannte auch, dass sein ganzer Auftritt darauf abzielte. Die Haruno hatte in Clubs immer wieder Männer gesehen, die versuchten, sich als asoziale Arschlöcher zu geben, mit der Idee, sie könnten so bei einem Mädchen landen. Problem: Es war weder besonders attraktiv (zumindestens war das Sakuras Meinung) noch allzu glaubwürdig. Aber Sasuke füllte die Rolle perfekt aus. Er tat nicht so, er hielt Sakura tatsächlich für ein wertloses Stück Dreck, womit er nichts zu tun haben wollte. Zumindestens war sie davon überzeugt. Und viele hätten jetzt aufgegeben, Patient unbelehrbar, Ende. Zumal dieser scheinbar von einem frühen Ende nicht allzu enttäuscht sein würde. Aber sie hatte nicht im Alter von 25 schon eine Praxis, weil sie oft aufgab. Sie fasste sich ein Herz und sagte:
'So, sehr verehrter Herr Uchiha, ich weiß nicht, was ich ihnen getan habe, aber so kann ich nicht arbeiten. Ich weiß nicht, warum sie mich scheinbar so verachten, ich weiß nicht mal, warum sie hier sind. Also, würden sie mir einen Gefallen tun und mir erklären was los ist, damit ich mit der Therapie starten kann!" Sasuke zog eine Augenbraue hoch und schwieg. Gerade als Sakura ihre Rede als wirkungslos abstempelte und seufzte, sagte er: "Ich rede nicht mit Leuten, die meine Zeit verschwenden. Ich halte dich mmer noch für eine Idiotin, aber du bist zumindest interressant. Beim nächsten Mal finde ich raus, ob du die Idiotin bist, für die ich dich halte. Ich besorge ein Schachspiel umd wir spielen. Wenn du mich beeindruckst, reden wir weiter. Die Sitzung ist beendet." Obwohl noch 35 Minuten der 45 Minuten übrig waren, ließ Sakura ihn gehen. Sie wusste, das es keinen Sinn ergab, ihn zu stoppen. Sie seuftze resigniert und ließ sich in ihren Sessel fallen. Kurz danach kam Ino vorbei. "Was war das denn fürn Typ, der war ja mal richtig heiß!" "Wenn du wüsstest, Ino, wenn du wüsstest"
