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Wie Hund und Katze

von

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8. Kapitel

So einen zappelnden kleinen Hund festzuhalten, der nicht gehalten werden will, ist nicht ganz einfach. Denn auch wenn Katzen im allgemeinen diejenigen sind, die die scharfen Krallen haben, können die kleinen Krallen an den Hundepfoten auch ganz schön nerven, wenn so ein Tierchen strampelt und zappelt und sich windet.

So blieb Mycroft letzten Endes nichts anderes übrig, als John loszulassen und zu Boden zu setzen, einfach um zu vermeiden, dass der Kleine ihm herunterfiel. Er wollte schließlich nicht, dass er sich wehtat.
 

Kaum berührten Johns Pfoten den Boden, da rannte er ein paar Meter voran, bellte, drehte sich einmal um sich selbst und bellte wieder.

Mycroft sah ihn erstaunt an, schaute dann fragend zu seinen Eltern.

„Ich glaube, er möchte, dass ich ihm folge.“

„Vielleicht ist was mit Sherlock“, sagte Mutter Holmes etwas besorgt. „Lauf ihm nach, und sag uns gleich Bescheid, hörst du?“

Mycroft nickte und setzte sich in Trab.

John lief voran, warf aber immer wieder einen Blick zurück, um sicherzustellen, dass der Junge ihn nicht verlor.
 

So kamen sie schließlich auf dem Grundstück der Perrish's an, und John begann, mit den Vorderpfoten an der Tür des Schuppens zu kratzen.

Mycroft verstand.

„Du willst mir etwas zeigen, was da drin ist, oder?“

John bellte kurz und wedelte mit dem Schwanz.

Mycroft war für sein Alter recht groß, so dass es ihm gelang, durch das kleine Fenster zu schauen. Das Fenster war schmutzig, das Glas trübe, und doch konnte er den Pinkfarbenen Koffer sofort sehen.

In dem Augenblick spürte er eine Bewegung zu seinen Füssen. Er schaute hinunter und sah seinen Kater Sherlock, der ihm maunzend um die Beine strich.

„Sherlock! Gott sein Dank, dir geht es gut, oder?“

Sherlock maunzte wieder, nahm Anlauf und sprang auf den schmalen Sims des kleinen Fensters. Er scharrte kurz und etwas fiel vom Sims hinunter direkt ins Gras vor Mycrofts Füße.

Der Junge bückte sich um es aufzuheben. Es war ein kleiner rostiger Bartschlüssel.
 

„Ist das der Schlüssel zu diesem Schuppen? Man muss schon sagen, du bist ein schlauer kleiner Kerl, mein Katerchen.“

Er kraulte Sherlocks Köpfchen und überlegte währenddessen, ob er den Schuppen betreten sollte oder nicht. Eigentlich machte man das ja nicht, anderer Leute Räumlichkeiten einfach so betreten ohne um Erlaubnis gefragt zu haben. Andererseits – da war dieser pinkfarbene Koffer und Mycroft hatte natürlich alles über den seltsamen Mord an Mrs. Wilson in der Zeitung gelesen. Zum einen interessierte ihn so etwas, zum anderen wusste er, dass Clara Wilson mit Harriet befreundet war ... Na ja und so hatte er auch gelesen, dass die Dame komplett in Pink gekleidet gewesen war, inklusive Nagellack und Lippenstift. Die Presse war sich nicht zu fein für diese Details gewesen.
 

Und nun lag hier im Schuppen der Perrish's ein Koffer in schreiendem Pink. Und warum sollten die so etwas besitzen, immerhin waren beide gestandenen Männer. Er dachte einen Augenblick an die vor zwei Jahren verstorbene Mrs. Perrish. Sie war eine verhärmte graue Maus gewesen und es war schwer vorstellbar, dass das ihr Koffer gewesen sein sollte.

Also seufzte Mycroft und schloss die Schuppentür auf.
 

Im Schuppen war es dunkel und roch nach Terpentin und Staub. Er konnte wenig erkennen, daher beschloss er das Risiko einzugehen und die kleine Minitaschenlampe zu benutzen, die an seinem Schlüsselbund hing. Vorher jedoch machte er sich daran, das kleine Fenster zu öffnen und auf Kipp zu stellen. Sollte Mr. Perrish ihn dann in seinem Schuppen überraschen, könnte er behaupten, sein Kater hätte sich durch das Fenster gequetscht und wäre nun im Schuppen gefangen und er hätte ihn befreien wollen.

Das Fenster klemmte, aber mit ein bisschen Druck und Zug löste es sich, und so war auch das erledigt.
 

Mycroft schaltete also die kleine Lampe ein und ließ den schmalen Lichtstrahl über den Koffer gleiten. Die Farbe war tatsächlich scheußlich.

Er war nicht so verstaubt wie der Rest der Gegenstände, die man hier in diesem Bretterverschlag fand. Er schien recht neu zu sein. Mycroft wollte gerade den Griff anpacken, um zu schauen, ob er ihn öffnen könne, als er erschrocken zurück zuckte.

War das etwa ... Blut?!
 

Er schluckte erschrocken und seine Gedanken rasten.

Was jetzt tun? Das hier ging über das hinaus, was er allein entscheiden und bewältigen konnte.

Mycroft war klug, weitaus klüger als die anderen seines Alters. Aber dennoch war er ein Kind. Ein elfjähriger Junge, der in diesem Moment mit der Situation überfordert war.

Und so tat er, was Kinder überall auf der Welt tun, wenn sie nicht weiter wissen, und was das beste und einzig richtige ist in einer solchen Situation: er lief los, um seine Eltern um Rat zu fragen.
 

Er stürmte aus dem Schuppen und rief leise:

„Sherlock, komm mit mir!“, Wohl wissend, dass sein Kater sich davon nicht würde beeindrucken lassen, sondern einfach tun würde, was er für richtig hielt.

Er klopfte sich auf den Oberschenkel und rief in Richtung des Labradorwelpen:

„Komm kleiner!“

John, der diese Geste von Harriet kannte, wenn sie mit ihm fröhlich durch den Garten jagen wollte, bellte begeistert, besann sich dann, dass es besser wäre, keinen Lärm zu machen und rannte hinter ihm her. Genauer gesagt überholte er ihn und lief voraus, zurück und tollte geradezu um ihn herum. Er war eben noch ein Welpe und hatte einen ausgeprägten Spieltrieb.
 

„Mummy! Daddy!“

Mycroft stürmte auf die Veranda, wo seine Eltern noch immer wartend standen.

„Himmel, Mycroft, was ist passiert?“, rief Mrs. Holmes erschrocken.

Mycroft blieb atemlos stehen, und während Sherlock elegant auf die Brüstung der Veranda sprang, schaffte der Junge es, den aufgeregten Welpen durch klopfen und streicheln etwas zu beruhigen.

Dann erzählte er seinen Eltern von dem Koffer.
 

Mr.und Mrs. Holmes schauten sich an. Was sollte man tun? Mit Mr. Perrish sprechen?

Nun, das wäre wohl das naheliegendste ... andererseits, wenn der etwas mit der ganzen Angelegenheit zu tun hätte ...?

Nun, es war unwahrscheinlich, Mr. Perrish selber war ein freundlicher, etwas überspannter aber doch harmloser Nachbar.

Aber sein Sohn ... der hatte in der Vergangenheit schon hin und wieder für Ärger gesorgt.

Wie auch immer, nach einiger Diskussion, die Mycroft unruhig mit den Füßen auf und ab wippen ließ, entschloss man sich, wenngleich mit einem unguten Gefühl im Bauch, die Polizei anzurufen.

Mr. Holmes nahm also das Telefon und wählte die Nummer von Scotland Yard.



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