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Stolen Dreams Ⅹ

von

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5. Kapitel

„Also – was willst du?“

Jakov antwortete nicht, sondern ließ sich seufzend auf das große Doppelbett fallen, dessen weißer Bezug gut zu den hellen Fliesen passte. Generell sah dieses Zimmer umwerfend aus; die Möbel bestanden aus hochwertigem Holz, kühle Nachtluft kam durch die riesigen Fenster und zupfte sanft an den sandfarbenen, bis zum Boden reichenden Gardinen und es gab eine Tür zur Dachterrasse, die mit einem Pool ausgestattet war und einen großartigen Ausblick auf die Stadt bot. Allerdings konnte man Letzteren nicht genießen – niemand stand gerne im luxuriösen Penthouse und sah auf hungernde Kinder, Leid und Elend nieder.

„Ich möchte dir ein Angebot unterbreiten“, sagte Jakov schließlich und setzte sich aufrecht hin. Tarek hatte mittlerweile auf der bronzefarbenen Couch Platz genommen. „Wie du vielleicht noch weißt, werde ich bald nach Hause zurückkehren. Morgen früh, um genau zu sein.“

„Schön, dann bin ich dich endlich los.“

Jakov seufzte erneut. „Ich wollte dich fragen, ob du mitkommen möchtest.“
 

„Warum sollte ich das wollen?“

„Ach, ich weiß nicht... vielleicht weil ich dir Dinge bieten kann, die dir echt nicht schaden würden? Dinge wie warme Mahlzeiten, ein Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung, Sicherhei--“

„Und was willst du als Gegenleistung?“

„Dass du mein persönliches Spielzeug wirst.“

Tarek verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich zu übergeben. Was ihn an der Vorstellung störte, nackt auf Jakovs Schoß zu sitzen und einen bestimmten Part seines Körpers zu berühren, war weder die Tatsache, dass Jakov ein Kerl war, noch dass er mit ihm Sex hatte, sondern die Erinnerung an den gestrigen Abend, an dem Jakov jedes ''Nein!'' und ''Bitte hör auf!'' bewusst ignoriert hatte.

„Nein danke. Vergewaltigen lassen kann ich mich auch woanders.“
 

„Ich habe dich nicht vergewaltigt und das werde ich auch nicht.“

„Für das, was du gestern getan hast, habe ich dir keine Einwilligung gegeben und das wusstest du auch.“

„Das war kein Sex, sondern nur eine Bestrafung.“

„Wenn du mich wirklich nur bestrafen willst, dann mach es wie ein Mann und schlag mir in die Fresse.“

„Nein. Das würde dein hübsches Gesicht ruinieren“, sagte Jakov mit einem arroganten Schmunzeln, für das Tarek ihm gerne aufs Maul geschlagen hätte. „Um zum Thema Einwilligung zurückzukommen – Sex werden wir nur haben, wenn du einverstanden bist, bei Bestrafungen bist du jedoch meinen Launen ausgeliefert. Sei ein artiger Junge, dann hast du auch nichts zu befürchten.“

Tarek meinte die Magensäure schon schmecken zu können.
 

„Jakov, ich werde jetzt meine ehrliche Meinung mit dir teilen. Wahrscheinlich wirst du mich dafür wieder schlagen, aber das Risiko ist es mir wert.“

Angesprochener wollte etwas erwidern, aber Tarek ließ ihn nicht zu Wort kommen.

„Dort draußen gibt es abscheuliche Menschen. Menschen, die nicht nur Sex mit jemanden wollen, sondern auch verlangen, dass man sich tot stellt, sich mit Blut oder Fäkalien einreibt oder so tut, als wäre man ein Grundschulkind.“

„Solche Vorlieben besitze ich nicht, falls du darauf hinauswillst“, sagte Jakov angewidert, aber Tarek ignorierte ihn.

„Als du mich gestern mehrmals gefragt hast, ob ich wirklich 16 bin, habe ich dich für einen anständigen Menschen gehalten. Ich war positiv überrascht, nur um danach enttäuscht zu werden. Du bist genauso unmenschlich und krank wie die anderen Menschen dort draußen.“

„Achte auf dein Mundwerk, Kleiner, sonst liegst du gleich über meinem Knie.“
 

„Oh, Verzeihung, habe ich dich etwa beleidigt? Mag Jakov es nicht, wenn die Menschen um ihn herum ihm ausnahmsweise mal nicht in den Arsch kriechen, sondern ihm zeigen, was für ein egoistisches Arschloch er ist?“

„Tarek--“

Der Kleine erhob sich von dem Sofa, auf dessen Lehne er sich mit den Armen abstützte, während er seine Kehrseite zu Jakov drehte.

„Na los, mach es doch!“, rief er wütend und sah den Russen über seine Schulter hinweg an. „Schlag mich und vergeh dich an mir! Ignorier meine Schmerzensschreie! Behaupte, es sei nur halb so wild gewesen! Scheiß auf meine Menschenwürde! Schließlich bin ich nur ein käuflicher Gegenstand!“

„Tarek, es reicht jetzt.“

„Sorry, Jakov, ich kann dich nicht hören. Dein gewaltiges Ego ist zu laut. Es sagt: ''Scheiß auf den Jungen; Hauptsache, ich habe meinen Spaß''!“
 

Jakov ließ sich das nicht länger gefallen. Er überwand den Abstand zwischen sich und Tarek, packte ihn am Oberarm und drückte so feste zu, dass der Junge gequält ächzte.

„Es reicht jetzt, Tarek. Noch ein einziges Wort und wir werden das von gestern wiederholen.“

„Damit würdest du nur beweisen, dass ich recht habe“, presste der Kleine zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, woraufhin Jakov ihn nach draußen auf die Dachterrasse zog.

Tarek dachte im ersten Moment, dass der Ältere ihn über das Geländer werfen wollte, und begann sich zu wehren, aber gegen jemanden, der nicht nur zehn Jahre älter, sondern auch eineinhalb Köpfe größer war, hatte er keine Chance.

„Schau sie dir an“, verlangte Jakov und deutete auf eine Gruppe junger Mädchen, die am Straßenrand standen und auf einen Freier warteten. „Möchtest du so enden? Willst du ein billiges Stück Fleisch sein, das--?“
 

„Lass mich los!“, rief Tarek, aber das machte es nur noch schlimmer. Jakov schubste den Jungen nach rechts, drängte ihn in die Ecke und zeigte auf ein paar andere Leute; diesmal waren es einige Männer, die sich um einen brennenden Mülleimer versammelt hatten und mit irgendetwas zugange waren.

„Siehst du diese Junkies dort? Einer von ihnen ist vor ein paar Stunden gestorben. Seine Freunde haben ihn ''beerdigt'', indem sie ihn im nächstbesten Müllcontainer entsorgt haben.“

„Warum erzählst du mir das alles?“

„Weil du anscheinend nicht verstehst, was dort draußen wirklich los ist. Das ist kein Spielplatz, Tarek. Such dir Hilfe, bevor es zu spät ist.“

„Du bist der Letzte, den ich um Hilfe bitten würde!“, fauchte der Kleine, dem es endlich gelungen war, sich von Jakov loszureißen. Das Geschrei der beiden hallte durch die Straßen und brachte die Menschen in der Nähe dazu, neugierig nach der Quelle des Streites zu suchen, aber niemand konnte sie finden.
 

„Bitte gib mir noch eine Chance“, sagte Jakov, dessen kurzes blondes Haar von dem kühlen Wind zerzaust wurde. „Ich kann dir nahezu alles geben, was du willst.“

„Warum bist du so besessen von mir? Wir kennen uns erst seit gestern.“

„Ich weiß es nicht. Irgendetwas an dir lässt mich nicht zur Ruhe kommen.“

Tarek schwieg. Der Wind wurde immer stärker und blies ihm erbarmungslos das schwarze Stirnhaar in die Augen.

„Hast du momentan noch andere... ''persönliche Spielzeuge''?“, fragte er, als der Wind sich wieder beruhigt hatte.

„Nein.“

„Hattest du welche in der Vergangenheit?“

„Nein. Das waren bloß gewöhnliche Beziehungen, die nicht lange gehalten haben.“
 

„Kann ich den armen Kerlen, die sich mit dir abgeben mussten, nicht verübeln. Du bist ein Arschloch, Jakov. Niemand ist freiwillig in deiner Nähe. Alle sind nur hinter deinem Geld her. Und da bin ich keine Ausnahme.“

Mit diesen Worten ging Tarek wieder rein, nahm die Geldscheine an sich, die Jakov auf dem Tisch für ihn bereitgelegt hatte, und wollte das Zimmer verlassen, aber der Blonde hielt ihn auf.

„Ich werde morgen nicht mehr hier sein. Willst du wirklich gehen?“

„Ja. Ich glaube, die Erfahrung, dass man mit Geld nicht alles erreichen kann, wird dir guttun.“

Hätte Tarek zu diesem Zeitpunkt gewusst, was in den folgenden Wochen passieren würde, wäre er vor Jakov auf die Knie gegangen und hätte ihn angefleht, ihn mitzunehmen, aber unwissend, wie er damals noch war, ließ er den Russen hinter sich und verschwendete keinen einzigen Gedanken an ihn.
 

„Da bist du ja endlich“, war das Erste, das Tarek hörte, als er in den Keller zurückkehrte. „Alron hat uns alles erzählt. Wer ist der blonde Typ?“

„Ein Arschloch“, antwortete der Junge und überreichte Ledion das Geld. „Wo ist mein Stoff?“

„Den kriegst du gleich. Zuerst erklärst du mir, warum du nur so wenig Beute nach Hause bringst.“

Tarek blinzelte irritiert. „Wenig?“ Das, was Ledion von ihm erhalten hatte, war mehr als der gängige Preis, den jemand für eine halbe Stunde Spaß bezahlte. Jakov war echt großzügig gewesen, wenn man bedachte, dass er nur mit Tarek geredet hatte.

„Ja, wenig. Alron hat gesagt, dass der Kerl stinkreich wäre. Warum hast du ihm nicht mehr Geld abgeschwatzt?“

„Weil der Geizkragen sich geweigert hat. Wie bereits gesagt – er ist ein Arschloch.“

Der Blick, dem ihm Ledion daraufhin zuwarf, gefiel Tarek überhaupt nicht und auch das Gemurmel im Hintergrund kam ihm nicht ganz koscher vor.
 

„Gib's zu: Er hat dir mehr gegeben, aber du hast was für dich abgezweigt.“

„Nein, habe ich nicht“, knurrte Tarek ungeduldig, aber niemand schien ihm glauben zu wollen. „Warum sollte ich das tun?“

Ledion antwortete nicht, sondern starrte den Jüngeren feindselig an. Zwar war er nicht so groß und stark wie Jakov, aber trotzdem eindeutig zu groß und zu stark für Tarek.

„Weißt du was, Boss, warum überzeugst du dich nicht selbst davon, was für ein geiziger Unmensch er ist? Von mir aus kannst du ihn beleidigen, bedrohen, berauben – soll mir recht sein.“

Das milderte Ledions Laune, wenn auch nur ein bisschen. Nachdem er von Tarek die Adresse des Hotels erfahren hatte, zog er mit einem halben Dutzend kräftiger Gorillas von dannen, sodass neben den schwachen Kindern, die sich schnell verzogen, nur Alron und Tarek zurückblieben. Letzterer schüttelte enttäuscht den Kopf und würdigte den Kleineren keines Blickes.
 

„T-tarek, ich... es tut mir leid! Ledion hat mir die ganze Zeit Fragen gestellt und-- Tarek, warte!“

Angesprochener konnte nicht warten, selbst wenn er es gewollt hätte. Ungeduldig ging er zur Ledions Ecke, wo er sich das kleine Päckchen nahm, das für ihn bestimmt war, und machte sich danach zu seinem Rucksack auf, um eine der unbenutzten Spritzen zu holen, die er damals aus dem Krankenhaus geklaut hatte.

Wenige Augenblicke später war die Welt wieder strahlend bunt und schimmernd. Tarek hing auf dem Sofa, das mittlerweile zu seinem Lieblingsplatz geworden war, und schaute mit halb offenen Augen auf einen unbestimmten Punkt in der Luft. Die Magenkrämpfe und Schmerzen in seinen Beinen verschwanden, als wären sie nie da gewesen, und alles war wieder ruhig, friedlich und schön.

„Bitte, Tarek, es tut mir leid. Können wir uns jetzt wieder vertragen?“, flehte Alron, aber Tarek hörte ihm gar nicht zu. Seine Gedanken waren bei Jakov, der sich jetzt, wo Tarek ihn abgelehnt hatte, wahrscheinlich einen anderen Jungen suchen und ihm das gleiche Angebot unterbreiten würde.
 

Reiche Menschen sind so komisch. Ich meine... wir kennen uns seit etwa 24 Stunden und schon will er mich zu seinem Mitbewohner machen. Natürlich wäre es ein gewaltiger Fortschritt, von der Straße wegzukommen und in einer Villa zu leben, aber... bevor Jakov nicht lernt, was Einwilligung bedeutet, stellt er keine Option dar. Ich lebe lieber auf der Straße als diesen Wichser ertragen zu müssen.

Tarek sah zur Seite und erblickte Alron, der zu weinen angefangen hatte und ihn immer noch darum bat, ihm zu verzeihen.

„Ledion hat einfach nicht locker gelassen“, murmelte er, während Tränen über sein gebräuntes Gesicht liefen.

Ich bin mir sicher, dass Jakov abzulehnen das Richtige war, aber... wie soll es jetzt weitergehen? Ich kann nicht für immer Leute beklauen oder auf reiche Vollidioten hoffen. Früher oder später muss ich das tun, was die Mädchen machen, und was das Heroin betrifft, hatte Ledion recht. Ich entwickle langsam eine Sucht.

„Tarek...“
 

„Ist ja gut, ich verzeihe dir“, erwiderte der Ältere leicht genervt, woraufhin Alron sich die Tränen vom Kinn wischte und beschloss, Tarek auf seiner Reise ins Wunderland zu begleiten. Er hatte seit einer knappen Woche ebenfalls mit dem Heroin angefangen, nicht nur weil ihm das Marihuana langsam nicht mehr reichte, sondern auch weil er wie Tarek sein wollte. Tarek, der Gott, der große Bruder und der einzige Junge, der sich nicht wegen seiner körperlichen Unterlegenheit über ihn lustig machte, weil er selbst unterdurchschnittlich klein war.

Alron hatte sich eine Portion Heroin aufgehoben, die zu groß für eine Dosis und zu klein für zwei war. Nach kurzem Nachdenken entschied er sich trotzdem für die erste Möglichkeit, erhitzte den gesamten Rest und injizierte ihn sich dann mit der gleichen Nadel, die er immer benutzte und die jedes Mal, wenn sie in seinen Arm stach, eine Entzündung verursachte. Anschließend gesellte er sich zu Tarek und versank langsam im Land der wildesten Träume und Vorstellungen, völlig unwissend, dass er es nie wieder verlassen würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Mamesa
2018-06-11T18:32:08+00:00 11.06.2018 20:32
Armer kleiner😭ich mochte den


Von:  Onlyknow3
2018-06-11T08:34:33+00:00 11.06.2018 10:34
Das wird Tarek wohl zum umdenken bringen, aber dann ist es zu spät.
Jakov ist dann weg, und Alron tod, Was werden die anderen sagen wenn sie es merken?
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Arya-Gendry
2018-06-10T17:25:57+00:00 10.06.2018 19:25
Bin mal gespannt wann bzw wie Tarek Jakov wieder sehen wird. Naja es sein denn Jakov bleibt doch etwas länger oder er wird bald zurück kernen. Das Ledion und seine Leute wohl keine Chance gegen Jakov haben werden ist wohl klar.

Alron tut mir echt leid. Scheiß Heroin, aber er wird nicht das erste und nicht das letzt Opfer von denn Mist sein.
Bin schon auf das nächste Kapitel gespannt. ;)
LG.


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