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O(h) und A(h) Romanze

von

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Folge 36 (Der Sturm bricht los)

Was war schlimmer, der Dauerregen oder die unerträgliche Sommerhitze? Der Regen hatte zwar endlich aufgehört, aber an Freude war nicht zu denken. Seit Anfang Juli schien wieder die Sonne und ließ die schon sowieso durch den Regen verdorbene Ernte, verdorren. Zudem herrschte in der großen Stadt Aufruhr und Aufstände lagen an der Tagesordnung. Aus diesem Grund war Oscar angewiesen, tagtäglich mit ihren Soldaten durch Paris zu patrouillieren. Wie auch heute. Sie schrieb noch ein paar letzten Dokumente, als es in ihrer Lunge anfing zu rasseln und zu brennen. Der Husten ließ auch nicht lange auf sich warten und kaum das sie ihr Taschentuch zum Mund geführt hatte, begann sie schon darein zu husten. Bereits seit Frühling dieses Jahres hatte sie diesen Reizhusten und mit jedem Monat schien es sich zu verschlimmern. Sie ahnte, dass es keine gewöhnliche Erkältung war, denn bei einer Erkältung hustete man ja kein Blut...
 

„Oberst, es ist Zeit für unsere Kontrollrunden durch Paris.“ Die altbekannte Stimme von André schreckte sie etwas auf. Oscar hatte es gar nicht mitbekommen, wie er in ihr Offiziersbüro reinkam. Hatte er überhaupt geklopft? Oder hatte sie auch das nicht wahrgenommen? Ihre Ohren schienen durch den Husten wie belegt zu sein und in ihrem Kopf rauschte es, wie im Takt des Rasseln in ihrer Lunge... Sie wartete einen Atemzug lang, bis der Husten abebbte und erst dann konnte sie ihm eine Antwort geben: „Ist gut. Versammelt euch auf dem Exerzierplatz.“
 

„Aber Oscar...“ Die Blässe in ihrem Gesicht und der Husten gefiel André ganz und gar nicht.
 

„Ich glaube, ich habe mich erkältet. Ich fühle mich gar nicht gut.“ Hoffentlich würde André ihr das glauben. Denn was auch immer das für eine Krankheit war, so wollte sie ihn nicht damit belasten. Aber vielleicht würde es besser sein, wenn sie zum Anwesen reitet und sich dort ein wenig ausruht? Zumal sie dort ein Maler erwartete, bei dem sie von sich ein Porträt anfertigen lassen wollte. „Bitte, André, sag Alain Bescheid, er soll heute Abend die Patrouille führen.“
 

„Wird gemacht. Gute Besserung.“ André behagte dies zwar alles nicht, vor allem ihr Zustand, aber er fragte nicht weiter nach. Denn sie würde definitiv nichts verraten, dafür kannte er sie zu gut. Es würde sich sicherlich ein anderer Zeitpunkt finden und dann würde er solange nachfragen, bis sie nachgibt und ihm alles erzählt. Das nahm er sich fest vor und nach der Patrouille durch Paris, ritt er erst gar nicht zurück in die Kaserne, sondern gleich auf das Anwesen der de Jarjayes.
 

Oscar ließ den Maler für heute gehen und machte eine Pause, weil der Bluthusten sie wieder vereinnahmte. Auf dem Balkon stehend, schien ihre Lunge sich besser zu beruhigen und die leichte Brise des milden Juliwindes, vertrieb auch dass Rasseln und Brennen in ihrem Brustkorb. Sie hörte nahende Schritte hinter ihrem Rücken, aber drehte sich nicht um. Denn sie wusste genau, wer das war, sie hatte ihn schon alleine an seinem Gang erkannt. „Was ist André, wieso bist du gekommen?“
 

„Sag die Wahrheit. Was ist los?“ Der richtige Zeitpunkt war gekommen. André kam näher. „Oscar, was verheimlichst du vor mir?“
 

Wie? Oscar erschrak etwas. Es hörte sich so an, als würde er etwas mitbekommen haben. Aber sie war doch stets darauf bedacht, sich nichts anmerken zu lassen! „Gar nichts, keine Sorge“, meinte sie deshalb ausweichend und hoffte, die Antwort würde ihn beruhigen.
 

„Auch wenn ich nur mit einem Auge sehen kann, bei dir entgeht mir nicht das geringste“, hörte sie ihn sagen und seine Stimme klang fast verzweifelt. „Was ist los mit dir?“
 

Oscar drehte sich zu ihm um. Wie konnte er sie nur durchschauen? Sie bewegte langsam ihre Füße und hielt nah vor ihm an. „Bis morgen, wir sehen uns dann in Paris.“ Sie schenkte ihm beim Vorbeigehen ein Lächeln, aber André überzeugte sie damit nicht mehr. Das spürte sie, als er sachte ihr Handgelenk ergriff und sie damit zum stehen bleiben bewog. „Oscar, warte bitte, geh noch nicht...“
 

Oscar hielt inne, ihr Herz machte einen Satz. Er hatte sie schon lange nicht mehr angefasst – nicht auf diese Weise. Bilder der einer verhängnisvollen Nacht schossen ihr sofort durch den Kopf: Wie er ihre Handgelenke gehalten hatte, wie er sie aufs Bett warf und ihr das Hemd zerriss...
 

André spürte, wie sie sich versteifte und ließ augenblicklich ihr Handgelenk los. „Es tut mir leid, Oscar, das wollte ich nicht...“, entschuldigte er sich geknickt und brachte eine geordnete Distanz zwischen sie. Denn auch bei ihm gingen die gleichen Bilder durch den Kopf und er wollte nicht sein Versprechen brechen, das er in jener verhängnisvollen Nacht ihr gegeben hatte. Er hatte ihr gar geschworen, dies nie wieder zu tun und ihr auch noch seine Liebe gestanden...
 

Oscar stand aber eine Weile da, unfähig sich zu rühren. Neben den unschönen Erinnerungen an die Ereignisse letzten Jahres, geschah noch etwas anderes in ihr... Ein Gefühl, das sie bisher verdrängt hatte, tauchte wieder auf und nahm von ihr Besitz. So ähnlich wie damals, vor etwa einem halben Jahr, als ihre Kutsche vom wütenden Mob überfallen und André beinahe getötet wurde. Zum Glück war Graf von Fersen ihnen zu Hilfe gekommen und hatte sie beide gerettet. Seit diesem Vorfall hatte sie angefangen ihre Gefühle zu André zu begreifen. Er war ihr nicht nur wichtig, weil sie mit ihm zusammen aufgewachsen und er ihr treuer Freund schon seit klein auf war, sondern viel mehr... Oscar schluckte hart. Liebe... Womöglich sogar dieselbe Liebe, die André ihr vor einem Jahr gestanden hatte?
 

„Oscar?“ Seine leicht belegte Stimme, brachte sie erneut in die Wirklichkeit zurück.
 

„Wie gesagt, es ist nur eine Erkältung.“ Wenigstens sprechen konnte sie noch. Oscar schaute zu ihm und schenkte ihm wieder dieses liebevolle Lächeln, aber in ihren himmelblauen Augen war Zerrissenheit zu sehen. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Am liebsten wäre sie gegangen, aber in diesem unausgesprochenen Moment und gegenüber André wäre das sicherlich falsch. Erneut bewegte sie ihre Füße und verringerte ein bisschen die Distanz zwischen ihm und ihr. Zaghaft nahm sie seine Hand in die ihre und sah nicht danach aus, als würde sie sie auch gleich loslassen wollen.
 

André war überrascht und erst gar nicht darauf vorbereitet. Sein Auge weitete sich, seine Lippen formten ihren Namen, aber kein Ton kam heraus. Was sollte er jetzt tun?
 

Oscar nahm ihm zum Glück mit ihren Worten diese Entscheidung ab. „André... Ich versichere dir, es wird alles wieder gut...“ Mit den Fingern ihrer freien Hand strich sie ihm kaum berührend an der Wange entlang und André schlug Purzelbäume. Es müsste bestimmt ein Traum sein! Denn er hätte von Oscar dieses Verhalten nie im Leben erwartet! Weil es nicht zu ihr und ihrer mannhaften Erziehung passte! Dennoch war das Realität und er spürte ganz deutlich die Kühle ihrer Finger auf seiner Haut! Erneut wusste er nicht, was er machen sollte, aber auch diesmal nahm Oscar ihm die Entscheidung ab. Sie stellte sich etwas auf Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. André drehte völlig baff sein Kopf und streifte ihre Lippen mit den seinen. Oscar verharrte reglos und wartete, was nun geschehen würde. Was würde er jetzt machen? Würde er das ausnutzen?
 

André tat nichts dergleichen. Er war so überrascht, dass er erst einmal ihre Tat verdauen und verarbeiten musste. Immerhin spürte er gerade ihre weichen Lippen auf den seinen! Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und sein Verstand verlangte von ihm, ihr den Kuss zu erwidern! Seine Lippen bewegten sich, umschlossen ihre Unterlippe und massierten sie sanft. Das war kein gewaltsamer Kuss wie damals, als er fast über sie hergefallen war, sondern viel liebevoller und wirkte beinahe schüchtern. Oscar konnte ihm das nicht verdenken. Denn sie hatte ihn mit dem Kuss völlig überrumpelt und zugegeben, auch sich selbst hatte sie damit überrascht. Nie im Leben hätte sie so einen Schritt gewagt, geschweige denn durchgeführt. Aber es war nun geschehen, sie war über ihren eigenen Schatten gesprungen und fühlte sich sehr geborgen. Besonders, als André etwas mutiger wurde, seinen Mut wieder fand, seine Arme ganz zart um sie legte und der inniger Kuss immer leidenschaftlicher wurde...



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