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Nicht Zu Spät

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Puh Freunde, hat das lange gedauert. Aber ich kann wohl keine kurzen Kapitel mehr hervorbringen. Bitte entschuldigt. Ich brauche den abgeschlossenen Rahmen. Sie gestückelt hochzuladen würde mir gegen den Strich gehen. Und so brauche ich ein Weilchen, mit der ganzen Arbeiterei. Ich habe viele Ideen, aber ich komme kaum zum Schreiben. So viele Notizen zu Szenen hatte ich noch nie zuvor :) Ich bin aber wirklich mehr als fertig, die Geschichte voran zu bringen.
Dieses Kapitel enthält die Prinzessinen-Enzian Erinnerung, die ich immer ganz besonders wundervoll fand. Sie zeigt Zeldas spielerische Seite und Links ehrliches Interesse an ihr. Ich weiß, dass diese Erinnerung häufig dafür hergenommen wird, um zu zeigen, dass Link angeblich aus Zeldas Hintern starren würde. Und obwohl man natürlich ihre herrliche Rückseite sieht, finde ich es übertrieben, dass Link darauf starrt. Es ist einfach die Rückansicht. Nicht Links Sicht. Die wäre, meiner bescheidenen Meinung nach, zentraler und direkter. Wie wir das aus Egoperspektiven kennen. Man sieht die Erinnerungen eher aus der Sicht eines Dritten, unsichtbaren Beobachters. Also wer weiß, wo Link hinstarrt. Ich kann mir gut vorstellen, dass er Zeldas Figur durchaus bemerkt. Aber er interessiert sich mehr für ihren Geist. Ihr Wesen. Ihren Enthusiasmus in diesem Moment. Denn er wirkt nicht abgelenkt, finde ich. Sondern konzentiert. Auf sie. Darum geht es für mich in dieser Erinnerung. Um die Freundschaft zwischen den Beiden. Den natürlichen Umgang zwischen ihnen.
Noch das nächste Kapitel und dann beginnt der Erdrutsch. Also genießt es noch :)
Am Ende wird erklärt, wieso Link sich allein zu Mipha aufmacht. Ich bin gespannt, wie ihr das finden werdet. Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen stolz auf die Idee. Zumindest für die Wendung, die ich mir für die Geschichte und Zeldas Zurückhaltung vorstelle. Viel Spaß beim Lesen und vielen, vielen Dank für eure lieben Worte!!! Komplett anzeigen

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Kapitel 12

Sie erreichten das Schloss mit der untergehenden Sonne. Einer der Stallburschen nahm ihnen die Pferde ab, nachdem Zelda Storm ein letztes Mal über die weiche Nase gerieben hatte. Wie sonderbar, dass das es nur wenige Tage her sein sollte, dass er diese vertrauten Berührungen nicht einmal zugelassen hatte. Unwillkürlich warf sie Link einen Blick zu, der einige leise Worte mit dem Stallarbeiter wechselte.

Er stand von ihr abgewandt, das Haar von dem schnellen Tempo ihres Ritts zerzaust, die Nase von der erbarmungslos strahlenden Sonne ein wenig gerötet.

Sie hatten nicht viel sprechen können, da sie schnell geritten waren. Und selbst wenn sie für eine Pause das Tempo gedrosselt hatten, waren wenig Worte gefallen.

Zelda war es ganz recht so, da es ihr die dringend benötigte Zeit gab, die Geschehnisse der letzten Tage zu ordnen.

Der Fortschritt mit den Wächtern – die noch nicht im Schloss eingetroffen waren. Der Angriff der Yiga. Die Monster. Die Begegnung mit dem Deku-Baum.

Ihre Gefühle.

Ihr war klar geworden, dass sie ihrem Herzen ein wenig Raum geben musste. Zumindest für kurze Zeit. Doch dann musste sie damit aufhören, sich von ihren Gefühlen von ihrer Aufgabe ablenken zu lassen.

Sie liebte Link. Ihren Leibwächter. Den Helden Hyrules.

Und vor allen Dingen durfte sie sich nichts anmerken lassen.

Die Gefahr, dass sie sich verriet. Dass sie etwas sagte, das ihr Innersten preisgab, sich verdächtig verhielt, war zum Greifen nah.

Wie sollte sie sich kontrollieren, wenn sie nicht einmal wusste, wie tief das alles ging?

 

„Ich werde mich auf direktem Weg zu meinen Gemächern begeben. Und beten“, teilte sie Link mit, als der Stallbursche ihre Pferde in den matt beleuchteten Stall geführt hatte.

Sie war sich der distanzierten Förmlichkeit ihrer Worte und ihrer Stimme nur zu bewusst. Links Blick, der sie einer schnellen Bestandsaufnahme unterzog, die Weise wie seine Augenbrauen sich für einen winzigen Moment zusammen zogen, half nicht unbedingt, dass sie sich dabei besser fühlte.

Aber es war notwendig.

Nicht nur wegen ihres hüpfenden Herzens und der feinen Blitze aus Wärme und Freude, die sie durchzuckten.

Bei der Göttin. Es tat beinahe weh, ihn anzusehen.

Sondern weil sie im Schloss angekommen waren. Zurück in ihrem wahren Leben.

Prinzessin und Held. Nicht länger nur Zelda und Link.

Er schien das zu verstehen. Zumindest nach einem ersten irritierten Moment, in dem er sie nachdenklich betrachtete und der Zelda einen hoffnungsvollen, naiven exquisiten Schmerz durch die Brust jagte – törichtes Mädchen, das sie war.

Seine Miene erstarrte in ausdrucksloser Ernsthaftigkeit. Ganz der ergebene Leibwächter, ohne eigene Gedanken und Gefühle. Ein ausführendes, funktionierendes Werkzeug. Zelda musste sich auf die Lippe beißen, um den frustrierten Laut in ihrer Kehle hinunter zu ringen.

Mit einem Nicken setzte Link sich in Bewegung. In Richtung ihres Turms.

Zelda folgte ihm mit einem unartikulierten Seufzen in der Brust.

 

*

 

Die Tage die folgten waren leer und anstrengend. Gefüllt von Pflicht und einem erdrückenden, schweren Gefühl, das Zelda nicht ganz beschreiben konnte.

Bis sie irgendwann verstand, was es war: Melancholie.

Sie begann, sich nach dem Leben auf Hyrules Straßen zu sehnen. Gern hätte sie sogar im Freien geschlafen.

Wenn sie nur den wertenden Blicken, den tuschelnden Stimmen, der immer schwerer drückenden Schuld hätte entkommen können. Gleichzeitig schien es ihr so selbstsüchtig, dieser Wunsch der Verantwortung den Rücken zu kehren.

Dabei war doch klar, dass das nicht möglich war.

Sie konnte nicht in der Welt herumlaufen, die Nase in ihrem Notizbuch vergraben und so tun als gäbe es die drohende Gefahr nicht, deren Lösung sie sein sollte.

Zelda spürte die Last ihrer ausbleibenden Siegelkraft so akut wie nie zuvor. Und sie konterte auf die einzige ihr mögliche Weise.

Indem sie sich mit Inbrunst in ihre spirituellen Übungen stürzte. Sie betete lang und innig. Öffnete noch die letzten Schranken ihres Geistes. Verbrachte unzählige Stunden auf dem Wehrgang ihres Turmes. Auf den Knien.

Bei Tag vergrub sie sich in den alten Büchern. Brütete über Übersetzungen und Registern, versuchte Zusammenhänge zu erschließen und Rätsel um Rätsel zu lösen.

Doch das Schloss, die Stadt, ihr Leben, schien seinen Reiz verloren zu haben. Sie lebte für die kleinen Lichtblicke des Tages. Ein Brief von Purah. Hoffte darauf die ersten Wagen mit Wächtern den Weg zum Schloss hinauffahren zu sehen. Doch der Transport fiel langsamer aus als gedacht und Robelo war immer noch nicht eingetroffen.

Einer dieser Lichtblicke war ein Bericht von dem Nebenkoch, der ihr dabei half, eine bestimmte Sorte Sekret produzierender Kröten zu erforschen. Er hatte damit begonnen, eine nach Zeldas Rezept gebraute Tinktur aus eben jenen Kröten an Freiwillige zu verteilen – mit großem Erfolg. Wenn es auch wenig Freiwillige gab.

Und sie lebte für die großen Lichtblicke. Den einen Lichtblick. Link.

Am Fuße der Treppe, die zu ihrem Turm führte. Unter den Wehrgang. Über ihr, auf den Dächern. Wann immer sie versuchte einen Blick auf ihn zu erhaschen, war er da. Irgendwo. Wenn sie auch kaum mehr austauschten als das ein oder andere Lächeln und das vereinzelte Nicken.

Er hielt Abstand. War eine stumme, unendlich tröstliche Präsenz.

Zelda vermisste ihn schmerzlich.

Es war ein Fenster in die Zukunft, die sie vielleicht oder vielleicht auch nicht erleben würden.

Genau so würde es sein.

Link, in ihrer Nähe, aber nie wirklich nah.

Vielleicht würde es sogar gehen. Ein Leben mit ihm an ihrer Seite. Aber nie mit ihm.

Respektvoller Abstand zwischen ihnen.

Solange er nur da war, würde es gehen.

Aber konnte sie ein solches Leben von ihm verlangen? Ihn dazu verdammen, allein zu sein, familienlos. Ein selbstloser, ergebener Schatten, der nur lebte, um Schild für Zeldas eigenes Leben zu sein.

Nie würde er für sich leben.

Es war nicht das erste Mal, dass Zelda daran dachte. Und es war erschreckend für sie, dass die Antwort darauf sich ihr immer noch entzog. Wie selbstsüchtig sie war. Das verdammte Klischee einer Prinzessin.

Sie würde ihn gehen lassen, wenn er es so wollte. Aber es würde ihr nicht leicht fallen.

Sollte das nicht anders sein? Sollte die Liebe nicht selbstlos machen?

Nie hatte Zelda es mehr bedauert, dass es in ihrem Leben niemanden gab, dem sie diese Frage hätte stellen können.

 

Beinahe war sie froh über die drohende Verheerung. Die ungewisse Zukunft. Vielleicht würde sie den Tag, an dem sie Link gehen lassen musste, nie erleben.

Es war kein tröstlicher Gedanke. Aber einer der erdete. Der dabei half, ihrem Tagewerk nachzugehen. Und sich nicht in eine wandelnde Säule aus Trübsal zu verwandeln.

Tief versunken in ihrer Schwermut, bemerkte Zelda ihre nahende Hofdame erst, als diese direkt vor ihr stand.

„Trübsinn steht Euch nicht, Prinzessin“, begrüßte Mina sie mit einer Verbeugung. Es war immer wieder erstaunlich, wie es der Hofdame gelang, beim Übertreten ihrer Grenzen so sehr höflich zu sein. „Er macht Euch alt.“

Das waren nicht unbedingt Worte die aufmunterten.

„Danke, Mina“, antwortete Zelda und schluckte die ironische Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag.

„Der Direktor des Institus sendet Euch eine Nachricht.“

Das verbesserte Zeldas Laune schlagartig. Das königliche Institut vor den Toren der Stadt war ihr einer der liebsten Orte auf dieser Welt. Sie selbst war inoffizielle Mitwirkende der Einrichtung und der Direktor, ein stiller, warmherziger Gelehrter, Mentor und Freund in einem.

Zelda lieferte ihm, wann immer sie konnte, neue Informationen. Ihre Forschungsergebnisse und Berichte über ihre neusten Übersetzungen antiker Texte. Anders als die Institute der Shiekah erforschte das königliche Institut allerdings nicht nur die alten Technologien.

Gerade arbeitete man dort an einer Sammlung über die komplexe Tier- und Pflanzenwelt Hyrules. Zeldas Forschungen an den Eigenschaften bestimmter Tier- und Pflanzensekrete würde in diesem Werk enzyklopädischen Ausmaßes Niederschlag finden.

Sie hatte ihren Vater monatelang bitten müssen, bis er es in Auftrag gegeben hatte. Am Ende hatte sie sich auf simples Betteln verlegt. Aber in den Annalen Hyrules brauchte es ein solches Buch.

Es gab so viel, das sie nicht wussten. Nicht mehr wussten.

Es gab Zelda ein klein wenig Befriedigung, dass sie wenigstens auf diesem Bereich einen Unterschied machen konnte.

Jedoch war ihr Wirken dort ein Geheimnis, das sie gut hütete. Deswegen versuchte sie äußerst sorgfältig, einen Ausdruck milder Überraschung auf ihrem Gesicht erscheinen zu lassen.

„Oh“, machte sie und tat desinteressiert.

„In Ordnung. Bitte leg sie auf meinen Tisch. Ich werde sie mir später ansehen.“

Mina knickste und tat wie geheißen. Auf dem Weg zur Tür drehte sie sich noch einmal um.

„Werdet Ihr in Eurem Zimmer speisen oder am Abendessen in der großen Halle teilnehmen, Prinzessin?“

Zelda lächelte entschuldigend.

„Meine Gebete werden mich in meinem Turm halten. Ein kleines Mahl aus Nüssen und Früchten wird mir genügen, wenn die Göttin meine Aufmerksamkeit bindet.“

Mina nickte. Wenn sie spürte, dass Zelda ihre spirituellen Pflichten vorschob, um dem ungeliebten Ritual des höfischen Abendmahls entgehen zu können, so ließ sie keinen Verdacht verlauten.

„Jawohl, Prinzessin.“ Nachdem sie die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, wartete Zelda genau fünf Atemzüge.

Dann stolperte sie beinahe über den Saum ihrer Robe, als sie versuchte so schnell wie möglich den verheißungsvollen Umschlag auf dem Tisch zu erreichen.

Die Nachricht darin erfüllte sie mit einem solchen Glücksgefühl, dass es Zelda vorkam, als würde ihre Brust – geschrumpft in der eingeengten Zeit im Schloss – nicht ausreichend groß sein, um dem Gefühl Platz zu geben.

Heftig atmend las sie die Nachricht noch einmal. Dann noch mal.

Der Direktor benötigte einige Bilder von den Pflanzenexemplaren, an deren Einträgen im Sammelwerk das Institut gerade arbeitete. Da er nur einen einzigen Zeichner beschäftigte, bat er sie, Gebrauch von der Bildfunktion des Shiekah Steins zu machen und sie ihm zur Verfügung zu stellen. Der Zeichner würde die Bilder dann abskizzieren können. Er selbst litt unter schlimmen Allergien, weswegen es ihm unmöglich war, die Wiesen Hyrules selbst zu untersuchen.

Zelda fühlte sich beinahe schwindlig vor Erleichterung.

Sie würde aus dem Schloss heraus kommen. Endlich!

Und das Beste daran war, dass Link sie würde begleiten müssen.

 

*

 

Ihr Leibwächter konnte seine Erleichterung darüber aus dem Schloss heraus zu sein, kaum verbergen. Und bestand darauf, den langen Weg zum königlichen Institut zu nehmen. Um die Nordseite des Schlossgrabens herum.

Da die Pferde den Auslauf brauchten. Zumindest war das seine Erklärung.

Zelda genoss die frische Luft auf ihrem Gesicht viel zu sehr, um eine ironische Bemerkung zu machen.

Nach einem langen Galopp, der ihr Lachen durch den Wind perlen ließ und ihr das Herz in der Brust lockerte, zügelten sie die Pferde zu einem gemächlicheren Tempo.

Zelda seufzte zufrieden, währen sie den Duft von Blumen und blühenden Büschen einatmete.

„Ich habe das vermisst“, sagte sie irgendwann und sah hinüber zu Link, der ihren Blick erwiderte. Sein Gesicht wirkte entspannt, die Strähnen seines blonden Haares flatterten in der sanften Brise und das Licht der Sonne verwandelte es in eine Masse aus zerwühltem, schimmerndem Gold.

Während sie ihn stumm betrachtete, änderte sich sein Blick, der zufriedene Ausdruck entspannten Behagens wurde etwas Fragendes, Konzentriertes.

Zelda bemühte sich um eine abwinkende Geste. „Die Luft, die Sonne. All das fühlt sich im Schloss anders an. Und das Reiten hat mir gefehlt. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde.“

Sie lächelte. Verschwieg, dass sie es fast noch mehr vermisst hatte, mit ihm allein zu sein. Mit ihm an der Seite das Land zu durchstreifen. Es überraschte sie, wie natürlich es sich anfühlte. Ruhig, vertraut. Nicht aufgewühlt und unsicher, so wie sie befürchtet hatte.

Es schien, dass sie sich und ihr Herz ganz gut unter Kontrolle hatte. Sie gestattete sich einen mentalen Schulterklopfer.

„Dann solltest du häufiger Reiten“, antwortete Link und Zelda zuckte kurz mit dem Kopf. Kein ganzes Nicken, eher eine zustimmende Bewegung, die gleichzeitig auf die Kompliziertheit der Aussage hinwies.

„Ich fürchte das würde nicht sehr gut ankommen“, sagte sie bedauernd, lächelte aber weiterhin. „Habe ich das Recht auf Vergnügen, wenn meine Aufgabe unerfüllt bleibt?“ Sie hob die Schultern. „Nicht viele hätten dafür Verständnis, wenn ich mir eine Auszeit nehme, wenn es so Wichtiges zu erledigen gibt.“

Sie verschwieg, dass das hier bereits als Auszeit gelten würde, wenn irgendjemand von dem Ritt zum Institut wissen würde. Ihre Hofdamen waren der Überzeugung, Zelda würde der Ausgrabungsstätte einen Besuch abstatten. Was häufig lange genug dauerte.

Link setzte zum Sprechen an – Zelda hörte es daran, wie er Luft einsog, aber sobald sie ihren Kopf zur Seite drehte, um ihn ansehen zu können, schien er es sich anders zu überlegen. Er schloss den Mund wieder. Presste kurz die Lippen aufeinander und wandte den Blick an. Sah nach vorne.

Oh, das durfte doch nicht wahr sein! Ein paar Wochen im Schloss und schon war sein Vertrauen in sie verschwunden? Das würde sie nicht zulassen.

„Was?“, fragte sie deswegen und Link war gezwungen, sie wieder anzusehen.

Seine blauen Augen musterten sie eindringlich. Er blieb weiterhin stumm und Zelda musste in den kleinen mimischen Veränderungen lesen, was in ihm vorging. Wie zum Anfang ihrer Bekanntschaft. Und es war verflucht frustrierend.

Sie ließ ein genervtes Geräusch vertönen.

„Fang nicht wieder damit an!“, fuhr sie ihn an, doch in ihrer Stimme fehlte die Schärfe, die diese Aufforderung unverschämt gemacht hatte.

„Rede mit mir! Ich weiß, dass du es willst.“ Sie versuchte sich in einem kleinen Lächeln, ein neckendes, wie sie hoffte. „Na los“, stichelte sie, bis Links Mundwinkel zuckten und er kaum wahrnehmbar den Kopf schüttelte.

„Es ist nur“, begann er mit leiser Stimme, diesem vorsichtigen Tonfall, nicht weil er nicht wusste, was er sagen sollte, sondern weil er überrascht war, dass er es aussprach, „ich wünschte, es würde keine Rolle spielen, was die anderen denken.“

Ihre Blicke verhakten sich für einen kurzen Moment vollsten Verständnisses, ein Kontakt geladen mit prickelnder Elektrizität, so gelb und stachelnd wie im Bauch von Vah Naboris. Dann senkte Link den Kopf und die Verbindung riss ab. Hinterließ Zelda mit einem leeren Gefühl, einem kleinen Loch irgendwo in ihrer Magengegend.

Während er wieder auf den Weg vor ihnen blickte, betrachtete Zelda schweigend ihren Sattelknauf.

Oh, wie sehr wünschte sie das auch. Wie sehr die Gedanken der anderen ihre eigenen doch einschränkte. Sie katalogisierte, als schlecht und gut einschätzte, ihr Handeln und Fühlen beeinflusste.

Nur dass Link die Bandbreite ihrer Frustration darüber unmöglich begreifen konnte.

„Danke, Link“, sagte Zelda irgendwann leise. „Du bist ein guter Freund.“

Er hatte seine eigenen Kämpfe auszutragen. Eigene Fremderwartungen, die wie Gewitterwolken über ihm hingen. Aber Zelda hatte das Gefühl, dass er es sich in diesem Moment nicht für sich selbst wünschte. Sondern für sie.

Und das machte ihn zu einem guten Freund.

Nur dass er so viel mehr war als das.

 

*

 

Der Direktor des Instituts empfing sie in seinem Hauptlabor, wo er ihr ohne viel Umschweife eine Liste der Pflanzen überreichte, die er abbilden lassen wollte. Da es sich vor allem um seltene, teilweise gefährdete Pflanzenarten handelte, war es den Forschern unmöglich einige Exemplare aus der Natur zu entfernen, zu trocknen und später abzuzeichnen. So wie sie es mit den herkömmlichen Gattungen taten.

Sie wechselten einige Worte und dann war Zelda mit Link im Schlepptau auch schon wieder auf dem Weg.

Nach einer Weile stillen Reitens, schwang sie sich schließlich aus dem Sattel. Das Starren auf den Boden machte sie vom Pferderücken ganz schwindelig.

Die weiten grünen Wiesen standen in voller Pracht. Das Summen der Insekten und ein blumiger, grasiger Duft erfüllte die warme Luft. Mittlerweile war die Sonne ein wenig höher geklettert und der Tag versprach heiß zu werden.

Sie hörte hinter sich, dass Link ebenfalls abgestiegen war. Über ihre Schulter warf sie ihm ein Lächeln zu.

„Das hier könnte ziemlich langweilig für dich werden“, warnte sie ihn und versuchte entschuldigend zu klingen.

Link hatte Storms Zügel in die Hand genommen und führte ihn zusammen mit seinem Pferd hinter ihr her. Er erwiderte ihren Blick lächelnd, als könnte er sich nicht helfen.

„Ich werde mich nicht langweilen“, sagte er mit sanfter Stimme und nickte in Richtung der Hügel. „Na los, geh spielen!“

Zelda spürte, wie ihr die altbekannte Röte beim rauen Klang seiner Worte ihren Hals hinauf kletterte. Schnell wandte sie den Blick ab.

Versuchte seine Anwesenheit so gut es ging zu vergessen. Doch dann erweckte eine Echse, die sich auf einem Stein sonnte, ihre Aufmerksamkeit.

„Oh“, entfuhr es ihr und sie ging in die Knie, um sich das Reptil genauer anzusehen. Die ausgefallene Musterung der Schuppen wies es als eine Art aus, die in der Ebene selten gesehen wurde.

„Ich glaube, das ist eine-“ bevor Zelda es aussprechen konnte, war das Tier unter dem Stein verschwunden. Enttäuscht ließ sie sich ins Gras fallen. Und wurde augenblicklich von den wadenhohen Wildblumen verschlungen. Die kühle Feuchtigkeit des Morgens steckte noch im Boden des Pflanzenteppichs und kroch sofort in das Material ihrer Hose. Ein angenehmer Kontrast zum warmen Schein der Sonne am wolkenlosen Himmel.

„Was ist?“, fragte Link hinter ihr. Zelda drehte sich nach ihm um. Er war näher gekommen, die Pferde einige Schritte hinter sich, neben einem großen Stein, deren Nasen im saftigen Grün vergraben. Ein guter Gedanke. Sie würden nur platt treten, was sie eigentlich bildlich festhalten sollte.

„Was hast du gesehen?“ Er klang interessiert und Zelda musste an sich halten, um ihm nicht einen Vortrag über die verschiedenen Echsenarten Hyrules um die Ohren zu schlagen.

„Hm“, machte sie abwinkend und schüttelte den Kopf, den Blick wieder auf den nun leeren Stein gerichtet.

„Reptil. Ich habe mich zu schnell bewegt. Jetzt ist es weg.“

Ihre Enttäuschung musste sich auf ihrem Gesicht zeigen, denn Link klang amüsiert, als er ihr antwortete.

„Wird sich erschreckt haben, der kleine Kerl.“

Zelda begegnete seinem Halblächeln mit einem säuerlichen Blick. „Mir sind die Fluchtmechanismen bestimmter Tierarten durchaus bekannt, Sir Link.“ Sie strich sich ihr Haar zurück über die Schulter. Beim Vorbeugen war es über ihren Nacken nach vorne gerutscht und kitzelte sie im Gesicht.

Ein weiterer Kommentar wurde von der Entdeckung einer kleinen, blauen Blume abgelenkt.

„Oh, sieh nur!“, entfuhr es ihr enthusiastisch.

„Das ist eine der Pflanzen, von denen der Direktor ein Bild möchte.“

Ungeduldig löste Zelda den Shiekah Stein von ihrem Gürtel. Da keine Gefahr bestand, eine im Boden verankerte Blume mit hektischen Bewegungen zu verjagen, beugte Zelda sie nach vorne.

Hinter sich hörte sie, dass Link sich ebenfalls ins Gras kniete. Die hohen Halme raschelten charakteristisch, als er näher kam, um zu sehen, worauf sie zeigte.

 

„Guck, hier!“ Aufgeregt deutete Zelda auf die Pflanze. Wie ausgesprochen glücklich, dass sie gleich hier, an ihrem ersten Suchort, eine der Blumen auf der Liste fand. Sie hob den Shiekah Stein hoch und fixierte das Bild der Pflanze. Auf der fertigen Abbildung entdeckte sie weitere Vertreter der Gattung. „Und hier, noch eine!“, rief sie und machte gleich noch ein Bild.

Eine warme Welle des Glücks durchfuhr sie mit einem Schauer. Hier war sie in ihrem Element. In der Natur. In der freien Natur. Inmitten all der wilden Schönheit Hyrules, deren Wunder es zu ergründen galt.

In ihrer Aufregung begann sie zu plappern, hoffend, dass sie dabei wenigstens einigermaßen akademisch klang und nicht wie ein kleines Mädchen, dem erlaubt wurde, einen Blumenkranz zu flechten.

„Die Blumen von Hyrule sind nicht nur schön anzusehen ...“ Sie machte noch ein Bild. Freute sich über die zarte Farbe der Schmetterlinge, die sich mit Gusto über die prächtig blauen Blumen hermachten.

„Sie werden auch als Farbstoffe oder Heilmittel verwendet.“

Einfach, weil sie sie so schön fand, hielt Zelda das Bild einer Gruppe hübscher weißer Blumen fest, die sich lieblich an das satte Grün schmiegten. Ihr ganzer Körper schien aufzuseufzen.

Wie wunderbar es war, hier draußen zu sein. Zu etwas beizutragen, über das sie eine reale Kontrolle besaß.

Noch einmal betätigte sie mit ihrem Finger den auslösenden Knopf auf dem Stein. Besah sich nachsinnend das entstandene Bild. Das Funkeln der Farben, das der Stein so detailgetreu, so wahrhaftig einfing. Der Widerschein der Sonne auf den zarten Blütenblättern.

Für einen kurzen Augenblick wollte sie die Zeit anhalten. In genau diesem Moment leben. Für immer die frische Luft atmen, warm und duftend, die Symphonie der Natur in den Ohren.

Dann zogen sich ohne ihr bewusstes Zutun ihre Augenbrauen zusammen, als sie das Bild auf dem Stein genauer betrachtete.

Es entfuhr ein überraschter Laut. Die angenehm aufgeladene Euphorie perlte wie Regentropfen von ihr ab. Und ein ganz anderes Gefühl hüllte sie ein.

Wunder. Betroffenheit. Süße Trauer.

Langsam ließ sie den Shiekah Stein sinken.

„Das hier“, hauchte sie und legte ihre Hände auf den Oberschenkeln an. Lehnte sich leicht nach vorne, „ist ein Prinzessinnen-Enzian.“ Wie hatte sie ihn nur übersehen können? Was, wenn sie aus Versehen auf ihn getreten wäre?

„Die sind vom Aussterben bedroht“, sagte sie, voller Hingabe in der Stimme. Sie hatte nicht mal auf der Liste gestanden, die der Direktor ihr gegeben hatte. Wahrscheinlich, weil er ohnehin nicht damit rechnete, dass sie ein Exemplar finden würde.

Vorsichtig beugte sich Zelda weiter nach vorne, setzte ihre Hände behutsam links und rechts der zarten Pflanze auf den Boden. Betrachtete das reine Weiß der Blüte, abgesetzt mit dem feinen Blauton, der der königlichen Farbe so ähnlich war, die sie selbst und Link hinter ihr trug.

Dieses Exemplar besaß noch eine zweite Blüte, die aber noch geschlossen war, noch nicht bereit ihr Innerstes der Welt zu zeigen.

„Man wollte sie retten“, hörte Zelda sich sagen, ohne dass sie sich hätte bremsen können. Die seltenen Spezies der Flora und Fauna Hyrules hatten sie schon immer besonders fasziniert. Aber niemals so sehr, wie der Prinzessinnen-Enzian. Vielleicht war es der Name, der ein vages Gefühl von Zugehörigkeit in ihr weckte. Oder die bestimmten Eigenschaften der Blume. Hinter sich hörte sie, wie Link näher kam. Sich ebenfalls vorbeugte und sich auf den Knien heran bewegte.

„Und hat versucht, sie in Gewächshäusern zu züchten.“ Sie drehte sich halb zu ihm herum. Als er es bemerkte, nahm er seinen Blick kurz von der zarten kleinen Blume vor ihnen und sah ihr in die Augen. Seine Miene war unlesbar und für den Moment fehlte Zelda die Konzentration, um in den verborgenen Tiefen seines Gesichtes nach seiner Seele zu suchen.

„Aber“, fuhr sie fort und streckte vorsichtig die Hand nach der Pflanze aus, „sie gedeihen nur in der Natur.“ Nicht gewillt das seltene Gewächs zu stören, berührte sie es nicht. Strich nur vorsichtig einen Fingerbreit von der Blüte entfernt durch die Luft. Krümmte ihre Finger um die Länge der Pflanze, als könnte sie so ihren Schutz um die gefährdete Spezies legen.

Langsam zog sie ihre Hand zurück. Sie hatte lange nicht mehr an die Blume gedacht, mit der sie wegen ihres Namens auf seltsame Art verbunden war.

Ein Gefühl, das irgendwo aus den Tiefen der Zeit zu stammen schien, durchfuhr sie sanft wie ein Windhauch. Dennoch spürte Zelda, wie ihre Innerstes darauf antwortete. Sich in den Klang einschwang und die Melodie aus Vergehen und Bestehen mitsang. Nicht nur den Namen hatte sie mit der Pflanze gemein. Auch sie hatte das Gefühl hinter Mauern nicht gedeihen zu können. Auch wenn ihre Mauern, ihre Gefangenschaft, ganz anderer Natur war.

 

Eine süße Schwermut senkte sich über ihre Glieder. Ließ sie sich schweigend aufrichten.

„Diese Blume hier“, begann sie durch das Gefühl hindurch zu sprechen, ihre Hand fand wie allein zu ihrem Herzen, zu der Stelle, die auf exquisite Art schmerzte, „Vielleicht ist sie sogar die letzte ihrer Art.“ Langsam sah sie zu Boden. Hing einem Gedankenfetzen nach, der sich in einem Gespinst aufzulösen schien. „Vielleicht ...“, begann sie, ohne dass sie es recht bemerkte, während der Gedanke endgültig verschwand.

In ihrem Geiste sah sie ihm hinterher. Fühlte die tiefe Resonanz, die die Pflanze mit ihr verband und starrte auf den bunten Teppich am Boden.

Für einen Moment sah sie gar nichts. Dann fand sie langsam in die Welt zurück. Das fremde und gleichzeitig so bekannte Gefühl in ihrer Brust löste sie ein wenig, verlor die enge Klebrigkeit und wurde zu einem Nachhall vager Erinnerungen.

Plötzlich riss eine Bewegung sie vollends aus ihren Gedanken.

Mit einem überraschten Laut machte sie einen Satz nach vorne. Krabbelte auf allen Vieren, um das Gesehene nicht entwischen zu lassen.

„He!“, rief sie, nun wieder von freudiger Euphorie erfasst. So schnell, wie konnte, streckte sie die Arme aus und umfing die flinke Amphibie mit ihren Händen. Begeistert drehte sie sich zu Link herum. „Guck mal hier!“

Auf ihren Knien, die Hände immer noch um das kühle, glitschige Tier gekrümmt, trippelte sie zurück in seine Richtung. Er besah sie mit einem leicht indignierten Gesichtsausdruck. Zelda konnte es ihm nicht verübeln. Ihr Gemütszustand war an diesem Tag so wechselhaft, wie das Wetter in der Gerudowüste.

„Die sind schon lange als Delikatesse begehrt“, erklärte sie ihm mit freudiger Stimme. Ließ sich von seiner Miene nicht abbringen. Er beäugte ihre Hände mit vorsichtiger Skepsis. „Jetzt hat sich rausgestellt, dass sie Wirkstoffe enthalten, die die Leistungsfähigkeit erhöhen.“

Begeistert enthüllte sie ihren Preis mit ausgestreckten Armen. In ihren Händen saß eine phlegmatisch wirkende Spurtkröte, die genau diesen Moment nutzte, um wie auf Kommando zu quaken.

Zelda strahlte Link an, dessen skeptischer Gesichtsausdruck sich kein bisschen verändert hatte. Seine ganze Miene schien zu sagen: Und?!

„Ich erforsche gerade ihre Wirkung“, gestand sie ihm und hielt das Tier auf ihren Handflächen vor ihr Gesicht. Betrachtete seine gelben Augen, die sekretreichen Drüsen auf der Oberfläche seiner Haut. „Und ein paar Freiwillige im Schloss helfen mir dabei.“

Nun, es waren wirklich nur ein paar. Aber sobald es sich herumsprach, würden die Gewillten Schlange stehen, um sich die stärkende Tinktur verabreichen zu lassen. Ganz sicher!

Aufgeregt bewegte sich Zelda sanft auf den Knien hüpfend auf und ab, die Kröte auf ihrer Hand quakend zum Mitwippen zwingend.

„Aber jemand mit deinen außerordentlichen Fähigkeiten fehlt mir noch ...“, fügte sie hinzu, kurz ein wenig geschockt, dass sie ihm das ins Gesicht gesagt hatte. Gleichzeitig war es ja nun wirklich kein Geheimnis, dass Link außergewöhnlich war.

Sie lächelte ein wenig verlegen und wandte den Blick ab. Dann sah sie wieder auf.

Links Haltung war mit jedem ihrer Worte steifer geworden. Als wüsste er, worauf sie hinaus wollte.

„So jemanden brauche ich noch als Versuchskaninchen!“

Würde die Tinktur bei ihm anders wirken? Oder würde sie vielleicht überhaupt nicht wirken, da seine körperlichen Parameter so überdurchschnittlich waren?

Links Miene wurde zunehmend panischer. Ihn so perplex und abwehrend zu sehen, gleichzeitig darauf bedacht sich seinen Ekel nicht anmerken zu lassen, kitzelte das unbändige Verlangen in ihr empor, ihn ein wenig zu necken.

Lachend streckte sie ihm die Hände mit der Kröte entgegen.

„Na los!“, forderte sie ihn spaßeshalber auf, als würde sie von ihm verlangen, dass er die Kröte hier und jetzt verspeiste. Hüpfend und quakend.

Der Gedanke entlockte ihr ein Kichern.

„Iss schon!“, sagte sie und kam noch näher, die Hände immer noch ausgestreckt.

Link tat sein Bestes, um der Kröte und ihr auszuweichen. Lehnte sich immer weiter nach hinten, während seine zur Seite gestreckten Arme versuchten das Gleichgewicht zu halten.

Die Kröte quakte besonders laut und sprang hoch. Link begann mit den Armen zu rudern und stieß ein besonders abwehrendes Geräusch aus. Link, der immer so beherrscht und kontrolliert schien, verzog das Gesicht wie eine Zofe, die sich vor einer Maus fürchtete und Zeldas Herz schwoll an vor Zärtlichkeit.

Sie lachte, während Link versuchte, vor ihr zurückzuweichen, ohne seinen geschulten Reflexen zur Verteidigung nachzugeben und sie körperlich abzuwehren.

Etwas, das ihm erst gelang, und dann, als die Kröte zum Sprung ansetzte, nicht mehr.

Er riss die Arme nach vorne, prallte mit der Handkante an Zeldas Handgelenk und drückte sie von sich. Allerdings geschah es dermaßen schwungvoll, dass sie das Gleichgewicht verlor, so wie sie auf den Knien balancierte, die Arme nach vorne ausgestreckt.

Ungelenk fiel sie nach vorne. Sie war zu langsam, um sich mit den Händen abzustützen, da sie immer noch die Kröte hielt, die diesen Moment nutzte, um nach vorne zu springen. Auf Links Brust. Der sich mit einer seitlichen Rolle zu befreien versuchte.

Sein Ellenbogen traf Zelda mitten in dem Versuch ihr Gleichgewicht wieder zu erlangen und entriss es ihr damit vollends.

Einen Moment lang bestand die Welt aus Verwirrung. Gras und Schmetterlingen, Staub und Sonnenschein.

Wärme.

Dann kehrte Ruhe ein und Zelda sah sich mit der Situation konfrontiert.

Link. Auf dem Rücken. Und sie auf ihm. Für einen Augenblick blieb die Zeit stehen.

Es gab nur noch den trockenen Duft seiner Kleidung. Die Wärme seiner Haut und den daunigen Flaum winziger, blonder Bartstoppeln auf seinen Wangen.

Ihr beider Atem vermischte sich. Traf sich irgendwo zwischen Traum und Realität und sickerte in Zeldas Geist wie beruhigende Medizin.

Dann quakte die Kröte und durchbrach den Moment.

Es war bestimmt nicht die angemessene Reaktion auf das Dilemma, aber Zelda begann zu lachen.

Sie ordnete ihre Gliedmaßen und stützte sich nach oben, die Hände auf der Erde, nicht mehr auf Brustkorb und Schulter ihres Leibwächters. Ihr Lachen verklang und ein traumartiger Nebel begann sie einzuhüllen. Sanft und lieblich, ein Schleier, der das Licht goldener machte, die Farben der Blumen zarter und das Blau in Links Augen blauer. So, so, so viel blauer.

Ein letztes feminines Glucksen perlte aus ihrer Kehle, dann verstummte Zelda. Ihre Finger brannten dort wo sie ihn berührt hatte. Ein feuriges Nachhallen, ein zittriger Puls, der ihre Arme hinauf resonierte.

Sie sah hinab zu Link, der auf dem Rücken lag, mit Grashalmen im Haar und lächelte. Ein ehrliches, offenes Lächeln, einfach nur, weil sie gelacht hatte. Sein jungenhafter Charme blendete Zelda beinahe. Er war umwerfend.

Und er lächelte nur ihretwegen. Irgendwo an der Schwelle über ihre Kapriolen zu lachen.

Er schien kein Bisschen unangenehm berührt von ihrer plötzlichen Nähe. Ihren Händen, die nun neben seinem Brustkorb auf dem Boden gestützt waren, um ihr nach vorn gebeugtes Gewicht zu halten.

Ein unsichtbares Band schien sie nach vorne zu ziehen. Ihm entgegen. Wo sie sich doch gerade aus genau dieser unmöglichen Position befreit hatte.

Ihr stockte der Atem, als Link langsam die Hand hob. Mit derselben Vorsicht, mit der sie den Prinzessinnen-Enzian behandelt hatte, streckte er die Finger nach der schweren Masse ihres Haars aus, das durch das Gerangel über ihren Rücken nach vorn gefallen war. Irgendwo in ihrem Bauch begann ein kraftvoller Puls zu hämmern und brachte jeden körpereigenen Rhythmus aus dem Takt: Herzschlag, Atmung, Denken.

Der traumartige Schleier wurde dichter, die Welt unwirklicher und gleichzeitig schien nichts ihr je so real gewesen zu sein.

Sanft berührte Link ihr Haar. Strich durch das feine Blond, einige Nuancen heller als seines. In Zelda entstand der Wunsch es nebeneinander zu sehen. Ineinander. Ihre beiden Haarfarben. Ein Gemisch aus Gold und Licht, die Farbe von honigüberspültem Kupfer und blank poliertem Gold.

„Man kann die Kröten nicht einfach essen“, murmelte er leise. Seine Stimme war Rauch und Melasse, kitzelte ihre Ohren und ließ kleiner Schauer über ihren Rücken rinnen.

„Hm?“, machte Zelda ebenso leise. Ihre eigene Stimme klang meilenweit entfernt. Links Mundwinkel zuckten und langsam, oh so langsam, begann er ihr Haar über ihre Schulter zurück zu streifen. Erst ein Haarbündel. Dann das nächste.

Die Berührung kletterte hinauf zu Zeldas Kopfhaut und löste dort exquisite Sensationen aus. Alles, was sie tun konnte, war sich zu zwingen, nicht zu schnurren.

„Spurtkröten“, erklärte Link, da sie offensichtlich nicht verstanden hatte, wovon er sprach, „Man muss sie kochen, bevor sich der Effekt zeigt.“

Zelda blinzelte durch den Nebel aus Wärme und Zärtlichkeit. Kaum jemand berührte sie je. Und es war lange her, dass ihr jemand durch das Haar gestrichen hatte. Sie hatte vergessen, wie es sich anfühlte.

„Du willst immer alles kochen.“ Zelda erkannte die heisere, kehlige Stimme kaum als ihre eigene.

Links Schultern zuckten kurz, als er ein Lachen unterdrückte. Seine Augen waren blaue Seen flüssiger Wärme. Sie hätte sich endlos darin verlieren können.

Fasziniert von dem Kontrast seiner dunklen Wimpern und der hellen Augenbrauen, starrte sie ihn an. Konnte nicht anders, während seine Hände immer noch behutsam daran arbeiteten, ihr Haar über ihre Schulter auf ihren Rücken zu legen.

Wann immer sein Handrücken oder seine Finger sie dabei berührten, breitete sich der tiefe Genuss weiter in ihrem Körper aus.

„Also wirst du mir nicht helfen?“, fragte sie immer noch mit dieser kehligen Stimme, die nicht ihre eigene war. Zelda räusperte sich ungeschickt.

„Ich werde keine Kröte essen“, antwortete Link langsam und mit äußerster Sorgfalt. Die neckende Imitation von der Art und Weise, wie man mit einem Verrückten sprach. Er zog seine Hand zurück, anscheinend fertig damit, ihr Haar von seinem Brustkorb zurück auf ihren Rücken zu streichen.

Er wirkte entspannt und zufrieden, ein wenig schläfrig.

Kein bisschen angespannt ob ihrer Position. Sie beinahe auf ihm, die gewohnte Grenze respektvollen Abstandes weit überschritten.

Ein kleiner Dämon schien sie zu reiten, anders konnte sie sich ihr Verhalten, nicht erklären.

Sie lehnte sich noch weiter vor. Bis sie mit ihrer Vorderseite das Material seiner Tunika streifte. Wann sie tief einatmete, berührten sich ihre Oberkörper.

Zelda ignorierte die schrille Begeisterung in ihrem Inneren, die dieser Kontakt auslöste.

Der schläfrig entspannte Zug um Links Augen verschwand. Stattdessen verhärtete sich das helle Blau zu Kristall und sein Blick wurde scharf.

„Ach ja?“, hauchte sie, seinem Gesicht nun ganz nahe. Sie versuchte sich an einem koketten Lächeln, die Augenlider halb gesenkt, den Kopf zur Seite geneigt. „Und was ist, wenn ich bitte sage?“

Sie wusste es war absolut albern, aber das Verlangen ihn zu necken war zu übermächtig. Und es war offensichtlich, dass sie scherzte. Dass ihre Geste, das süßliche Lächeln und der Augenaufschlag gespielt waren.

Dennoch spürte sie, wie Link unter ihr starr wurde. Konnte fühlen, wie sein Brustkorb aufhörte sich zu bewegen. Für einen kurzen Moment hielt er den Atem an. Dann geschah etwas auf seinem Gesicht. In seinen Augen. Eine sichtbare Veränderung, ein Umschalten, das Zelda nicht deuten, aber deutlich sehen konnte. Etwas ging vor sich, dass sie nicht verstand. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Die seltsame Empfindung ungewusst etwas getan zu haben, dass sie nicht beabsichtigt hatte.

Dann holte Link tief Luft. Der weiche Stoff seiner Tunika strich an ihren Handgelenken entlang und Zelda wurde abgelenkt.

„Falls du es nicht bemerkt hast“, begann er mit leicht gepresster Stimme und begann sich aufzurichten, „bin ich auch ohne deine Gebräue ziemlich schnell.“ Er stützte sich auf seine Unterarme, was seinen Oberkörper noch näher an ihren heran brachte. Zelda wich zurück, brachte dringend benötigten Abstand zwischen sie.

„Es ist nicht mein Gebräu“, beeilte sie sich ihn zu verbessern und hoffte, dass er das auf ihren Wange erblühende Rot auf die steigenden Temperaturen des Tages schieben würde. „Einer der Nebenköche hat die Rezeptur entwickelt.“ Zelda verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte sich darum möglichst hochnäsig auszusehen.

Sie hörte Link lachen. Tief und leise, ein träges, sanftes Rumpeln, das sie so euphorisch stimmte, dass sie vergaß, beleidigt zu spielen.

Zelda neigte den Kopf und lächelte. Ihre Blicke trafen sich in einem warmen, vertrauten Band und kurz erlaubte sie sich in dem Gefühl aufzugehen.

Sie fühlte sich sicher. Behütet und umhüllt von etwas, das Links Wesen, seine Loyalität, seine Freundschaft sein musste.

Und es war genug für sie.

Deswegen fiel es ihr nicht schwer den Kopf zu heben und ihr Gesicht in die Sonne zu halten. Sich auf den Handflächen abzustützen und nach hinten zu lehnen, in die Strahlen aus warmem Licht, die sie schläfrig machten. Abstand zwischen sie zu bringen.

Zelda seufzte wohlig.

„Ist schon in Ordnung, dass du meine Studie nicht unterstützen willst“, sagte sie, ein Lächeln in der Stimme. Kurz öffnete sie die vorher geschlossenen Augen und sah wieder zu ihrem Leibwächter, der verdächtig danach aussah, als würde er faul im Gras fläzen.

„Hinterher könnte mir noch jemand vorwerfen, ich würde dich vergiften wollen.“

„Eine Gefahr, die bei Fröschen durchaus besteht“, erwiderte er prompt und zog zur Betonung eine Augenbraue hoch.

Zelda schüttelte den Kopf.

„Ich würde das so viel klüger anstellen. Ohne dass es jemand bemerken würde.“

Irgendwie gelang es ihr dermaßen ernst dabei zu klingen, dass Link für einen kurzen Moment verwirrt aussah. Er blinzelte und bewegte sich für einen Augenblick gar nicht mehr. Erst als sie übertrieben bedrohlich mit den Brauen wackelte, löste sich der starre Ausdruck von seinem Gesicht.

Er seufzte schwer, als hätte er es schlimm getroffen und verzog missbilligend die Lippen.

„Und du sagst mir, ich sei schrecklich.“

Zelda grinste und machte ein zufriedenes Gesicht.

„Weil du schrecklich bist, Sir Link. Aber keine Angst“, sie machte eine dramatische Pause, die sie nutzte um sich bequemer hinzusetzen, „dein Geheimnis ist bei mir sicher.“

Link ließ ein spöttisches Geräusch ertönen, ein kehliges Schnaufen, dass sie so plötzlich kam, dass Zelda ein wenig zusammen zuckte.

Er warf ihr einen sardonischen Blick zu.

„Ich erinnere mich daran, dass du mich dazu zwingen solltest, diese abscheuliche Leibwächteruniform zu tragen.“

Seine Worte holten sie für einen Moment von der gemütlichen Wolke ihrer vertrauten Neckerei herunter. Sie sprachen nie über diese schreckliche Zeit, als er ihr Leibwächter geworden war. Bevor sie sich bei ihm entschuldigt und aufgehört hatte, sich wie ein Biest zu benehmen. Nie hatte er auch nur ein Wort darüber verloren, außer ihre eigenen Anschuldigungen zu entkräften.

Ihr Lächeln verlor sich.

„Wo doch Purpur überhaupt nicht meine Farbe ist“, fuhr er unbeirrt fort, mit Schalk in den Augen und herausfordernd angehobenem Kinn.

Für einen kurzen Moment hielt die Waage sich im Gleichgewicht. Ihre Belustigung über seine Bemerkung wog genau so viel, wie das schuldige Gefühl ihn schlecht behandelt zu haben.

Dann gewann die Belustigung.

Sie pikte ihn mitten in die Brust. Bevor seine Reflexe anschlugen um ihre Hand einzufangen, hatte sie sich schon wieder zurück gezogen.

„Du hättest es verdient mit einer Feder im Hut herum zulaufen“, sagte sie so gehässig wie sie konnte, auch wenn ihr Lächeln den Effekt zunichte machte.

Die Vorstellung war herrlich komisch, auch wenn die offizielle Uniform der königlichen Leibgarde überhaupt gar keine Feder im Hut vorsah.

„Obwohl du bestimmt schneidig aussehen würdest.“ Zelda schloss die Augen, als würde sie in ihrem Kopf das Bild entstehen lassen. Sie seufzte. „Denk an die Hofdamen, die sich mit den Fingern Luft zufächeln würden. All die feinen Mädchen, die in Ohnmacht fielen. Die Herzen würden dir nur so zufliegen.“

Zelda lächelte süßlich auf ihn herab. „Würde dir das nicht gefallen?“, fragte sie und bemühte sich möglichst unschuldig auszusehen.

„Gerade hast du meinen ganz normalen Alltag beschrieben. Ich wüsste nicht, was ein Hut daran ändern sollte.“

So sehr er auch versuchte selbstzufrieden und blasiert zu wirken, verrieten ihn doch seine Augen. Der grundanständige, aufrichtige Ausdruck darin, der davon zeugte, dass er sich um so etwas nie schweren würde.

Zelda musste lachen.

„Wer ist jetzt schrecklich?“, fragte sie und zog spielerisch an seinem Hosenbein.

Link antwortete nicht, erwiderte ihren Blick nur auf eine seltsam suchende Art. Still und lächelnd, aber wie jemand, der versucht ein Rätsel zu lösen.

Zelda brachte es nicht fertig, ihm standzuhalten. Stattdessen gingen ihre Augen auf Wanderschaft. Betrachteten die ferne Silhouette des Schlosses, die träge dahin fliegenden Wolken. Das wogende Gras, die sanft rauschenden Blätter der nahen Eiche.

Und schließlich wieder Link. Das Masterschwert auf seinem Rücken, so verschmolzen mit seiner Gestalt, dass es ihr kaum noch auffiel. Die feine Brise, die sein Haar zerwühlte und Kuckuck-Spiele mit den kleinen Farbtupfern an seinen Ohren spielte.

Zelda Blick saugte sich daran fest.

Ihre Lider verengten sind ein wenig, als sie den winzigen Schmuck an Links Ohren einer genauen Bestandsaufnahme unterzog.

„So“, begann sie in einigermaßen strengem Ton. Link legte den Kopf leicht schief und erwiderte ihren konzentrierten Blick aufmerksam.

„Es ist vorbei“, sagte sie und musste mit viel Anstrengung ein Lächeln unterdrücken. „Länger halte ich das nicht aus. Was hat es mit diesen Ohrringen auf sich?“

Sie deutete auf seine Ohren.

„Und sag nicht, all die anderen Ritter haben es gemacht. Ich weiß mit Sicherheit, dass das nicht Teil der Ausrüstung ist.“

Ihre Augen wurden groß, als ihr ein Gedanke kam. „War es eine Mutprobe?“

Link lachte.

Sie liebte es, wenn er lachte.

Wenn der Humor in seinen Augen blitzte.

Wenn sie es geschafft hatte, ihn so zu amüsieren, dass dieser seltene Laut erklang.

„Nein. Keine Mutprobe.“ Er zuckte vergnügt mit den Schultern. „Es gefällt mir einfach.“

Entzückt über diese Erkenntnis schnalzte Zelda mit der Zunge. „Bis ans Ende meines Lebens hätte ich das nicht vorausgesehen. Link, der große Held, ein eitler Gockel.“

Ein schiefes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht und er zuckte entschuldigend mit den Schultern. Nicht seine typische Geste stummen Abwinkens. Sondern ein saloppes 'Tja'.

Sie schüttelte sanft den Kopf, während sie ihn dabei beobachtete, wie er im Gras eine bequemere Position fand. Er verrückte das Schwert auf seinem Rücken, so dass es eher über seiner Schulter lag und ließ sich dann zurückfallen. Beinahe verschwand er in dem hochstehenden Pflanzenmeer. Ein körperförmiges Loch im bunt besprenkelten Grün.

Zelda beugte sich nach vorne und bewegte sich auf allen Vieren nach vorne, näher an seinen Kopf heran.

„Es hat keinen Zweck sich vor mir zu verstecken, Link“, verkündete sie, als sie sein Gesicht sehen konnte, eingerahmt von erschreckten Schmetterlingen und grünem Gras.

„Ich will die ganze Geschichte hören.“

Link sandte ihr einen schrägen Blick zu – da er zu faul schien den Kopf zu drehen, um sie anzusehen, war das die einzige Möglichkeit – und seufzte ergeben. Dann schloss er die Augen.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, antwortete er nach einer Weile. Er klang so entspannt, wie er aussah, seine Stimme schwer und sanft vor gemütlicher Schläfrigkeit.

Zeldas Herz pumpte süßlich klebriges Blut durch ihre Adern, ein ziehendes, übermächtiges Gefühl, das etwas mit der Vertrautheit, der Ruhe und damit zu tun hatte, wie Link inmitten des ganzen Grüns aussah.

„Die Zoras hatten all diesen Schmuck und mein junges Ich war sehr empfänglich für hübsche, glänzende Dinge.“ Link öffnete kurz die Augen und ein kleines, schnelles Lächeln blitze zur Zelda hinauf. Erstaunlich, dass es sie immer noch überraschen konnte, wie blau seine Augen waren.

Mit einem zufrieden klingenden Seufzen verschränkte Link seine Arme hinter dem Kopf, rutschte auf dem Boden ein wenig herum, bis er eine Position fand, die ihm zu sagte.

Sein ganzer Körper entspannte merklich.

Er schloss wieder die Augen.

„Also habe ich meine Mutter so lange gequält, bis sie eine Nadel genommen hat.“ Wieder ein Seufzen.

„Den Rest siehst du hier.“ Er deutete mit einem Finger auf sein Ohr.

Das Bild das er heraufbeschwor, ließ Zelda lächeln. Sie sah eine kleinere, pausbackige Version von Link, der mit großen Augen die eleganten Erscheinungen der Zoras und deren Goldschmiede- und Kunstwerkarbeiten bewunderte.

„Und? Deiner professionellen Einschätzung nach, ist der Schmerz den Nutzen wert?“

Link öffnete ein träges Auge. „Was meinst du?“

Zelda legte ungeduldig den Kopf schief.

„Ich meine, ob die Ohrringe den Schmerz der Nadel wert sind.“

Er schloss das Auge wieder.

„Kommt drauf an“, antwortete er, nun mit deutlich schleppenderer Stimme. Der Kerl war doch tatsächlich dabei einzuschlafen.

„Link!“

„Hm?“ Er klang, als wäre er kaum noch im Reich der Wachenden.

„Worauf kommt es an?“

Er stieß ein kleines summendes Geräusch aus. Ein Laut tiefen Wohlbehagens. Zelda konnte es ihm nicht verübeln. Die Sonne schien in genau dem richtigen Winkel auf sie hernieder. Alles war warm und weich, doch der vom Gras beschattete Boden spendete genügend Kühle, damit es nicht unangenehm wurde.

Amüsiert betrachtete Zelda ihren schläfrigen Leibwächter. Sie erinnerte sich an seine Worte. Weit entfernt in der Vergangenheit, in der Hütte am Kangossa Gebirge.

Aber wenn ich kann, schlafe ich durchaus. Und zwar so ziemlich überall.Wenn es gemütlich genug ist.

Es war wirklich schwer für Zelda, es nicht auf sich zu beziehen. Es lag an diesem Ort. Der Sonne. Der Wärme. Dem Rauschen der Blätter. Nicht an ihr. Link fehlte die Freiheit der Straße ebenso sehr wie ihr. Und aus dem Schloss heraus zu kommen, hatte ihn in einen Zustand tiefer Zufriedenheit versetzt.

„Du brauchst keine Ohrringe“, murmelte er nach einer so langen Zeit, dass Zelda bereits überzeugt gewesen war, dass er schon längst schlief. Er nuschelte ein wenig, zu träge um die Silben richtig zu formen. Zelda sah lächelnd zu ihm hinunter.

„Warum nicht?“, flüsterte sie, um ihn nicht von der empfindsamen Pforte zwischen Schlaf und Wachen herunter zu reißen.

Als Link antwortete, tat er das so leise, dass sie ihn nicht verstehen konnte. Zumindest konnte sie ihn nicht richtig verstanden haben.

Denn in ihrem verliebten Kleinmädchen-Kopf hatte es geklungen, als hätte er gesagt: „Du bist schön genug.“

 

*

 

Zelda nutzte den Shiekah Stein für einige Bilder interessanter Pflanzen, fand sogar zwei weitere Arten von der Liste des Instituts in der näheren Umgebung. Sie traute sich nicht, sich weit von Links schlafender Gestalt zu entfernen, deswegen blieb ihr Suchradius eher beschränkt.

Doch es war vollkommen ausreichend, um in der Flora und Fauna zu versinken. Sie fand einen wunderschönen roten Schmetterling, der in eleganten Spiralen von Blüte zu Blüte flog und immer wieder verschieden lange Intervalle damit verbrachte, einfach nur träge Flügelschläge zu vollführen. Ein Schauspiel, das Zelda ganze Aufmerksamkeit bannte.

Bis Links Stimme sie aus ihrer Trance riss.

„Zelda!“

Sie zuckte zusammen. Ihre Erkundungen hatten sie hinter den großen Stein geführt, so dass es für ihren eben erwachten Leibwächter so aussehen musste, als sei sie verschwunden. Deswegen wohl auch der schrille Klang seiner Stimme. Etwas schuldbewusst erhob sie sich.

„Hier hinten“, rief sie und biss sich auf die Lippe.

Link erschien beinahe sofort. Erst als er sie sah, verlangsamte er seine Schritte. Er hatte Recht. Er war auch ohne das Spurtkrötentonikum verdammt schnell.

Seine Augen unterzogen sie einer schnellen Bestandsaufnahme, huschten an ihrer Gestalt herab – staubig und mit Blütenpollen überzogen – und wieder hinauf zu ihrem Gesicht. Da sie wohlauf war, wandelte sich die Anspannung auf seinen Zügen in Erleichterung. Die Nachwehen seines Nickerchens holten ihn ein und er rieb sich den Nacken.

Dann presste er die Lippen aufeinander und besah sie mit einem konzentrierten Blick. Er holte Luft, ohne Zweifel, um sie wegen ihres kleinen Ausflugs zu rügen, doch Zelda unterbrach ihn, bevor er etwas sagen konnte.

„Es tut mir leid“, rief sie und hob abwehrend die Hände. Sie versuchte sich an einem entschuldigenden Lächeln, doch da Links Blick dunkler wurde, schien das nicht ganz zu funktionieren. Zelda verhakte den Shiekah Stein an ihrem Gürtel und tat einige Schritte in seine Richtung.

Der Schlaf hing noch über ihm, wie eine gemütliche, warme Decke und er wirkte herzzerreißend zerzaust. Ein einzelner Grashalm steckte in seinem zerwühlten Haar und Zeldas Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie dachte an das, was er gesagt hatte, bevor er eingeschlafen war oder eher, was sie sich einbildete ihn sagen gehört zu haben und ein wenig befangene Röte stieg ihr in die Wangen.

„Ich musste noch ein paar Bilder machen und du wirktest, als könntest du ein bisschen Schlaf gut vertragen.“ Sie hob ein bisschen unsicher die Schultern.

„Ich war immer in der Nähe. Aber ich wollte dich auch nicht wecken.“

Link seufzte bei ihren Worten und die Schärfe seines Blicks verlor sich ein wenig.

„Du hättest mich überhaupt nicht schlafen lassen sollen“, antwortete er und kam ihr entgegen. Er klang brummig, seine Stimme herrlich rau vom Schlaf und in Zeldas Magengegend begann ein sonderbares Gefühl zu blubbern. Wie Sirup, den man schon lange über dem Herd gekocht hatte und der heiß und zäh eindickte.

„Und mich um hochwertiges Bestechungsmaterial bringen?“ Sie tat ungläubig. „Niemals.“

„Bestechung?“, fragte er verwirrt, sein Verstand anscheinend noch immer ein wenig dämmrig.

Zelda brachte es nicht über ihr Herz, ihn zu necken. Zumal es nicht stimmte. Sie hatte kein Bild von ihm gemacht, während er schlief, wie sie hatte andeuten wollen.

Sie winkte ab und lächelte. „Nicht so wichtig. Es stimmt sowieso nicht.“

Zelda sah den exakten Moment in dem er versuchte Sinn aus ihren Worten zu machen.

„Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte Link und richtete das Bannschwert auf seinem Rücken. Zelda verfolgte die Bewegung, ähnlich fasziniert von der Weise wie sich seine Schlüsselbeine dabei unter seiner Haut abzeichneten, wie gerade eben noch von dem Schmetterling.

Ein wenig benommen schüttelte sie den Kopf. Wie ein Hund, der sich das Wasser aus den Ohren schütteln will. Nur wesentlich langsamer.

„Ich weiß nicht“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Ich bin keine wirklich sichere Quelle, wenn es um Zeitangaben geht. Nicht wenn ich konzentriert bin.“

Ihre Stimme hatte wieder einen entschuldigenden Ton angenommen. Link senkte die Arme, das Schwert nun wieder an seinem angestammten Platz auf seinem Rücken und bedachte sie mit einem warmen Lächeln.

Etwas in ihr reagierte darauf mit einem Hüpfen. Dann spürte sie prickelnde Wärme ihre Beine und Arme hinauf fließen.

Wie interessant die körperlichen Reaktionen auf emotionale Auslöser doch waren.

„Ja“, entgegnete er mit einem sanft rumpelnden Lachen. „Es ist ein Wunder, dass du nicht mit der Nase voran auf dem Boden landest, wenn du über etwas nachdenkst, das dich interessiert.“

Ehrliche Zuneigung sprach aus seinem Blick, als er noch ein paar Schritte näher kam und schließlich vor ihr stehen blieb. Unter der Wärme seines Lächelns, streckte sich ein unbewusster Teil ihres Selbst, wuchs und wurde größer, gefüttert durch die Anerkennung, der Akzeptanz in seiner Stimme. Es kam selten vor, dass sie sich so fühlte. Gemocht und wertgeschätzt, einfach nur, weil sie so war, wie sie eben war. Keine Schelte für ihr Fehlverhalten. Einfach nur warme Belustigung.

Links Stimme, all das, was daraus zu ihr sprach, über die reine Bedeutung seiner Worte hinaus, erfüllte sie mit einem wohligen Stolz.

„Weswegen du mich nicht schlafen lassen darfst, Prinzessin“, fuhr er fort und streckte eine Hand aus. Zelda war noch ein wenig zu benebelt von dem ungewohnten Gefühl, um ihm auszuweichen, weswegen seine schnellen Finger Zeit genug hatten, sie mitten in die Nase zu kneifen.

Ihre Augen folgten der Bewegung, was sie leicht schielen ließ. Ein Anblick, der Link belustigte. Er gluckste dunkel.

Elender Leibwächter.

Zelda schlug seine Hand beiseite und versuchte sich an einem beleidigten Gesichtsausdruck, doch ihr Herz war nicht so recht dabei.

Link lachte leise, ein sonores Geräusch, das nur wenige Augenblicke anhielt und dennoch die Macht besaß, ihre Knie ganz buttrig werden zu lassen.

So häufig wie an diesem Tag, hatte sie ihn noch nie lachen hören.

Völlig ahnungslos legte ihr Leibwächter seinen Kopf in den Nacken.

„Es ist kurz nach Mittag“, sagte er nach einem kurzen Blick nach oben.

Ah. Die Sonne.

Zeldas Hirn lahmte ein wenig.

„Oh“, machte sie, da sie nicht wirklich wusste, ob kurz nach Mittag gut oder schlecht sein sollte.

Link bedachte sie mit einem amüsierten Blick.

„Ich nehme an, du hast noch nicht genug?“

Sie verzog fragend das Gesicht.

„Genug?“

„Vom Bildermachen.“

Oh. Ja. Natürlich.

„Noch lange nicht“, antwortete Zelda mit einem kleinen Lächeln.

Link seufzte ein schweres Seufzen und hob die Schultern in einer leidenden, aber ergebenden Geste.

Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Er war genauso gern hier draußen wie sie.

Zur Strafe boxte sie ihm an den Oberarm. Das dumpfe Geräusch, das erklang, als sie ihn tatsächlich erwischte, war unendlich befriedigend. Er tat ihr den Gefallen so zu tun, als hätte es ihm weh getan.

„Au.“ Link rieb sich die Schulter. An der falschen Stelle.

„Du bist ein schrecklicher Mann“, wiederholte Zelda die sich immer wieder bestätigende Vermutung. „Dass ich dich jemals für ernst und ehrenhaft gehalten habe ...“

Link lächelte. „Ich bin genau so, wie du es verdient hast.“ Er bedachte sie kurz mit einem warmen Blick, dann ruckte er mit dem Hinterkopf in Richtung des Gebietes hinter ihnen. „Na komm schon. Es warten wilde Wiesen und Weiden auf die Ehre, vom klügsten Mädchen Hyrules unter die Lupe genommen zu werden.“ Er stoppte kurz und sein Blick fiel an ihren Gürtel. „Oder unter den Shiekah Stein.“

Er wählte die Worte mit solcher Normalität, dass sich Zelda albern vorkam, als sie errötete.

„Überlass' die Schmeicheleien und die schönen, leeren Worte den Barden, Sir Link. Sonst kann ich nicht dafür garantieren, dass deine Truppe dir nicht die Ritterwürde entzieht.“

Link lachte, während er sich in Bewegung setzte. Zelda folgte ihm automatisch.

„Das würdest du nicht sagen, wenn du die Ritter kennen würdest, mit denen ich ausgebildet wurde.“ In der Nähe wieherte eines der Pferde.

„Außerdem kann nur dein Vater mir die Ritterwürde aberkennen. Und-“, er drehte sich im Laufen kurz zu ihr um, „es sind keine leeren Worte.“

Er drehte sich nach vorne, bevor Zelda antworten konnte. Nicht dass sie eine Passende parat gehabt hätte. Stattdessen errötete sie noch mehr. Während sie versuchte, sich nicht allzu sehr über seine Worte zu freuen.

 

*

 

Zelda hatte noch drei weitere Pflanzenarten ausfindig machen und auf dem Shikah Stein festhalten können. Der Direktor und sein Zeichner waren überglücklich und zwei große, ehrbare Forscher zu sehen, die sich freuten wie kleine Jungen an ihrem Geburtstag, war ein Erlebnis, das Zelda nicht so schnell vergessen würde.

Sie konnte sich sogar dazu überreden lassen, den Shiekah Stein für kurze Zeit in der Obhut des Zeichners zu lassen, damit dieser so schnell wie möglich Skizzen der Pflanzen anfertigen konnte.

Zelda fühlte sich seltsam nackt ohne das alte Relikt an ihrem Gürtel.

Mit jedem Schritt den Storm in Richtung des Schlosses tat, fühlte Zelda die Last auf ihren Schultern größer werden. Ihre Lungen schienen zu klein für die Atemzüge, die sie nehmen wollte, um dem Druck in ihrer Brust Herr zu werden. Ihr Lächeln war verflogen, als sie das Schlosstor durchquerten.

Link neben ihr schien nicht ganz so betrübt zu sein wie sie, ihm hatte der Ausflug eine Frische verliehen, die ihn zufrieden und gelassen wirken ließen.

Um seines Willen versuchte Zelda, sich ihre düster werdende Stimmung nicht anmerken zu lassen.

Es gelang ihr nicht ganz. Oder Link kannte sie inzwischen zu gut, denn er bedachte sie mit einem wissenden Blick, als er sie beim Aufgang zu ihrem Turm verabschiedete.

„Kopf hoch“, sagte er und feine Linien entstanden um seine Augen, als sich dieses Beinahelächeln auf seinen Zügen zeigte. „Ich weiß, du vermisst ihn, aber du hast den Stein morgen zurück.“ Seine Augen begannen zu blitzen. „Heute Nacht wirst du mit etwas anderem im Arm einschlafen müssen.“

Zelda wusste, dass er sie nur aufheitern wollte. Ein Witz der implizierte, sie würde den Shiekah Stein anstelle eines Stofftieres verwenden. Ein lustiger Gedanke und wären sie noch draußen, vor den Toren der Stadt, hätte sie auch entsprechend reagiert. Entweder mit einem gespielt beleidigten Kommentar, oder spitzen Bemerkung dahin gehend, dass er mit dem Bannschwert einschlief und was von beiden Möglichkeiten wohl die bessere war.

Aber nichts davon fand den Weg über Zeldas Lippen. Stattdessen stellte sie sich vor, wie es wäre, mit ihm im Arm einzuschlafen. Ein vollkommen überraschender Gedanke, der sie dermaßen überrumpelte, dass sie Link einfach nur anstarrte. Kurz vergaß sie ihren neu aufgeflammten Missmut.

„He“ sagte Link, nun mit ganz sanfter Stimme. „Ist jemand da?“ Er wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht umher. Die Bewegung war nicht nötig. Zelda war nicht abwesend. Sie war einfach nur von sich selbst geschockt.

„Klar“, antwortete sie ein weniger forscher als beabsichtigt. Deswegen zwang sie sich zu einem Lächeln, das sich leider ein wenig harsch anfühlte.

„Du hast noch Gras im Haar“, sagte sie, ohne es geplant zu haben. Sie hatte den Grashalm total vergessen. Als wäre er zu einem Teil von Link geworden.

Vielleicht hatte sie sich das auch einfach gewünscht. Eine Verknüpfung zu diesem Tag. Link, der auf ewig mit demselben Grashalm im Haar umherlief.

Wie bescheuert.

Ihr Leibwächter hob den Arm und fuhr sich durch die goldenen Strähnen. Brachte es fertig sie noch mehr zu zerwühlen, ohne dem Grashalm auch nur gefährlich zu werden.

Der Anblick schaffte es, dass sie trotz ihres erneuerten Verdrusses lachen musste.

„Was machst du denn da?“, fragte sie, natürlich nur rhetorisch und stellte sich auf die Zehenspitzen. Und den Grashalm selbst aus Links Haar zu ziehen. Er bedachte sie erst mit einem irritierten, dann etwas besorgten Blick. Dann hörte er ganz auf, sich zu bewegen.

Bei ihrer Rettungsaktion streiften ihre Finger das satte Gold. Sein Haar war weicher als gedacht. Seidig und beinahe rutschig glatt. Am liebsten hätte Zelda ihre Hände darin vergraben. Ihn zu sich gezogen und daran gerochen.

So plötzlich, wie die verstörenden Bilder aufgetaucht waren, ließ sie den Grashalm los. Schleuderte ihn von sich, als hätte sie sich daran verbrannt. Was bei einem einzelnen Grashalm nicht so gut funktionierte, da die Luft ihn bremste und er, trotz der Heftigkeit, mit der sie ihn geworfen hatte, langsam zu Boden segelte.

Hektisch zog Zelda ihre Hände zurück. Wich Links Blick aus, als sie wieder auf beiden Sohlen ihrer Füße stand.

„So. Alles weg.“ Sie klang ein wenig atemlos. Kein Wunder. Die Sonne musste ihr zu Kopf gestiegen sein.

Zelda wusste nicht viel von der Liebe. Ihr ganzes Wissen darüber stammte aus Büchern. Bücher, die mal mehr und mal weniger ausführlich waren.

Sie wusste noch weniger von dem, was zwischen Mann und Frau vor sich ging, außer einer vagen Vorstellung vom Zeugungsakt selbst und einigen Naturbeobachtungen. All die Vorträge über Schicklichkeit, die ihre Hofdamen ihr im Laufe ihres Dienstes gehalten hatten, waren nicht viel ausführlicher gewesen. Meist ging es darin um Benehmen und Auftreten. Manchmal um Kleidung. Und Haut. Wie viel man davon zeigen konnte und so weiter.

Deswegen war es erstaunlich, dass Zelda, obwohl sie nicht wusste, wieso sie fühlte was sie fühlte, oder warum sie dachte was sie dachte, schwören könnte, dass es mehr als unschicklich war, was eben in ihren Kopf gesprungen war.

Es war beinahe lächerlich, dass sie diese Dinge denken konnte, ohne dass etwas an ihrem Körper aufblinkte und Link davon berichtete. Wie konnte er so unberührt davon bleiben, wenn sie solche erschreckenden Bilder im Kopf hatte? Sich so aufgewühlt und verwirrt fühlte.

Aber er sah sie einfach nur an wie immer. Abwartend. Geduldig. Warm.

Wie dankbar sie für seine Unwissenheit war.

„Es war ein schöner Tag“, sagte sie, immer noch ein wenig atemlos. Link antwortete mit einem Lächeln. „Ich werde nur kurz in der Kaserne sein. Dann bin ich wieder hier“, teilte er ihr leise mit.

Zelda nickte. „In Ordnung.“

Er würde sich Staub und Schweiß abwaschen wollen.

Ein Gedanke, der wieder diese seltsame Hitze ihren Körper hinauf schickte.

Link verbeugte sich knapp und Zelda biss sich auf die Unterlippe, bevor sie etwas Dummes sagen konnte.

„Gute Nacht, Prinzessin.“

 

*

 

Zelda begab sich ins Gebet, sobald sie ihren Turm betreten hatte. Nicht nur, um zu beten. Sondern um Ruhe vor ihren Hofdamen zu haben, die sie in ihrem Gemach belauerten.

Wenn sie betete, wagte es niemand sie zu stören.

Und ungestört musste sie sein. Um nachzudenken. Um ihren aufgewühlten Geist zu beruhigen.

Um alles an sich zu beruhigen.

 

Hylia. Ich danke dir. Ich danke dir, dass du mir einen Helden an die Seite gegeben hast, der an mich glaubt. Ich werde alles tun, um mich seines Vertrauens als würdig zu erweisen.

Aber, Hylia.Was passiert mit mir? Es tut mir leid. Ich bin dir keine gute Dienerin. Nayru soll einen Teil ihrer Weisheit in mir fortleben lassen. Aber ich bin nicht weise. Ich bin verwirrt und fahrig. Und ich erkenne den Weg vor mir nicht. Und jetzt verfalle ich auch noch den niederen Verlangen meines Herzens.

Hylia. Offenbare mir deine Kraft. Schenke mir Ruhe und Besonnenheit. Lass mich zu dir finden.

Lass mich deine Dienerin sein.

Bitte.

Ich brauche dich.

Hylia.

 

 

„Geh zu Bett“, erklang eine rügende Stimme und durchbrach ihren Zwiespalt mit der Göttin. Ein wenig desorientiert fand Zelda in die Welt zurück. Auf die kühle Wehrmauer, unter dem hellen Sternenhimmel. Der Mond war bereits aufgegangen und so weit gewandert, dass Zelda sich drehen musste, um ihn zu sehen.

Es musste sehr spät sein. Weit nach Mitternacht.

So lange hatte sie noch nie im Gebet verbracht. Zumindest nie, ohne ein Gespür für die Zeit zu verlieren. So sehr darin aufzugehen, dass sie nicht mehr wusste, wo sie war. Das war erst ein Mal geschehen. An der Quelle des Mutes.

Sie musste in eine ähnlich tiefe Trance verfallen sein.

Eine kleine Flamme der Hoffnung entzündete sich in ihrer Brust. Sicherlich war das ein gutes Zeichen, oder? Ein Zeichen dafür, dass sie Fortschritte machte.

„Das sagt der Richtige“, entgegnete Zelda und erhob sich langsam. Ihre Knie fühlten sich rostig an und sie spürte ihre Füße nicht mehr richtig.

Während sie vorsichtig ihre Beine bewegte, ließ Link sich vom oberen Rand des Daches gleiten.

Ihr Herz tat bei seinem Anblick einen wilden Sprung.

Doch sie fühlte sich so gut nach dieser erfolgreichen Andacht, dass es dieses Mal keine Schuldgefühle auslöste. Der Anfall von Unmut, der sie sich ihrer bei ihrer Rückkehr ins Schloss bemächtigt hatte, schien davon gezogen zu sein.

„Ich für meinen Teil, fühle mich sehr ausgeruht“, antwortete Link mit einem Lächeln.

Ein Lächeln das Zelda erwiderte. Es war wie ein Strudel, der durch Ziehen und Stoßen angetrieben wurde. Ein Signal, das an ihr abprallte und zu ihm zurückgeleitet wurde, nur um dann wieder zurück zu ihr gleiten.

Eine stumme Verknüpfung, die lebte, die mit Bewusstsein gefüllt wurde, sobald sie sich ansahen.

Eine kleine Stimme in ihrem vibrierenden Herzen fragte, ob es sein könnte, dass Link ähnlich empfand. Ob ein Teil von ihm diese aufwühlenden Gefühle erwiderte.

Doch ihr Kopf rang die Frage nieder.

Es gab so viel Wichtigeres, das ihrer aller Aufmerksamkeit forderte.

Nach Ganon, nach der Verheerung, würde es genug Zeit geben, um sich damit zu beschäftigen.

„In Ordnung“, sagte Zelda und löste sich aus dem zuckrigen Nebel, der sie eingehüllt hatte.

„Gute Nacht, Sir Link.“

„Noch etwas.“

Sie drehte sich wieder zu ihm um.

Er hob etwas unbeholfen den linken Arm. Nicht, als könnte er die Bewegung nicht durchführen, sondern als würde er etwas Unangenehmes ansprechen müssen und den Arm als Ablenkung benutzen.

„Ich bitte um Erlaubnis, für wenige Tage beurlaubt zu werden.“

Zelda blinzelte irritiert. Seine Worte trafen sie vollkommen aus dem Nichts. Eine Beurlaubung?

Er wollte fort? War etwas geschehen, dass seine Anwesenheit forderte? Musste er zur Familie seines Onkels nach Hateno?

Oder hatte es mit dem heutigen Tag zu tun?

Zelda wappnete sich für den kommenden Schmerz. Atmete schützend ein, um sich für das zu stählen, was er ihr sagen würde. Doch bevor all die Gedanken und Gefühlen sich auf eine gemeinsame Richtung hätten vereinen können, sprach Link bereits weiter.

„Eine Verletzung, die mich daran hindern wird, für deinen Schutz zu sorgen.“ Wieder machte er diese Bewegung mit dem Arm.

Sein Arm war verletzt? Zelda atmete die angehaltene Luft wieder aus.

„Wenn ich allerdings Miphas Gebet in Anspruch nehmen könnte, wäre ich in wenigen Tagen wieder in Gefechtsform.“

Zelda blinzelte. Sie versuchte, die Information zu verarbeiten. Gerade noch war Link vollkommen heil mit ihr vom königlichen Institut zurück gekehrt. Sie hatte den Abend im Gebet verbracht und nun stand er vor ihr. Verletzt.

Das schreckliche Gefühl der Zeit hinterher zu hinken, überkam sie.

„Eine Verletzung?“ Ihre Stimme klang hoch und schief.

Link lächelte ein beruhigendes Lächeln.

„Es ist nicht schlimm. Aber es ist mein Schwertarm und ich gebe dem König Recht. Es beeinträchtigt meine Form.“

Zelda starrte ihn an. Immer noch hatte sie das Gefühl nicht ganz klar zu verstehen.

„Du warst beim König?“

Link warf ihr einen Blick zu, der nur verlegen sein konnte. Ein wenig kleinlaut. Wie ein kleiner Junge, den man dabei ertappt hatte, wie er ein Fenster mit einem Stein einschlug.

„Es war nicht zu vermeiden.“

Zelda versuchte, aus seinen Worten Sinn zu machen. Doch als es ihr nach einer recht langen Zeit immer noch nicht gelungen war, schüttelte sie unwirsch den Kopf.

„Link, was ist passiert?“

Es verging ein Moment. Der typische Zeitraum, in dem er einen inneren Kampf ausfocht, darüber, ob er antworten sollte, oder nicht.

Für gewöhnlich konnte sie sich darauf verlassen, dass er zu ihren Gunsten ausging.

So wie auch jetzt.

Ein langes Seufzen ertönte und er bewegte sich ein wenig. Löste seinen starren Stand auf.

„Ich hatte ein kleines Missverständnis mit meinem Vater.“

Zeldas Augen huschten zu seinem linken Ärmel. War da ein Schatten auf dem Stoff? Blut?

Sie spürte, wie sich ein Knoten in ihrer Kehle bildete. Ihre Augen wurden groß.

„Dein Vater hat dich verletzt?“

Selbst eine Horde Monster konnte Link kaum einen Kratzer zufügen. Aber sein eigener Vater hatte ihn verletzt? So schwer, dass er sich von Mipha heilen lassen musste?

Link hob ein wenig verlegen die Schultern.

„Der alte Bastard ist immer noch ziemlich flink.“

Zelda starrte ihn an. Wortlos. Wenn das ein Witz gewesen sein sollte, so war er aufs kläglichste gescheitert.

„Was ist passiert?“, verlangte sie erneut zu wissen. Es überraschte sie nicht, dass ihre Stimme belegt klang.

Link warf ihr einen unruhigen Blick zu. Darüber zu sprechen war ihm deutlich unangenehm. Doch Zelda musste wissen, was vorgefallen war. Link war verletzt worden. Hier im Schloss. Von seinem eigenen Vater! Oh, dafür würde er büßen.

„Er hat mich zur Rede gestellt“, begann er zögerlich. Warf ihr einen kurzen Blick zu und betrachtete dann das Mauerwerk hinter ihr. „Weil er nicht billigt, wie ich … die Dinge angehe.“ Ein Schlucken kräuselte an seinem Hals hinunter.

„Und es kam zu einem Streit.“ Er fuhr sich mit einer Hand in den Nacken. „Ich fürchte ich war nicht sehr gewillt, ihm zu zuhören.“

„Wie du die Dinge angehst?“

Was hatte das zu bedeuten. Irgendetwas erzählte er nicht.

Wieder stieß Link ein kleines Seufzen aus. Er hob die Schultern. Nicht sein typisches Schulternzucken, sondern eine Geste, die zeigte, dass es ihm unangenehm war.

„Es scheint, dass ihm jemand etwas … berichtet hat.“ Kurz begegnete er ihrem starren, völlig schockiertem Blick. Zelda hatte ihn nie so herumdrucksen hören.

Was bei den Dämonen der Unterwelt war nur geschehen?

„Er hat Schlüsse gezogen, die … unglücklich sind. Was … was unsere Beziehung angeht.“

Die letzten Worte stieß er ein wenig atemlos hervor. Er presste die Lippen aufeinander und die Nacht war so hell, dass Zelda die Spannung sehen konnte, die seine untere Gesichtshälfte erfüllte. Seine Kiefer waren so angespannt, dass sie die feinen Muskeln hervortraten.

Sie schluckte.

„Unsere Beziehung?“, hauchte sie.

Link reagierte mit einem heftigen Schnauben. Er schüttelte den Kopf voll plötzlich aufbrausender Aggressivität. Zelda zuckte ein wenig zusammen.

Er kam einen Schritt auf sie zu, die Hand beschwichtigend ausgestreckt.

„Diese Schwachköpfe“, fluchte er und auf seinem Gesicht zeigte sich neben seinem offensichtlichen Zorn Bedauern.

„Es tut mir leid.“ Er fuhr sich mit der linken Hand durch sein Haar. Wühlte wieder auf, was er anscheinend vorher geordnet hatte. „Es tut mir leid, dass du dir diesen ungeheuren Blödsinn überhaupt anhören musst.“ Sein Arm senkte sich und er besah sie mit einem leidenden Blick. „Jemand hat uns heute gesehen. Am Institut. Auf der Wiese. Und mit seinem dreckigen Verstand falsche Schlüsse gezogen. Ich schwöre, ich habe versucht den Namen aus meinem Vater heraus zu prügeln, aber dieser dickköpfige Hurensohn würde sich eher den Hals umdrehen lassen, als sich von mir etwas gefallen zu lassen.“

Link brach seine Tirade ab. Schüttelte erneut den Kopf und ließ sich mit einem unverständlichen Fluchen gegen das Mauerwerk fallen.

Er fuhr sich mir beiden Händen über das Gesicht, während Zelda immer noch versuchte, das Erfahrene aufzunehmen und mit ihren einströmenden Gedanken in Verbindung zu bringen. In ihrem Hinterkopf registrierte sie kurz, dass Link sehr aufgewühlt sein musste, um solche Worte zu verwenden. Nie zuvor hatte er in ihrer Gegenwart geflucht.

Und jemand hatte sie gesehen. Auf der Wiese. Hatte gesehen, wie sie sich nahe gekommen waren. Und für jemand Außenstehenden musste es so ausgesehen haben, als ob... als ob was? Als wären sie ein Liebespaar? Aber sie hatten nichts getan, was so einen Rückschluss zulassen könnte.

Oh, bei der Göttin.

Es gab Gerüchte. Man redete über sie. Über sie und Link.

Links Vater wusste davon. Er hatte Link zur Rede gestellt. Link hatte seinem Vater gegenüber Gewalt angewandt. Um Zeldas Ehre zu schützen? Weil der Gedanke, jemand könnte ihm eine unschickliche Nähe zur Prinzessin andichten, ihm nahe ging? War es für ihn so undenkbar, so entgegen seines Wesens, dass es ihn wohlmöglich selbst kränkte? Ihn entehrte?

Fand er den Gedanken, die Implikation, er könne mit der Prinzessin Hyrules, mit ihr anbändeln, so schäbig?

Zeldas Gedanken stolperten albtraumartig durch ihren Kopf. Hinterließen zischende Säure, die sie zusammenzucken ließ.

Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und sie spürte, wie sich hinter ihren Augen Tränen sammelten. Es war einfach zu viel.

Das schreckliche Gefühl, dass jemand ihre Intimsphäre verletzt hatte, überkam sie. Als hätte man sie dabei gesehen, wie sie aus der Badewanne stieg, oder sich die Unterwäsche wechselte.

Link konnte in seiner aufrichtigen Entrüstung nicht ahnen, wie nah die Anschuldigungen Zeldas wahren, inneren Gefühlen kamen.

Dennoch war es anders sich etwas nur vorzustellen, als wenn die Menschen es tatsächlich von ihr glaubten.

Von ihnen glaubten. Hier ging es nicht allein um sie. Es ging ebenso um Link.

Wenn dieses Gerücht verbreitet wurde... Und wahrscheinlich tat es das jetzt gerade, so würde das …

Bei Hylia. Ihr Vater. Link hatte gesagt, er war beim König gewesen.

„Link“, sagte Zelda und klammerte ihre Hand in das weiße Gewand.

„Was hat der König gesagt?“

Ihr Leibwächter warf ihr einen scharfen Blick zu. „Er hat uns zu sich gerufen, nachdem der Aufruhr ihm gemeldet wurde. Und mein Vater …“ Er brach ab. Strich sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel, sah zu Boden. „Mein Vater hat seine Bedenken geäußert.“ Wieder schüttelte er den Kopf und ließ mit einem schweren Seufzten die Hand fallen.

„Ich war kurz davor ihm den Kopf abzureißen. Es ist etwas anderes deine Ehre vor mir in Frage zu stellen. Aber es vor dem König zu tun ...“ Link schien sich erneut in Rage zu reden und Zelda unterbrach ihn, bevor es so weit kommen konnte.

„Was hat er gesagt?“

„Zum Glück kennt er seine Tochter.“

Links Mundwinkel zuckten in einem Lächeln, das nichts mit Belustigung zu tun hatte. Seine blauen Augen funkelten so hart und kalt wie ein zugefrorener Wintersee.

„Das war ihm eine verdammte Lehre. Dieser aufgeblasene, arrogante-“

Nachdem Zelda verstanden hatte, dass es nicht ihr Vater war, den er verfluchte, atmete sie ein wenig auf.

„Also gibt er nichts auf die Gerüchte?“ Es erstaunte sie selbst, wie nüchtern sie klang. Doch sie musste wissen, wie ihr Vater reagiert hatte. Sie musste wissen, ob Link in Gefahr war.

Oder ob die Gefahr bestand, dass er als ihr Leibwächter degradiert werden würde.

„Nein, Zelda“, Link klang nun ruhiger. Beruhigend. Er sah sie eindringlich an. Die harte Linie seiner Schultern entspannte sich ein wenig.

„Er kennt dich. Er weiß, dass du eine Lady bist. Er hat deine Tugend nicht in Frage gestellt. Er ließ verlauten, dass er erwartet, nie wieder von diesem Gerücht zu hören. Und er schickt meinen Vater auf eine diplomatische Mission zu den Gerudo und mich zu Mipha.“

Zelda hatte die Hälfte dessen, was er gesagt hatte kaum gehört. Ein schrecklich lauter Puls hatte angefangen in ihren Ohren zu pochen.

Ihr Vater hatte die Gerüchte zurück gewiesen. Link war nicht in Gefahr. Link würde bei ihr bleiben. Als diese albtraumartige Möglichkeit sich verzogen hatte, ritten die anderen Gedanken in die Menagerie ihres aufgewühlten Verstandes.

Hier stand sie. Und unterhielt sich mit Link über das Gerücht, dass zwischen ihnen etwas Unschickliches vorgefallen sein sollte. Mit einem Mal traf die Scham Zelda mit der Stärke eines Eisenhammers. Fast taumelte sie unter dem Gewicht der Anschuldigungen. Und dem furchtbaren unehrlichen Gefühl, die Welt zu betrügen.

Konnte sie hier stehen und ihre Ehre, ihre Tugend verteidigen lassen, wenn sie eigentlich wünschte, dass die Gerüchte wahr wären?

Zelda schluckte, um die Verengung in ihrer Kehle los zuwerden. Trocken räusperte sie sich.

„T-tut es weh?“, krächzte sie und verzog das Gesicht, als sie ihre Stimme hörte. Es war das zweite Mal, dass er ihretwegen verletzt worden war. Nie hatte sich Zelda so sehr gehasst, wie in diesem Moment.

Ein weicher Ausdruck huschte über Links Züge.

„Nein“, sagte er leise. „Kaum. Es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen.“

Er musste etwas in ihrem Gesicht sehen, was ihn dazu veranlasste, die wenigen Schritte zwischen ihnen zu überbrücken. Doch Zelda konnte das nicht zu lassen. Selbst wenn ihr Vater befohlen hatte, dass kein Wort des Verdachts gegen sie und Link erhoben werden sollte, so hieß das nicht, dass die Augen nicht aufmerksamer blicken würden, also ohnehin schon.

Sie trat einen Schritt zurück. Dann noch einen. Bis Link stehen blieb. Er verstand ihre Geste und presste die Lippen aufeinander. Fluchte auf dieselbe unverständliche Weise vor sich hin wie gerade eben.

Zelda atmete tief ein. Dann aus. Versuchte sich zu erden. Irgendwie Halt zu finden. Seine rohen Worte verunsicherten sie aus so vielen Gründen noch mehr.

„Es tut mir leid“, sagte Link leise. Und sah mit einem so leeren Blick zu Boden, dass sie am liebsten wieder auf ihn zu gegangen wäre. Ihn in ihre Arme gezogen hätte. Nicht weil sie sich danach verzehrte. Sondern weil sie ihn trösten wollte.

Doch natürlich tat sie es nichts.

„Rede keinen Unsinn“, erwiderte sie forsch. Sie spürte, wie ihre Mundwinkel sich nach unten ziehen wollte. Zelda verhärtete sie gegen die Bewegung.

„Es ist furchtbar, dass man dich so entehrt hat. Dein Vater sollte dich besser kennen. Und das hier“, sie deutete auf seinen Arm, „werde ich ihm nie verzeihen. Nie!“

Ihre letzten Worte schienen Link zu belustigen.

„Vielleicht solltest du mit solchen Zukunftsvorhersagen vorsichtig sein, Prinzessin. Der alte Haudegen kann ziemlich charmant sein.“

Die Zuneigung in Links Stimme irritierte sie. Konnte es sein, dass er seinem Vater den Streit, den Kampf nicht übel nahm?

„Er hat dich verletzt“, stellte sie unnötigerweise fest. „Seinen eigenen Sohn.“

Link zuckte mit den Schultern. Schien das tatsächlich nicht besonders eng zu sehen.

„Das war keine Absicht. Und ich habe ihn zuerst angegriffen. Hätte er sich nicht verteidigt, hätte ich den Respekt vor ihm verloren.“

Fassungslos starrte Zelda ihn an. Nicht zum ersten Mal bekam sie das vage Gefühl, dass Männer in einer ganz anderen Welt lebten. Eine, in der vollkommen andere Regeln herrschten. Andere als in der Welt, in der Männer und Frauen gemeinsam verkehrten.

In dieser war es eine abscheuliche Tat den eigenen Sohn zu bekämpfen.

Doch für Vater und Sohn isoliert, schien es ganz andere Maßstäbe dafür zu geben.

Ein Moment des Schweigens verging, in dem Zelda relativ schnell aufgab, die seltsame Beziehung der beiden Ritter verstehen zu wollen.

Also wechselte sie stattdessen das Thema.

„Ich werde Mipha schreiben“, sagte sie und war schon im Inbegriff sich umzudrehen, als Link sie aufhielt.

„Nicht nötig“, meinte er. „Ein Bote ist schon mit einer Nachricht auf dem Weg zu ihr. Ich werde sofort aufbrechen. Ich wollte dir nur Bescheid geben. Und mich verabschieden.“

Das beunruhigende Gefühl vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein überkam sie.

Unruhig betrachtete sie ihn.

Zelda wollte nicht, dass er ging. Nicht nachdem was sie gerade erfahren hatte. Sie wollte ihn sicher und wohlauf wissen. Ohne belastende Gerüchte. Ohne die Gefahr, die ihre unbewussten Gesten der Zuneigung für ihn darstellten.

Sie krallte ihre Fingernägel in das Fleisch ihrer Handballen, um die Tränen zu unterdrücken, die kurz davor waren über ihre Augen zu treten.

„Wann wirst du zurück sein?“, fragte sie mit stockender Stimme.

„Je nach dem“, antwortete Link. Woher sollte er es auch wissen. „So schnell wie möglich. Ich verspreche es.“

Zelda nickte.

„Fado wird so lange meinen Platz einnehmen“, sagte er mit sanfter Stimme. Für einen Moment wusste sie nicht, wovon er sprach.

Fado. Sein Vetter.

Wie immer verstand Link nicht, dass es nicht ihre Sicherheit war, die sie aufwühlte.

Doch es war wichtiger denn je, dass sie ihn in diesem Glauben ließ. Es war Zeit sich zusammen zu reißen.

Noch einmal nickte sie.

„In Ordnung also. Werde gesund, Sir Link.“

Links Lächeln blitzte durch den Schatten. Er verbeugte sich knapp.

„Jawohl, Euer Hoheit.“

„Grüß Mipha von mir“, bat Zelda und Link neigte den Kopf, lächelte mit gesenktem Kinn zu ihr auf, immer noch ein kleines Lächeln auf den Lippen.

„Prinzessin.“

Dann schwang er sich über die Brüstung und verschwand in der Dunkelheit. Mit sofortiger Wirkung fühlte Zelda seine Abwesenheit.

Dabei verbrachten sie im Schloss nie viel Zeit miteinander.

Aber es war das erste Mal, dass er wirklich fort war, seit er sie vor Yiga gerettet hatte. Seit dem war er immer in der Nähe gewesen. In Sichtnähe. Mit der Ausnahme von kurzen Zeitperioden.

Und nachdem sie einen Tag so hatten verbringen können, wie sie es sonst nur konnten, wenn sie frei im Land herumreisten, war es besonders schwer ohne ihn auszukommen.

Ein Schauer durchfuhr Zelda, während sie in die Nacht hinaus starrte.

Ein Tag und wozu hatte das geführt …

Nicht auszumalen, was geschehen würde, wenn Zelda diese Anschuldigungen zur Wahrheit machen würde.

Niemals durfte das geschehen.

Niemals.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  InukiLucy
2018-05-16T09:52:06+00:00 16.05.2018 11:52
Hey scippu,
wieder ein neues Kapitel, voll mit Interaktion zwischen Zelda und Link.

Einerseits der wunderbare Moment, angestoßen durch die Spurtkröte… wie Zelda die Situation wahrnimmt, wie Link Zeldas Haar zurück streicht. Eine perfekte Darstellung. Dann die Frage, die sich beim Leser stellt: Warum verschärft sich Links Gesichtsausdruck auf einmal? Weil er möglicherweise das Gleiche empfindet wie Zelda? Oder schlicht weil er als treuer Leibwächter und Freund schlicht eine Grenze zwischen beiden überschritten sieht bzw. Zelda keine falschen Hoffnungen machen möchte?

Andererseits Links deutlich emotionale Reaktion auf die Gerüchte, Zelda und ihn betreffend. Warum reagiert er dermaßen aggressiv auf die Anschuldigung seines Vaters? Geht es ihm rein um Zeldas Ehre, weil es aus seiner Sicht völlig unvorstellbar scheint, dass zwischen ihm und Zelda mehr als Freundschaft bestehen könnte oder reagiert er deshalb so aggressiv, weil er tatsächlich romantische Gefühle für Zelda hegt?

Selbst zwei Wochen nachdem ich das Kapitel immer wieder gelesen habe, stelle ich mir diese Fragen und zerbreche mir den Kopf darüber. Aber genau deshalb lese ich dies Fanfic so gerne. Sie fordert den Leser zum Nachdenken und Interpretieren auf.

Antwort von:  scippu
03.06.2018 14:46
Hallo du Liebe,

danke für deine lieben Worte. Ich mochte die Szene am königlichen Institut so gern. Bereits in der Erinnerung. Sie ist so vertraut und spielerisch und dann zeigt sie wieder so viel von Zeldas Zerissenheit.
Hach... deswegen war mir das Kapitel sehr wichtig :)
Tja, wie empfindet Link? Ich möchte da gar nichts vorweg nehmen, schon allein weil ich es so spannend finde, wie ihr als Leser zu dem denkt, was Zelda wahrnimmt.

Aber auf jeden Fall empfindet Link stark für Zelda. Auf welche Weise nun auch immer. Und Pflichtgefühl und Loyalität sind auf jeden Fall sehr wichtig. Vielleicht ist es sich selbst nicht ganz klar, was er empfindet?
Jedenfalls stellt Zelda sich dieselben Fragen. :)
Es ist schön dass die Geschichte für dich nicht alles vorsagt, sondern zum Nachdenken anregt.

Liebste Grüße
Von:  FairyZelda
2018-05-12T14:43:30+00:00 12.05.2018 16:43
Super tolles Kapitel!

Die arme Zelda, als währe der langweilige Schlossaltag nicht schon erdrückend genug mussten jetzt auch noch die Gerüchte auftachen die alles noch komplizierter machen. Zum Glück hat der König nichts davon geglaubt. (Ich bin mir nicht sicher aber war dieser Beobachter aus dem Schloss nicht der Meister von Kashiwa?)
Ich find die sache mit Mipha super gelöst (auch wen ich zimlich wütend und schockiert über Links Vater bin) Ò_Ó

Aber der andere Teil des Kapitels war mega süß und zum Seele baumeln lassen. Auch für den Leser :3

P.S. Hab gerade gesehen das ja schon Kapitel 13 draußen ist. Werde gleich weiter lesen ^^
Antwort von:  scippu
03.06.2018 14:41
Hallöchen du Liebe,

ich danke dir für deine lieben Worte.
Nimm es Links Vater nicht so übel. Er ist kein schlechter Kerl, sondern ziemlich komplex. Ich stell ihn mir als eine Art Josef vor. Also mit der Schwierigkeit belastet, dass der eigene Sohn irgendwie mehr ist als nur der eigene SOhn. Irgendwie ist da etwas göttliches im eigenen Kind, für das man nichts getan hat und das nicht mit der eigenen Vaterrolle zu tun hat.
Es ist bestimmt schwer sich als Vater dann nicht zu verlieren. Deswegen wohl die verzweifelten Versuche Kontrolle und Einfluss auszuüben.
Ich wäre gern näher darauf eingegangen. Vielleicht kann ich diese Szene sogar irgendwann mal als OneShot umsetzen. Aber das hängt ganz hinten in der Pipeline.
Er will Link nichts Schlechtes. Er hat ihn ja auch nicht angegriffen, sondern nur zurecht weisen wollen. Link ist auf ihn losgegangen, weil er sich natürlich massiv angegriffen gefühlt hat. Aus gutem Grund. Gebissene Hunde bellen :). Gerade deswegen war es für mich so wichtig. Link wird extrem aggressiv, wenn ihm jemand vorwirft, dass seine Beziehung zu Zelda nicht professionell genug ist.
Woran liegt das wohl?
:)

Schön dass es dir gefallen hat :)
Von:  Feuermalerin
2018-04-30T15:24:28+00:00 30.04.2018 17:24
Wunderbares Kapitel. Ich fas die Szene am Institut so toll. Und so cool wie du das mit Mipha gelöst hast. Ich hab das Gefühl, ab jetzt geht alles schief.
Seufz. Toll
Antwort von:  scippu
03.06.2018 14:26
Hallo du Liebe, ich danke dir für deine lieben Worte. Tja, ich fürchte es wird tatsächlich bald alles schief gehen :) Aber ich hoffe darauf, eine Fortsetzung schreiben zu können.
Von:  ReinerAnnieBertl
2018-04-29T21:08:07+00:00 29.04.2018 23:08
Hallo.. Ich muss jetzt einfach mal schreiben. Erstmal ein riesen Kompliment an deinen Schreibstil..Man kann sich so gut in die Charaktere hineinversetzen. Einfach Hammer was du aus den einzelnen kleinen Erinnerungen ziehst... Freu mich schon auf das nächste Kapitel..
PS: ich höre beim lesen immer two steps from hell.. Dann bin ich voll in der Geschichte..
Antwort von:  scippu
03.06.2018 14:26
Hallo du Liebe, ich freue mich sehr über deinen Kommentar.
Two Steps From Hell mag ich auch sehr gern. Aber beim Lesen könnte ich das nicht hören :) Respekt an dich!
Liebste Grüße und lieben Dank für deine Worte!


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