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Nicht Zu Spät

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Keine Erinnerung in diesem Kapitel und kein Tagebucheintrag. Eigentlich sollte das anders laufen, aber nach 10 K habe ich mich dann dazu entschlossen das Kapitel zu beenden - da ich inhaltstechnisch noch nicht einmal bei der Hälfte war. Meine Güte. Die Zwei werden richtige Plaudertaschen. :) Danke für eure lieben Worte, Kapitel 10 steht vom Inhalt her, ich muss es nur noch in Feinform bringen. Ich kann leider nicht vorhersagen, wie ich damit voran kommen werde. Habt viel Spaß beim Lesen, wie immer freue ich mich sehr über eure Gedanken zum Kapitel. <3

Eins noch, die wunderbare Cossette_Mirage hat mir einen Herzenswunsch erfüllt, ohne dass sie darum wusste. Sie hat zu Kapitel 8 ein ganz fantastisches Fanart gezeichnet. Immer schon habe ich mir gewünscht, dass mein Schreiben mal jemanden dazu inspiriert, etwas zu zeichnen. Und nun ist es geschehen. Ich liebe die kleine Chibi Zeichnung. Danke, liebe Cossi. <3 Komplett anzeigen

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Kapitel 9

Sie erreichten Hyrule Stadt nach dem Mittag. Sie verbrachten den Morgen in Schweigen, die Bedeutsamkeit von Links Worten fühlbar zwischen ihnen. Nicht auf unangenehme Weise, viel mehr hatte sich ein Band geknüpft, fest und stark und so vollkommen unerwartet, dass es Zelda unwirklich vorkam. Wie ein Traum. Und sie wollte sich die Gelegenheit geben, die volle Bandbreite der Erkenntnis wahrzunehmen. Damit sie begreifen konnte, was geschehen war.

Außerdem war sie zu dankbar für das Vertrauen, das Link ihr offenbart hatte. Demütigst dankbar. Sie würde die Wichtigkeit seiner Worte nicht mit dem sinnlosen Geplapper ihrer eigenen Unsicherheit abwerten.

Stattdessen hatte Zelda geschwiegen, seit sie erwacht war. Ebenso während des Frühstücks. Link war sowieso zu sehr damit beschäftigt so schnell wie möglich alles Nahrhafte in seiner Nähe in sich hinein zuschaufeln, nachdem sie das Mahl am Abend zuvor ausgelassen hatten. Weil sie zu sehr in das Gespräch vertieft gewesen waren. Zu sehr damit beschäftigt, diese eine Frage auszuleuchten.

Wie viel mehr er mit ihr geteilt hatte.

Zelda musste sich seine Worte nicht in Erinnerung rufen. Sie waren da. Die ganze Zeit, seit er sie offenbart hatte. In ihr. Um sie. Hüllten sie in Wärme und Hoffnung.

 

Ich glaube an Euch.

 

Und sie hatte gedacht, Link würde sie verachten. Wie unsagbar blind sie doch gewesen war.

 

Sie teilten mehrere lächelnde Momente, als sie wortlos nebeneinander herliefen. Wie anders sich dieses Schweigen anfühlte.

Link begrüßte die diensthabenden Wachen am Stadttor, so wie er es auch getan hatte, als sie zu ihrer ersten Reise Richtung Hebra aufgebrochen waren.

Doch zu diesem Zeitpunkt hatte Zelda es ignoriert.

Jetzt besah sie sich die Wachen interessiert. Versuchte sich zu erinnern, ob die Gesichter ihr bekannt vorkamen.

Der Anblick der wehenden Fahnen und der, in der Sonne glühenden Türme des Schlosses, erfüllte sie nicht mit der bekannten Scheu. Es fühlte sich beinahe an, als würde sie nach Hause zurückkehren. Was daran liegen musste, dass sie die Zeit im Schloss nun nicht länger auf dieselbe Art fürchtete.

Zelda lächelte stumm vor sich hin.

Nun hatte sie einen Freund.

 

Eine weitere Wache trat ihnen entgegen, als sie durch das Schlosstor traten.

Der Ritter verbeugte sich und Zelda stoppte. Sie wurde so gut wie nie angesprochen, wenn sie den Schlossgrund überquerte. Aber sie konnte sich schon vorstellen, warum das bei dieser Rückkehr anders war.

„Willkommen zurück, Prinzessin.“ Noch eine Verbeugung. Zelda nickte mit einem Lächeln. „Euer Vater wünscht Euch zu sehen. Sobald es Euch möglich ist.“

Was übersetzt bedeutete, sobald sie ankam. Also jetzt.

Sie seufzte.

„Link“, grüßte der Ritter und sah an Zelda vorbei. Nickte.

„Fado“, antwortete ihr Leibwächter leise. Aber mit einer gewissen Herzlichkeit in der Stimme.

Natürlich. Link kannte die Ritter. Er war einer von ihnen. Zelda wusste nicht, wieso der Fakt sie so überraschte. Wahrscheinlich, weil sie sich außen vor fühlte. Als Außenseiter, hier, zwischen zwei alten Bekannten.

Vielleicht auch, weil sie Link bereits so sehr für sich selbst beanspruchte, dass sie vergessen hatte, dass er ein Leben unabhängig von ihr geführt hatte.

Der Gedanke war ihr unangenehm. Er schmeckte nach einer Ignoranz, mit der sie sich nicht identifizieren wollte. Die verzogene Prinzessin die denkt, die ganze Welt würde sich um sie drehen.

 

Zelda räusperte sich.

„Nun, Sir Link“, sagte sie. „Ich vertraue auf meine eigenen Fähigkeiten den Weg zu meinem Vater zu finden. Ich denke, du hast deinen eigenen Aufgaben nachzugehen.“ Sie besah den anderen Ritter vielsagend. „Ich hoffe, dieses Mal lässt du mich alleine den Weg finden?“ Immerhin hatte Link sie sonst kaum alleine gelassen. Nicht mal auf dem Schlossgelände.

Aber er schien hier etwas zu erledigen haben. Eine ganze Woche war er fort gewesen. Vielleicht ohne jemandem Bescheid geben zu können. Seinem Vater.

Zelda zwang sich zu einem Lächeln.

Link hatte gesagt, er würde ihr nichts nachtragen. Also sollte sie auch aufhören, sich unter Schuld zu vergraben.

 

Ihr Leibwächter nickte stumm, sein Gesicht nun wieder eine emotionslose Maske neutraler Höflichkeit. Richtig. Sie waren wieder im Schloss.

„Ja, Prinzessin“, sagte er und verneigte sich vor ihr.

Zelda hob die Hand in einer Abschiedsgeste und machte sich dann auf den Weg zum Thronsaal.

 

Sie fühlte sich seltsam nackt ohne Link an ihrer Seite. Wie viel sich doch in so wenigen Tagen ändern konnte. Es fühlte sich vollkommen anders an, verglichen mit dem letzten Mal, als sie auf diesen Steinen gewandelt war. Ihr ganzes Leben schien sich geändert zu haben.

Ihr Vater allerdings konnte davon nicht wissen.

 

„Eine ganze Woche. Ohne ein Wort!“, polterte er, noch bevor Zelda den Mund öffnen konnte.

„Ich bin gespannt, wie du das erklären willst!“

Der König hatte sich erhoben, seine mächtige Präsenz erfüllte den Raum, aber anders als sonst zuckte Zelda nicht vor ihm zurück.

„Verzeih mir, Vater. Ich überließ es Link, dir eine Nachricht zu senden. Ich musste schnell aufbrechen. Urbosa verlangte dringend nach meiner Anwesenheit. Sie brauchte Hilfe mit Vah Naboris und ich wollte ihr unverzüglich zur Seite stehen. Wie es meine Aufgabe ist.“

Das würde ihrem Vater gefallen. Und glücklicherweise hatte Link für diese Ausrede gesorgt. Zelda wusste wirklich nicht, wie sie das alles sonst hätte erklären sollen. Ihr ursprünglicher Plan hatte so ganz anders ausgesehen.

Bevor der König weiter poltern konnte, wagte Zelda den Angriff.

„Auf dem Rückweg reisten wir zur Quelle des Mutes, wo meine Gebete mich in eine so tiefe Trance führten, dass ich einen Zusammenbruch erlitt.“ Erhaben faltete sie die Hände vor dem Bauch und reckte das Kinn in die Höhe. „Die Reise zum Schloss verlief entsprechend langsam. Link hielt es für besser, ohne Pferde zu reisen, da der offizielle Weg zu gefährlich war. Und so kam es zu dieser Verzögerung.“

Alle Luft schien aus ihrem Vater zu entweichen. Es funktionierte. Ihre unaufgeforderte Reise zur Quelle des Mutes besänftigte ihn.

Zelda nickte. „Und Urbosas Probleme konnten restlos gelöst werden.“

Der König schien weiter in sich zusammen zusinken. Als hätte sein Zorn, seine Unzufriedenheit mit seiner Tochter ihn aufrechterhalten. Er setzte sich.

„Ich bin immer noch ein wenig erschöpft, Vater. Darf ich mich zurückziehen?“

„Was?“ Er schien abwesend, nun, da er keinen Grund sah, sie zu schelten. „Oh ja. Natürlich. Sag Link, dass ich seinen Bericht erwarte.“

Zelda nickte und war im Inbegriff sich umzudrehen, als ihr Vater erneut das Wort ergriff: „Ich bin froh, dass es dir gut geht, Tochter. Und dass dir nichts widerfahren ist.“

„Danke, Vater. Mir geht es ebenso.“

Der König lächelte und für einen Moment war es, als gäbe es zwischen ihnen keine negativen Gefühle. Keine Erwartungen. Keine Enttäuschungen.

Zelda wandte sich zum Gehen. Mit einem Lächeln und einer Verbeugung.

 

*

 

Sie hatte es geschafft. Aufgeregt trugen ihre Füße sie zu ihren Gemächern. Sie hatte sich ihrem Vater gegenüber behauptet. Ohne Widerworte zu geben. Sie hatte seinen Erwartungen entsprochen und sie hatte sich dafür nicht einmal anstrengen müssen.

Überglücklich ließ sich Zelda von ihren Zofen begrüßen. Hielt den Wirbel aus, der um sie gemacht wurde. Um den Zustand ihres Haares und ihrer Kleider.

Lächelte geduldig, als man sie in ein heißes Bad drückte. Strahlte förmlich ohne Unterlass.

Als der Abend sich über das Schloss senkte, fühlte war es keine Qual, sich ins Gebet zu begeben.

Links Worte. Die Reaktion ihres Vaters. Zelda konnte nicht anders, als daraus ein Ohmen zu machen. Endlich machte sie etwas richtig. Zum aller ersten Mal fühlte sie sich gut mit der Richtung, in die ihr Leben sich entwickelte.

 

Heute Abend war Zelda zuversichtlich, dass sie keine Schwierigkeiten haben würde, zu beten.

Sauber und mit vollem Magen stieg sie in das weiße Kleid. Lächelte gedankenversunken, als sie sich an das andere weiße Kleid dachte. Ihr Unterkleid, das sie an der Quelle getragen hatte.

Das Unterkleid, über das ihre Zofen sich so echauffiert hatten.

Sie erklomm die Treppenstufen mit einer geklärten Ruhe, die ihr zusätzliche Kraft gab. So machtvoll, so richtig, hatte sie sich noch nie zuvor gefühlt. Nie.

Und als sie auf dem kühlen Stein niederkniete und die Hände faltete, kam es ihr vor, als müsste jeder das Strahlen sehen können, das sie fühlte.

Sie konzentrierte sich auf ihre Dankbarkeit und brachte all ihre innere Freude nach außen, versuchte sie in alle Richtungen zu lenken, die Welt zum Leuchte zu bringen. Wie es einst ihre Mutter getan hatte.

 

Danke. Hylia. Ich danke dir. Das erste Mal seit Jahren fühle ich mich, als wäre ich auf dem richtigen Weg. Vielleicht hat Link recht und das hier ist meine Prüfung. Und ich werde dich nicht enttäuschen. Ich werde ihn nicht enttäuschen.

Hylia. Ich bin hier, um dir zu dienen.

 

Nur wenige Atemzüge nachdem sie sich erhoben hatte – so energiegeladen und erfrischt wie nie zuvor nach einer Andacht – schwang Link sich über die Balustrade der Wehrmauer. Zeldas Herzschlag beschleunigte sich bei seinem Anblick und sie machte einige schnelle Schritte auf ihn zu. Bis sie sich daran erinnerte, dass sie nun wieder im Schloss weilten.

Nicht länger auf den Straßen und Hügeln Hyrules. Nicht mehr frei, zu tun, was sie wollte.

Nicht länger Forscherin und Ritter.

Sondern Prinzessin und Held.

Und die Blicke waren auf sie gerichtet.

Zelda schaffte es sich zu bremsen und würdevolle Distanz zu wahren. Ein wenig Luft entwich aus der Blase ihres Glücks.

 

„Mein Vater erwartet deinen Bericht“, sagte sie und lächelte. Link sah sie an, als wüsste er nicht ganz, ob sie sich daran erinnerte, dass es exakt dieselben Worte waren, die sie ihm vor einer Woche an den Kopf geworfen hatte.

Zelda war sich dessen nur zu bewusst.

„Morgen“, fügte sie hinzu.

Link neigte den Kopf zur Seite.

„Und Ihr wollt, dass ich meinem König weiterhin die Wahrheit vorenthalte?“

Zelda erstarrte. Was?

Doch dann sah sie, dass er lachte. Sie hörte es nicht, denn er gab keinen Laut von sich. Aber sie sah, wie sich seine Schultern nach vorne rollten und sanft bebten. Ein stummes Lachen. Sie wünschte, das Geräusch würde ihr nicht vorenthalten werden.

Zelda schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. Verschränkte die Arme vor der Brust. Alle Würde vergessen.

„Du bist ein schrecklicher Mann.“

Ihre Worte schienen ihn noch mehr zu amüsieren. Das Beben seiner Schulter wurde heftiger.

Zelda seufzte und wandte den Blick ab. Bestrebt, zumindest zu versuchen, ihre Zuneigung zu verbergen.

 

Link richtete sich auf und betrachtete sie einen Augenblick schweigend.

„Ich dachte, es interessiert Euch vielleicht, dass ich diese Nacht zu schlafen gedenke“, sagte er irgendwann und er lächelte. „Da Ihr so eine unfassbare Faszination mit meinem Regenerationsrhythmus entwickelt zu haben scheint.“

Zelda atmete erschrocken ein. Brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er scherzte. Es half nicht viel. Sie errötete trotzdem. Inständig hoffte sie, dass er es im Schatten des kaum beleuchteten Mauerwerks nicht sehen würde.

„Solch Anmaßung...“, murmelte sie, stolz auf sich und das beinahe unterdrückte Zittern in ihrer Stimme.

Törichtes, törichtes Mädchen.

 

„Und ich wollte Euch sagen, dass Fado für diese Nacht die Wache hier übernehmen wird.“ Sein Kinn zuckte in Richtung des Treppenaufsatzes und Zelda folgte der Bewegung.

„Oh“, sagte sie. Immer noch ein wenig geschockt von dem Gefühl ertappt worden zu sein. Dabei, wie sie tatsächlich unangebrachte Faszination für den Schlafrhythmus ihres Leibwächters entwickelt hatte. Und für alles andere an ihm.

„Ihr werdet in guten Händen sein. Fado ist äußerst verantwortungsbewusst, wenn er nicht gerade dabei ist, seinen Wochenlohn zu verspielen. Oder sich zu betrinken. Oder an illegalen Wettrennen teilzunehmen.“

Als Zelda auf seine Witzelei nicht reagierte, verschwand Links Lächeln. Er machte einen Schritt auf sie zu.

Seine Hand zuckte und sie hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, dass er sie nach ihr ausstrecken wollte.

Törichtes Mädchen.

„Ich meine es Ernst. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben. Es ist immer er, dem ich Eure Sicherheit anvertraue. Diese Aufgabe teile ich nicht leichtfertig.“

Sein Ton war so beschwichtigend. Fragend. Beruhigend.

Zelda blinzelte. Sie würde ihm nicht sagen, dass ihre Sicherheit ihr geringstes Problem war.

Dass es der Gedanke an jemand anderen war, der an seiner Statt in ihrer Nähe weilen würde, der ihr Gesicht überwölkte. Dass das seltsam leere Gefühl sich bereits wieder ankündigte, das sie bereits gespürt hatte, als sie allein zu ihrem Vater gegangen war.

Sie sorgte sich nicht um ihre Sicherheit.

Sie sorgte sich, weil sie sich in seiner Gegenwart so wohl fühlte, dass sie nicht wollte, dass er ging.

Sie lächelte. Froh, dass er nicht wusste, was hinter ihrer Stirn vor sich ging. Oh Zelda, du ungeheurer Dummkopf.

„Natürlich. Ich vertraue auf deine Fähigkeit für mein Wohlergehen zu sorgen, Sir Link.“

Bei ihrem Tonfall bildeten sich amüsierte Fältchen neben seinen Augen, ohne dass seine Mundwinkel sich bewegten.

„Gute Nacht, Prinzessin.“

 

Er war kurz davor sich über die Balustrade zu schwingen, als Zelda ihn stoppte.

„Link“, stieß sie hervor, bevor sie es sich anders überlegen konnte und es zu spät sein würde.

Er wandte den Kopf in ihre Richtung, eine Hand auf dem Geländer, die Augenbrauen leicht gehoben. Fragend.

„Ich habe das Gefühl, dass wir … so etwas wie Freunde geworden sind. Zumindest hoffe ich das. Und ich hoffe, dass du dich von nun an nicht ganz so rarmachen wirst.“

„Natürlich“, sagte er nach einer kurzen Pause, in der Zelda den Atem anhielt. Er neigte den Kopf. Stumm verfluchte sie die Dunkelheit, die sie daran hinderten, mehr von seinem Gesicht zu sehen. Stieß ihre Bitte ihn ab? Freute sie ihn?

Was, bei den drei Göttinnen, ging in seinem blonden Kopf vor.

„Mein Leben gehört Euch, Prinzessin.“

Zelda schluckte. Seine Stimme klang warm. Aber warum. Weil er seiner Pflicht von nun an leichter beikommen konnte? Weil er in ihr ebenfalls einen Freund sah?

Mit einem Mal kam sie sich lächerlich vor, davon gesprochen zu haben. Freunde. Der erbärmliche Versuch eines einsamen Mädchens ihre Dienstbefohlenen zur Zuneigung zu zwingen.

„Zelda“, verbesserte sie ihn hastig, eine automatische Reaktion, die sie nicht unterdrücken konnte. Sie konnte sich nur geschockt dabei beobachten, während sie weiter plapperte. Mit schriller Stimme und roten Wangen. „Du hast es schon einmal gesagt. Also weiß ich, dass du es kannst.“

Link seufzte und Zeldas Herz klopfte heftig gegen ihren Brustkorb. Sie wusste nicht wieso, aber es war wichtig. Sie konnte nicht weiterhin nur die Prinzessin für ihn sein.

„Das habt Ihr bemerkt, hm?“

Zelda nickte. „Es passiert nicht alle Tage, dass man mir den gebührlichen Respekt verweigert.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. Um ihm zu zeigen, dass sie scherzte.

Es funktionierte, denn Link stöhnte leise und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, las sie Resignation in seiner Körperstruktur. Gespielte Aufgabe. Innerlich jubilierte sie.

„Also gut. Zelda“, sagte er.

Zittrig atmete sie ein. Nickte dann.

„Und, das war doch nicht so schwer, oder?“, hauchte sie. Zu sehr darauf konzentriert keine weitere Reaktion zu zeigen, nicht zu offenbaren was ihr Name auf seinen Lippen ihr bedeutete, dass sie keine Kraft für ihre Stimme aufbringen konnte.

„Das werden wir sehen, wenn ich meinen Kopf verliere“, brummte Link, und bevor sie sich bremsen konnte, entfloh Zelda ein kleines Lachen. Was gut so war, denn die Alternative wäre ein Keuchen gewesen. Etwas, das den Schrecken zum Ausdruck brachte, den diese im Spaß daher gesagten Worte ihr durch die Glieder schickte.

„Gute Nacht, Sir Link“, sagte sie, um nichts anderes zu sagen. Auch, wenn ein Abschied das Letzte war, das sie wollte.

„Gute Nacht“, antwortete er. „Zelda.“

 

*

 

Der Brief von Daruk erreichte sie einige Tage später. Vor Erleichterung hätte Zelda beinahe einen Luftsprung gemacht.

Daruk berichtete von anhaltenden Schwierigkeiten mit Rudanias Steuerung.

Nicht die Probleme erfreuten sie. Zumindest nicht direkt.

Aber da sie sich zuversichtlich fühlte, ihm dabei helfen zu können – ihre Beobachtungen an Vah Naboris und all das – sah sie der zwangsläufigen Reise zum Todesberg mit einer Freude entgegen.

Es bedeutete, dass sie das Schloss verlassen konnte.

Der Alltag aus Gebet und Studien schien sie schneller zu erdrücken, als je zuvor.

Wahrscheinlich war die unverhoffte Freiheit, die sie auf der letzten Reise gefunden hatte, Schuld daran.

Link war schuld daran.

 

Link...

Er zeigte sich mehr als sonst.

Aber sein Verhalten unterschied sich nicht sonderlich von dem höflichen Respekt, den er ihr zuvor entgegen gebracht hatte. Und es stand Zelda nicht zu, daran etwas zu ändern. Ihr war bewusst, dass es hier, im Schloss, nicht anders möglich war. Weder für ihn noch für sie.

Noch ein Grund mehr, warum sie sich aus dem Schloss heraus sehnte.

 

„Es scheint, dass Lord Daruk unsere Anwesenheit in Goronia fordert“, teilte Zelda ihrem Leibwächter mit, nachdem sie den Brief gelesen hatte. Sie stand über die Brüstung gelehnt und sah zu Link nach unten, der mit seinem Schatten focht. Oder zumindest sah es danach aus.

Er unterbrach seine Bewegungen und blickte nach oben. Blinzelte gegen die Sonne.

„Ist das so...“, entgegnete er, etwas, das bei jedem anderen eine leichte Ironie hätte vermuten lassen. Aber sein Gesicht war bar jeder Emotion.

Sein Atem ging ein wenig schneller und für einen Moment konnte sie nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Dabei zuzusehen, wie sich seine Brust in raschem Rhythmus hob und senkte.

Zelda beeilte sich, zu nicken. Und woanders hinzusehen.

„Nun“, sagte Link und ließ das Bannschwert in die Scheide gleiten. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren. Wann gedenkt Ihr abzureisen?“

Jetzt gleich!

„Nach Sonnenaufgang. Morgen“, antwortete sie und er nickte. „Ich werde bereit sein.“

 

*

 

Er erwartete sie, als sie am nächsten Morgen die Treppe ihres Turms hinunter kam. Sich bremsend, damit sie nicht hüpfte, wie ein kleines Mädchen.

Auch wenn sie sich momentan genau so fühlte.

Sie war dabei sich ihren letzten Handschuh überzustreifen und bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln.

„Guten Morgen, Sir Link.“

Er neigte den Kopf zur Begrüßung.

„Prinzessin.“

Zelda unterdrückte das Seufzen, das in ihr aufstieg. Sie hoffte, er würde diese Förmlichkeit ablegen, sobald sie das Schloss im Rücken hatten.

„Da wir ohnehin in die Richtung gehen, bietet es sich an, dass ich Robelo in seiner neuen Forschungseinrichtung einen Besuch abstatte. Er hat mir in seinem letzten Brief geschrieben, dass er sich langsam bereit fühlt, die Wächter zum Schloss zu bringen.“

Link setzte sich in Bewegung, als sie an ihm vorbeilief, neben. Er ging neben, anstatt hinter ihr. Ein kleiner Sieg.

Er bedachte sie mit einem seitlichen Blick, der seine Skepsis nur schwer verbergen konnte.

Zelda verstand erst nicht warum. Bis er den Mund öffnete.

„Genau wie viele Wächter hat er dort oben?“

Sie presste die Lippen aufeinander, um nicht lachen zu müssen.

„Dafür habe ich mich auch nie bedankt, oder?“, sagte sie schließlich und drehte den Kopf, um ihn ansehen zu können.

„Das ist auch nicht notwendig. Ich würde es wieder tun, ohne auch nur ein Wort von Euch.“

Zelda seufzte.

„Und so sehr ich diese Loyalität auch zu schätzen weiß, Sir Link, muss ich dennoch darauf bestehen.“

Ohne nachzudenken – da sie das momentan wohl für Zeitverschwendung hielt – berührte sie ihn am Arm und blieb stehen. Brachte ihn ebenfalls dazu, anzuhalten.

„Danke. Ich verdanke dir mein Leben“, sagte sie, die Hand immer noch an seinem Oberarm.

Was immer es war. Ihre Worte, oder die außerplanmäßige Berührung, es holte ihn aus der Starre höflicher Neutralität.

Seine Miene verlor den stoischen Ausdruck und etwas in seinen Augen wurde weich. Seine Lippen öffneten sich leicht und sein Atem stockte. Eine Antwort, die ihm auf der Zunge lag?

Hielt er ihr Verhalten für ungebührlich?

Dann schluckte er und er wandte den Blick ab. Mit geröteten Ohrenspitzen.

„Mein Leben gehört Euch“, murmelte er.

 

Der Stoff unter ihren Fingern fühlte sich glatt und warm an. Sie fühlte das feste Fleisch darunter, auch wenn ihre Berührung sanft und leicht war.

Wie schon zuvor, kämpfte sie mit dem Verlangen ihre Hand einfach dort zu lassen.

Nicht mehr los zulassen.

Dann erinnerte sie sich daran, wo sie waren. Wer sie waren.

Daran, dass sie ihren Leibwächter in eine unmögliche Situation brachte, wenn sie ihre seltsamen Anwandlungen jugendlicher Schwärmerei nicht unter Kontrolle brachte.

Sie schluckte und ließ den Arm sinken.

Dann bemühte sie sich um ein kleines Lachen. Um Normalität bemüht. In ihren Ohren klang es schrill und albern, aber es erfüllte seinen Zweck und durchbrach die seltsam eingefrorene Stimmung des Moments.

 

„Willst du das am schlechtesten erzogene Pferd in ganz Hyrules kennenlernen?“, fragte sie und deutete in Richtung der Stallungen.

Link seufzte.

„Er ist nicht schlecht erzogen“, entgegnete er, als sie sich wieder in Bewegung setzten. Zumal er Storm sehr wohl kannte. Ihn zumindest gesehen hatte. Mindestens das eine Mal, als er sie am Schrein gefunden hatte.

„Ach ja?“ machte Zelda und zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Und wie willst du es dann nennen, dass er es bei jeder Gelegenheit darauf anlegt, mich abzuwerfen.“ Gespielter Trotz und ernsthafte Traurigkeit ließen sie die Arme vor der Brust verschränken. „Mein Pony war so viel liebenswerter“, murmelte sie und warf den Stallungen, die hinter dem sanften Hügel in Sicht kamen, einen bösen Blick zu.

Link schwieg eine Weile und nur ihrer beiden Schritte war zu hören. Seine so viel leiser als ihre.

„Ihr reitet ihn seit … was … vier Jahren?“

„Fünf“, antwortete Zelda leise und drehte den Kopf, um Link anzusehen. Die Antwort schien ihm etwas zu sagen, zumindest wirkte es so, als würde das nur bestätigen, was er sagte.

 

„Worauf willst du hinaus?“, fragte sie, als sie bei den Ställen ankamen und ihr Leibwächter kein weiteres Wort verloren hatte.

Er warf ihr einen schnellen Blick zu, blaue Augen, die im Schatten des Gebäudekomplexes aufblitzten, und nickte dann vorwärts.

„Ich werde es Euch zeigen“, antwortete er.

Was blieb ihr anderes übrig, als ihm zu folgen?

 

Storm war in einer großen Zelle an der Stirnseite des rechteckigen Gebäudes untergebracht. Helles Licht fiel durch große Luftöffnungen und ließ die staubigen Überreste der morgigen Heufütterung um sie herum glitzern.

Hier herrschte die Art von Frieden, die nur durch den Geruch von Mist und Tier entstand.

Doch Zelda verlangsamte ihre Schritte, während Link ohne Umschweife auf ihr Pferd zuging.

Sie folgte ihm in einigem Abstand.

Es war nicht so, dass sie Angst vor Storm hatte. Aber sie vertraute ihm nicht. Und er ihr wohl noch weniger.

Link öffnete das Tor zu der umwandeten Kabine und sah sich nach ihr um.

Er wirkte ganz so, als würde er hier hergehören. Alles an ihm passte zu diesem Ort. Sein Auftreten, sein Äußeres, die ausgetretene Qualität seiner Stiefel. Er schien sich hier wohl zu fühlen. Anders als Zelda.

„Also“, begann sie zögerlich. „Vielleicht sollten wir-“ sie brach ab, da sie eigentlich nicht wirklich wusste, was sie eigentlich sollten. Auf einen Stallburschen warten?

Einfach umkehren?

„Kommt her“, sagte Link leise, die Hand in ihre Richtung ausgestreckt, den Blick in Richtung des schneeweißen Pferdes, das erstaunlicherweise einmal nicht argwöhnisch in der Ecke stand, sondern zufrieden seine Futterration malmte.

Es war die ruhige Nachdrücklichkeit seiner Stimme, die sie in Bewegung setzte. Vielleicht auch die Abwesenheit der respektvollen Distanziertheit.

Zelda durchfuhr ein kleiner Blitz purer Energie. Als hätte sie eine der Leitungen in Vah Naboris berührt.

Als sie neben ihm stand, senkte er seine Hand wieder und sah sie an.

Nervös wich Zelda seinem Blick aus. Sie stand genau neben ihm. Im Eingang zu der großen, hellen Zelle und zwischen ihnen existierte gerade genug Raum, dass sich ein paar Staubkörnchen hindurchbewegen konnten. Ein Zucken und sie würde ihn berühren.

Und es ließ ihr Herz aufgeregt flattern. Dass er sie ohne Unterlass ansah, half nun wirklich nicht.

Zelda gestattete es sich kurz, seinen Blick zu erwidern, ihn kurz von der Seite zu betrachten.

Er schien etwas zu beobachten, sie zu beobachten. Aber warum wusste Zelda nicht. Diesen konzentrierten Ausdruck kannte sie. Sie kannte ihn von seinen Schwertübungen. Sie hatte ihn gesehen, als er die Yiga getötet hatte.

Ein Schauer durchfuhr Zelda.

Allerdings nicht wegen des offensichtlichen Grundes. Sie fürchtete sich nicht vor diesem Blick. Dieser Schauer war ganz anderer Natur. Und sie würde ihm keinen weiteren Raum geben und darüber nachdenken.

„Du hast Angst vor ihm“, sagte Link. Es klang nicht wie eine Frage. Eher wie eine Schlussfolgerung, für die er Bestätigung suchte.

Zeldas Augen weiteten sich. Sie schluckte und unterdrückte den Drang mit den Schultern zu rollen.

„Es ist keine Angst ...“, versuchte sie sich zu erklären.

„Mehr eine …“

Link trat in die mit Stroh ausgelegte Kabine. Ihr Pferd, ihr so leicht erschreckbares, hypernervöses Pferd, wandte ihm kurz den Kopf zu und fraß dann weiter.

Zelda runzelte die Stirn.

„Er kann das nicht unterscheiden“, entgegnete Link und strich über den starken Hals des Tieres.

Das sich weiterhin nicht an seiner Anwesenheit störte.

Link drehte sich zu ihr um, winkte sie näher zukommen. Nicht das erste Mal an diesem Tag. Anscheinend war sie nun an der Reihe seinen Befehlen zu folgen.

Zögernd trat Zelda in die Zelle.

Und augenblicklich hörte Storm auf zu fressen. Ein Zucken durchfuhr seinen prächtigen Leib und er bewegte sich unruhig.

Sofort blieb Zelda stehen. Schmerz und Verwirrung verknoteten ihr den Magen und sie ließ sie Schultern hängen.

„Er mag mich nicht“, sagte sie und ballte die Fäuste.

Link trat einen Schritt zurück und die wenigen, die sie trennten, in ihre Richtung. Er schüttelte den Kopf. Sein Haar hatte dieselbe Farbe wie das Stroh auf dem Boden. Vielleicht wirkte er deswegen, als würde er hierher gehören.

„Er ist nervös, weil Ihr es seid“, widersprach Link und vergaß, dass diese Anrede nicht nötig war. Dass er sie gerade selbst ausgelassen hatte.

Zelda warf ihm einen genervten Blick zu. Nicht wegen seiner Worte, sondern wegen der nun wieder präsenten Höflichkeit in ihrer Stimme. Aber das wusste er nicht.

Glücklicherweise nahm er es ihr nicht übel. Seine Mundwinkel zuckten.

„Tiere sind sensibel. Ihnen fehlt die Fähigkeit, sich mit Worten auszutauschen, deswegen vertrauen sie viel stärker auf ihre Sinne, als wir es tun, um am Leben zu bleiben.“

Zelda betrachtete ihn aufmerksam. Sie hatte das Gefühl, dass sie bereits wusste, worauf er hinaus wollte.

„Storm ist ein gutes Pferd. Tapfer. Aber er kann nicht wissen, dass Eure innere Aufruhr nichts mit ihm zu tun hat.“ Er legte wieder seine Hand auf den schneeweißen Hals. „Alles, was Ihr fühlt, fühlt er auch. Eure Trauer. Eure Frustration. Eure Angst.“ Beruhigend strich er über das weiche Fell.

„Und wenn Ihr ihm nicht zeigt, dass alles in Ordnung ist, denkt er, ihr wüsstet etwas, das er nicht weiß. Er reagiert auf Eure Furcht, weil er denkt, dass Gefahr droht.“

Wie hypnotisiert starrte Zelda auf Link Hand, die langsam an Storms Hals hinauffuhr, um dann wieder bis zu seinem Widerrist zu streichen.

Es fiel ihr nicht leicht, dabei seinen Worten zu folgen. Also verstand sie recht spät, was er sagte.

„So habe ich das noch nie gesehen“, gab sie zu, immer noch fasziniert von der Sanftheit seiner Hände. Und Storms absoluter Ruhe.

Link deutete neben sich. „Stellt Euch hier her.“

„Dich“, murmelte Zelda, als sie vorsichtig näher kam.

Direkt neben ihrem Leibwächter blieb sie stehen. Ihre Schulter strich sein. Sie roch Pferd und Stall und Link. Ein Geruch, der ihr mit erschreckender Geschwindigkeit unsagbar lieb wurde.

„Hm?“, machte er, während er sie ansah.

Zelda blickte auf. So nah konnte sie seine Wimpern sehen. Lang und dicht und faszinierend dunkel gegenüber seinem hellen Haar.

„Stell dich hierher“, verbesserte sie ihn und wandte sich ab, bevor sie etwas sehr, sehr Dummes sagen konnte. Zum Beispiel, wie blau seine Augen doch waren.

„Wir waren da schon weiter, vergessen?“

Neben ihr atmete Link amüsiert aus, ein winzig kleines Schnauben, das Zelda lächeln ließ. Allerdings machte sie nicht den Fehler, noch einmal aufzublicken.

„Darf ich?“, fragte er, mit einem leicht spöttisch Angefügten: „Zelda?“

Nun musste sie ihn doch ansehen, um zu verstehen, was er meinte.

Er hatte die Hand in Richtung ihres Armes ausgestreckt und Zelda fühlte sich nicken, obwohl sie nicht verstand, was er wollte.

Was nur bewies, dass sie ihm alles erlauben würde, wenn er in dieser sanften, rauen Stimme sprach.

Törichtes Mädchen.

 

Er umschloss ihre Hand mit seiner und Zelda verspannte sich. Der Kontakt durchfuhr sie mit einem heißen Pulsieren, eine kraftvolle Welle kribbeliger Sensationen und irritiert hielt sie den Atem an. Als würde ihr das dabei helfen, mit der Situation umzugehen.

Link führte ihre Hand an Storms Hals. Öffnete die intuitiv geformte Faust vorsichtig, legte Finger für Finger in das weiche, weiße Fell.

Zelda zwang sich, weiter zu atmen. Langsam, damit sie nicht nach Luft schnappte, wie ein Fisch auf Land. Sie hoffte, dass Link ihre Reaktion der Nervosität zuschreiben würde.

 

„Du musst ihm zeigen, dass du zufrieden mit ihm bist.“ Er führte ihre Hand an Storms Hals entlang, in Richtung der zuckenden Ohren. „Dass er keinen Fehler gemacht hat und ihm keine Gefahr droht.“

Mit leichtem Druck in die Gegenrichtung ließ er Zeldas Hand wieder am Hals des Pferdes hinuntergleiten.

Das weiche Fell unter ihren Fingern, Links Stimme, Links Atem an ihrem Ohr, der sanfte Rhythmus seiner Worte, beförderte sie in einen traumartigen Zustand. Sie konnte nicht fassen, dass sie hier stand.

Abgeschieden von der Welt, in einem kleinen Kokon aus Pferdegeruch und Stallluft. Keinen Fingerbreit vor ihrem Leibwächter. Der ihre Hand hielt. Und ihr sanfte Worte zuflüsterte.

Die Anspannung verließ sie. Die Fremdartigkeit und Aufregung der Berührung nun nicht mehr so akut fühlbar. Sie fühlte sich sicher. Und geschätzt.

Sie fühlte sich wohl.

Und durfte es nicht zeigen.

Zumindest nicht allzu deutlich. Sich zurückzulehnen, wäre keine gute Idee. Davon versuchte sie sich zumindest zu überzeugen.

„Er muss deine wahren Gefühle erfahren. Nur dann könnt ihr gut zusammenarbeiten.“

Wie wahr doch seine Worte waren. Nicht nur auf das Pferd bezogen.

Anscheinend war das Zeldas Problem. Sie zeigte niemandem ihre wahren Gefühle. Das hatte sie gelernt. Eine Prinzessin musste stark sein. Sie, als Verkörperung Hylias, musste stark sein.

 

Link ließ ihre Hand los, trat aber nicht zurück. Zelda fuhr fort Storms Hals zu streicheln, damit, das weiche Fell zu kraulen. Genoss, wie es sich unter ihren Fingern anfühlte.

Glücklich, dass er es zuließ. Es zu mögen schien. Und froh, dass sie sich von all den verstörenden Empfindungen ablenken konnte.

Storm schnaubte und Zelda drehte sich langsam um. Die Hand immer noch in seinem Fell, den Blick Link zugewandt.

Sei waren beinahe gleichgroß. Blick traf auf Blick. Blau auf Grün.

 

Link hatte keine Probleme mit Stille. Und so schwieg er, während sie ihn betrachtete. Die Luft schien dichter zu werden, je mehr Zeit verstrich.

Zeldas Kopf war wie leer gefegt, nicht ein einziges passendes Wort fiel ihr ein.

Sie schluckte, wie in Trance, verzweifelt darum bemüht, nicht die letzten Fäden loszulassen, die sie in der Realität festhielten.

Es war Link, der die Situation rettete. Ob er wusste, wie es in ihr aussah, konnte Zelda nicht sagen.

„Ich lasse Euch eine Weile allein“, sagte er leise und nickte in Richtung des Pferdes.

Dann neigte er kurz den Kopf, eine dieser knappen Verbeugungen, von denen Zelda nicht sagen konnte, ob sie sie mochte.

Schweigend sah sie ihm hinterher. Erst als er aus ihrem Blickfeld, aus ihrer Nähe verschwunden war, fiel der Bann von ihr ab und sie begann wieder richtig zu atmen. Schnell und laut. Mit flatterndem Herzen und aufgewühlten Gefühlen.

Das hier wurde gefährlich.

Was auch immer das hier war.

 

*

 

Sie verließen die Stadt durch das östliche Tor, überquerten den Hylia Fluss an zwei Stellen und folgten dann seinen Ufern bis zu den Ranelle Sümpfen.

Zeldas Zittern ließ langsam nach, Stück für Stück, je weiter sie sich vom Schloss entfernten. Immer wieder strich sie über Storms Hals. Vertieft in den Versuch, innerlich Kontakt zu dem Tier aufzunehmen. Ihre Angst vor seiner Zurückweisung, vor einer Blamage, wegen ihrer Reitfähigkeiten und ihre Verwirrung über ihre Reaktion auf Link, von dem Pferd zu trennen.

Anfangs benahm sich Storm wie immer. Tänzelte nervös, ging mit steifem, hoch aufgerichtetem Kopf und schnellen Schritten. Doch Link schwieg, ritt schweigend neben ihnen her und war ganz damit beschäftigt, die Gegend in seinem wachsamen Blick zu halten.

Es gab Zelda Zeit sich mit Storm zu verständigen. Ihm leise zu zuflüstern. Ihn zu loben. Törichter, süßer Unsinn, der wohl eher ihrer Stimmlage wegen half.

Langsam wurde das Pferd ruhiger. Entspannte den Hals und ging mit schwungvollerem Schritt.

Und als sie am Askalt See eine Pause machten, prustete er ihr vertrauensvoll an die Schulter, nachdem sie abgestiegen und ihm einen Apfel angeboten hatte.

Glücklich strahlend drehte sie sich zu Link um, der, als er ihren Blick bemerkte, aufhörte die Gegend auf Gefahren abzusuchen.

Er lächelte und nickte.

Mehr brauchte es auch nicht.

 

Sie brachten die Pferde in einem Stall unterhalb von Robelos Forschungsstation unter.

Akkala war ein dicht besiedeltes Land, aber je weiter man in den Norden vorstieß, desto kleiner wurden die Siedlungen. Ein guter Ort also, wenn man mit enorm gefährlichen Kriegsmaschinen herumexperimentierte.

Sie hatten sich dafür entschieden, die Festung nicht zu betreten, sondern ihr auf dem Rückweg einen Besuch abzustatten. Wenn Zelda mehr über Robelos Fortschritt erfahren hatte.

In der Festung trainierten die Streitkräfte Hyrules mit den Wächtern, das würde sie sich auf jeden Fall ansehen müssen.

 

Zelda strich zum Abschied über Storms kräftigen Nasenrücken und wieder prustete das Pferd sanft gegen ihre Hand.

Link warf ihr einen Seitenblick zu, als er den Sattel vom Rücken seines Hengstes nahm.

„Nicht unerzogen“, sagte er leise und kam herüber, um die Gurte von Storms Sattel zu lösen.

Zelda lächelte und rieb Storms Ohren.

„Nicht unerzogen“, murmelte sie zur Bestätigung und ihre Blicke trafen sich. Links Mundwinkel zuckten. Das unausgesprochene „Habe ich es nicht gesagt“ so laut, das Zelda in gespielter Entrüstung die Augen verdrehte.

„Jaja, größter aller Pferdeflüsterer. Ich verneige mich vor deinen Fähigkeiten.“

Link hob den Sattel von Storms Rücken. Schwieg. Schien zufrieden. Oder einfach nur nicht gewillt, auf ihre Spöttelei einzugehen.

 

„Ich danke dir“, sagte Zelda nüchterner, als sie den Weg den Hügel hinauf liefen, der zu Robelos Institut führte.

„Wirklich.“

Sie sah ihn von der Seite an. Hoffte, dass Link die Ernsthaftigkeit in ihrem Blick lesen konnte.

Er zuckte mit den Schultern, doch der Hauch eines Lächelns geisterte über sein Gesicht und Zelda entspannte sich. Für ihn war es kein großer Dienst. Aber er wusste, dass sie es anders sah.

Und darauf kam es an. Zelda wollte, dass er sich ihrer Dankbarkeit bewusst war. Nie wieder wollte sie seine Anwesenheit als selbstverständlich hinnehmen. Oder schlimmer noch, als Unannehmlichkeit. Und sie glaubte auch nicht, dass das je wieder geschehen würde. So viel Link auch dafür plädieren mochte, dass es „kein großes Ding“ war.

 

 

Zelda wusste nicht, was sie erwartet hatte. Ein altes Bauernhaus vielleicht. Einen Hof. Ein verlassenes Dorf oder eine renovierte Ruine.

Aber das hier war eine Überraschung.

Robelo hatte kein altes Gebäude in ein Labor umgewandelt.

Er hatte eines gebaut.

Aus Wächterteilen, so wie es schien. Oh, man sah einen Stein, hier und da. Putz und Mörtel. Lehm und Stroh.

Aber die Wächter waren überall.

Irgendwie hatte Zelda nie daran gedacht, dass er sie auseinander bauen musste, um sie funktionstüchtig zu machen. Es war atemberaubend.

Als auf ihr Klopfen niemand antwortete, schob Link sich vor sie. Ein urplötzliches Huschen aus dem Nichts. Zu schnell für Zelda und ihre verlangsamten Reaktionen. Zu schnell, als dass sie reagieren konnte, als er die Tür öffnete und ein erschrockenes Geräusch machte. Irgendwo zwischen Japsen und Stöhnen. Ein metallisches Klirren. Dann ein dumpfer Knall. Ein Aufprallen.

Ein Scheppern.

Link hatte sich gedreht und die Arme gehoben, noch bevor Zelda überhaupt verstand, was vor sich ging. Sie sah sein Profil. Dann sein Gesicht. Sah, wie sich seine Lippen um einige deftige Flüche formten, dann stolperte sie rückwärts, von dem Stoß, den er ihr verpasst hatte.

Nicht so stark, dass sie stürzte.

Aber stark genug, dass Zelda ihm einen empörten Blick zuwarf, als sie sich wieder aufrichtete. Geschickt von seinem Stoß und geschockt von den Profanitäten aus seinem Mund.

Sie holte Luft, um etwas zu sagen, etwas sehr Lautes, da bemerkte sie die Werkzeuge, die nach Link geworfen wurden.

Der Atemzug blieb ihr im Hals stecken.

 

Mit ihr aus dem Weg, beugte Link sich geschickt unter der Attacke hinweg und stürmte auf die Ursache zu.

Robelo, den Zelda jetzt ihm hinteren Bereich des Gebäudes hantieren sehen konnte.

Fluchend und Werkzeug um sich werfend.

Da verstand Zelda.

Verstand es in dem Moment, als Link den Shiekah am Kittel packte und von dem leblosen Wächter hinunter zerrte.

Metallene Flugobjekte. Schnelle Reaktionen. Sie aus dem Gefahrenbereich bringen.

Das alles ergab nun Sinn. Ihr Verstand erreichte die Höhe der Geschehnisse, hinkte nicht länger irritiert hinterher.

Zelda seufzte. War sie schon immer so langsam gewesen, oder wirkte das nur so, verglichen mit Links unmöglicher Geschwindigkeit?

 

„Lass mich los, du tumber Grobian!“, herrschte Robelo. Er bot einen wirren Anblick. Mit seinem Haar, das ihm in alle Richtungen stand. Mit verschwitzter Stirn und schiefer Brille. Und böse funkelnden Augen, die mit ihrer Intensität seinen fehlenden körperlichen Widerstand ersetzten.

Link ließ ihn los, aber nicht ohne ihm einen Stoß zu versetzen. Wohl als Rache für den ersten Treffer.

„Robelo“, entfuhr es Zelda. Es war eine Begrüßung. Es war eine Warnung. Er war ein: Was in Hylias Namen machst du hier?!

Da schien der Forscher sie das erste Mal zu entdecken. Er richtete sich auf und sein Blick verlor ein wenig von seinem Wahn.

„Prinzessin“, sagte er und klang überrascht, vielleicht ein wenig entsetzt.

„Was tut Ihr hier?“

Zelda sah ihn irritiert an.

„Dein Brief“, antwortete sie, nicht ohne kurz mit dem Kopf zu schütteln.

„Brief?“, er zog an seiner Brille, erreichte allerdings nur, dass sie nun auf der anderen Seite schief saß.

Sie zog die Augenbrauen hoch und suchte Links Blick.

Ihr Leibwächter schien skeptisch und Zelda hatte den unbestimmten Verdacht, dass er den Shiekahforscher gerne noch einmal geschüttelt hätte.

Schnell sah sie wieder zu Robelo.

„Ja. Dein Brief.“ Als er nicht antwortete, spezifizierte sie: „Der Brief, in dem du mir von deinen Fortschritten mit den Wächtern geschrieben hast. Der Brief, der mich schlussfolgern ließ, dass du bereit bist, deine Forschungen in das königliche Institut zu verlagern. In der Nähe des Schlosses“

Immernoch stand Verwirrung auf sein Gesicht geschrieben. Zelda atmete ungläubig aus.

„Du hast geschrieben, dass du glaubst, genug Wächter aktiviert zu haben, um sie zum Schloss zu bringen. Dass die Übungen in der Festung gut genug laufen, um die anderen Ritter ebenfalls trainieren zu lassen.“ Sie hob hilflos die Hände.

„Im Brief stand, dass ich mich selbst davon überzeugen soll.“

Es war der Grund für ihren Umweg über Akkala gewesen. Deswegen hatten Link und sie nicht viel weiter südlich den direkten Weg nach Goronia eingeschlagen.

„Oh“, sagte Robelo und endlich schien sich das Fragezeichen auf seinem Gesicht aufzulösen.

„Die Wächter. Natürlich.“ Robelo winkte ab, als hätte er das die ganze Zeit schon gewusst und drehte sich zu der antiken Kriegsmaschine um.

Zelda starrte ihn an.

Link starrte ihn an.

Dann tauschten sie einen Blick gleichseitiger Verwunderung. Bis Link sich mit vorgerollten Schultern abwandte. Zelda glaubte ihn lachen zu hören, aber sie hatte so wenig Erfahrung mit diesem Geräusch, dass sie es sich auch eingebildet haben könnte.

Kurz schien sich ihr Bewusstsein nicht entscheiden zu können, was es zuerst verfolgen sollte. Dann entschied es sich für die Pflicht.

Sie wandte den Blick von Link und seinen stumm bebenden Schultern ab, schloss den immer noch fassungslos offen stehenden Mund und ging Robelo hinterher, der nun wieder wie wild an dem Wächter herumschraubte.

„Robelo“, herrschte sie, verwirrt und ein wenig verärgert, nun da der erste Schock über diese ungewöhnlich chaotische Situation sich gelegt hatte.

„Was ist los mit dir?“

Robelo sah von seiner erhöhten Position auf sie hinab. So nah konnte Zelda sehen, dass er auf dem Absatz stand, der das drehbare Modul des Wächters von seinem horizontal beweglichen restlichen Körper trennte. Der obere Teil aus antikem Stein war abgenommen, doch vom Innenleben konnte Zelda nicht viel erkennen, so klein und weit entfernt am Boden, wie sie nun mal war.

„Ich habe zu tun“, antwortete Robelo, mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ob es eine Erklärung oder Rechtfertigung war, konnte Zelda nicht sagen. Jedenfalls war es ganz eindeutig ein Vorwurf.

Er beugte sich tiefer über das geheime Innere der antiken Maschine und seine Arme verschwanden bis zu den Schultern.

„Das sehe ich“, sagte Zelda, nun deutlich gereizt. Was sollte das?

„Wo ist Nanna? Du solltest hier nicht alleine sein.“

Robelo machte ein abwehrendes Geräusch. Durch den Resonanzkörper des Wächters vor seinem Gesicht klang es ein wenig hallend.

„Hab sie raus geworfen.“

Bevor Zelda darauf antworten konnte, machte Link ein keuchendes Geräusch hinter ihr. Sie drehte sich um. Fassungslos.

Ihr Leibwächter winkte ihr mit deutlich amüsiertem Gesicht zu und verschwand dann durch die Tür.

Ließ sie allein. Mit einem Verrückten. Anscheinend hatte der intensive Kontakt mit leblosen Maschinen nicht unbedingt das Beste in Robelo hervorgebracht.

Mit offenem Mund drehte sie sich wieder um. Entdeckte dabei die Silhouette einer Frau am tragenden Balken in der Mitte des Raumes.

Ein metallenes Wesen in etwa Zeldas Größe, das beim Zuschlagen der Tür angefangen hatte den Kopf hin und her zu drehen.

Wahrscheinlich hatte sie es vorher nicht gesehen, weil es bewegungslos da gestanden hatte.

„Du hast sie rausgeworfen?“, fragte Zelda ein wenig lauter als sie geplant hatte.

Und ein wenig atemloser.

„Sie hat mich gestört“, war Robelos Antwort. Dann warf er das Werkzeug in seiner Hand über die Schulter und murmelte etwas über nervige Frauenzimmer.

„Und dann hast du dir eine kleine Freundin gebaut?“ Zelda gab sich die größte Mühe geduldig zu sein. Anscheinend hatte Robelos Zurechnungsfähigkeit ein wenig gelitten.

Wobei doch Purah sonst diejenige war, die über das Ziel hinaus schoss. Robleo war der Zurechnungsfähige. Eigentlich.

Dabei war es doch gar nicht so lange her, dass sie ihn gesehen hatte.

Im Schloss.

Völlig normal.

Oder?

Robelo antwortete nicht und Zelda beschloss, dass es genug war.

Die channelte ihre innere Prinzessin. Den Teil in ihr, der später einmal das Land regieren würde, wenn Hylia es so wollte und sie diese ganze verfluchte Tragödie überleben würde. Wenn es dann noch ein Land geben würde.

„Robelo. Du kommst jetzt sofort darunter und erzählst mir, was vorgefallen ist. Das ist ein Befehl!“

Genau genommen war es keine gute Idee ihm etwas zu befehlen. Die Shiekah waren ein autonomes Völkchen und das Pochen auf die Herrschergewalt, war doch das Problem, das sie überhaupt erst hierher geführt hatte.

Antike Technologien und eine Bande Abtrünniger, die aus Rache die Dunkelheit über das Land bringen wollten, und all das.

Aber Robelo war zu weit weg, als das er daran denken konnte.

Darauf hatte Zelda zumindest spekuliert. Und der Blick, den er ihr daraufhin zu warf – in wenig unstet, aber nach und nach ganz so, als würde ihm auffallen, das etwas nicht stimmte – bestätigte diesen Verdacht.

Langsam kletterte er von dem Wächter herunter. Seine Schultern rollten nach vorne und auf einmal sah er so erbärmlich aus, dass Zelda ihn aus einem Impuls heraus am Arm tätschelte.

Berührungen waren nicht wirklich ihr Metier. Das Spenden von Trost sowieso nicht.

 

*

 

Es stellte sich heraus, dass alles Purahs Schuld war.

Natürlich!

 

Nun, nicht direkt. Aber sie hatte mit einer hoffentlich spaßig gemeinten Herausforderung all das ins Rollen gebracht. Mit einem unoffiziellen Wettbewerb, den sie eröffnet hatte. Wer kam schneller mit seinen Forschungen voran, Hateno, oder Akkala.

Es folgten lange Nächte. Kein Schlaf. Ungeduld. Hitzige Diskussionen zwischen Forscher und Assistentin.

Bis Nanna schließlich wutentbrannt von dannen gezogen war, um sie Purah anzuschließen.

Einen übermüdeten Robleo zurücklassend, der Zusehens den Sinn für die Realität verlor, je schneller er damit voran kam, die verschiedenen Wächtertypen funktionsfähig zu machen.

Den Rittern der Festung war sein voranschreitender Wahn wohl nicht aufgefallen und die Betreiber des Mietstalls weiter unten, die ihn mit Lebensmitteln versorgten, hatten sein Verhalten wahrscheinlich für unschuldige Exzentrik gehalten.

Während der sprach, verschwand Robelos wirrer Blick langsam und zum Vorschein kam etwas wie Scham und eine unendliche Müdigkeit.

„Du wirst das tun, was du in deinem Brief geschrieben hast, Robelo“, legte Zelda fest, nachdem er ihr den Sinn von Cherry erklärt hatte. Einem Prototypen zur Herstellung von antiken Gegenständen, mit dem er Purah hatte ausstechen wollen, der aber bisher nichts weiter konnte, als den Kopf zu drehen.

Wahrscheinlich war das der Grund für sein Verzweifeln gewesen. Das und Purahs spöttische Briefe, in denen sie von ihren Fortschritten schrieb.

„Du wirst zum Schloss zurückkehren und dort im königlichen Institut weiterarbeiten. Unter Leuten.“

 

Robelo sah sie aus Blut unterlaufenden Augen an. Er bot einen jämmerlichen Anblick und Zeldas Herz zog sich vor Mitleid zusammen.

Erneut tätschelte sie seinen Arm.

„Ich werde in der Festung Bescheid geben, dass sie dir bei der Verlagerung helfen sollen.“

Robelo nickte langsam, mit hängendem Kopf.

Zelda bemühte sich um einen fröhlichen Ton. „Es wird ohnehin Zeit, dass die Wächter zum Schloss kommen. Der König wird begeistert sein.“

Vielleicht war er zu müde für ihre Aufheiterungsversuche. Oder zu niedergeschlagen.

Zelda überlegte.

„Vielleicht ist es besser, wenn du morgen gleich mitkommst“, sagte sie nach einer Weile.

Nun da sie darüber nachdachte, war es wohl keine gute Idee, ihn hier draußen noch länger alleine zu lassen. Womöglich verfiel er zurück in seinen Wahn, Purah in diesem lächerlichen Wettbewerb zu schlagen.

Mit einem kurzen, hitzigen Gedanken an Purah und ihre verdammten Scherze, stand Zelda auf.

„Ich gebe Link Bescheid.“

 

*

 

Sie verbrachten die Nacht im Institut. Nach einigen Diskussionen schlief Robelo in seinem eigenen Bett – Zelda war nicht gewillt auf ungewaschenen Laken zu liegen – in das er hineinfiel, wie ein Stein und sich bis zum nächsten Morgen nicht mehr rührte.

Ein sehr laut schnarchender Stein.

Zelda wickelte sich in die Decke aus ihrer Satteltasche und versuchte ebenfalls zu schlafen. Doch ihre Augen wanderten immer wieder zur Tür. Die Tür, hinter der Link Wache hielt. Draußen, in der Dunkelheit.

Natürlich musste er da draußen sein. Aber sie wünschte, es wäre anders. Wünschte, er würde nicht diese Bürde tragen. Wünschte, er könnte hier sein. Bei ihr.

Ein törichter Gedanke. Es war Links Aufgabe sie zu beschützen. Anders als noch vor wenigen Wochen, versetzte ihr diese Tatsache keinen Stich mehr.

Zelda konnte ihn nicht entehren, in dem sie von ihm verlangte, diese Aufgabe zu vernachlässigen. Und überhaupt, um was zu tun? Ihr Gesellschaft zu leisten?

Er war viel zu loyal, um irgendeine Bitte abzuschlagen, die von der Krone kam. Von ihr kam. Es sei denn, es brachte sie ihn Gefahr. So beruhigend dieser Gedanke auch war, so stürzte er sie doch in folgendes Dilemma: Sie würde nie wissen, ob Link etwas tat, das er wirklich wollte.

Ja, er hatte eine Art Frieden mit seinem Schicksal geschlossen. Ein Frieden, um den Zelda ihn nur beneiden konnte. Vielleicht konnte er den Unterschied zwischen dem, was er wollte und dem, was er tat, sowieso gar nicht mehr ausmachen.

Aber es stand Zelda nicht zu, mehr von ihm zu verlangen. Sie würde ihn damit nur in Verlegenheit bringen. Und sich selbst einer ganz anderen, neuen Art von Gefahr aussetzen.

 

Sie musste doch eingeschlafen sein, denn noch bevor sie die Augen öffnete, spürte sie den Schmerz in ihrem Nacken.

Zelda saß an die Wand gelehnt, den Kopf auf eine beinahe unnatürliche Weise gedreht und für einen Moment dachte sie, sie würde ihn nicht bewegen können.

Trübes Dämmerlicht fiel durch die Fenster des runden Raumes und draußen begann das erwachende Orchester des nahenden Morgens seine Instrumente zu stimmen.

Es waren wohl die Vögel, die sie geweckt hatten. Oder die Gewohnheit.

Schnell schickte sie ein Morgengebet an die Göttin, dann wickelte sie sich tiefer in die Decken.

Decken.

Zelda sah an sich hinab.

Kein Wunder, dass ihr stakkatoartiger Kurzzeitschlaf sich zu einer solch langen, erholsamen Episode ausgeweitet hatte.

Um ihre Schultern war ein bekanntes Webstück gewickelt, während ihre eigene Decke sie vor der Bodenkälte schützte.

In ihrem verschlafenen Hirn fügten sich die Einzelteile zusammen und die Erkenntnis gab Zelda einen Kickstart.

Link!

Er war hier gewesen, während sie geschlafen hatte. Tief genug, um ihn nicht zu bemerken, oder er war zu leise, als dass sie ihn hätte hören können.

Wohlige Wärme stieg in Zelda auf. Gefolgt von dem Prickeln reiner Hitze.

Link hatte ihr im Schlaf seine Decke umgelegt.

Die Implikation ließ das Blut in ihre Wangen schießen.

Eine Weile verbrachte Zelda damit, sich zu beruhigen. Natürlich sprang sie zu den falschen Schlussfolgerungen. Sie war sich dessen nur zu bewusst.

Er tat seine Pflicht. Nichts weiter. Und sie dankte es ihm.

Dennoch konnte sie nicht umhin, sich die Szene vorzustellen.

Link, in Schatten gehüllt.

Link, der sich vor ihr niederkniet.

Link, der ihr die Decke umlegt.

Die Berührung.

Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ein törichtes Lächeln, ein gefährliches Lächeln.

Dann erhob sie sich abrupt. Sie war nicht in der Lage, gut damit umzugehen. Mit diesen kleinen Hüpfern in ihrem Inneren. Mit diesen Fantasiebildern.

Sie würde sich blamieren. Oder Schlimmeres.

Und es musste aufhören.

 

Ihr Blick fand ihn, sobald sie aus der Tür trat. In ihre eigene Decke gewickelt, seine gefaltet in der Hand.

Die leichte Drehung seines Kopfes sagte ihr, dass er sie bemerkt hatte. Natürlich.

Doch er wandte sich ihr nicht zu. Zelda weigerte sich, die unsicheren Fragen in ihrem Kopf zuzulassen. Nein. Das hatte nichts mit ihr zu tun. Mit dem, was in der Nacht vielleicht und vielleicht nicht geschehen war. Er sah sie nicht an, weil er den Horizont im Auge behielt.

Um sich nicht im Kaleidoskop ihrer mädchenhaften Aufregung zu verlieren, ging sie geradewegs auf ihn zu, das Zeichen seiner Fürsorge in der Hand und den Arm ausgestreckt.

„Danke“, sagte sie, mit gestählter Stimme, gegen das Zimmern, das sie im Inneren verspürte.

Das weiche Material berührte ihn an der Schulter, weil er nicht schnell genug danach griff.

Er sah hinab, zu er Decke und nahm sie dann entgegen, mit einem knappen Nicken.

„Fühlt sich an wie ein Déjà-vu.“

Link antwortete nicht sofort. Er faltete die Decke weiter zusammen, bis sie zu einer kleinen Rolle geschmolzen war, die ungefähr so breit war wie Zeldas Unterarm.

„Meine Mutter hat sie für mich gemacht“, beantwortete er die stumme Frage. Mit dieser rauen Stimme, die Zelda kannte. Rau davon, weil er sie so lange nicht benutzt hatte.

„Oh“, machte sie. Ein kleiner Schauer durchfuhr sie. Erstaunen, dass er, ihr stoischer Leibwächter, eine Frage beantwortete, die zu stellen, sie nicht gewagt hatte.

Ohne ein weiteres Wort sah er weiter nach vorne. Drehte leicht Kopf und Körper, um die Umgebung im Auge zu behalten.

Es stand ihr nicht zu, ihn nach seiner Familie zu fragen. Wenn sie ihn darum bat, würde er dann darüber sprechen, auch wenn er es nicht wollte? Einen Befehl ausschlagen, der kein richtiger war, um der Loyalität willen?

Der Gedanke stimmte Zelda missmutig. Nie hatte sie vorher daran gedacht, ob er etwas vom dem, das er tat, überhaupt tun wollte.

Oder eben nicht. Und nun tat sie es bereits das zweite Mal.

 

Gleichzeitig hatte er seine Mutter selbst erwähnt. Und damit Zeldas Vermutung über die Herkunft dieses offensichtlich erinnerungswürdigen Webstückes bestätigt.

Und, bei Hylia, sie musste es einfach wissen.

 

„Deine Mutter“, begann Zelda zögerlich, biss sich auf die Lippe und warf Link einen fragenden Blick zu. Suchte nach Abwehr, oder Bestätigung, doch er wandte ihr nicht einmal den Blick zu.

„Sie...“, setzte Zelda erneut an und verzog leicht das Gesicht, weil die Worte ihr zu entfliehen schienen.

„Sie lebt in Hateno?“

Zelda schluckte und suchte erneut seinen Blick. Links Augen nahm sie kurz in den Fokus, dann betrachtete er wieder die dämmrige Umgebung.

„Lebte“, antwortete er nach einer Weile.

Erkenntnis durchschlug Zelda mit der Kraft eines niederfallenden Steins.

Oh nein.

Befangen sah sie zu Boden. Suchte krampfhaft nach Worten, die Trost spenden konnten.

Verwarf alles was ihr einfiel, unsicher, ob Link ihren Trost überhaupt haben wollte.

Einfach zu ignorieren, was er preisgegeben hatte, kam jedoch noch weniger in Frage.

Wütend, dass sie ihre Neugierde nicht hatte unterdrücken können, dass sie ihre große, fragende Klappe nicht hatte halten können, ballte sie die Hände zu Fäusten.

„Es-es tut mir leid“, stotterte Zelda schließlich, sich der fürchterlichen Profanität ihrer Worte mit erdrückender Klarheit bewusst. Hätte sie doch nur nicht gefragt.

„Warum?“, fragte er leise. Seine Frage irritierte sie so sehr, dass sie vergaß, sich unwohl zu fühlen und aufsah. Sein Blick war warm, dieses Halb-Lächeln auf den Lippen. Machte er sich über sie lustig? Ärger stieg in Zelda auf. Plötzlich und total fehl am Platz, in Anbetracht der Tragödie.

Oder?

Link schien nicht traurig.

 

Ihre Verwirrung musste sich auf ihrem Gesicht widerspiegeln, denn der milde amüsierte Ausdruck verschwand von seinem.

„Ich hatte lange Zeit, mich auf ihren Tod vorzubereiten“, erklärte er langsam. Sanft. Beruhigend. Als wüsste er, dass das Thema sie aufwühlte. Erinnerungen wach rief.

Mehr als es das wohl bei ihm tat.

Eine weitere Gemeinsamkeit. Etwas, das er ebenfalls besser handhaben konnte, als Zelda.

 

Sie wandte den Blick ab. Zerrissen zwischen dem dringenden Bedürfnis mehr zu erfahren. Ihm die Information zu entreißen, wenn nötig und der drückenden Angst vor den Emotionen, die ausgelöst werden könnten, wenn sie weiter sprächen.

 

„Wann?“, fragte Zelda. Ihre Stimme klang gepresst in ihren Ohren. Rau von unterdrückten Gefühlen, die drohend unter der Oberfläche brodelten und ihr die Kehle zuschnürten.

Es dauerte eine Weile, bis Link antwortete. Ohne ihn anzusehen, wusste Zelda, dass er abwog, ob er es überhaupt tun sollte. Dass das Wählen der richtigen Worte ihn so lange davon abhielt, zu sprechen.

Selbst hier, während er über den Tod seiner eigenen Mutter sprach, versuchte er sie zu beschützen.

Zelda entließ ein zittriges Seufzen, nur ein Müh entfernt von einem gebrochenen Schluchzen, als er sich gegen die offensichtliche Entscheidung stellte und antwortete.

„Während ich auf Reisen war“, sagte er leise. Klang nun meilenweit entfernt, obwohl er sich nicht gerührt hatte. Ein Seitenblick zeigte Zelda seinen abgewandten Blick. In die Ferne gerichtet. Zu Orten, von denen sie nichts wusste. Zu vergangenen Zeiten.

„Kurz bevor ich zum Schloss zurückkehrte.“ Sein Blick strich kurz über sie hinweg, bevor sein Geist wieder seinen Erinnerungen entgegen strebte. „Und ich dich traf.“

Ein Schauer durchfuhr Zelda.

Das Bild verschwamm vor ihren Augen und war gleichzeitig gestochen klar.

Link, der vor ihr kniete, das Schwert auf dem Rücken. Das Toben hinter ihrer Brust. Die Angst. Die Hoffnung. Die Wut.

 

Zelda starrte ihn an. Hing an seinen Lippen. Bemerkte nicht einmal, wie verzweifelt sie seine nächsten Worte herbeisehnte.

 

Link seufzte und sah zu Boden.

„Sie wurde krank, als ich noch sehr jung war. Deswegen lebte sie nicht mit uns in der Stadt. Sondern bei ihrem Bruder. Meinem Onkel.“ Wieder schickte er ihr einen kurzen Blick.

„Er kennt sich aus mit Kräutern und Heiltränken. Er konnte ihr helfen.“ Wieder sah er zu Boden. „Ein wenig.“

 

So viel steckte in diesen wenigen Sätzen. Wärme breitete sich in Zeldas Brust aus. Wie sehr hatte sie sich das gewünscht. Mehr zu erfahren. Zu wissen, wer er war, dieser perfekte, junge Held, der scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war und ihr Leben so rigoros verändert hatte.

Es so sehr verbessert hatte, jetzt, da sie es zu ließ.

 

Es fühlte sich richtig an. Eine körperlich spürbare Erleichterung.

Sie musste wissen, wer er war. In allen Ecken und Winkeln.

 

Eine kranke Mutter. Wie furchtbar musste das gewesen sein. Ihre eigene Mutter war nicht lange krank gewesen. Ihr schneller, plötzlicher Tod hatte seine ganz eigene Tragödie ausgelöst. Eine, die so anders war, als es der langsame, schleichende Abschied für einen so kraftvollen, aktiven Jungen sein musste. Der zusehen musste, ohne etwas tun zu können.

Der sich entscheiden musste, seiner sterbenden Mutter beizustehen, oder seinem Vater zu folgen und seinen eigenen Träumen.

Für jemanden wie Link musste diese Entscheidung unendlich hart gewesen sein. Loyalität floss durch seine Adern. Wie das Blut, das ihn am Leben erhielt. Ebenso wie der Drang zu schützen und – wie sie nun wusste – sich zu beweisen.

Es musste ihm wie Verrat vorgekommen sein, seine Mutter zu verlassen. Und gleichzeitig unmöglich, sich dagegen zu entscheiden.

 

Ein Onkel. Hatte er weitere Familie? Einen Vetter? Ein Schreck durchfuhr Zelda. Geschwister?!

Die Klatschbasen des Schlosses hatten so etwas nie erwähnt. Aber, woher sollten sie es auch wissen? Link selbst war jemand, der nicht viel von sich sprach. Zelda wusste nicht einmal, welcher der Ritter sein Vater war.

Etwas, das sich unbedingt ändern musste.

Ein weiterer Schreck schockte durch ihre Knochen.

War sein Vater überhaupt am Leben?

Sie hatte nie etwas Gegenteiliges gehört. Aber vielleicht hatte sie einfach die falschen Schlussfolgerungen daraus gezogen.

Wie konnte sie so vieles wissen wollen und immer noch so wenig wissen?

Die Diskrepanz ließ Zelda erstarren.

Wahrscheinlich war alles ein wenig viel gewesen, in den letzten Wochen.

Die Erkenntnis, dass Links Auftauchen eher Segen war als Fluch, war selbst noch recht frisch. Sie sollte es sich wohl nicht so schwer nehmen. Dennoch war sie von ihrer eigenen Ignoranz schockiert.

Zelda versagt erneut.

 

Sie schloss die Augen und sah zur Seite. Presste die Lider aufeinander und ließ die kleinen Lichtfunken über die Dunkelheit waschen, in die ihre Welt sofort getaucht wurde. Der Morgen kam ihr viel heller vor, als sie die Augen wieder öffnete.

 

Sie schluckte. Bemüht etwas zu sagen. Etwas, das nicht zu sehr von der Aufruhr in ihrem Inneren berichtete, auch wenn sie sich Link gern offenbart hätte. Doch Zelda fürchtete sich davor, ihn womöglich zu schockieren. Oder davor, dass er ihren Wünschen sofort nachgeben und ihr all das erzählen würde, das so hören wollte.

Ihre Sorge war seltsam, doch sie wollte, dass er mit ihr sprach, weil es seinem Wunsch entsprach. Weil er sich ihr gegenüber öffnen wollte. Nicht, weil sie ihn darum bat. Es bestand immerhin die Möglichkeit, das er es als Befehl auffassen würde. War nicht alles, das aus ihrem Mund kam, ein Befehl für ihn? Der Gedanke stimmte Zelda traurig.

Wie sehr sie sich nach seiner Freundschaft sehnte. Nach einer seiner wahren Freundschaft, nicht nur dem puren Pflichtgefühl, erfüllte sie mit Unwohlsein. Weil sie sich sorgte, dass sie sich etwas erhoffte, das nicht sein durfte. Nicht wirklich. Nicht so, wie sie es sich wünschte.

 

„Kein Wunder“, begann sie ein wenig krächzend, „dass du so ein Meister mit deinen Tränken bist.“

Wenn Link bemerkte, dass sie sich merkwürdig benahm, so ließ er es sich nicht anmerken. Sie glaubte ein Glucksen zu hören, bestätigen konnte sie es allerdings nicht.

Jedoch bebten seine Schultern in einem dieser stummen Lachen.

Zeldas Augenbrauen zuckten.

„Ich bin kein Meister der Tränke“, widersprach Link. Mit einem Lachen in der Stimme. Atemlos.

Also doch ein Glucksen. Gierig speicherte Zelda das Geräusch ab. Beschriftete die Erinnerung und reihte sie in die Reihe der anderen. Ihre innere Bibliothek von allem, das Link war.

Er seufzte. Begann eine erneute Observierung der Umgebung. Die Sonne begann langsam aufzusteigen. Links neben ihnen, weit am Horizont. Das Leuchten erfüllte die feuchtigkeitsdurchflutete Luft des nahen Meeres und die Welt schien golden und still. Als würde die Natur innehalten, um das Schauspiel zu beobachten.

Zelda hatte keinen Blick dafür. Ihre Augen ruhten auf Link. Auf dem taufrischen Glühen seines Haars. Dem blauen Leuchten in seinem Gesicht, dort, wo seine Augen im Schatten lagen.

„Genug, um dich durch die wechselnden Klimaten der Wüste zu kämpfen“, erwiderte Zelda und schüttelte ihren Arm. Ihre Hand kribbelte, weil sie nicht bemerkt hatte, dass ihre Faust die Zirkulation dort abschnürte.

„Und mich hast du damit vor einer Unterkühlung gerettet, an der Quelle des Mutes.“ Sie fixierte ihn mit einem durchdringenden Blick. „Ich war nicht ganz da, aber das weiß ich noch.“

Link betrachtete sie ausdruckslos. Nicht so ausdruckslos wie zum Anfang ihrer Bekanntschaft. Aber er lächelte nicht. Und er verzog keine Miene. Er wirkte … nachdenklich.

Zelda zog eine Augenbraue hoch.

„Sag es bloß nicht!“, ermahnte sie ihn und hob ihren rechten Zeigefinger. Bohrte ihn in die Luft zwischen ihnen. Die unsichtbare Grenze, die sie so gut wie nie übertraten.

Link atmete überrascht ein. Nur ein wenig, aber seine Lippen öffneten sich leicht und lenkten Zeldas Blick darauf.

„Mein Leben gehört Euch!“, beantworte sie seine stumme Frage. Leider klangen die Worte aus ihrem Mund eher vorwurfsvoll, als wie die versichernde Loyalitätsbekundung, die Link daraus machte. Er runzelte die Stirn. Ein bisschen brüskiert.

Zelda rollte mit den Augen.

„Nein, ich meine, ich habe darauf einfach keine Antwort“, erklärte sie. Versuchte, ihre Worte richtig zu stellen, abzuschwächen.

„Keine die passt. Und, Link, das ist einfach zu viel!“

Sie hatte sich im zugewandt. Malte mit den Händen Gesten der Verzweiflung in die Luft.

„Dein Leben gehört dir. Nicht mir. Ich …“ Hilflos hob sie die Arme.

„Ich kann das nicht annehmen. Niemals.“ Sie schüttelte den Kopf und ein Ächzen entfuhr ihr. Ein kleines entmutigtes Stöhnen.

„Ich-“, begann sie erneut, doch es war Link, der sie unterbrach.

„Zelda.“ Es war ihr Name, der sie stocken ließ. Ihr Name von seinen Lippen, einfach so.

Ihr Brustkorb hob und senkte sich in schnellem Rhythmus. Ihr Atem flog. Und ihr Blickfeld verkleinerte sich auf den Raum seines Gesichts. Nichts sonst. Nur Links Gesicht.

Seine ernste Miene. Das Funkeln in seinen Augen.

„Was?“, hauchte sie, als er nicht weitersprach.

Einer seiner Mundwinkel zuckte. Er legte leicht den Kopf schief.

„Das hast du nicht zu entscheiden.“

Perplex zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. Ruckartig. Was?

„Das-“, versuchte sie ihm zu widersprechen, doch er schüttelte den Kopf.

„Es ist nicht deine Entscheidung“, wiederholte er. Nachdrücklich, doch mit warmer Stimme. Amüsiert. Und dennoch. Sein Ton ließ keinen Zweifel.

Zelda atmete hörbar aus. Nun, was sollte sie darauf auch sagen. War es ihr Recht darüber zu entscheiden? Über Link zu entscheiden? Nein. Aber sie konnte ihn von der Pflicht entbinden, ihr Leben, bei allem, was er bereits für sie getan hatte und tun würde, über das Seine zu stellen. Sie konnte das einfach nicht zulassen. Schicksal oder nicht. Fluch oder nicht.

„Aber das-“

Wieder schüttelte er den Kopf. Diesmal lächelte er. Entwaffnend.

Zelda schluckte. Wärme explodierte in ihrer Brust, genau hinter den starren Knochen, die ihr Herz schützten, und breitete sich mit spinnenbeiniger Feinheit in ihrem Körper aus. Raste durch ihre Adern. Setzte sie unter Strom.

„Keine Chance.“ Er hatte die Frechheit zu lachen. Diesmal sah sie es. Wie sich die Haut um seine Augen in kleine Falten legte. Wie die blauen Tiefen sich verflüssigten. Und sich seine Zähne zeigten, als Lippen und Kiefer die amüsierten Laute ins Freie entließen.

Links Lachen war rauer als erwartet. Männlich.

Flüssig. Ansteckend.

Und verzaubernd.

Zelda starrte ihn an.

„Die Entscheidung ist längst gefallen“, meinte er leicht hin. Als wäre es kein großes Ding. Immer noch blitzten seine Augen auf diese amüsierte Art. Er brachte es fertig, gleichzeitig zu grinsen und das Gesicht zu verziehen. Zu einer Miene gespielter Entschuldigung.

Er hob die Schultern.

„Nichts zu machen. Mein Leben gehört dir. Solange ich es geben kann.“

Oh. Das war nicht gut. Nichts davon war gut.

Ihr beschleunigter Herzschlag war nicht gut.

Es war nicht gut, wie die Welt sich auflöste, ein Strudel aus Fragen und Farben und sich neu zusammensetzte. Hier, auf den Hügeln Akkalas, in Form eines schönen, jungen Mannes mit strahlend blauen Augen und tapferem Herzen. Und einer alten Seele. Eine Seele, die Zeldas eigene berührte. Mit ihr im Einklang pulsierte.

Es war nicht gut, wie sie sich fühlte.

Es war nicht gut, dass er so dachte.

Und vor allem war es nicht gut, dass es sich so wunderbar anfühlte.

 

Zelda schwieg. Sie hatte keine Worte zu dieser Bekenntnis. Und selbst wenn sie sie hätte greifen könnte, hätte sie nicht gewagt zu sprechen.

Sie hoffte, dass Link für die Botschaft in ihrem Blick nicht blind sein würde. Und gleichzeitig fürchtete sie sich davor, was er noch aus ihren Augen lesen konnte.

Und so verging der Moment.

Während sie nebeneinander standen. Mit seinen Worten zwischen sich.

So bedeutsam. So unglaublich. So unmöglich.

Ein Danke war einfach nicht mehr genug.

Aber Zelda hatte sonst nichts zu geben. Nichts, dass er haben wollte. Nichts, das er brauchte.

 

Oder war am Ende doch Wahrheit an Urbosas Worten. Brauchte Link sie gar etwa? Einfach nur sie? Zelda? So fehlerhaft und ungenügend, wie sie auch sein mochte?

Wozu? Einfach um da zu sein? Ihre reine Existenz, damit er sein Schicksal erfüllen konnte, auch wenn sie selbst scheitern sollte?

 

Ruckartig wandte Zelda sich ab. Nicht mehr bereit, den Pfaden des Morgens weiter in die Tiefe zu folgen. Nichts davon hatte sie geplant. Das Leben hatte sie voran getrieben. Sie Dinge aussprechen lassen, von denen sie nicht geahnt hatte, dass sie ihr auf der Zunge lagen.

Dinge, die zu gefährlichen Gedanken führten. Und zu noch gefährlicheren Gefühlen.

 

„Ich werde Robelo wecken“, sagte sie schließlich. Mit starrer Stimme. Tonlos. Mit einer Spur des inneren Zitterns, das sie vor Link zu verstecken versuchte.

Sie drehte sich um, lief zurück zur Forschungsstation. Dem nun hell bestrahlten Gebäude, so viel schöner im hellen, goldenen Licht des Morgens.

 

„Und ich hatte nicht vor, es zu sagen“, rief Link ihr hinterher.

Zelda sah über die Schulter. Er lächelte. Und zwinkerte.

 

Nun, die Welt war definitiv kurz davor unterzugehen.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe nicht nur wegen der Arbeit etwas länger gebraucht. Ich kam auch wegen des Kapitels selbst nicht so recht voran. Ich denke, dass das nahende Ende (auch wenn das sich wahrscheinlich noch ein Weilchen hinziehen wird) mich bremst. Warum auch immer. Aber bis zu Kapitel 4 hat es mich total gezogen, das hielt an bis zum 7. Kapitel. Danach fingen die Schwierigkeiten an. Es geht gar nicht so sehr darum, dass ich mit dem Geschriebenen nicht zufrieden wäre. Dass man manche Passagen lieber mag, ist wohl ganz nomal. Es ist eher eine Art Kontrollverlust. Ich habe meine Struktur und ich habe meine Erinnerungen, an denen ich mich glücklicheweise entlang hangeln kann. Aber Link und Zelda verselbstständigen sich zunehmend ich hinke so hinterher. Die Emotionen bündeln sich und ich habe das Gefühl so langsam keine Worte mehr zu haben. Mein Gefühl wandelt sich und ich habe nicht die Möglichkeit es sprachlich wirklich auszudrücken. Deswegen hinterlässt mich das Schreiben ein wenig frustriert und ich hangel mich von Szene zu Szene. Aber am Ende dieses Kapitels ging es schon ein wenig besser und ich schreibe fleißig am 10. (das ja eigentlich noch Teil des 9. wäre). Also, schreibt mir ruhig, wenn etwas sich zu gehetzt, sich nicht nachvollziehbar liest. Ich weiß an diesem Punkt nicht mehr, ob ich überkritisch bin, oder mit meinem Gefühl richtig liege. Das geht mir immer so, wenn ich viel Zeit mit einer Geschichte verbringe. Und bei 'Stille Wasser sind tief' hatte ich wenig Abstand. Schreibst mir also liebend gern, was ihr von der Entwicklung haltet. Was ihr von dem Kapitel haltet. Ich bin auf das Feedback angewiesen wie nie zuvor. Danke *knicks* Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Feuermalerin
2018-03-20T18:05:23+00:00 20.03.2018 19:05
Ein wunderbares Kapitel! Ich hatte Spaß und es war lustig und spannend und einfach toll
Von:  InukiLucy
2018-03-17T20:23:59+00:00 17.03.2018 21:23
Wieder ein tolles Kapitel. Der Satz "mein Leben gehört Euch" entwickelt neue Dimensionen... Mein absolutes Highlight: Natürlich Links Bekenntnis am Schluss!
Antwort von:  scippu
17.03.2018 22:10
Liebe InukiLucy,

dankeschön :) Und danke für deine Treue!
Ja, der Satz ist sein Mantra, der sich durch die ganze Geschichte ziehen wird :)

Links Bekenntnis am Schluss war dein Highlight? Du meinst, dass er gar nicht vorhatte mit 'Mein Leben gehört dir' zu antworten? :)
Ja, der kleine Schlawiner. Wer hätte gedacht, dass er so ein Frecher ist.

Sei lieb gegrüßt


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