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Trautes Heim, (Un-)Glück allein!

von

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Nachhilfe

Die erste Nacht in seiner neuen Wohnung schlief Joe schlecht. Alles war so fremd, die Gerüche, die Geräusche, ja selbst sein Bett welches vor kurzem noch im Haus seiner Eltern gestanden hatte schien anders zu sein. So war er froh, als es endlich Zeit zum Aufstehen war. Schnell zog er sich an, trank eine Tasse Kaffee, schnappte sich seine Tasche und machte sich auf den Weg. Zur Nachhilfe. Er seufzte. Eigentlich hätte er schon längst Medizin studieren können, wäre er nicht schon zweimal durch die Aufnahme Prüfung der Tokyo Uni gefallen. Geknickt  ging er die Treppe zur U-Bahn hinunter und kramte in seinem Portemonnaie nach seiner Fahrkarte. Die Tokyo Uni..er hielt die Karte kurz über das elektronische Feld und ging durch die Schranke. Wenn es nach ihm ginge hätte er auch an jeder anderen Uni studieren können, aber sein Vater sah das anders. Auch er hatte zu seiner Zeit an der besten Uni Japans studiert und verlangte von seinem jüngsten Sohn nicht weniger. Anfangs hatte Joe auch noch geglaubt ihm seinen Wunsch erfüllen zu können, aber nach den letzten Rückschlägen begann er langsam daran zu zweifeln. Und er zweifelte nicht nur an der Uni Wahl. Nein. Die U-Bahn kam, Joe stieg ein und ließ sich auf einen der freien Plätz fallen. War Arzt wirklich die richtige Berufswahl für ihn? Er war sich wirklich nicht mehr sicher. Andererseits würde sein Vater ihn wahrscheinlich verstoßen, sollte er es wagen einen anderen Weg einzuschlagen. Und schließlich bezahlten seine Eltern ihm auch seine neue Wohnung, damit er näher an der Nachhilfeschule war und mehr Zeit und Ruhe zum Lernen hatte. 

,,Nein!", rief Joe laut und sprang auf. ,,Ich schaffe das! Ich werde es schaffen, ganz bestimmt!"

Die anderen Fahrgäste warfen ihm überraschte Blicke zu. Er lief rot an, zum Glück hielt die U-Bahn in diesem Moment an seiner Haltestelle, und er stürmte so schnell er konnte nach draußen.

 

,,Joe-Sempai!" Arata lief auf ihn zu, kaum hatte er den Vorhof der Nachhilfeschule betreten. Joe lächelte. Arata war erst vor einem halben Jahr direkt von der Oberschule in die Nachhilfe gekommen. Er war ein schmächtiger nicht sehr großer Junge mit rabenschwarzem Haar das ihm ins Gesichts hing und sein rechtes Auge fast komplett verdeckte. Seine optimistische Art hatte Joe schon oft aus seinem Tief ziehen können.

,,Arata-san", begrüße Joe seinen Freund. ,,Warum bist du denn so aufgeregt?"

,,Mh?" Der Jüngere sah ihn überrascht an. ,,Hast dus schon vergessen? Heute erfahren wir die Ergebnisse des Probetests!"

Joe lief es eiskalt den Rücken hinunter. Der Probetest. Den hatte er vor lauter Umzugsstress komplett vergessen! Er schluckte. Er hatte soviel dafür gelernt..sicher hatte er eine gute Punktzahl erzielt. Ganz bestimmt. Es konnte doch nicht anders sein...

 

,,Oh man." Aufmunternd klopfte Arata seinem Freund auf die Schulter. ,,Kopf hoch Sempai, es war doch nur ein Probetest. Das heißt doch gar nichts..."

Joe schüttelte den Kopf. ,,Du weißt, dass das nicht stimmt. Wer hier versagt wird es nie an die Tokyo Uni schaffen..."

 ,,Mh..naja.." Arata dachte angestrengt nach was er noch sagen konnte um den Älteren aufzumuntern. ,,Aber ich meine sooo schlecht sind 36 Punkte auch nicht..."

Joe starrte ihn an. ,,Wieviele Punkte hast du?"

,,Ähh..." Sein Freund hob abwehrend die Hände und wich einen Schritt zurück. ,,Das..das spielt doch keine Rolle..."

,,Lass mich deinen Test sehen!" 

Arata griff panisch nach seiner Tasche. ,,Sorry, aber ich muss jetzt wirklich los.."

,,Arata! Zeig mir den Test!!" Mit einem bedrohlichen Gesichtsausdruck wankte der Brillenträger langsam und wie in Trance auf ihn zu. 

,,Ich..ich...bis dann Joe!" Und mit schnellen Schritten rannte der Schwarzhaarige aus dem Klassenzimmer. 

Joe sah ihm stumm nach.  Dann begann auch er seine Tasche zusammen zu packen. Alle anderen Schüler waren schon gegangen, außer ihm war nur noch ihr Lehrer da, der vorne am Pult seine Papier ordnete.  Als Joe an ihm vorbeiging hob Herr Yamamoto den Kopf. 

,,Herr Kido..."

,,Ja..?" Unsicher blieb er stehen.

,,Wielange sind sie jetzt schon in meiner Klasse?"

Joe dachte einen Moment lang nach, schwieg aber. Er wusste nur zu gut worauf sein Lehrer hinaus wollte.

,,Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe Sie gerne hier, aber..wenn es noch Ihr Ziel ist an die Tokyo Uni zu kommen müssen sie noch härter arbeiten."

,,Ja Herr Yamamato.."

,,Vielleicht kann Ihnen ja ihr Banknachbar etwas helfen."

,,Arata-san?", fragte Joe verwirrt.

Herr Yamamoto nickte. ,,Ja ein begabter Junge. Sein erster Probetest und schon 91 Punkte..."

Joe spürte wie etwas in ihm aufstieg. Wut? Enttäuschung? Neid? Was auch immer es war, er hielt es keinen Moment länger in diesem Raum aus. Er stürmte aus dem Klassenzimmer und brüllte:,,Verdammt Arata! Du Idiot!"
 

Müde und enttäuscht von sich selbst machte Joe sich schließlich auf den Heimweg. Als sein Handy piepste zog er es überrascht hervor. Es war eine SMS von seiner Mutter. 

,,Sind in einer halben Stunde da."

,,Ohhh nein!" Joe schlug sich gegen die Stirn. Er hatte ganz vergessen, dass seine Eltern sich für heute Nachmittag bei ihm eingeladen hatten. Gut, die Wohnung war einigermaßen sauber, das würde kein Problem sein. Allerdings sollte er noch etwas Gebäck kaufen, er hatte absolut nichts daheim. Schnell sah er sich um. Perfekt, nur ein paar Meter weiter vorne leuchtete das rettende Neonschild eines 7Eleven auf. 

Als Joe vor  den vollen Regalen des 24-Stunden Supermarktes stand begann er einfach wahllos irgendwelches Gebäck in seinen Einkaufskorb zu werfen. Dann ging er mit schnellen Schritten an die Kasse. Die Kassierin, eine junge Frau, kaum älter als er, begann mit einem Lächeln seine Artikel abzuscannen. ,,Das macht dann 890Yen."

Er kramte nach ein paar Münzen.

,,Vielen Dank, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."

Ihr Lächeln begleitete Joe nach draußen. Er blieb einen kurzen Moment stehen und überlegte ob es wohl echt war. War sie wirklich glücklich? Oder lächelte sie nur weil es ihr Job war? Er schüttelte den Kopf, verwirrt über seine eigenen Gedanken und machte sich schnell auf den Nachhauseweg. Während er die Treppe zu seiner Wohnung hochspurtete warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Zwanzig Minuten zu spät! Er beschleunigte seine Schritte, nahm zwei Treppen auf einmal und...fiel hin. 
 

,,Aua..."

,,Joe?" 

Langsam hob er den Kopf. Er blinzelte ein paar Mal. ,,Mutter?", brachte er dann keuchend hervor. 

,,Wer sonst? Erwartest du etwa noch jemanden?" Ihre Stimme war kalt, Joe konnte es ihr auch nicht verübeln, hatte sie gerade doch solange vor verschlossener Türe auf ihn warten müssen.

,,Ich..tut mir leid, ich bin etwas spät dran", murmelte er und stand langsam auf. Seine Knie schmerzten.

,,Ist alles in Ordnung? Das war ein übler Sturz.."

Die Stimme die jetzt zu ihm sprach war das genaue Gegenteil von seiner Mutter. Warm, weich und besorgt.  Überrascht sah er auf. Dort, neben Frau Kido stand niemand geringerer als seine Nachbarin, Eri. Ihr Lächeln ließ sein Herz schneller schlagen. 

,,Ich..nein...", stotterte er und wurde rot. ,,Alles in Ordnung..."

,,Nun gut, da mein Sohn endlich", seine Mutter betonte das Wort besonders. ,,Endlich da ist muss ich Ihre Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen."

,,Ach, es war mir ein Vergnügen!" Verblüfft beobachtete Joe wie Eri und seine Mutter sich freundschaftlich die Hände schüttelten. 

,,Ähh..was genau...?"

,,Na los, lass uns endlich reingehen!"

,,A...aber...!" Der Brillenträger schloss mit zitternden Händen die Wohnungstüre auf, sein Blick wanderte immer wieder  zu seiner hübschen Nachbarin. Diese winkte ihm lächelnd zu und verschwand dann in ihrer eigenen Wohnung.

,,Woher kennst du denn meine Nachbarin?", fragte Joe perplex, während er seinem Gast ein paar Hausschuhe hinstellte.

,,Fräulein Eri?" Frau Kido schlüpfte in die Slipper und sah sich in der Wohnung um. ,,Sie war so nett mich zu sich einzuladen während ich auf dich gewartet habe." Ihr Blick blieb an der schmutzigen Wäsche hängen, die Joe in der Früh in aller Eile einfach auf die Couch geworfen hatte.

,,Also..ähm..wie jetzt?" Schnell und mit rotem Kopf begann er die Kleidungsstücke zusammenzuräumen. 

,,Eine sehr freundliche junge Frau, dass muss ich sagen!" Sie setzte sich an den Küchentisch. ,,Bekomme ich heute eigentlich noch einen Tee?"

,,Natürlich Mutter." Joe, der seine Schmutzwäsche inzwischen ins Schlafzimmer geworfen hatte ging in die Küche und setzte Teewasser auf. Da fiel ihm etwas auf. ,,Wo ist denn eigentlich Vater?"

Die Miene seiner Mutter verdunkelte sich. ,,Dein Vater hatte einen Notfall im Krankenhaus. Er lässt dich grüßen..."

Joe seufzte. Ein Notfall. Wie oft hatte er das schon gehört? Tatsächlich war seine ganze Kindheit geprägt von solchen ,,Notfällen". Kindergartenfeste, Schulaufführungen, Abschlussfeiern. Sein Vater war nie da gewesen. Er erinnerte sich daran, wie er als fünfjähriger seine Mutter mit großen Augen gefragt hatte ob Papa ihn wohl nicht liebhatte, weil er nicht mit zur Einschulung gekommen war. 
 

,,Red nicht so einen Unsinn", hatte seine Mutter mit kalter Stimme geantwortet. ,,Den Vater hat einen Notfall im Krankenhaus. Das verstehst du doch oder?"

Er hatte den Kopf geschüttelt. Er war noch so klein, hatte keine Ahnung davon, was ein Notfall bedeuten sollte.

Seine Mutter hatte geseufzt und sich zu ihm runter gebeugt. Ihr Gesicht wurde weich, als sie ihm über den Kopf streichelte. ,,Dein Vater ist ein guter Arzt."

Der kleine Joe hatte stolz genickt, das wusste er. 

,,Und als guter Arzt ist es seine Aufgabe immer für die Menschen da zu sein die ihn brauchen."

,,Aber ich brauche Papa doch..."

,,Er rettet Leben Joe. In diesem Moment rettet er ein Menschenleben. Und das ist doch wichtiger als das hier oder?"

Er hatte einen Moment nachgedacht und dann langsam genickt. ,,Ja...Mama." 
 

Ja, er hatte verstanden. Aber trotzdem war er jedes Mal traurig wenn sein Vater wieder einen wichtigen Punkt in seinem Leben verpasste. Immer wieder hatte Joe gehofft und immer wieder wurden seine Hoffnungen enttäuscht. Immer wieder..

,,Joe? Das Wasser kocht..." Die Stimme seiner Mutter riss ihn aus seinen Gedanken. Er füllte das Wasser in die Teekanne und stellte sie auf den Tisch. ,,Oh Moment ich habe auch noch Gebäck..." Er griff nach seiner Einkaufstüte und zog die reichlich plattgedrückten Süßteile heraus. Anscheinend war er bei seinem Sturz auf seine Einkäufe gefallen. Er seufzte, verteilte die Gebäckstücke trotzdem auf einen Teller und stellte diesen auf den Tisch. Frau Kido hob eine Augenbraue sagte aber nichts. Schweigend tranken sie ihren Tee, dann...

,,Und wie läuft es mit der Nachhilfe?"

Joe merkte wie er rot wurde. Er konnte ihr unmöglich von seinem letzten Probetest erzählen! Also schluckte er und versuchte eine überzeugendes Lächeln zu Stande zu bringen. ,,Gut."

Sie nickte. ,,Dein Vater und ich gehen davon aus, dass du die nächste Aufnahmeprüfung schaffst."

Er senkte den Kopf und starrte in seine Tasse. 

,,Schließlich hast du jetzt viel mehr Zeit zum Lernen, nur deswegen bezahlen wir dir diese Wohnung, das ist dir doch klar oder?"

,,Ja Mutter..."

Sie nickte zufrieden, dann lächelte sie und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. ,,Hübsch hast du es hier."

Joe erwiderte ihr Lächeln, erleichtert über den Themenwechsel. ,,Danke. Meine Freunde haben mir auch sehr geholfen."

,,Ich hoffe  du hast dich bei ihnen für ihre Hilfe erkenntlich gezeigt?"

,,Noch nicht. Aber ich gebe am Samstag eine kleine Einweihungsparty für sie."

Seine Mutter sah ihn überrascht an. ,,Eine Einweihungsparty...na gut. Aber ich hoffe es wird nicht zu laut, schließlich.."

Er unterbrach sie schnell. ,,Keine Sorge. Es wird mehr ein Beisammensitzen als eine Party. Wir werden nicht sehr laut sein. Und meine Freunde wissen schließlich auch wie man sich zu benehmen hat..."

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Linchen-86
2018-02-10T11:02:47+00:00 10.02.2018 12:02
Hallo Liebes :)

Joe... Ich frage mich auch warum der bei all dem Lernen immer so schlecht abschneidet. Dann kann er seine Zeit auch anders nutzen, an den Noten kann sich ja kaum was verändern XD (okay, das war jetzt gemein), aber vielleicht ist es auch wirklich nicht das richtige für Joe.
Warten wir es ab.

Genau es ist mehr ein gemütliches Beisammen sitzen und seine Freunde wissen sich selbstverständlich zu benehmen. Ich habe nichts anderes erwartet XD

Doch, eigentlich schon XD

Freu mich und bis denne :):*
Antwort von:  RinRainbow
11.02.2018 09:14
Meine Liebe x)
Ich denke es liegt daran, dass er sich selbst einfach viel zu sehr unter Druck setzt =\
Haha, klar, seine Freunde haben die besten Manieren...oder so :p
:**
Von:  Tasha88
2018-02-04T15:59:27+00:00 04.02.2018 16:59
armer, armer Joe -.-
man Regenbögchen, es soll Joe doch gut gehen... er soll eine gute Zeit haben, weiterhin verpeilt sein und man soll mit und über ihn lachen können :/
er tut mir wirklich leid... alles... die Uni, seine Eltern, seine Zukunft...
so, mein Baby weint, ich muss den Laptop weglegen T.T

♥♥
Antwort von:  RinRainbow
11.02.2018 09:11
Sorry =\
Aber ich verspreche, die meiste Zeit wird es ihm gut gehen!! =)
Ohje! Ziemlich stressig bei dir, mh?



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