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Geburt der Sterne

von

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Langsam schritt die alte Frau mit leicht gebeugtem Rücken auf das kleine Bett zu, das in der Ecke des schlecht durch zwei kleine Wandfackeln beleuchteten Raums stand. Tief unter dicken, dunkelgrauen Wolldecken vergraben lag eine weitere uralt wirkende Frau, die laut und rasselnd hustete. Die Haut, die sich über ihre Stirn spannte wie seltsam durchsichtiges Wachs, war von feinen Schweißperlen überzogen und wirkte über den eingefallenen Wangen wie brüchiges Pergament.

Unter Aufbietung all ihrer Kräfte streckte die Kranke eine kleine Hand mit unfassbar langen Fingernägeln nach ihrer Besucherin aus, die sich einen niedrigen Holzhocker heran gezogen und sich seufzend niedergelassen hatte. „Ich kann nicht schlafen. Erzählst du mir eine Geschichte – so wie es Mutter früher getan hat?“ Die Sitzende strich sich eine Strähne langen, weißen Haares aus dem Gesicht und lächelte mild, wobei sie eine lückenhafte Reihe kurzer, bräunlicher Zähne entblößte. „Aber natürlich, Schwesterherz. Was hältst du von einem Märchen? Wie wäre es mit der Geschichte über die Geburt der Sterne?“ Die Kranke versuchte erfolglos ein Husten zu unterdrücken und nickte schwach, als ihre Schwester mit kratziger Stimme zu erzählen begann.
 

„Es war einmal vor vielen, vielen Jahren – als unser geliebtes Land noch jung war und die Göttinnen noch höchstpersönlich über die weiten Felder des von ihnen Geschaffenen wandelten – da begab es sich, dass dem hylianischen Königshaus ein außergewöhnlicher Spross mit einem großen Schicksal geboren wurde.

Der junge Mann war das einzige Kind des alten Königspaares und wurde von Liebe und Zuneigung nur so überschüttet. Sämtliche adelige Mädchen sowie die jungen Bürgerlichen und sogar die Burschen des Landes schwärmten für seine großen, treuen Rehaugen, seine schlanke, hochgewachsene Gestalt, seine Geschicklichkeit im Kampf, seinen herausragenden Mut in Schlachten, seine künstlerische Begabung, die sich im Malen wunderschöner Bilder ausdrückte, oder für sein bodenständiges Wesen. Denn obwohl er von allen geliebt und begehrt wurde, war der Prinz keine Spur arrogant oder selbstherrlich und er bewegte sich sogar unter dem einfachen Volk als wäre er einer von ihnen, was ihm nur noch mehr Herzen zufliegen ließ.

Doch obwohl jedes Mädchen Hyrules sich danach verzehrte, seine Gattin zu werden, schien er sich für keines von ihnen zu interessieren. Er war inzwischen einundzwanzig Jahre alt und seine betagten Eltern wünschten sich sehnlichst ein Enkelkind, bevor sie in den Kreis der Ahnen eingingen. Also schickten sie ihn auf eine Reise in sämtliche Fürstentümer ihres Reiches, damit er sich endlich für eine Braut entschied. Aus Liebe zu ihrem einzigen Sohn hatten sie ihm sogar freigestellt, ein Bauernmädchen statt einer Adeligen zu erwählen.
 

Seine Reise dauerte ganze zwei Jahre, doch nirgends fand er ein Mädchen, das er zu seiner Angetrauten nehmen wollte. Mit seinem großen Herzen liebte er jedes einzelne Lebewesen und konnte sich nicht dazu durchringen, eine junge Frau den anderen vorzuziehen.

Jedoch ereignete es sich eines Tages, als er bereits auf dem Rückweg zu seinen Eltern war, dass der unglückliche Prinz die Liebe seines Lebens entdeckte. Die junge Schönheit hatte fast bodenlanges, silbernschimmerndes Haar und große, blaue Augen, die genauso tief und unergründlich wirkten wie der Hylia-See. Ihr zierlicher, zerbrechlich wirkender Körper steckte in einem prächtigen Kleid aus dunkelblauer Seide, die sich verführerisch an ihre sanften Rundungen schmiegte.

Der Prinz war so verzückt, dass er das Mädchen ohne weiteres Nachdenken in sein Schloss einlud, doch es beachtete ihn gar nicht. Obwohl er direkt vor der jungen Frau stand und angestrengt versuchte, ihr eine Antwort zu entlocken, schien sie ihn nicht einmal zu sehen. Stattdessen wirkte es, als würde sie mit ihren seltsamen Augen, die glitzerten wie klares, bewegtes Wasser, auf das goldenes Sonnenlicht fällt, durch ihn hindurch blicken.

Erst als der Mond schon voll und einsam am dunklen Nachthimmel stand, gab der niedergeschlagene Prinz auf und schickte sich an, nach Hause zurückzukehren. Er war schon fast außer Hörweite, als ihn die schönste Stimme, die er je gehört hatte, noch einmal zurückhielt. Überrascht wandte er sich um und stellte mit heftig schlagendem Herzen fest, dass es tatsächlich die junge Frau gewesen war, die ihn gerufen hatte.

Zutiefst erfreut eilte er zu ihr zurück und wollte ihre samtigweichen Hände in seine nehmen, doch sie entwand sich ihm und erklärte mit singender Stimme, sie würde von nun an einen Monat lang jeden Tag an dieser Stelle auf ihn warten, damit er ihr seine Liebe beweisen könne. Erst wenn er das getan hätte, würde sie wieder mit ihm reden.
 

Von diesem Tag an galt all die Liebe, die der junge Prinz in seinem großen Herzen trug, nur noch diesem eigentümlichen Mädchen. Er überschüttete die junge Frau mit teuersten und edelsten Geschenken – darunter auch ein Paar filigraner Goldohrringe mit drei großen, dunkelblauen Saphiren aus dem Schatz der königlichen Familie. Er ließ ihr feinste Speisen bringen und prunkvolle Gewänder schneidern, trug ihr selbstgeschriebene Gedichte vor oder stürzte sich in riskante Kämpfe mit gefährlichen Monstern, um sie zu beeindrucken, doch nichts von alle dem lockerte ihre Zunge.

Mit jedem Tag mehr, der verstrich, verzweifelte der junge Mann zusehends. Am letzten Tag des Monats saß er traurig und resigniert auf einem Findling am Wegesrand, da er nicht mehr wusste, was er noch versuchen sollte, um seine Angebetete für sich zu gewinnen. Gerade als er überlegte, ob er aufgeben und nach Hause zurückkehren sollte, kam eine alte, in zerschlissene Lumpen gekleidete Frau vorbei und fragte, weshalb er so ein bedrücktes Gesicht mache.

Nachdem er ihr sein Leiden geschildert hatte, lächelte die Alte listig und meinte, sie sei eine Hexe aus der Gerudo-Wüste und wisse Rat. Bei dem bösartigen Funkeln in ihren Augen lief dem Prinzen ein kalter Schauer über den Rücken, doch er war so verzweifelt, dass er seine Bedenken beiseite schob. Die Alte legte ihm die Hände auf die Schultern, sah ihm tief in die Augen und erklärte, sie würde aus der Liebe, die er in seinem Herzen trage, den schönsten Edelstein machen, den Hyrule je zu Gesicht bekommen hatte.

Der Prinz spürte plötzlich ein komisches Ziehen, so als saugte die alte Hexe alles Leben aus ihm heraus. Doch anstatt schreiend wegzulaufen, starrte er fasziniert auf den immer größer werdenden Lichtball in ihrer Hand. Nur wenige Herzschläge später wurde aus dem reinweißen Licht ein durchsichtiger Kristall, der in allen Farben des Regenbogens schillerte. Fast schien es, als würde der Stein von einem in seinem Inneren pulsierenden Licht beleuchtet.

Voller Freude über die unfassbare Schönheit ihres Werks dankte der Prinz der Alten und eilte davon, um der sonderbaren Frau dieses letzte Geschenk zu überreichen. Kaum dass er um die nächste Wegbiegung verschwunden war, zeigte die Hexe jedoch ihr wahres Ich – es war Din, die temperamentvolle und zutiefst eifersüchtige Göttin der Kraft. Denn was der Prinz nicht wusste: Das Mädchen, dass er so voller Hingabe und Eifer umworben hatte, war in Wirklichkeit die zurückhaltende und weise Göttin Nayru.

Diese nahm den sonderbar schillernden Kristall begeistert entgegen und versprach dem Prinzen, ihn auf sein Schloss zu begleiten, weil er sich endlich ihrer würdig erwiesen hatte, doch der junge Mann konnte sich plötzlich nicht mehr erinnern, weshalb er dies unbedingt gewollt hatte. All die Liebe, die er empfinden konnte, war nämlich in dem merkwürdigen Stein eingeschlossen und befand sich nicht mehr in seinem Herzen. Nayru hatte sämtliche Bedeutung für ihn verloren.

Als sie dies erkannte und die bösartig lachende Din in der Nähe entdeckte, wurde sie so wütend, dass sie den Stein in ihrer bloßen Hand zerbröselte und die übriggebliebenen Kristallreste in den Nachthimmel warf, wo sie noch heute als Sterne am Firmament leuchten. Der Prinz kehrte ins Schloss zurück und heiratete eine junge Fürstin, die seine Eltern für ihn aussuchten. Er wurde ein weiser Regent, doch die Liebe kehrte nie zu ihm zurück.“
 

Die Kranke schnarchte leise vor sich hin und ihre Schwester richtete liebevoll die verrutschten Decken, bevor sie ihr einen Kuss auf die krumme, etwas zu lange Nase hauchte. „Schlaf gut, Koume, ich komme in ein paar Stunden zurück und gucke wie es dir geht. Versprochen.“



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