Zum Inhalt der Seite

Märchenstunde

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
A/N: Danke für die lieben Rückmeldungen! Nach monatelanger Wartezeit komme ich endlich dazu, etwaige Verwirrungen, die das erste Kapitel gestiftet hat, zu beseitigen. Dieses Kapitel ist ein Ticken dramatischer als das letzte. ;) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Akt I

Märchenstunde

.

Akt I

.

.

.

„Pssst, Sakura-chan.“

 

„Was denn, Naruto?“

 

„Diese alte Hexe ist mir nicht ganz geheuer.“

 

„Sie kann dich hören.“

 

„Ändert aber nichts daran, dass die Tante seltsam ist.“

 

„Du hast absolut keine Manieren…“

 

„Ich kann dich hören, Froschgesicht“, tönte es von weiter vorne.

 

Naruto schnitt eine Grimasse. „Mir doch egal!“

 

Ohne sich umzudrehen, erwiderte die Frau: „Lass die blöden Grimassen lieber sein, unverschämter Bengel. Oder willst du, dass ich dich am Ende unserer Reise in ein Pferd verlieben lasse?“

 

Verschreckt wich Naruto hinter Sakura zurück. „Das meint die doch nicht im ernst, oder?“, flüsterte er nervös in ihr Ohr.

 

Sie seufzte schwer. „Lass es einfach nicht darauf ankommen, ja?“

 

Sakura war mit ihrem Team auf ihrer neusten Mission unterwegs. Dieses Mal mussten sie eine mächtige Miko, die den Daimyou des Wellenreichs von einem Fluch befreit hatte, wieder zurück zu ihrem Tempel begleiten. Insgeheim musste Sakura ihrem vorlauten Teamkameraden zustimmen, denn ganz unrecht hatte Naruto nicht. Die Miko war wirklich seltsam. Laut Kakashi besaß sie unvorstellbare spirituelle Kräfte, die auch über die Grenzen des Feuerreichs hinweg sehr geschätzt wurden. Ihr Instinkt sagte ihr, dass die alte Dame gut auf sich alleine aufpassen konnte. Wozu brauchte sie dann den Geleitschutz von Genin-Ninjas?

 

„Nun, ich hatte ja die Hoffnung gehegt, ein paar starke, hübsche Männer an die Seite gestellt zu bekommen.“

 

Sakura blinzelte, als die Miko sich auf ihrer Sänfte, die von vier Lakaien getragen wurde, umdrehte und ihr zuzwinkerte. „Das hast du dich gerade gefragt, nicht wahr, mein liebes Kind?“

 

Sie ignorierte die junge Kunoichi, die sie mit offenem Mund anstarrte, und warf einen ärgerlichen Blick zu Naruto und Sasuke. „Stattdessen habe ich solche Rotzlöffel am Hals. Aber einen Hoffnungsschimmer gibt es ja zum Glück noch!“, fügte sie verschmitzt hinzu, als ihr Blick auf Kakashi fiel. Sie warf ihr ergrautes, hüftlanges Haar über die Schulter, während sie den Ninja mit klimpernden Wimpern anlächelte.

 

Dieser fühlte sich sichtlich unwohl und versteckte sich ohne Kommentar hinter seiner Icha Icha Paradise-Ausgabe. Die Miko brach in gackerndes Gelächter aus, was in ihrem ohnehin faltenversehenen Gesicht hundert weitere Linien auftauchen ließ.

 

„Ich sag’s euch ja, die hat nicht mehr alle Latten am Zaun“, murmelte Naruto.

 

Dieses Mal konnte Sakura nur beipflichtend nicken.

.

.

.

Noch vor Anbruch der Abenddämmerung erreichten sie den Tempel der Miko. Allerdings stellte sich dieser als Palast heraus. Die Priesterin verdiente wohl nicht schlecht mit ihren Fähigkeiten.

 

„Dürfen die überhaupt so in Saus und Braus leben?“, bemerkte Naruto verwundert, während sie der Miko durch die Gänge folgten, die von kostbaren Statuen gesäumt waren. Aber keiner beschwerte sich über ihren ausschweifenden Lebensstil, denn die Miko hatte ihnen angeboten, bei ihr über Nacht zu bleiben. So konnten sie gestärkt am nächsten Tag wieder nach Konoha aufbrechen. Und wann bekam man schon die Gelegenheit, in einem waschechten Palast zu übernachten?

 

Nachdem ihnen ihre Gemächer für die Nacht gezeigt wurden – jeder bekam ein prächtiges Zimmer für sich – wurden sie ins Speisezimmer geführt. Die Miko setzte sich ans Kopfende und nach einem kurzen Klatschen in die Hände führten die Lakaien reihenweise dampfende Platten herein. Die Augen der Jungs wurden tellergroß, als ihre Blicke über die Landschaft von Bergen an Bergen von Köstlichkeiten wanderten.

 

Aufmunternd schaute die alte Frau sie an. „Bitte, bedient euch!“

 

Sofort stürzten sie sich auf das Essen. Naruto ließ sich das nicht zweimal sagen, während Sasuke sich versuchte etwas zurückzuhalten, aber nicht minder Appetit zeigte.

 

Die Miko lachte schallend. „Kakashi, mir gefällt es, dass deine Jungs so einen gesunden Appetit zeigen.“

 

Naruto biss in ein Hühnchenbein hinein, bevor er laut rief: „Ich will ja auch Hokage werden!“

 

Sakura verpasste ihm eine Kopfnuss. „Naruto, wie oft denn noch – nicht mit vollem Mund reden.“

 

Sasuke gab ein verächtliches Schnauben von sich, während Naruto Sakura trotzig ansah. „Uhh, Sakura-chan, sei doch nicht so-“

 

„Ach, Hokage also?“, unterbrach die Miko ihn. Sie lehnte sich in ihre Seidenkissen zurück und schaute die Kinder interessiert an. „Und was ist mit euch anderen beiden? Was ist euer Traum?“

 

Sasuke ließ seine Hände sinken und starrte seinen Teller an. Schlagartig verfinsterte sich seine Miene. „Ich habe noch eine Rechnung mit jemandem offen“, sagte er ruhig.

 

„Sasuke, du Bastard, tu jetzt nicht wieder so ultracool!“

 

Die Miko hob nur erstaunt die Augenbrauen, aber sie kommentierte Sasukes Antwort nicht weiter. Ihr Blick glitt zu der jungen Kunoichi, die wie versteinert da saß. „Und was ist mit dir, mein Kind?“

 

Sakura spürte, wie die Röte ihren Hals hochkroch. Alle Blicke – einschließlich Sasukes – waren auf sie gerichtet. Was war ihr Traum? Sie liebte Sasuke und wünschte nichts sehnlicher, als dass er ihre Zuneigung erwiderte. Aber das würde sie jetzt garantiert nicht hier laut am Esstisch herausposaunen, auch wenn alle seit der Teamgründung über ihre Gefühle Bescheid wussten. Obwohl ihre Liebe aufrichtiger Natur war, erschien ihr Traum neben den der Jungs kindisch und mädchenhaft. Sie dachte an den Wald des Todes und wie sie sich gewünscht hatte, endlich stärker zu werden, um nie wieder hinter Sasuke und Naruto herschauen zu müssen. Dieser Wunsch war ähnlich stark. 
 

„Ich…“ Ihre Stimme stockte.

 

Der Miko entging nicht der flüchtige, sehnsüchtige Blick, den das Mädchen ihrem dunkelhaarigen Teamkameraden zuwarf. Ihre Lippen umspielte ein wissendes Lächeln.

 

Daher wehte der Wind also.

 

Sakura wurde von den Lakaien erlöst, die in diesem Moment das Dessert hereintrugen. Zu ihrem Glück beharrte die Miko nach der Unterbrechung nicht weiter auf ihre Antwort. Nachdem sich alle die Bäuche vollgeschlagen hatten, sah Naruto Sakura aufgeregt an. „Eh Sakura-chan, lass uns den Palast erkunden! Hier gibt es bestimmt viel zu sehen.“

 

Sie nickte zustimmend und wandte sich dann zögernd an Sasuke. „Sasuke-kun, willst du uns-“

 

„Nein, danke.“

 

Ihre Gesichtszüge entglitten ihr kurzzeitig, bevor sie sich schnell wieder unter Kontrolle hatte. Sie versuchte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Oh, schade…“

 

„Komm schon, Sakura-chan“, warf Naruto unbekümmert ein, „lass die Spaßbremse doch vor sich hinmosern.“

 

Die Miko beobachtete die Szene nachdenklich, bis sie plötzlich rief: „Einen Moment! Bleibt alle hier.“

 

Nachdem sie sich die Aufmerksamkeit der Kinder sicher hatte, verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. „Als Dank für euren Geleitschutz habe ich ein Geschenk für euch.“

 

Wie aufs Stichwort öffneten sich plötzlich die großen Flügeltüren und ein Lakai trug ein mit rotem Samt ausgelegtes Tablett herein. Die Miko nahm das Tablett entgegen und lüftete das Tuch.

 

Zum Vorschein kam ein schwarzer Handspiegel.

 

Die drei Kinder starrten die alte Frau misstrauisch an. Naruto verschränkte die Arme und neigte den Kopf skeptisch zur Seite. „Was soll ich mit einem Spiegel? Sehe ich aus wie ein Mädchen?“

 

Die Miko lächelte geheimnisvoll. „Ich schenke euch diesen Spiegel nicht – dazu ist er viel zu wertvoll. Er besitzt magische Kräfte und erlaubt es mir, in die Zukunft zu schauen.“

 

Augenblicklich strahlte Naruto sie an und auch Sasuke richtete sich interessiert auf.

 

„Ist ja saucool!“ Aufgeregt beugte sich Naruto über den Tisch. „Los, sag schon, wie stark werde ich später einmal sein? Welche Jutsus habe ich drauf? Und wann werde ich endlich Hokage sein?“

 

Die Miko schüttelte den Kopf. „Er kann solche Antworten nicht liefern. Er ist ein Spiegel der Liebe und zeigt mir nur Dinge, die die Liebe betreffen.“

 

Die Enttäuschung stand Naruto ins Gesicht geschrieben und auch Sasuke verzog abfällig den Mund. Nur Sakura starrte den Spiegel gedankenverloren an.

 

Die Miko runzelte die Stirn. Sie hatte mehr Begeisterung erwartet. „Na kommt schon her. Oder seid ihr gar nicht neugierig, wen ihr einmal heiraten werdet?“

 

Sakura biss sich auf die Lippe, blieb aber still.

 

Naruto schüttelte energisch den Kopf. „Kein Interesse.“

 

Sasuke stützte die Arme auf den Tisch ab und legte gleichgültig sein Gesicht in seine Hände. „Tz. Ich werde nie heiraten.“

 

Kakashi hob den Blick von seinem Buch und meldete sich nun auch zu Wort. „Nun, Sasuke, ich erinnere dich nur ungern daran, aber meintest du nicht am Anfang, dass du deinen Klan wiederaufbauen möchtest?“ Er schaute ihn vielsagend an. „Ohne Heiraten klappt das mit dem Setzen von kleinen Uchihas in die Welt nicht.“

 

Sasuke spürte, wie Zornesröte in seine Wangens schoss. Naruto kicherte hämisch. Endlich konnte er sich auch mal wieder auf Sasukes Kosten amüsieren.

 

„Ehehe, Kakashi-sensei hat recht! Oder woher willst du sonst die ganzen Uchiha-Babys auftreiben?“

 

Sasuke malmte die Zähne aufeinander. „Das geht dich einen…“

 

Sakura konnte sich hinter vorgehaltener Hand ein leises Lachen nicht verkneifen. Es war ein seltener Moment, Sasuke so verlegen zu sehen.

 

Nachdenklich tippte sich Kakashi den Finger an den Mund. „Nun, aber die Frau will ich sehen, die es mit Naruto und seinem Saustall zu Hause aushalten kann.“

 

Sasuke schloss die Augen. „Die gibt es nicht“, sagte er verächtlich.

 

Naruto schnappte empört nach Luft. „Ey, Bastard, nimm das zurück!“

 

Bevor sich die Jungs an die Gurgel gehen konnten, grätschte die Miko dazwischen. „Mein Angebot steht noch.“

 

„Fein. Spuck’s aus“, grummelte Naruto. Die anderen nickten zustimmend.

 

Die Miko warf Kakashi einen entschuldigenden Blick zu. „Leider funktioniert der Spiegel nur mit Heranwachsenden.“ Sie wandte sich den Kindern zu. „Ich brauche nur eine Haarlocke von euch. Wer ist zuerst dran?“

 

Sakura rutschte nach vorne und sah die Miko entschlossen an.

 

„Ich.“

 

Die Miko nahm die Schere, die sich ebenfalls auf dem Tablett befand, und schnitt dem Mädchen eine Locke ihres rosafarbenen Haars ab. Alle Anwesenden schauten mit großen Augen zu, wie die Miko die Haarsträhne nahm und sie auf den Spiegel legte. Plötzlich leuchtete der Spiegel auf und die Locke versank unter der Oberfläche. Sofort nahm sie den Spiegel in die Hand und schaute konzentriert hinein.

 

Ihre Augen weiteten sich augenblicklich, als sie sah, was der Spiegel ihr zeigte. Ein schelmisches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

 

Das Schicksal ging manchmal doch sehr vorhersehbare Wege.

 

„Na los, sag schon!“, verlangte Naruto.

 

Sie hob den Blick und schaute in das erwartungsvolle Gesicht des Mädchens.

 

„Nun, du wirst später einmal heiraten und ein Kind haben.“

 

Die Enttäuschung stand Sakura ins Gesicht geschrieben. Mehr würde sie nicht erfahren?

 

„Das war‘s?“

 

Die Miko schüttelte den Kopf. „Mehr kann ich euch nicht verraten. Das Risiko ist zu groß, dass ich eure Zukunft beeinflusse.“

 

„Dann bringt es ja gar nichts“, brummte Naruto. Aber er ließ sich trotzdem eine Haarlocke abschneiden. Nachdem die Haarsträhne in den Spiegel eingetaucht war, studierte die Miko das Spiegelbild eingehend, bevor sie antwortete: „Du wirst ebenfalls einmal heiraten und zwei Kinder haben.“

 

Naruto streckte siegessicher seine Faust in die Luft. „Yeah! Hast du es gehört, Sasuke? Heiraten werde ich!“

 

Kakashi kratzte sich am Kinn. „Wer hätte das einmal gedacht.“

 

Sasuke ging auf Narutos Sticheleien nicht ein. Stattdessen ließ er sich widerstrebend eine Haarlocke abschneiden. Er konnte nicht verhindern, dass eine gewisse Aufregung in ihm aufkeimte.

 

Die Miko legte die schwarze Haarlocke auf das Spiegelbild und wartete ab. Obwohl sie bereits wusste, was der Spiegel ihr zeigen würde, blickte sie dem Anblick erwartungsvoll entgegen. Lächelnd hob sie den Blick und schaute in die dunklen Augen des Jungen, die vergeblich versuchten, ihre Neugier zu kaschieren.

 

„Auch du wirst eines Tages heiraten und ein Kind haben.“

 

Sasuke runzelte die Stirn. Nur ein Kind? Aber so konnte er doch nicht einen ganzen Klan wiederaufbauen.

 

Naruto grinste ihn breit an. „Ich werde später mehr Kinder haben als du. Sogar auf diesem Gebiet schlage ich dich.“

 

Sakura verdrehte die Augen. „Naruto, das ist ja wohl kaum etwas, weswegen man sich streiten sollte.“ Aber ihr Schlichten war erfolglos. Die Jungs ignorierten sie und starrten sich beide angriffslustig an.

 

Sasukes Augen bildeten sich zu Schlitzen. „Tz. Deine beiden Loserkinder können niemals gegen mein einziges Kind ankommen. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“

 

„Das glaubst du wohl selbst nicht, Arschloch!“ Naruto riss den Kopf herum und starrte die Miko anklagend an. „Los, alte Hexe, zeig schon die Gesichter von unseren Kindern. Damit dieser Kerl einmal sieht, dass meine Kinder nach mir, ihrem starken Papa, kommen werden.“

 

Die Miko ließ sich allerdings nicht einschüchtern. Sie stemmte die Hand in die Hüfte und hob ermahnend einen Finger.

 

„Habe ich dir nicht geraten, so nicht mit mir zu reden, unverschämter Bengel? Mehr kriegt ihr nicht aus mir heraus. Ab mit euch ins Bett.“

 

Sie scheuchte die grummelnden Kinder aus dem Speisezimmer und schaute ihnen nach, wie sie ihre Gemächer aufsuchten.

 

„Und träumt süß!“, rief sie.

 

Sie würde ihr ganzes Vermögen darauf verwetten, dass diese Gören heute Nacht kein Auge zukriegen würden.

.

.

.

tbc…

Akt II

Akt II

.

.

.

Nun, du wirst später einmal heiraten und ein Kind haben.

 

Unentwegt hallten die Worte der Miko durch ihren Kopf. Sakura hatte es längst aufgegeben einzuschlafen. Stattdessen fühlte sie sich völlig aufgekratzt und ihr Herz hämmerte wie wild gegen ihren Brustkorb. Sie lag in einem riesigen Himmelbett mit rosafarbenen Laken und unter ihren Händen konnte sie die vielen kostbaren Seidenkissen spüren. Statt den Stuck an der Decke zu bewundern – denn das hätte sie zu einem anderen Zeitpunkt getan, schließlich war das Zimmer der Traum eines jeden Mädchens –, hatte sie vor ihren Augen das Bild eines fremden Mannes.

 

Wie würde er wohl aussehen, mit dem sie später einmal eine Familie haben würde?

 

Vor Aufregung biss sie sich auf die Lippe, als sein Gesicht langsam Gestalt annahm. Er war groß, oh ja, sehr groß. Schlank, dennoch muskulös, dass er sie ohne Mühe auf den Armen tragen konnte. Die Haare waren schwarz und schwer zu bändigen, dass sie ihm wild vom Kopf abstanden. Dunkle Augen, die Haut blass und um seine Lippen lag so ein unwiderstehliches Grinsen, dass die Schmetterlinge in ihrem Bauch nicht lange auf sich warten ließen. Er hatte erschreckend große Ähnlichkeit mit… mit…

 

Sasuke.

 

Sofort riss sie die Augen auf und hielt sich schockiert eine Hand vor dem Mund. Hatte sie sich gerade ernsthaft Sasuke als ihren späteren Ehemann vorgestellt? An Heiraten hatte selbst sie nicht einmal gedacht. Wie kam sie bloß auf so eine absurde Idee?

 

Eine absurde Idee, die doch nicht von der Hand zu weisen ist.

 

Sie schluckte schwer. Natürlich hatte sie nicht vergessen, was die Miko zu Sasuke gesagt hatte. Er würde ebenfalls später einmal heiraten und ein Kind haben. Viele Shinobi-Pärchen bekamen selten mehr als zwei Kinder, da sie üblicherweise ständig auf Reisen waren und keinen ungefährlichen Beruf ausübten. Dass sie und Sasuke gleich viele Kinder einmal haben würden, war also nicht weiter ungewöhnlich.

 

„Reiß dich zusammen, Haruno“, murmelte sie. Entschieden zog sie sich die Decke über den Kopf und kniff die Augen zusammen. Sie sollte sich wirklich diese Flausen aus dem Kopf schlagen und sich lieber darauf konzentrieren, härter zu trainieren, um nicht noch weiter zurückzufallen. Schlimm genug, dass sie ihre Jungs im Wald des Todes nicht ausreichend vor Orochimaru hatte beschützen können. Stattdessen lag sie hier und schwelgte in unsinnigen Mädchenträumen. Hätte die Miko ihr doch einfach bloß verraten, wie ihr Ehemann einmal aussehen würde. Dann würde sie sich sicherlich nicht den Kopf darüber zerbrechen und schon längst im Land der Träume sein. Hätte sie ihr doch einfach sein Gesicht gezeigt, dann würde sie sicherlich nicht…

 

Urplötzlich riss sie sich die Decke vom Körper und schwang die Beine entschlossen aus dem Bett.

 

Zur Hölle mit den guten Vorsätzen.

.

.

.

Regungslos betrachtete Sasuke den Nachthimmel von seinem Platz aus auf der Fensterbank. Obwohl die Müdigkeit schwer in seinen Knochen lag, war sein Verstand hellwach. Abwesend betrachtete er sein Spiegelbild, das ihm im Fensterglas entgegenblickte. Ähnlich wie seiner Teamkollegin ließen auch ihm die Worte der Miko keine Ruhe.
 

Irgendwann in absehbarer Zukunft würde er abgesehen von seinem Bruder nicht mehr der einzige Uchiha sein.

 

Tatsächlich würde er selbst einmal eine Familie haben.

 

„Eine eigene Familie“, murmelte er.

 

Auch das Aussprechen dieses Wortes machte die Situation und die Offenbarung der Miko nicht glaubwürdiger. Seit jener Nacht, als sein Klan buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht wurde, galten seine Gedanken nur noch seinem verräterischen Bruder. Wie er ihn mit seinen eigenen Händen umbringen und den Namen seines Klans endlich reinwaschen würde. Was aus ihm selbst einmal nach seiner erfolgreichen Rache werden würde, hatte er sich selten drum geschert. Das pochende Mal des Todes an seinem Nacken, das er nur knapp überlebt hatte und einer tickenden Zeitbombe glich, unterstrich nur seine eigene Sterblichkeit. Natürlich erinnerte er sich an sein eigenes Versprechen, seinen Klan wiederaufzubauen. Aber es war der naive Wunsch eines Kindes, das die Tragweite seiner Worte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht realisiert hatte.

 

Und nun würden diese einmal wahr werden.

 

Der Gedanke war erschreckend und angenehm zugleich.

 

Ohne es zu verhindern, spielten sich plötzlich vor seinem inneren Auge verbotene Szenen ab, die sein Verstand und Herz bis dahin mehr oder weniger erfolgreich unterdrückt hatten. Die Bilder ließen sein Herz vor Sehnsucht schmerzvoll zusammenziehen. Er sah sich selbst, wie er abends nach einer erfolgreichen Mission sein Haus betrat, das bei seiner Rückkehr nicht in Dunkelheit liegen würde. Alle Zimmer würden hell erleuchtet sein wie zu jenen Zeiten, als seine Mutter und sein Vater noch am Leben gewesen waren, und Lachen und Gesprächsfetzen würden die bedrückende Stille verdrängen. Er würde nicht mehr der Einzige sein, dessen Rücken stolz das Uchiha-Symbol schmücken würde. Und trotz harter Mission würde er es sich nicht nehmen lassen, draußen auf dem Wassersteg seinem Sohn Katon Jutsu beizubringen – genauso, wie es einst sein eigener Vater ihm gezeigt hatte.

 

Plötzlich stutzte er.

 

Was machte ihn so sicher, dass es ein Junge sein würde?

 

Verwirrt runzelte er die Stirn und versuchte sich auszumalen, wie später einmal sein Kind (allein das Wort war so absurd) aussehen würde. Die Uchiha-Gene waren schon immer sehr dominant gewesen – seine schwarzen Haare und Augen würden auf jeden Fall vererbt werden. Aber was war mit dem Sharingan? Würde er es an sein Kind weitergeben können? Es gab keine Garantie, dass sein Nachkomme das Sharingan einmal besitzen würde. Nur auserwählte Uchiha-Mitglieder, die die entsprechenden physischen Voraussetzungen mitbrachten, konnten das Sharingan erwecken. Würde sein Blut ausreichen, damit das Erbe der Uchihas weitere Generationen fortbestehen konnte? Der Gedanke, dass mit seinem und Itachis Tod das jahrhundertalte Kekkei Genkai seines Klans aussterben würde, ließ es ihm eiskalt über den Rücken herunterlaufen. Nein. Sein Kind würde hoffentlich einmal nach ihm kommen und seine Stärke, Schnelligkeit und Intelligenz besitzen – vorausgesetzt natürlich, dass seine Mutter die entsprechenden Gene mit sich brachte…

 

Für einen Sekundenbruchteil flackerte etwas Rosafarbenes auf.

 

Mit aufgerissenen Augen erwiderte er den Blick seines Spiegelbildes. Obwohl er im Zimmer ganz allein war, konnte er nicht umhin, seine warmen Wangen in dem hohen Kragen seines Shirts zu verstecken.

 

Mit klopfendem Herzen versuchte er das Bild seiner rosahaarigen Teamkollegin abzuschütteln. Sein idiotischer Verstand gaukelte ihm Sakura – seine zu emotionsgeladene, zu fürsorgliche, zu aufbrausende Teamkollegin – als seine zukünftige Ehefrau vor.

 

Allein der Gedanke ließ ihn irritiert die Augenbrauen zusammenziehen. Aber er konnte nicht verhindern, dass irgendwo in den Ecken seines Herzens ein klitzekleines bisschen Freude aufflackerte. 

 

Was prompt die Röte in seinen Wangen verstärkte.

 

Der rationale Teil in ihm erklärte ihm, dass Sakura zurecht vor seinen Augen aufgetaucht war. Sie war von Natur aus ein herzensguter, unschuldiger und zutiefst liebenswerter Mensch, der anders als er und Naruto, nie das Leid dieser Welt kennengelernt hatte. Nicht ohne Grund versuchten beide Jungs sie vor alles und jeden zu beschützen. Abgesehen davon war sie das einzige weibliche Wesen, das er bis zu einem bestimmten Grad in seiner Nähe ertragen konnte.

 

Aber dann gab es noch diesen anderen Teil in ihm, fast schon kaum wahrnehmbar, dem er zum jetzigen Zeitpunkt lieber nicht weitere Aufmerksamkeit schenkte.  

 

Genervt fuhr er sich mit einer Hand durch das Haar und warf einen Blick auf sein unbenutztes Bett. Heute Nacht würde er dank der irrwitzigen Andeutungen der Miko kein Auge mehr zukriegen. Dabei konnte er in seinem Leben nicht noch mehr Ablenkungen gebrauchen. Die jüngsten Ereignisse im Wald des Todes waren eine Belastung genug.
 

Spielte die alte Hexe ihm etwa einen Streich? Was auch immer sie sich erhofft hatte, hatte sie wohl erreicht, denn er wurde von seltsamen Tagträumen heimgesucht, die ihm ein Leben vorspielten, in dem er endlich seine Rache bekommen und Sakura seine Ehefrau sein würde. Er sah es schon kommen, wie er die nächsten Tage versuchen würde, peinlichst genau jeden Augenkontakt mit seiner Teamkollegin zu vermeiden, damit sie ja nicht auf falsche Gedanken kam.

 

Abwesend starrte er aus dem Fenster, bevor er plötzlich entschieden vom Fenstersims heruntersprang und auf die Tür zumarschierte.

 

Er würde diesem Gedankenkarussell ein für alle Mal Einhalt gebieten.

 

Nur um sicherzugehen, dass mein Sharingan auch an die nächste Generation vererbt wird, versicherte er sich, sollten sich die Worte der Miko doch noch als wahr herausstellen.

 

Aus sonst keinem anderen Grund.

.

.

.

Schwungvoll riss er die Haustür auf. Noch bevor er „Ich bin wieder da!“ rufen konnte, flitzten durch die Diele zwei gelbe Wirbelwinde und rasten direkt auf ihn zu.

 

„PAPA!“

 

Er breitete die Arme aus und riss gekonnt seine beiden Söhne in die Höhe. Sie waren ihm wie aus dem Gesicht geschnitten und strahlten ihn an, während sich pummelige Ärmchen um seinen Hals schlangen.

 

„Wir haben dich vermisst!“

 

„Hast du die Mission geschafft?“

 

„Natürlich!“ Mit einem breiten Grinsen schaute er in ihre neugierigen Gesichter und wies mit dem Daumen auf seinen weißen Umhang. „Zweifelt ihr etwa an dem Hokage?“

 

Sofort jauchzten sie auf. Gerade wollte er fragen, ob sie mal wieder Sasukes Sohn vermöbelt hätten, als er plötzlich innehielt und in der Luft schnüffelte.

 

Dieser Geruch konnte doch nur eines bedeuten…

 

„RAMEN!“, riefen alle drei im Chor. Mit seinen Söhnen im Schlepptau folgte er dem Duft und riss die Küchentür sperrangelweit auf.

 

„SAKURA-CHAN, ICH BIN WIEDER-“

 

Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er die fremde Frau in der Küche entdeckte, die mit dem Rücken zu ihm stand und ganz und gar nicht das typisch rosafarbene Haar seiner Ehefrau besaß.

 

Wie angegossen blieb er stehen. „Warte, du bist nicht Sakura-chan. Wer bist du?“

 

Langsam drehte sie sich zu ihm um und das Letzte, was er bemerkte, war, wie sich alles um ihn herum begann, in Luft aufzulösen…

 

Mit einem erstickten Schrei schnellte Naruto vom Bett hoch. Mit klopfendem Herzen schaute er panisch nach rechts und links. Die Kinder, die Frau, der Ramengeruch – alles war weg. Frustriert schloss er die Augen. Natürlich war es zu schön gewesen, um wahr zu sein. Abgesehen davon war er so nah dran gewesen, die Identität der fremden Frau zu lüften.

 

Eigentlich war er sich ja zu hundert Prozent sicher, dass nur Sakura als seine Ehefrau infrage kam. Wenn nicht sie, wer sonst? Lächelnd kuschelte er sich unter die Decke, während er sich vorstellte, wie Sasuke mit einer Schreckschraube wie Ino bestraft wurde. Zu gerne würde er es diesem Idioten unter die Nase reiben…

 

Plötzlich stahl sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht. Vielleicht würde er nichts mehr aus der alten Hexe herausbekommen, aber sollte ein Ninja nicht zu jeder Zeit in der Lage sein, sich selbst seine Informationen zu beschaffen? Zumindest hatte Ibiki so etwas Ähnliches erzählt.

 

Er würde sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen.

 

Naruto zog sich seine Schlafmütze tief über die Ohren und stahl sich lautlos aus dem Zimmer. In den Gängen herrschte Stockfinsternis und nur mit Mühe konnte er die Schemen der Statuen erkennen. Von den Bediensteten war weit und breit keine Spur. Für einen Moment blieb er unsicher stehen. Die Stille war beängstigend. Immerhin befanden sie sich im Haus einer mächtigen Miko und wer weiß, was für Gefahren in den dunklen Ecken lauerten? Aber dann schüttelte er den Kopf. Er hatte eine Mission zu erledigen. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, schlich er auf Zehenspitzen über den Flur und lugte an einer Säule vorbei. Endlich hatte er sein Ziel erreicht.

 

Plötzlich stockte Naruto, als er das dumpfe Gefühl bekam, beobachtet zu werden.

 

Er wirbelte herum, und bevor er auf zwei rot glühende Punkte einen Kunai werfen konnte, wurde das Geschoss aus seiner Hand gekickt. Sofort jaulte er laut auf.

 

„Idiot“, zischte eine wohlbekannte Stimme. „Ich bin’s.“

 

Plötzlich flackerte ein Licht auf und nun erkannte er auch Sasuke, dessen Gesicht von einer kleinen Flamme über seinem Finger beleuchtet wurde. Sofort ging er in den Angriff über.

 

„Bastard, wieso schleichst du dich auch so an?“

 

„Tz. Das Gleiche könnte ich dich auch fragen.“

 

Narutos Augen weiteten sich, als es ihm langsam dämmerte. „Aha! Gib es zu, du kannst es auch nicht abwarten, das Gesicht deiner Zukünftigen zu sehen?“, feixte er.

 

Im Schein des Feuers waren die pinken Flecken auf Sasukes Wangen nicht zu übersehen. Gerade wollte er den Mund öffnen, als eine andere Stimme hinter ihnen ertönte.

 

„Naruto? Sasuke-kun?“

 

Beide Jungs rissen den Kopf herum und entdeckten Sakura, die im Nachthemd bekleidet vor ihnen stand.

 

„Sakura-chan, du bist auch hier!“

 

Sie warf Sasuke ein unsicheres Lächeln zu, der tunlichst den Blickkontakt vermied.

 

„Ich denke, wir verfolgen alle drei das gleiche Ziel.“

 

Naruto nickte begeistert. „Wir sollten uns diese Chance nicht entgehen lassen. Sasuke will einfach nicht zugeben, dass er mindestens genauso neugierig ist.“

 

Sasuke überging geflissentlich den Seitenhieb. „Wir haben schon genug Zeit verloren.“ Er wies mit dem Kopf auf die Flügeltüren hinter Naruto. „Du glaubst doch nicht, dass wir hier fündig werden?“

 

Naruto warf ihm einen bösen Blick zu. „Hast du etwa eine bessere Idee?“

 

Nachdem Naruto einen Doppelgänger heraufbeschworen hatte, der an der Säule die Stellung bewahren sollte, traten alle drei vor die großen verschlossenen Flügeltüren, die zum Speisezimmer führten. Mit einem leisen Quietschen schwang eine Tür auf. Angeführt von Sasuke betraten sie den dunklen Raum. Ihr Blick fiel direkt auf das Kopfende des Esstisches, auf dem der wohlbekannte Spiegel auf dem Tablett lag. Wie scheinbar vergessen.

 

Misstrauisch warf Sakura einen Blick zurück in den finsteren Gang. So viel Glück konnten sie doch nicht wirklich haben? Eben war sie noch Feuer und Flamme für ihr Vorhaben gewesen, aber jetzt war sie sich plötzlich nicht mehr so sicher. Die Dunkelheit erschien unheilverkündend. 

 

Sasuke schaute Sakura, die stehen geblieben war, abwartend an.

 

„Was ist los?“
 

„Es könnte sich auch genauso gut um eine Falle handeln.“

 

„Du kneifst doch jetzt nicht, Sakura-chan?“, fragte Naruto. „Komm schon, was kann uns schon passieren?“

 

Oh, so einiges. Aber Sakura gab sich mit einem Seufzer geschlagen und schloss mit einem leisen Klicken hinter ihnen die Tür. Sie betete, dass ihre Neugier ihnen nicht zum Verhängnis wurde.

 

Katon Jutsu!

 

Die Fackeln an den Wänden leuchteten dank Sasukes Feuerjutsu auf und erhellten den gesamten Raum. Naruto wollte gerade nach dem Spiegel greifen, als Sasuke ihm zuvor kam und ihn an sich riss.

 

„Ich bin zuerst dran.“ Er entfernte sich von beiden, und bevor Naruto empört den Mund aufmachen konnte, schnitt er ihm das Wort ab. „Jeder schaut für sich selbst hinein.“ Er war nicht bereit zu teilen, was auch immer der Spiegel ihm zeigen würde, wenn er es selbst noch nicht einmal wusste.

 

„Dann mach aber schnell.“ Naruto machte er sich auf den Sitzkissen bequem und verschränkte die Arme. Mist. Er hätte zu gerne gesehen, was der Spiegel Sasuke zeigen würde, aber ihn beschlich das ungute Gefühl, dass er das gleiche Recht einfordern würde.

 

Sakura beobachtete mit schwerem Herzen, wie Sasuke sich eine Haarlocke abschnitt und auf den Spiegel legte. Sie wusste nicht, wieso Sasuke hierher geschlichen war. Sie glaubte kaum, dass ihn die Identität seiner späteren Frau interessierte – wahrscheinlich hatte es eher mit seiner Rache zu tun. Aber dass er in nur wenigen Sekunden das Gesicht der Frau erblicken würde, mit der er sein gesamtes Leben verbringen und die womöglich nicht sie selbst sein würde, versetzte ihr einen Stich.

 

Sorgfältig studierte sie sein Gesicht, als der Spiegel aufleuchtete. Zunächst starrte er reglos die Oberfläche an, bis sich plötzlich ein Ausdruck auf Sasukes Gesicht ausbreitete, den sie zuletzt im Wald des Todes gesehen hatte: schiere Fassungslosigkeit.

 

Dann hob er den Blick-

 

und starrte sie mit horrorgeweiteten Augen geradewegs über den Tisch hinweg an.
 

„Ey, Sasuke, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!“

 

Narutos Stimme riss Sasuke aus seiner Starre. Eilig löste sich sein Blick von ihr, bevor er über den Spiegel wischte, wie er es bei der Miko beobachtet hatte. Ohne ein Wort überließ er Naruto den Spiegel und wandte sich mit geballten Fäusten ab.

 

Sakura schluckte schwer und betrachtete seinen angespannten Rücken. Sie hatte sich seinen Blick nicht eingebildet. Hieß das etwa, dass…

 

Währenddessen legte Naruto aufgeregt eine Haarlocke auf die Spiegeloberfläche und rieb sich erwartungsvoll die Hände. Sasukes Reaktion hatte Bände gesprochen – zu einem anderen Zeitpunkt hätte Naruto sich über die Schockstarre seines Teamkollegen zu gerne lustig gemacht, denn es war offensichtlich, dass ihn die Verkündung des Spiegels wie ein Eimer kaltes Wasser getroffen hatte. Vielleicht war es gar nicht Ino, sondern jemand weitaus Schlimmeres.

 

Die Gedanken waren augenblicklich in seinem Kopf still, als sich langsam ein Bild auf der Oberfläche abzeichnete. Zunächst sah er einen hochgewachsenen blonden Mann, der mit einem kleinen dunkelhaarigen Mädchen vor einer Geburtstagstorte stand. Als er das Gesicht des Mannes sah, blieben Naruto die Worte im Munde stecken. An der linken Seite des Mannes tauchte ein blonder Junge auf, der wild gestikulierte, woraufhin der Mann in einer Schimpftirade ausbrach Der Junge verschränkte nur die Arme und wandte den Kopf beleidigt ab – eine Körperhaltung, die Naruto schrecklich bekannt vorkam. Der Mann kratzte sich hilflos am Kopf, als sich plötzlich das kleine Mädchen lachend an seinen Rücken warf. Alle drei drehten sich um und schienen einer vierten Person zuzuhören, die noch nicht ins Bild getreten war. Sofort hoben sie abwehrend die Hände und brachen in herzliches Gelächter aus. Von dem Familienstreit war keine Spur mehr zu sehen. Eine Frau mit schulterlangen schwarzen Haaren kam dem Mann entgegen und stellte sich auf Zehenspitzen, bevor sie ihm sanft auf die Wange küsste. Dann drehte sie sich wie aufs Stichwort um und schaute Naruto direkt in die Augen.

 

Ihm fiel die Kinnlade auf. Das dunkle Haar, die blasse Augenfarbe, die auf ein Kekkei Genkai hindeutete, das nur einem Klan gehörte. Das war doch…

 

„Naruto?“

 

Er riss den Kopf hoch und starrte Sakura an, die ihn besorgt musterte. Ihr war nicht entgangen, wie ungewöhnlich still ihr sonst so lebhafter Teamkollege geworden war.

 

„Ist alles in Ordnung?“

 

Sein Blick raste zwischen Sakura und der lächelnden Frau, die sich an den Mann – an ihn! – schmiegte, hin und her. Sein Hirn fühlte sich wie leergefegt an.

 

„Eh…“, stammelte er, und wischte noch eilig über die Spiegeloberfläche, bevor Sakura ihm den Gegenstand mit gerunzelter Stirn aus der Hand nahm. Naruto, der sonst um kein Wort verlegen war, hatte es die Sprache verschlagen.

 

Nervös nagte Sakura an ihrer Lippe, als sie nach der Schere griff. Dieses Unterfangen stellte sich immer mehr als eine furchtbar schlechte Idee heraus. War sie bereit für das, was der Spiegel ihr zeigen würde? Vielleicht spielten sie wirklich mit dem Feuer.

 

Aber dann dachte sie an Sasukes Blick. Es gab kein Zurück mehr.

 

Ihr Herz raste in einem Tempo, dass ihr speiübel wurde. Leise zitterte ihre Hand, während sie eine rosafarbene Locke auf den Spiegel legte und diese augenblicklich eintauchte. Und dann wartete sie.

 

Die Spiegeloberfläche verschwamm, bevor sich das Bild allmählich klärte. Zunächst sah sie ein dunkelhaariges Mädchen, die eine Diele herunterrannte. Schwungvoll riss sie die Haustür auf und die dunklen Augen hinter den Brillengläsern weiteten sich überrascht, als sie den hochgewachsenen Mann erblickte, der über die Türschwelle trat. Pechschwarze Strähnen verdeckten die linke Gesichtshälfte, und obwohl diese Gesichtszüge so viel markanter waren, hätte Sakura sie in jedem Leben wiedererkannt. Zeitgleich trat eine junge Frau mit einer Haarfarbe, die ihr zu gut bekannt war, aus der Küche und erstarrte wie zur Salzsäule. Ihre Augen wurden tellergroß, und bevor sie bewusstlos zu Boden sinken konnte, war der Mann augenblicklich an ihrer Seite und fing sie auf. Die Szene löste sich auf und sie sah abermals das Mädchen, dieses Mal weitaus jünger, vor ihrer Mutter stehen und das Gesicht verziehen, während die Frau verlegen lachte. Dann tippte sie ihr mit den Fingern sanft an die Stirn, dass es keine Worte brauchte, um die tiefe Zuneigung hinter dieser Geste zu verstehen. Wie hypnotisiert blieb Sakuras Blick auf der Spiegeloberfläche geheftet. Nur am Rande nahm sie schwach wahr, dass sie schon viel zu lange in den Spiegel blickte. Aber sie war außerstande, ihn aus der Hand zu legen. Alles um sie herum existierte nicht mehr. Außer diese Szenen, die so surreal waren, dass sie sich zwingen musste, sich nicht in die Haut zu kneifen. Wieder einmal verschwamm die Szene und dieses Mal zeigte es die Tore vor Konoha. Gerade trat die Frau dem dunkelhaarigen Mann lächelnd gegenüber und neigte ihm das Gesicht vertraut zu, dass für jeden Außenstehenden die Intention dahinter unmissverständlich war. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte die Lippen des Mannes, der nur einen Sekundenbruchteil zögerte, bevor er den Kopf senkte und…

 

EWWW!

 

Verschreckt ließ Sakura den Spiegel fallen, der krachend auf dem Boden aufschlug und in tausend Teile zersprang.

 

„Naruto!“ Aufgebracht wirbelte sie herum und entdeckte die beiden Jungs, die direkt hinter ihr standen und keinen Hehl daraus machten, ihr über die Schultern geschaut zu haben. „Was hast du getan?!“

 

Aber Naruto schien sie gar nicht zu hören. Anklagend zeigte er mit dem Finger auf sie. „Sakura-chan, das kann doch nicht dein ernst sein?! Du kannst doch nicht etwa den da heiraten!“

 

„Ich…“ Das Blut rauschte ihr in den Ohren, als sie Sasuke anschaute, der sie eben gerade noch mit seinen Sharingan fixiert hatte. Nun schaute er mit malmenden Zähnen und hochroten Wangen zur Seite.

 

„Dabei reibt dieser arrogante Kerl uns ständig unter die Nase, dass er uns nicht braucht und dass wir ihm ein Klotz am Bein sind und dass er in allem doch so viel besser ist!“ Naruto wich verletzt zurück.

 

„Bist du jetzt fertig?“, presste Sasuke wütend hervor.

 

„Naruto-“

 

Aber er schien sie gar nicht zu hören und redete sich in Rage. „Und trotz allem heiratest du einfach diesen Bastard und gründest auch noch eine Familie mit ihm. Wie kannst du so etwas nur tun?“ Plötzlich weiteten sich seine Augen und ungläubig wechselte er seinen Blick zwischen Sakura und Sasuke hin und her. „Ihr habt eine Tochter, das bedeutet, dass ihr beide-beide-“

 

Sämtliche Farbe wich aus Sakuras Gesicht.

 

„Naruto, untersteh dich!“, schrie sie.

 

Mit wild hämmerndem Herzen sprang sie auf und stieß ihre beiden Teamkollegen zur Seite, als sie aus dem Speisezimmer stolperte. Naruto riss zornesbebend den Kopf zu Sasuke herum, der sich noch nicht zu Wort gemeldet hatte.

 

„Wie lange?“

 

Sasuke neigte den Kopf zur Seite. „Was?“

 

„Wie lange stehst du schon auf sie?!“, brüllte Naruto. „Tust immer so ultracool und verletzt sie bei jeder Gelegenheit, dabei spielst du uns allen nur etwas vor. Auch jetzt tust du wieder so, als ob dich das Ganze nicht jucken würde. Als ob sie dich nicht jucken würde!“

 

„Naruto, halt deinen-“

 

„Verdammtes Arschloch!“

 

Bevor Sasuke reagieren konnte, verpasste Naruto ihm einen gewaltigen Kinnhaken, dass sein Kopf nach hinten flog. Wutentbrannt tastete er nach seiner geplatzten Lippe und wollte gerade mit der Faust ausholen, aber Naruto war bereits aus dem Raum gestürmt.

 

Mit bebenden Schultern wischte sich Sasuke das Blut aus dem Mundwinkel und rang mühsam nach Fassung. Zähneknirschend trat er aus dem Speisezimmer und dachte an die Bilder, die seine Sharingan unweigerlich abgespeichert hatten und ihn noch lange verfolgen würden.

 

Der zerbrochene Spiegel blieb vergessen zurück.

.

.

.

tbc…



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu dieser Fanfic (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  LittleBerry
2021-08-23T08:00:14+00:00 23.08.2021 10:00
Ganz ehrlich, ich habe nie erwartet, eine FF mit so einer Handlung zu finden. Ich habe selber auch schon über so etwas ähnliches nachgedacht, aber fand es ziemlich schwer, die Reaktion der drei zu beschreiben. Du hast es richtig gut hinbekommen und ich würde mich über eine Fortsetzung freuen! Schließlich wissen die drei ja nun , wie ihre Zukunft aussieht. Vor allem bei Sasuke und Sakura ist es ja ziemlich spannend.
Viel Erfolg bei weiteren Kapiteln!
Lg
Von:  Dig_Dug
2018-01-13T19:41:51+00:00 13.01.2018 20:41
Hey :)

Finde die Idee wirklich genial weil ich sowas im Fandom Naruto noch nie gelesen habe :) Hat wirklich etwas märchenhaftes an sich *.*
Man merkt richtig, wie sehr Sakura mehr über ihre Zukunft herausfinden will und ich hab richtig mitgefiebert :D Leider hat sie ja nicht besonders viel erfahren aber vielleicht ändert sich das ja noch? ;)

Und Naruto hast du wirklich super getroffen xD Ist ja klar das er aus allem einen Wettbewerb macht und schon jetzt mit seinen zwei Kindern angibt ;)
Bin schon gespannt ob Kakashi auf die Flirtversuche der alten Hexe eingehen wird xD Die Szene fand ich wirklich mega :D

Mir gefällt dein Schreibstil und ich hoffe, dass ein neues Kapitel nicht lange auf sich warten lässt :)
In der Zwischenzeit werde ich mir noch deine anderen Storys durchlesen - damit die Wartezeit etwas kürzer wird :)

Liebe Grüße
Dig_Dug

Antwort von:  Des-C-Kudi
14.01.2018 14:13
Hey Dig_Dug :)

mensch, voll cool, dass du dich hier hin verirrt hast, habe mich mega über dein liebes Feedback gefreut :) Gut zu wissen, dass du mit Sakura mitgefiebert hast- kann über das nächste Kapitel noch nicht so viel verraten, aber deine Vermutungen gehen schon in die richtige Richtung^^

Hehe, Naruto darzustellen ist meiner Meinung nach (im Gegensatz zu Sasuke) noch recht einfach. In dem Alter war er ja ein echt vorlauter Wildfang, was sich später nur etwas gelegt hat. Hahaha, und ich kann dir schon mal an dieser Stelle verraten, dass Kakashi nicht auf ihre Annäherungsversuche eingehen wird, dazu ist der Altersunterschied doch zu groß.^^

danke, dass dir mein Schreibstil zusagt :) Leider hänge ich gerade in der Prüfungsphase fest >.< Und im Gegensatz zu dir bin ich eine echt laaahme Schreiberin. Werde aber versuchen, dass Update nicht all zu lange auf sich warten zu lassen. Das erinnert mich daran, dass ich das neuste Kapitel von invisible noch nicht gelesen habe. Mache das, sobald ich einpaar ruhige Minuten für mich habe :)

Ach, so viele Stories habe ich bisher nicht geschrieben. Aber wenn du gerne stöbern möchtest (also nur, falls du wirklich willst), kannst du gerne dir "Der lange Weg nach Hause" reinziehen; das ist gerade mein Hauptprojekt. Danke nochmal für deine liebe Rückmeldung, freue mich riesig, dass dir mein Geschreibsel gefallen hat. Sehe das als Riesenkomppliment an, weil ich ja weiß, wie du so schreibst :) Liebe Grüße!
Antwort von:  Dig_Dug
15.01.2018 18:52
Den Kommentar habe ich sehr gerne geschrieben :) Der Anfang ist wirklich viel versprechend und da ich Märchen liebe hat es mir besonders gefallen ;) ♥

Mach dir keine Sorgen wegen der langen Pause zwischen den Updates - ich kann auch nur so pünktlich die Kapitel hochladen weil ich schon vor dem Veröffentlichen die Story fertig geschrieben habe ;)
Prüfungen sind immerhin wichtig :)

Hab schon ein Auge auf dein Hauptprojekt geworfen :) Leider habe ich es noch nicht geschafft sie zu lesen aber werde das auf jeden Fall nachholen sobald ich eine ruhige Minute dafür finde :)

Liebe Grüße ♥
Antwort von:  Des-C-Kudi
19.01.2018 23:44
Ach so, das erklärt es natürlich^^ Ich schreibe so langsam; wenn ich Stories erst nach dem Abschließen hochladen würde, würden bestimmt jedes Mal fünf Jahre vergehen xD Aber finds cool, dass du so zielstrebig bist beim Schreiben *Daumen hoch*

Bin froh, wenn die ganzen blöden prüfungen vorbei sind, zieht sich allerdings noch hin D:

Lies es nur, wenn du Lust hast, Weiß ja nicht, ob es deinen Geschmack trifft, also nicht gezwungen fühlen oder so^^ Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächsten Kapitel von invisible!

Liebe Grüße <3
Von:  SasuSaku1
2018-01-11T12:41:48+00:00 11.01.2018 13:41
Ich finde die Geschichte klasse und ich würde mich freuen wenn du weiter schreibst.

SasuSaku1
Antwort von:  Des-C-Kudi
12.01.2018 18:28
Hey SasuSaku1,
danke für dein liebes Feedback! Ich bin gerade nur etwas zeitlich eingespannt, sobald wieder etwas mehr Luft nach oben ist, schreibe ich auch bald weiter. Die Story wird nicht abgebrochen, versprochen :) Liebe Grüße!


Zurück