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Monstrum

von

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I gave up everything

♫ Oh how I love you

The pain won't go away

Oh when I need you

You're always so far away

I cry for you

Leaving myself to blame

I died for you

I gave up everything ♫

 

Schattenhaft hoben sich die Gestalten empor, drohten alles, was ihm wichtig war, zu verschlingen - bis ihm eine Lichtgestalt die Hand reichte, die Schatten verblassen und ihn beinahe vergessen ließ, dass sie noch immer da waren, bereit, ihn jeden Moment zu verschlingen. Dann aber schwand das Licht, die Dunkelheit nahm zu, schwarze Hände streckten sich aus. Gabriel wollte schreien, wollte die Lichtgestalt warnen, nach der er die Hände ausstreckte und um die er schließlich die Arme schlang. Leise, jedoch mit enervierender Vehemenz konnte er das Pochen seines Herzens hören, kaum übertönt von einem tonlosen Flüstern. Verräter. Verräter und Feinde. Überall. Overwatch wird fallen. Verräter.

Schwer atmend wachte Gabriel auf. Sein Puls raste, sein Atem klang rasselnd und abgehetzt. Für einen Augenblick schloss der Latino fest die Augen, ehe er sie wieder öffnete und sich widerwillig von dem unbequemen Bett erhob. Träume wie diese suchten ihn schon seit langem heim, immer wieder mal, immer, wenn er glaubte, sie weit genug zurückgedrängt zu haben. Gabriel war sich nur allzu sehr darüber im Klaren, was seine Alptraumvisionen bedeuteten und warum sie ihm selbst nach all der Zeit noch immer jedes Mal den kalten Angstschweiß ausbrechen ließen. Diese Angst, dieser Schmerz würde niemals enden, nicht solange er atmete und sich erinnerte. Für ihn konnte es keinen Frieden geben. Vielleicht niemals.

Die Wärme der Sonne vermochte ihn an diesem Morgen nicht zu erreichen, obgleich das helle Licht ihn trotz des halbherzig vorgezogenen Plissees blendete. In seinem Innersten hatte der Traum eine Kälte hinterlassen, die ihm über den Rücken kroch und sich hartnäckig hielt. Sogar noch, als Reaper das kleine Motel längst hinter sich gelassen hatte und den Angaben Sombras folgte, die ihm diese über den kleinen Kommunikator gab, der in seinem linken Ohr steckte und den er am Vorabend noch so geflissentlich abgelegt hatte.

 

Sein nächster Einsatzort war eben jenes Schlachtfeld, an dessen Rand er gestern Nacht bereits gestanden hatte und dessen Überlebende nicht selten in die heilenden Hände eben jener Ärztin übergeben wurden, die er besucht hatte. Das Schicksal hatte einen seltsamen Sinn für Humor, befand Gabriel im Stillen, als er Sombras Hinweisen folgte. Sie hatte hier einen unteridischen Geheimkomplex ausgemacht, in dem - zumindest hoffte Talon das - sich nicht nur eine hochmoderne Waffe im Teststadium befand sondern obendrein auch noch die entsprechenden Forschungsunterlagen.

Reaper hielt sich nicht erst damit auf, sich durch diese oder jene Reihe von Soldaten zu schleichen. Er wählte den direkten Weg. Mitten hinein. Schwarzer Rauch, der sich unaufhaltsam seinen Weg bahnte, zwei Späher überrumpelte, die mit dem Leben dafür zahlten und schließlich an einer Hausruine ankam, die mehr als eine Bombe kennengelernt haben musste. Einschläge in den Wänden verrieten, dass hier Schusswechsel stattgefunden haben mussten und sich vielleicht auch jetzt noch Menschen hier aufhielten, verborgen, verbarrikadiert aus Furcht vor Angreifern. Für sie allerdings interessierte sich Gabriel nicht. Zumindest nicht, solange sie ihn nicht angriffen. Sollten sie nur zitternd bleiben, wo sie waren.

Unter seinen schweren Stiefeln knirschte der Stein, während der Assassine die Ruine erkundete. Einige Räume waren eingestürzt, überall lag Schutt und unter diesem ein Toter. Der Mann war wohl von der herabstürzenden Decke überrascht worden und lag nun unter dieser begraben. Seine Beine und ein Arm ragten heraus wie ein Mahnmal an alle, die vorübergingen. Über der ganzen Gestalt lag bereits eine dichte Staubschicht. Zwei, vielleicht drei Tage tot, mutmaßte Gabriel und stieg über die Beine des Verblichenen hinweg. Opfer wie diese und weitaus schlimmer zugerichtet hatte er bereits zu Hunderten gesehen und hinterlassen. Es berührte ihn längst nicht mehr.

 

Unbeirrt stapfte Gabriel durch die Ruine, kletterte gelenk in das obere Stockwerk, indem er eben jene eingestürzte Decke nutzte, unter der der Tote lag. Die Treppe selbst war nämlich völlig verschüttet und unpassierbar. Von draußen hörte er Schritte. Vermutlich nur ein weiteres armes Schwein, schlecht bis gar nicht ausgebildet, dem man eine Waffe in die Hand gedrückt hatte, damit er gegen die Regierung kämpfte. Die meisten Terrorristen hier waren so. Die meisten hatten keine Wahl. Ihre Dörfer waren besetzt worden, ihre Familien bedroht. Sie kämpften nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst und mit dem Mut der Verzweiflung. Früher einmal hätte Gabriel sich darüber geärgert. Solche Gegner zu bekämpfen hatte jeder bei Overwatch gehasst, weil diese eben selbst Opfer waren. Die echten Täter, die wirklichen Terrorristen verbargen sich dahinter, planten und polarisierten, nutzten ihre Macht, um Reichtümer anzuhäufen und Menschen zu unterdrücken.

Gabriel sah sich um. Wohnungen. Das hier waren ganz normale Wohnungen gewesen. Wenn es hier wirklich eine Forschungseinrichtung gab, dann war sie wirklich gut versteckt, denn die Bewohner hätten doch jemand Ein- und Ausgehen sehen müssen, oder? Hinweise auf etwas von Interesse jedenfalls gab es hier nicht. Mit einem Satz landete Reaper wieder im Erdgeschoss, um dieses weiter zu durchsuchen. Jede Tür riss er auf, jedes Zimmer nahm er kurz in Augenschein, doch auch hier fand sich kein Hinweis darauf, dass Sombras Informationen der Wahrheit entsprachen.

"Sombra", meldete sich der Dunkelgewandete über seinen Kommunikator und wurde sofort mit einem "Für dich bin ich ganz da, gordito" belohnt, das ihm ein Seufzen entlockte. "Hier gibt es nichts. Bist du sicher, dass das hier das richtige Gebäude ist?" Einen Moment lang blieb es still, doch Gabriel wusste, die Hackerin ortete ihn vermutlich gerade und würde gleich Rückmeldung geben. "Absolut richtig, du stehst praktisch mitten drin." Missmutig brummelte er, dann blieb es wieder still in der Leitung.

 

Verborgen hinter einem Regal und halb vergraben von Schutt herabgebrochenem Putz fand Gabriel schließlich einen Durchgang. Er hasste solche Missionen. Als wäre er ein Spürhund. Viel lieber wagte er sich direkt in die Höhle des Löwen, doch Herumgesuche nach dieser nervte ihn eher. So war es schon früher gewesen. Dafür hatte er immer schon Leute wie Sombra gehabt. Hacker, Spitzel, Menschen, die unter dem Radar tätig waren und deren tägliches Brot es war, an Informationen zu gelangen, an die man eigentlich nicht kommen konnte. Dass selbst zu Blackwatch-Zeiten die meisten dieser Kontakte ohne den geringsten Zweifel als Kriminelle durchgegangen waren, hatte Gabriel dabei wenig gestört. Solange er sie unter Kontrolle halten konnte, war alles gut. Sollten sie sich nützlich machen und wenn nicht, dann würden sie im Knast landen. Mit solchen Deals hatte er einige geködert.

Angela, erinnerte er sich, hatte das nie gut geheißen. Sie hatte die Ideale Overwatchs hochgehalten, doch sogar Jack hatte einsehen müssen, dass Blackwatch für das größere Gut nötig war und man manche Regeln besser beugte, wenn man Prioritäten setzte. Wie oft hatten sich er und Angela in den Haaren gehabt, hatten einander sogar angeschrien? Oft genug. Gabe hatte das immer bereut. Es hatte ihm vor Augen geführt, dass zwischen ihr und ihm eine Kluft lag, die schier unüberwindbar war. Er hatte so sehr an ihrer Seite sein wollen - wollte es noch heute! - allerdings hatte Gabriel ihre hohen Ideale nie ausfüllen können, wenngleich er diese festen Überzeugungen an Angela immer geliebt hatte. Sie war so nah gewesen und doch so unerreichbar fern. Hätte Gabriel jemandem die Schuld daran geben wollen, so hätte er sie nur sich selbst geben können. Wäre er ein besserer Mann gewesen, hätte sie ihn vielleicht mit anderen Augen gesehen und er hätte diesen sanften Blick auf sich ruhen spüren können, mit dem die schöne Ärztin seinen besten Freund bedachte. Hätte. Aber nein. Er hatte all dies längst aufgegeben und die Maske Reapers angelegt.



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