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Auf der anderen Seite des Lichts

von

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Duell des Schicksals

Pitsch… Pitsch…

Das Erste, was durch die alles erstickende Dunkelheit der Ohnmacht wieder in Darks Bewusstsein drang, war das Geräusch von tropfendem Wasser.

Leise stöhnend schlug der junge Mann blinzelnd die Augen auf. Er fühlte sich ein wenig seekrank oder als hätte er einen harten Schlag in den Nacken bekommen, doch der Schwindel und die leichte Übelkeit waren augenblicklich vergessen, als Dark seiner Umgebung gewahr wurde.

Anstatt sich noch immer in dem Kellergewölbe von Ganons Schloss zu befinden, lag er auf einer kleinen Insel aus aufgeschüttetem Sand, die von einem undurchdringlichen Nebelmeer umwabert wurde. Die Sichtverhältnisse waren dermaßen schlecht, dass Dark nicht einmal sagen konnte, ob er unter freiem Himmel oder in einer Höhle zu sich gekommen war. Einzig und allein der Hall des tropfenden Wassers ließ ihn vermuten, dass er in einer Höhle oder dergleichen aufgewacht war.

Mit heftig schlagendem Herzen rappelte Dark sich auf und klopfte sich den Sand aus Kleidung und Haaren. Hinter ihm stand ein toter Baum, dessen kahle Äste seltsam verkrüppelt emporragten.

„Wie eine Geisterhand, die nach der Seele eines Menschen greift…“, schoss es Dark unwillkürlich durch den Kopf und er konnte nur mit Mühe ein Schauern unterdrücken.

Obwohl der junge Schattenweltler in seinem Leben bereits deutlich Schlimmeres gesehen hatte, kroch ihm beim Anblick des halbverfaulten Baums eine Gänsehaut über den Körper. Alles an dieser Baumleiche strahlte Tod und Verwesung aus und erinnerte Dark an die schlimmsten Zeiten seiner Vergangenheit.

Auf einmal hatte er wieder den schweren, süßlichen Geruch von Arns Blut in der Nase; spürte wieder die Ausgezehrtheit und Einsamkeit seiner Monate in der Wildnis, bevor Shadow ihn gefunden hatte. Plötzlich schmeckte er wieder die Panik, die ihn überkommen hatte, als er die Rauchsäulen über seinem Heimatdorf entdeckt hatte; fühlte wieder die lähmende Verzweiflung, die ihn beim Anblick von Zeldas Leiche ergriffen hatte.

Am liebsten hätte Dark den Blick abgewendet, doch eine morbide Faszination heftete seine Aufmerksamkeit an den Gespensterbaum. Es erschien Dark unmöglich, wegzusehen.

Der Stamm des Baums war von feinen Kondenswasserperlen überzogen, sodass seine Borke aussah wie mit Glassplittern gespickt. Auf einer Seite war ein wenig Rinde abgeplatzt und die so entstandene Furche zog sich wie eine Fleischwunde in Richtung Wurzeln.

Darks Augen blieben jedoch an einem einzelnen Blatt hängen, das sich in einem leichten Luftzug bewegte. Genau wie der Rest des Baumes war auch das Blatt schon vor langer Zeit abgestorben und noch am Zweig hängend vermodert, bis nur noch das Gerippe seiner Adern übrig geblieben war.

Dieser trostlose Anblick rief in Dark die Erinnerung an die abgenagten Knochen seiner Eltern wach und der junge Mann schaffte es endlich, sich von dem Baum abzuwenden.

Er spürte deutlich den tiefen Riss, der sich durch seinen Eispanzer zog und den Blick frei gab auf die überwältigende Trauer, die Angst, die Verzweiflung, die Schuldgefühle und das bohrende Gefühl des verlassen-worden-Seins, die Dark seit dem Tod seiner Eltern mit sich herumtrug und die sich im Laufe der Jahre mehr und mehr aufgestaut hatten.

Dark war bewusst, sollte sein Panzer je brechen, dann würde er selbst unter dem Gewicht seiner eigenen Emotionen ebenfalls zerbersten.

Einzig und allein Zelda war in der Lage gewesen, ihm die erforderliche Kraft zu geben, um sich dem eigenen Innersten zu stellen.

Sie hatte ihm das Gefühl gegeben, alles schaffen zu können.

Doch nun war sie fort und er klammerte sich verzweifelt und mit stetig sinkender Hoffnung an die fixe Idee seine Frau mit ihrem Mittelwelt-Pendant ersetzen zu können.

Plötzlich drängte sich ihm ein Gedanke auf und Darks Augen wanderten wie magisch angezogen zu dem vermoderten Blatt zurück. Auf einmal war ihm klar, warum ihn der Anblick des toten Baumes innerlich so in Aufruhr versetzte: Auf eine verquere Art und Weise erkannte er sich selbst in der Baumleiche wider!

Er fühlte sich ausgebrannt und leer und obwohl er sich stur an die Aussicht auf ein besseres Leben klammerte, wusste er tief in sich, dass ein Teil von ihm irreparabel beschädigt war.

Etwas in ihm war bereits tot.

Dark konnte nicht sagen, ob dieses Etwas in dem Moment gestorben war, in dem er seinen Vater erstochen hatte, oder ob er es womöglich selbst getötet hatte, als die Trauer und die Wut über die Ungerechtigkeit des Schicksals ihn schier wahnsinnig gemacht und dazu getrieben hatten, sämtliche Emotionen unter einem Eispanzer zu begraben. Vielleicht war jener Teil auch erst abgestorben, als er Zeldas Leichnam in den Armen gehalten hatte.

Dark wusste es nicht, aber es spielte eigentlich auch gar keine Rolle. Für die Zukunft zählte nur, ob der tote, verwesende Teil auch noch den Rest seiner Seele verpesten würde.

Würde er nach und nach innerlich verrotten, bis nichts mehr von ihm übrig war als seine äußere Hülle – genauso wie es bei dem Blattskelett, das noch immer am Baum hing, der Fall war?

Fiel es ihm deswegen so schwer, die Hoffnung auf ein glückliches Leben aufrecht zu halten, weil er tief in sich bereits ahnte, dass er gar nicht mehr in der Lage dazu war, Freude zu empfinden?

Wie würde er reagieren, wenn er auf die Mittelwelt-Zelda treffen und nichts weiter empfinden würde als Trauer?

Was war ein Leben wert, in dem man nichts weiter fühlte als Verzweiflung und Schmerz?

Dark zeichnete das Aderskelett des Blattes mit den Augen nach und schüttelte den Kopf über sich selbst.

Was dachte er denn da?!

Er hatte keine Todessehnsucht!

Das hatte er deutlich gemerkt, als Ganon ihm eröffnet hatte, dass ein dämonischer Teil in seinem Körper zurückgeblieben war und dem Großmeister des Bösen die Macht verlieh, Darks Leben mit nur einem Fingerzeig ein Ende zu bereiten.

Bei dem Gedanken daran, wie einfach er auszulöschen war, hatte sein Herz gerast und Panik hatte ihm das Atmen schwer gemacht. Selbst jetzt – weit weg von dem Dämonenprinzen – schnellte sein Puls bei der Erinnerung an jenen Moment noch immer in die Höhe.

Nein, er wollte nicht sterben.

Er war lediglich vollkommen erschöpft, weil sein Leben sich in den letzten Monaten überschlagen hatte. Alles, was er brauchte, war ein wenig Ruhe – und die würde er bekommen, sobald diese letzte Mission überstanden war.
 

Sich selbst gut zusprechend blickte Dark sich weiter um. In einiger Entfernung schienen ein paar Fackeln zu brennen, deren Feuerschein durch die Wassertropfen im Nebel gebrochen und bis in weite Ferne getragen wurde. Dennoch waren die Feuer nur als flackernde orangerotgelbe Flecken zu erkennen. Der Nebel war so dicht, dass Dark nur wenige Meter weit gucken konnte und sich deswegen auf seine allernächste Umgebung beschränken musste, um etwas über seinen Aufenthaltsort herauszufinden.

Allem Anschein nach befand er sich in einer Art Tempelraum, jedenfalls war der Boden rund um die Insel mit kunstvoll bemalten Fliesen ausgelegt. Die aus verschiedenen Blautönen bestehenden Zeichnungen auf den Bodenplatten schien die Geschichte eines Volkes von Fischwesen zu erzählen, das Dark an Sagen aus seiner Kindheit erinnerte.

Angeblich gab es auch in der Schattenwelt einen in Gebirgsflüssen lebenden Stamm von Fischmenschen. Doch schon seit Generationen war kein Zora mehr gesehen worden, weswegen Arn immer behauptet hatte, ihre Existenz sei lediglich ein Ammenmärchen.

Beim Anblick der Fliesenbemalung und das Wissen im Hinterkopf, dass jedes Lebewesen Gegenstücke in den anderen beiden Welten hatte, war Dark sich ziemlich sicher, dass sein Vater sich geirrt hatte.

Ihm gegenüber schimmerte etwas Bläuliches durch die Nebelschwaden, doch selbst mit zusammengekniffenen Augen konnte Dark nicht ausmachen, um was es sich dabei handelte.

Mit den Schultern zuckend verließ der junge Mann die Insel und hielt auf seine Entdeckung zu, um sie sich aus der Nähe anzusehen. Bei jedem Schritt erzeugten die Sohlen seiner Stiefel ein platschendes Geräusch auf dem wenige Zentimeter gefluteten Boden, bei dem sich seine Lippen unwillkürlich zu einem wehmütigen Lächeln verzogen.

Die Kinder im Dorf hatten es geliebt, nach einem Regenguss durch die Pfützen zu stapfen, mit Anlauf hineinzuspringen und sich gegenseitig nass zu spritzen. Zelda hatte sie stets zur Zurückhaltung ermahnt, doch sobald sie mit Dark allein gewesen war, waren sie beide ebenso ungestüm und lachend herumgetollt, bis ihre Kleider vor Dreck gestarrt hatten.

Um sich davon abzulenken, wie sehr er seine Frau vermisste, fokussierte Dark seine Aufmerksamkeit auf das bläuliche Etwas, das durch den Nebel schimmerte.

Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um eine reich verzierte Tür, deren Rahmen mit kostbar wirkenden Intarsien aus Porzellan versehen war. Leider war der Durchgang durch armdicke Eisenstangen versperrt, sodass dem jungen Schattenweltler nichts anderes übrig blieb als umzukehren.

Während Dark gemäßigten Schrittes zur Insel zurückging, fragte er sich, warum Ganon ihn an diesen trostlosen Ort gezaubert hatte.

Der Dämonenprinz hatte gesagt, der Herr der Zeiten würde hier auf ihn stoßen.

Doch was sollte der Mittelwelt-Link hier suchen?

Dark konnte sich nur schwer vorstellen, dass es in diesem nassen, vom Hauch des Unheimlichen durchzogenen Gemäuer irgendetwas gab, das für den Herrn der Zeiten auch nur entfernt von Interesse sein könnte.

Hatte Ganon ihn womöglich hereingelegt?

Möglich. Durchtrieben genug war der Dämonenprinz auf jeden Fall.

Doch zu welchem Ziel?

Oder hatte Ganon ihn gar getötet und dies war die traurige Ewigkeit des Jenseits?

Dark starrte auf der Suche nach einem Anzeichen für Leben angestrengt in den Nebel, jedoch ohne Erfolg. Die Möglichkeit, sich in einer Art Unterwelt zu befinden, erschien ihm gar nicht so unwahrscheinlich.

Aber warum war Zelda dann nicht hier?

Hassten die Göttinnen ihn so sehr, dass sie ihm selbst die letzte Ruhe vermiesen mussten?!

Mit heftig schlagendem Herzen kniff Dark sich fest in den Oberschenkel und atmete erleichtert auf, als er den Schmerz spürte. Zwar fiel ihm keine logische Begründung dafür ein, weshalb man im Leben nach dem Tod keinen Schmerz empfinden können sollte, doch das altbekannte Kribbeln und das Pochen seines Blutes an der gekniffenen Stelle gaben ihm das Gefühl, lebendig zu sein.

Gerade als Dark beschloss die andere Seite des Raums in Augenschein zu nehmen, um endlich herauszufinden, wo er sich befand, ertönte das unverkennbare Knarzen einer sich öffnenden Tür.

Deckung suchend presste Dark sich gegen den toten Baum und starrte in Richtung des Geräusches. Während er den Nebel nach Bewegung absuchte, umfasste er mit der linken Hand das Heft des schwarzen Master-Schwerts, das über seine rechte Schulter lugte. Die andere Hand legte er auf den Griff von Zeldas Schwert, dessen Scheide an seinem Gürtel befestigt war.

Er hatte nicht vor, beide Schwerter gleichzeitig zu ziehen.

Es gab ihm lediglich ein wenig innere Ruhe, etwas zu berühren, das seine Frau einst in der Hand gehabt hatte. Es war fast als hörte er ihre sanfte Stimme, die ihm ins Ohr flüsterte, dass er auf sich aufpassen und siegreich nach Hause kommen sollte.

Dark strich sanft mit dem Zeigefinger über den ins Heft eingelassenen Onyxstern und wunderte sich darüber, dass Ganon ihm Zeldas Schwert nicht abgenommen hatte. Bei seiner Versessenheit, aus Dark eine perfekte Kopie des Herrn der Zeiten zu machen, grenzte es an ein Wunder, dass der Dämonenprinz ihm diese persönliche Habe nicht abgenommen hatte.

Ob Ganon geahnt hatte, dass er Dark andernfalls gegen sich aufgebracht hätte?

Oder besaß der Mittelwelt-Link womöglich ein Gegenstück zu Zeldas Schwert?

Dark verwarf seine Überlegungen schlagartig, als sich eine saphirblau gewandete Gestalt aus den Nebelschwaden schälte. Zunächst war nur die leuchtende Farbe seiner Kleider zu sehen, doch schon bald waren mehr Details des Fremden zu erkennen.
 

Wie vom Donner gerührt, riss Dark die Augen auf und starrte mit offen stehendem Mund zum Herrn der Zeiten herüber.

Er war zwar bereits Shadows Doppelgänger begegnet, doch der König hatte wegen der langen, verfilzten Haare und der zerlumpten Kleidung bei aller Ähnlichkeit zumindest ein wenig anders ausgesehen als Shadow.

Den Mittelwelt-Link anzusehen, war jedoch als blickte Dark in einen Spiegel. Selbst die dunklen Bartstoppeln, die verrieten, dass die letzte Rasur schon ein paar Tage zurücklag, schienen die gleiche Länge zu haben.

Der Herr der Zeiten trat mit rätselnder Miene an den toten Baum heran und Darks Herz setzte einen Schlag lang aus.

War er entdeckt worden?!

Mit schwitzigen Handflächen drückte er sich noch näher an den Baum und machte sich so schmal wie er konnte, um optisch mit dem Stamm zu verschmelzen.

Er war noch nicht bereit dazu zu kämpfen!

Während Dark angestrengt versuchte, seinen inneren Aufruhr wieder unter Kontrolle zu kriegen, schalt er sich dafür, dass er die Wirkung der absoluten Gleichheit unterschätzt hatte.

Zu Darks Erleichterung ließ Link jedoch nur seinen Blick zu dem skelettierten Blatt schweifen, bevor er ein nachdenkliches Gesicht zog und sich in Richtung der versperrten Tür abwandte.

Der junge Schattenweltler ließ langsam die angehaltene Luft wieder aus seiner Lunge entweichen und sank mit zitternden Knien gegen den Baumstamm. Während der selbstsüchtige Teil von ihm triumphierte, dass die Mittelwelt-Zelda niemals in der Lage sein würde, einen Unterschied zwischen Link und ihm zu entdecken, war der Rest von ihm entsetzt darüber, wie jung der Herr der Zeiten noch wirkte.

Sie waren beide beinah noch Kinder…

Urplötzlich kochte die alte Wut auf die Göttinnen wieder in Dark hoch.

Wie pervers war ihr Humor eigentlich, dass sie ihre Schicksalsduelle von einem Helden ausfechten ließen, der kaum dem Knabenalter entwachsen war?

Wie konnten sie es wagen, die Zukunft eines ganzen Reiches auf die Schultern eines unerfahrenen Jünglings abzuwälzen?

Wie konnten sie jemanden, der sein ganzes Leben noch vor sich hatte, in eine derart gefährliche Lage bringen?

Dark lugte um den Baum herum und betrachtete den blauen Farbklecks, der sich zwischen den Nebelschwaden hin und her bewegte.

Inzwischen hatte er den Schock, seinen Doppelgänger zu sehen, verkraftet und er tastete nach einem seiner Wurfmesser, die er in einem kleinen, an seinem Gürtel befestigten Lederbeutel bei sich trug. Der Griff des Messers lag vertraut in seiner Hand, dennoch hatte Dark plötzlich das Gefühl, dass etwas falsch war.

Noch vor einem Tag hätte Dark vermutlich keinerlei Skrupel gehabt, Link hinterrücks zu erdolchen, bevor dieser auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte, zu registrieren, dass er sich überhaupt in Gefahr befand.

Doch nun zögerte Dark…

Das Wurfmesser zwischen den Fingern drehend, lauschte der junge Schattenweltler auf das hitzige Zwiegespräch, das verschiedene Teile seiner selbst miteinander führten.

Der eine Teil erinnerte Dark daran, dass er Ganon nicht über den Weg traute. Der Dämonenprinz hatte bereits bewiesen, dass Absprachen für ihn nur so lange galten wie sie für ihn von Nutzen waren.

Ein anderer Teil strich die besondere Verbindung zwischen Dark und dem Herrn der Zeiten heraus. Sie waren die zwei Seiten ein und derselben Medaille und durch ein ähnliches Schicksal verbunden, obwohl ihnen ein Treffen eigentlich nie vorherbestimmt gewesen war.

Dark beobachtete den Herrn der Zeiten, der anscheinend eine Möglichkeit suchte, die Tür zu öffnen, und bemerkte, dass der Mittelwelt-Link leicht humpelte. Bei diesem Anblick fühlte Dark sich seinem Doppelgänger noch ein wenig näher.

Sie beide waren bestens vertraut mit den Strapazen und Entbehrungen, die ständiges Kämpfen mit sich brachte. Zudem hatten sie sich beide das Leben eines Kriegers nicht ausgesucht. Während Link von den Göttinnen mit einem heiligen Auftrag versehen worden war, war Dark durch seine Lebensumstände an die Waffen gezwungen worden.

Der junge Schattenweltler umfasste den Griff seines Wurfmessers fester und seufzte tonlos.

Allein die Vorstellung, den Mittelwelt-Link zu töten, fühlte sich auf einmal an als würde er das Schwert gegen seinen Zwilling oder gar gegen sich selbst erheben.

Wie konnte man jemanden bekämpfen, der irgendwie ein Teil von einem war?

Den Blick noch immer auf den Rücken des Herrn der Zeiten geheftet, kam Dark eine Idee: Vielleicht konnte er sich ja mit Link gegen Ganon verbünden, den Dämonenprinzen töten und die Mittelwelt in ihrem alten Glanz erstrahlen lassen. Auf diese Weise wäre ihm zwar keine Zukunft mit Zeldas Doppelgängerin gewiss, doch womöglich konnte er sie mit Charme dazu bringen, ihm den Vorzug gegenüber Link zu geben. So müsste er keine Lüge leben und nicht vorgeben, ein anderer zu sein.

Für einen Moment malte Dark sich seine Zukunft in den schillerndsten Farben aus. Er würde ein Held werden und die Bewohner der Mittelwelt würden ihn für seine edle Tat ebenso bewundern und als einen der ihren willkommen heißen wie die Menschen seines Heimatdorfes. Ein entrücktes Lächeln stahl sich auf die Lippen des jungen Mannes, als er sich vorstellte wie Link und er brüderlich zusammenstanden und die Mittelwelt-Gegenstücke seiner Eltern ihn begrüßten als wäre er ihr lang verschollener zweiter Sohn.

Die Bilder seiner Phantasie ließen ein Gefühl von Wärme durch Darks Brustkorb strömen wie er es zuletzt in den Armen seiner Frau gespürt hatte.

Vielleicht brauchte er die Mittelwelt-Zelda überhaupt nicht, um einen Neuanfang zu wagen.

Womöglich war der totwirkende Teil in seinem Innern doch noch nicht völlig abgestorben und würde in einem familiären Umfeld langsam heilen.

In diesem Moment war Dark sich fast sicher, dass er sein Glück auch darin finden würde, seinen Seelenzwilling in einer harmonischen Beziehung zu sehen. Er war kurz davor Zelda und seine verkorkste Vergangenheit loszulassen und sein Schicksal endlich zum Guten zu wenden, doch dann stieß Link einen leisen, aber bildgewaltigen Fluch aus und Dark erinnerte sich wieder an etwas, das seine Träume zerplatzen ließ wie Seifenblasen.

Er konnte sich nicht mit dem Herrn der Zeiten verbünden!

Ganon hatte ihn wegen der dämonischen Anteile in seinem Körper in der Hand.

Sobald Ganon merken würde, dass Dark ihn verriet, würde der Dämonenprinz ihn zu Staub zerfallen lassen wie er es mit dem ehemaligen König Hyrules getan hatte.

Bei diesem Gedanken meldete sich der selbstsüchtige Teil Darks lauthals zu Wort.

Weshalb sollte er sein Leben für eine Welt dahingeben, der er rein gar nichts schuldig war?

Warum sollte er die Seite der Göttinnen unterstützen, wenn er nichts dafür zurückbekam? Wenn alles, was er vom Schicksal je bekommen hatte, lediglich Verlust und Schmerzen waren?

Nein, er würde Din, Nayru und Farore niemals einen Gefallen tun!

Wenn seine einzige Chance zu überleben die Kooperation mit Ganon war, dann würde er eben mit dem Dämonenprinzen zusammenarbeiten und dabei so viel wie möglich für sich selbst herausschlagen!

Dark ließ seinen Blick erneut am Körper des Herrn der Zeiten herabgleiten und sah seinen Doppelgänger plötzlich mit ganz anderen Augen.

Anstatt ihn weiterhin für einen Bruder im Geiste zu halten, dachte Dark bei seinem Anblick auf einmal nur noch an die Unterschiede, die sie trennten.

Link wusste nicht, wie es war in einer Welt wie dem Schattenreich aufzuwachsen…

Er hatte nie erlebt wie es war, wenn man schon von frühesten Kindesbeinen an tagtäglich ums nackte Überleben kämpfen musste.

Er hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlte, wenn man solchen Hunger hatte, dass man bereit war, Dreck zu essen, bloß um den Magen ein wenig zu füllen.

Link kannte auch nicht das Entsetzen, das sich in einem breit machte, wenn man realisierte, dass man den eigenen Vater getötet hatte.

Er hatte nie die entsetzliche Verzweiflung erfahren, die einen ergriff, wenn man die geliebte Frau zu Grabe trug.

Dieser verwöhnte Mittelwelt-Spross hatte keinen blassen Schimmer, was wahres Leid war!

Heiß lodernde Flammen des Neides schlugen in Darks Brust hoch, senkten einen rötlichen Schleier vor seine Augen und vernebelten seinen Geist.

Wie hatte er je über ein Bündnis mit einem Mittelweltler nachdenken können?!

Er hasste jeden einzelnen Bewohner der Mittelwelt dafür, dass so vieles, was er aufs Schmerzlichste entbehrt hatte, für sie selbstverständlich war.

Hatten sie überhaupt den Hauch einer Ahnung, wie gesegnet sie waren?!

Dark zog seine Hand aus seinem Lederbeutel und zückte das schwarze Master-Schwert. Er wollte, dass der Herr der Zeiten wusste, wer sein Leben beendete. Er wollte das Erlöschen des Lichts in Links Augen aus nächster Nähe sehen, um sich absolut sicher sein zu können, dass der Herr der Zeiten tot war.

Er wollte den Göttinnen über jeden Zweifel erhaben beweisen, dass der beste Link ausgerechnet derjenige war, den sie in die Schattenwelt verbannt und vergessen hatten!
 

So leise er konnte, schlich Dark auf den Herrn der Zeiten zu, der gerade damit beschäftigt war, den Rahmen der Tür abzutasten. Dark war seinem Doppelgänger inzwischen so nah, dass er dessen Körpergeruch in der Nase hatte. Link roch nach Heu, Erde und Schweiß mit einem Hauch Moschus.

Mit einem Stich im Herzen dachte Dark daran, dass Zelda ihm mal gesagt hatte, für sie dufte er nach leicht feuchter Baumrinde.

Ob sie Ähnliches über den Herrn der Zeiten gesagt hätte?

Reichte die Gleichheit der beiden Männer soweit, dass die erdige Note ihres Körpergeruchs dieselbe war?

Kaum merklich den Kopf über sich selbst schüttelnd, stieß Dark ein nur halb unterdrücktes, düsteres Lachen aus. Offenbar verlor er allmählich den Verstand, wenn er sich bereits über solche Dinge Gedanken machte!

Link, der so auf die Suche nach einer Möglichkeit, die Tür zu öffnen, fixiert gewesen war, dass er Darks Anwesenheit überhaupt nicht bemerkt hatte, zuckte bei diesem plötzlichen Geräusch heftig zusammen und wirbelte herum.

Als er seinen Doppelgänger erblickte, erbleichte der junge Mann schlagartig und riss panisch die Augen auf.

Bei diesem Anblick lachte Dark erneut auf.

Er wusste aus eigener Erfahrung, wie schockierend der Anblick des eigenen Doppelgängers war, doch er dachte nicht im Traum daran, dem Herrn der Zeiten einen Moment zu geben, um sich von der Schrecksekunde zu erholen. Stattdessen gab Dark sich sogar noch extra Mühe, seinen Blick irre und sein Lachen bedrohlich wirken zu lassen.

Links Adamsapfel hüpfte gut sichtbar auf und ab, als der junge Mann heftig schluckte und nach Fassung rang. Dark brachte sein Gesicht ein wenig näher an das seines Gegenübers und widerstand nur mit Mühe dem Drang, diesen mit „Boo!“ zu begrüßen.

Die Unterlippe des Herrn der Zeiten zitterte, so als suche er angestrengt nach Worten oder als versuche er das Geschehen für sich selbst zu verbalisieren. Dark zeigte Link ein schiefes Grinsen, von dem er wusste, dass es ihn angriffslustig und gefährlich aussehen ließ.

Doch Links Blick verblieb nicht in Darks Gesicht, sondern glitt langsam an seinem Körper herab. Als Link die Waffe in Darks Hand erblickte, schnappte er hörbar nach Luft und taumelte einige Schritte zurück, bis sein Schild mit lautem Scheppern gegen die Eisenstangen vor der Tür prallte.

Der Anblick des schwarzen Master-Schwerts hatte das letzte Bisschen Farbe aus Links Gesicht vertrieben. Dark war sich sicher, dass er noch nie einen derartig blassen Menschen gesehen hatte.

Gerade als er seinen Doppelgänger mit der Bemerkung, er habe schon Leichen mit gesünderer Gesichtsfarbe gesehen, necken wollte, würgte Link eine Frage hervor: „W-Wer bist du?!“ Darks Grinsen wurde noch breiter, als Link kurzfristig die Stimme versagte.

Der Herr der Zeiten hatte offenbar Angst vor ihm.

Gut.

Das würde er ausnutzen, um ein wenig Spaß mit ihm zu haben…

Der Neid auf den Mittelwelt-Link und das Leben, das Dark sich für seinen Doppelgänger ausgemalt hatte, hatte das Eis in seinem Inneren neu sprießen und sämtliche Menschlichkeit überwuchern lassen.

Alles, was Dark in diesem Moment wollte, war Rache.

Rache dafür, dass andere in ihrer Kindheit gehabt hatten, was er sich gewünscht hatte.

Er wollte Link dafür bestrafen, dass es ihm nicht genauso schlecht ergangen war wie ihm selbst!

Dass er damit rein gar nichts erreichen würde, war Dark völlig egal.

Sein Geist war zu sehr von wildem Destruktionsdrang befallen, um noch klar denken zu können.

Mit einem wahnsinnigen Glänzen in den Augen antwortete Dark: „Ich bin du.“

Eigentlich hatte Dark erwartet, dass Link noch verängstigter werden würde, wenn er andeutete, sein fleischgewordener Schatten zu sein – schließlich fürchtete jeder schwarze Magie.

Zu Darks Überraschung zog Link jedoch die Stirn kraus und funkelte ihn erbost an. Sogar seine Wangen bekamen wieder etwas Farbe, als er die Schultern straffte und den Rücken durchdrückte.

Dann blickte er Dark direkt in die Augen und spie ihm entgegen: „Ich würde niemals so ein lächerliches Samtröckchen anziehen. Du siehst aus als wärst du einer Travestie-Vorstellung eines Jahrmarkts entlaufen!“

Dieses Mal war es an Dark, nach Luft zu schnappen.

Es war nicht so, dass Links Beleidigung ihn wirklich getroffen hatte. Tatsächlich hatte er die Tunika ebenfalls albern gefunden, als Ganon sie ihm überreicht hatte.

Doch sie erinnerte ihn an sein Hochzeitswams und das genügte, um leichte Zorneswellen durch seinen Körper schwappen zu lassen.

Seine Heirat war ihm heilig und jeder, der auch nur im Entferntesten etwas dagegen sagte, brachte Dark dadurch gegen sich auf!

Während Dark sein Schwertheft fester umklammerte und gegen den Drang ankämpfte, Link in blinder Wut an die Kehle zu springen, ließ dieser seine Waffe locker um den Zeigefinger kreisen.

Tief durchatmend rief Dark sich in Erinnerung, was Shadow ihm über das richtige Kanalisieren von Wut beigebracht hatte. Er musste seinen inneren Ruhepunkt finden, sonst würde der Kampf womöglich übel ausgehen.

Links kleine Kunststückchen verrieten Dark, dass er einem meisterlichen Schwertkämpfer gegenüberstand. Dies würde womöglich der härteste Kampf seines Lebens werden.

Also ließ Dark sein inneres Eis wuchern, bis es jede Faser seines Seins bedeckte und ihn absolut emotionslos werden ließ. Dann erst antwortete er betont gelangweilt: „Ich glaube, du missverstehst mich. Ich bin deine dunkle Seite, dein Schatten.“

Zunächst zog Link fragend die Augenbrauen zusammen, doch die argwöhnische Miene wich schnell einem Ausdruck völligen Unglaubens. „Ganondorf hat eine Kopie von mir erschaffen?!“ Der Herr der Zeiten klang als wüsste er nicht recht, ob er lauthals lachen oder verängstigt davonlaufen sollte.

Dark rümpfte die Nase.

Wie impertinent die Mittelweltler doch waren…

Offenbar gab es für den Herrn der Zeiten keinerlei Zweifel an der Tatsache, dass er das Original, der «richtige» Link war.

Doch Dark würde ihm schon noch zeigen, wer von ihnen der Einzigwahre war!
 

Es wäre vermutlich ein Leichtes gewesen, sein Gegenüber über ihr tatsächliches Verhältnis aufzuklären, aber Dark wollte sehen, wie lange Link brauchen würde, um selbst auf des Rätsels Lösung zu kommen.

War den Mittelweltlern überhaupt bewusst, dass es das Schattenreich gab? Oder waren dessen Bewohner tatsächlich von allen vergessen?

Zudem genoss Dark die deutlich sichtbare Verwirrung in Links Augen zu sehr, um ihn jetzt schon vom Haken zu lassen.

Deswegen fiel seine nächste Antwort ähnlich kryptisch aus wie die vorangegangenen: „‚Kopie‘ ist das falsche Wort. Schließlich bin ich kein seelenloses Abbild von dir.“

Entgegen Darks Willen hörte man seiner Stimme seine Verbitterung deutlich an. Der Frust über das Schicksal des Schattenreichs und seiner Bewohner hatte sich dermaßen tief in die Seele des jungen Mannes gegraben, das er zu einem stetigen Begleiter, zu einer Art Charaktereigenschaft geworden war.

Sich selbst zur Contenance rufend atmete Dark so unbemerkt wie möglich tief durch.

Er durfte sich nicht in Rage denken!

Wut war ein starker Antrieb, machte ihn jedoch unkonzentriert.

Warum nur schien sein Eispanzer ausgerechnet vor seinem wichtigsten Duell seines Lebens nicht mehr richtig zu funktionieren?!

Dark seufzte innerlich auf. Wenn das alles vorbei war, brauchte er dringend eine Ruhepause…

Etwas ruhiger fuhr er fort: „Zudem habe ich meine eigenen Wünsche und Ziele, die auch nur bedingt mit denen Ganondorfs zusammenfallen. Sagen wir also lieber, ich bin dein Doppelgänger, bei dessen Auftauchen unser geschätzter Großmeister des Bösen ein wenig nachgeholfen hat. Aber ich bin keine seiner Kreaturen.“

Ob Link den beißenden Zynismus hörte?

Dark hätte sich jedenfalls lieber ein Schwert in den Magen gerammt als dem Dämonenprinzen echten Respekt entgegenzubringen.

Er fühlte sich durch die Behandlung, die ihm durch Ganons Phantom zuteil geworden war, und vor allem durch dessen zurückgebliebene Anteile in seinem Körper noch immer beschmutzt und missbraucht.

Doch egal, ob Link Darks Verachtung für Ganon schlicht überhörte oder ignorierte, er ging jedenfalls nicht darauf ein. Stattdessen verstärkte sich der zweifelnde Ausdruck auf seinem Gesicht und er fragte in spottendem Ton: „Ach nein?“

In diesem Moment hatte Dark nicht schlecht Lust, seinem Gegenüber mit der flachen Hand einen Klapps gegen den Hinterkopf zu verpassen.

Unterschied Link sich in seinen kognitiven Fähigkeiten von ihm oder war er selbst tatsächlich auch so beschränkt?!

„Natürlich nicht!“ Dark konnte nicht verhindern, dass seine Stimme zu einem Knurren verkam. Er hasste es, dass Link ihn in die Nähe dessen rückte, was er von Herzen verabscheute.

Er wollte nicht mit Ganon in einen Topf geworfen werden!

„Weißt du, für mich klingt das aber sehr danach. Ganondorf hat dich geschaffen, also bist du seine Kreatur.“ Für seinen provokanten Ton hätte Dark Link am liebsten direkt ins Gesicht geschlagen.

Dann wäre jedoch unweigerlich ein Kampf entbrannt und dazu war Dark noch nicht bereit. Er wollte, dass Link zuerst verstand, dass sie beide ebenbürtig waren. Dass sie beide Geschöpfe der Göttinnen waren, auch wenn diese sich offenbar nur an einen von ihnen erinnerten…

Deswegen fauchte Dark Link lediglich bemüht beherrscht an: „Bin ich nicht! Ganondorf hat mich weder geschaffen, noch zum Leben erweckt. Er hat mich lediglich herübergeholt.“
 

Bei diesen Worten spitzte der Herr der Zeiten interessiert die Ohren und ließ sein Schwert sinken, das er bislang auf Hüfthöhe gehalten hatte – so als wäre er sich unschlüssig, ob er nun zuschlagen sollte oder nicht.

„Herübergeholt? Von wo?“ Link machte ein ratloses Gesicht, das Dark beinah in den Wahnsinn trieb. Es konnte doch unmöglich so sein, dass der Herr der Zeiten keine Ahnung von den verschiedenen Welten und die Besonderheiten ihrer Bewohner hatte.

Oder?!

„Aus dem Schattenreich.“ Man hörte Dark seine Verstimmung darüber, dass er Link auf die Sprünge helfen musste, deutlich an.

Als sich Links irritierte Miene noch verstärkte, stieß der junge Schattenweltler schnaubend Luft aus der Nase aus, sodass sich seine Nüstern blähten wie bei einem Pferd.

Dann zischte er verbittert: „Ihr Mittelweltler seid so ignorant… Ihr lebt hier in dieser wundervollen Welt mit ihren grünen Wäldern, ihrem klaren Wasser, ihrer Artenvielfalt… Doch anstatt zu erkennen, wie gesegnet ihr seid, blickt ihr gedanklich immer nur rüber zum Heiligen Reich, dem Lichtreich, und sehnt euch nach Höherem. Dabei solltet ihr vielleicht einmal in die andere Richtung, aufs Schattenreich schauen. Dann würdet ihr vermutlich erkennen, wie gut ihr es habt.“

Dark konnte es nicht fassen…

Nicht nur die Göttinnen hatten sich von der Schattenwelt abgewandt. Auch die Bewohner der Mittelwelt ignorierten ihre im Elend lebenden Gegenstücke. Offenbar reichte das Desinteresse soweit, dass es in der Mittelwelt nicht einmal mehr Legenden über das Schattenreich gab.

Dabei hätte es für die Bewohner der Mittelwelt genügend Gründe gegeben, sich mit den Schattenweltlern gegen die Göttinnen und ihre Lichtwesen zu verbünden, fand Dark.

Sowohl das Mittel- wie auch das Schattenreich waren von dem überbordenden Luxus der Lichtwelt ausgeschlossen und dämonischen Übergriffen ausgeliefert. Beide Welten waren nicht mehr als Verteidigungsringe, die die Lichtwelt vor den Wesen der Dunkelheit, den Dämonen, schützen sollten.

Dark war sich sicher: Die Bewohner dieser beiden Reiche hatten die Göttinnen nie wirklich interessiert. Din, Nayru und Farore waren in seinen Augen kaltherzige Miststücke, die sich um niemanden außer sich selbst kümmerten.

Während Dark an den trotz allem unerschütterlichen Glauben seiner Eltern dachte und innerlich den Kopf über sie schüttelte, riss Link verblüfft die Augen auf. „Du meinst, es gibt neben unserer Welt und dem Heiligen Reich noch eine dritte Welt?“

Eine Augenbraue in die Höhe gezogen, bedachte Dark sein Gegenüber mit einem nachdenklichen Blick.

Entweder beherrschte der Herr der Zeiten es perfekt, den ahnungslosen Trottel zu mimen, oder er hatte tatsächlich nicht den geringsten Schimmer von was Dark sprach.

Brachte man den Kindern dieser Welt überhaupt irgendetwas bei oder beschränkte sich die Erziehung hierzulande darauf, die eigenen Sprösslinge mit der Flut an verfügbarer Nahrung und Möglichkeiten zu verhätscheln?

Allmählich wich Darks Zorn über Links Unkenntnis trauriger Resignation.

Wie hatte er je etwas anderes glauben können?

Die Schattenwelt und ihre Bewohner waren der Abschaum der göttlichen Schöpfung. Sie erfuhren nicht mehr Beachtung als ein lumpiger Bettler in einer dunklen Seitengasse.

Statt sich weiter zu ärgern, erklärte Dark daher mit leiser Stimme: „Das Schattenreich ist das Gegenstück zum Heiligen Reich. Diese beiden Welten bestehen schon seit dem Anbeginn der Zeit als zwei Seiten einer Medaille. Während das Lichtreich als Heimat der Göttinnen vor Leben nur so strotzt, darbt das Schattenreich, welchem die Dämonen und Schattenwesen entspringen. Das Land ist karg, der Himmel bleiern, das Wasser verschmutzt und Nahrung knapp. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie das ist, dort zu leben, wo jeder jedermanns Feind ist, wo“, er machte eine kurze Pause, um zu schlucken und seine Stimme eben halten zu können, „Eltern ihre Kinder schlachten, um zu überleben.“

Obwohl er sich inzwischen sehr sicher war, dass er damals einem Missverständnis aufgesessen war, lief ihm bei der Erinnerung an den letzten Abend seiner Kindheit ein eisiger Schauer über den Rücken. Arn hatte ihn zwar nicht wirklich töten wollen, doch es war beredt genug, dass Dark es damals für möglich gehalten hatte.

Er war sich sicher, dass es andere Familien gab, wo derlei Gräueltaten tatsächlich stattgefunden hatten…

Link hatte bei der Pause aufgemerkt und öffnete nun den Mund, um etwas zu sagen, doch Dark ließ ihn nicht zu Wort kommen: „Eure Welt hingegen ist noch vergleichsweise jung. Din, Farore und Nayru schufen sie eines Tages als eine Art Schutzwall zwischen Licht- und Schattenreich. Ihr seid also sozusagen zwischen Licht und Schatten eingeklemmt, zwischen Gut und Böse.“

Der junge Schattenweltler grinste von seinem eigenen Galgenhumor amüsiert, als er das Bild verbalisierte, das sich ihm ungefragt vor das geistige Auge geschoben hatte: „Vermutlich waren die Lichtwesen die ständigen Übergriffe der Schattenweltler leid. Ist ja auch lästig, wenn bei einem Festbankett plötzlich ein paar Bettler auftauchen…“
 

Für einen Moment fragte Dark sich, ob er sich ein wenig am Riemen reißen sollte. Womöglich war es ein Fehler, seine Frustration, seine ohnmächtige Wut und vor allem seine seelischen Wunden so deutlich zu zeigen – immerhin war Link sein Gegner.

Andererseits hatte der Herr der Zeiten kaum eine Möglichkeit, dieses Wissen gegen Dark zu verwenden. Außerdem bereitete der verwirrte Ausdruck in Links Augen Dark dermaßen diebische Freude, dass er es dafür in Kauf nahm, dem Herrn der Zeiten womöglich zu viel von sich zu zeigen.

Er konnte förmlich sehen wie Links Vertrauen in die Göttinnen erste Risse bekam. Es brauchte nicht mehr viel und der Herr der Zeiten würde vom Glauben abfallen.

Dark grinste düster in sich hinein.

Das war perfekt!

Zuerst würde er ihren auserwählten Helden dazu bringen, sich von den Göttinnen abzuwenden, und auf diese Weise auf intellektueller Ebene über sie dominieren. Dann würde er den Herrn der Zeiten im Kampf besiegen und das Schicksal der Licht- und Mittelwelt in Ganons Hände legen, damit dieser in seiner dämonischen Zerstörungswut Darks Rache perfektionierte.

Die Göttinnen sollten ruhig am eigenen Leib erfahren, was es bedeutete, um das eigene Überleben zu bangen…

Vielleicht hatte Dark ja sogar Glück und Ganon, Nayru, Din und Farore brachten sich gegenseitig um. Auf diese Weise erführe der Schattenweltler nicht nur Genugtuung für das Elend, das er erleiden musste, sondern auch die Bedrohung durch Ganon würde sich in Luft auflösen.

Um den Keil, der sich zwischen Göttinnen und auserwähltem Helden andeutete, noch tiefer zu treiben, stichelte Dark: „Das klingt so gar nicht nach den edlen Göttinnen, die in euren Geschichten beschrieben werden, nicht wahr?“

„In der Tat.“ Links trauriger Unterton war wie Musik in Darks Ohren.

Den günstigen Moment ausnutzend schob er schnell nach: „Auch das Triforce ist eigentlich kein Zeichen für göttliche Gnade. Tatsächlich wollten Din, Farore und Nayru euch Mittelwelter gänzlich schutzlos lassen, doch ein paar feinfühlige Lichtwesen hatten wohl Mitleid mit euch und überredeten die drei dazu, euch mit dem Triforce zumindest die Möglichkeit zur Verteidigung gegen die Dämonen zu geben. Dass daraus auch eine große Bedrohung für euch erwuchs, haben sie wohl nicht gesehen.“

Dark hörte bereits das Fundament von Links Glauben brechen, doch dieser überraschte ihn mit nahezu vollständiger Indifferenz: „Also gut, möglicherweise ist unsere Schöpfung nicht so abgelaufen wie ich bislang glaubte. Aber was hat das mit dir und mir zu tun?“

Dark knurrte stumm in sich hinein.

Wann war Link ihm vom Haken gesprungen?

Und warum hatte er es nicht gemerkt?

Hatte er etwa zu dick aufgetragen?

Um sich ein wenig Zeit zur Neuordnung seiner Strategie zu erschleichen, antwortete Dark wahrheitsgemäß: „Nahezu jedes Individuum hat in den anderen Welten ein Pendant damit das Gesamtgefüge im Gleichgewicht bleibt.“

„Willst du damit sagen, dass im Heiligen Reich ein dritter Link rum läuft?“ Der aufgeregte Tonfall des Herrn der Zeiten erinnerte Dark unangenehm an seine Kindheit.

Oh, wie hatte er sich damals über die Vorstellung gefreut, mit den anderen Links zu spielen!

Und was war von diesem Traum übrig geblieben?

Nur ein Haufen Scherben…

„Nein. Du gehörst zu den wenigen Ausnahmen, die nur ein dunkles Abbild haben.“ Darks Antwort kam langsam und ein wenig stockend, weil er gedanklich noch in seiner Kindheit war. Außerdem war er sich nicht sicher, ob es besonders klug war, dem Herrn der Zeiten zu erklären, was ihn so besonders machte.

Andererseits konnte Link mit diesem Wissen vermutlich nicht besonders viel anfangen…

Also erzählte Dark ihm auf seine Nachfrage hin alles, was er über die verschiedenen Doppelgänger und das Wechseln zwischen den Welten wusste. Er berichtete ihm von den acht Lichtwesen, die sich dem Schutz der Mittelwelt verschrieben hatten und von Ganons Ausbruch aus der Schattenwelt und was dies alles für die eigentlichen Bewohner der Mittelwelt zu bedeuten hatte.

Link sah aus als platzte ihm vor lauter Informationen der Kopf, doch als Dark schließlich endete, nickte er und sagte: „Ich denke, ich verstehe es.“

Dark zog die Unterlippe zwischen die Zähne und fragte sich, ob sein Gegenüber tatsächlich begriffen hatte, was er ihm erklärt hatte. Es hätte ihn zumindest nicht verblüfft, wenn Link nur so tat als hätte er ihm folgen können. Tatsächlich war sich Dark nicht einmal selbst sicher, ob er alles verstanden hatte.

Bevor er sich darüber den Kopf zerbrechen konnte, platzte Link in seine Gedanken: „Aber eine Frage habe ich noch: Du hast vorhin gesagt, du hättest deine eigenen Ziele. Welche?“

Eigentlich hatte Dark vorgehabt, Links Glauben zu zerschmettern, bevor er das Schwert gegen ihn erhob. Angesichts dieser Steilvorlage verwarf der Schattenweltler diesen Plan jedoch wieder.

Link machte sowieso nicht den Eindruck als gäbe es bei ihm viel, das erschüttert werden konnte. Paradoxer Weise schien der von den Göttinnen auserwählte Held eine nicht besonders gläubige Person zu sein…

Also verzog Dark die Lippen zu einem wölfischen Grinsen und antwortete in beinah süffisantem Ton: „Ich will nie wieder zurück in die Schattenwelt. Ich will einen Platz in diesem Reich – deinen Platz!“

Mit diesen Worten riss Dark sein schwarzes Master-Schwert hoch und ließ die rasiermesserscharfe Schneide in einem atemberaubenden Tempo auf Link niedersausen.
 

Darks Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben, als er nur wenige Millimeter an Links Schulter vorbei schlug. Eigentlich hätte er den Herrn der Zeiten mit nur diesem einen Schwertstreich niederstrecken können.

Doch Dark war zu eitel, um diese Chance auszunutzen.

Stattdessen wollte er einen ernsthaften Kampf, in dem er seine Überlegenheit zur Schau stellen konnte. Zwar glaubte er fest daran, dass Link der härteste Gegner war, dem er je gegenüber gestanden hatte. Dennoch hatte er keinerlei Zweifel daran, dass er in der Lage dazu war, mit ihm Katz und Maus zu spielen.

Und genau das wollte er tun…

Alles an ihm dürstete danach, den von den Göttinnen erwählten Helden vorzuführen, um Din, Farore und Nayru zu beweisen, was für einen gewaltigen Fehler sie durch ihre Ignoranz dem Schattenreich gegenüber gemacht hatten.

Er war der Link dieser Generation, der die Gunst der Göttinnen verdiente – nicht dieser verwöhnte Mittelweltler!

Wie erhofft zerrte der Herr der Zeiten in Windeseile seinen Schild nach vorn und setzte zum Schlag an.

Von einem leisen Lachen begleitet, brachte Dark sich jedoch mit einem Rückwärtssalto aus der Gefahrenzone, bevor Links Klinge ihm auch nur ansatzweise hatte gefährlich werden können.

Dark wusste, kräftemäßig würden Link und er sich nicht großartig unterscheiden. Deswegen musste er seine Schnelligkeit und Geschicktheit ausspielen, um dem Herrn der Zeiten das Gefühl zu geben, absolut unterlegen zu sein.

Ein schaler Geschmack breitete sich auf Darks Zunge aus, als er an Shadow dachte und seinem ehemaligen Meister stumm dafür dankte, dass dieser ihm in schier endlos wirkenden Lektionen beigebracht hatte, schon anhand kleinster Bewegungen die nächste Aktion eines Kontrahenten vorauszusehen. Dies würde ihm nun sehr zum Vorteil gereichen.

Als Dark den verdatterten Gesichtsausdruck seines Kontrahenten bemerkte, schwoll sein leises Kichern zu lautem Gelächter an. Link blinzelte irritiert und löste seine Augen endlich von der Stelle, wo Dark nur wenige Sekunden zuvor noch gestanden hatte. Offenbar konnte der Herr der Zeiten kaum glauben, dass der Schattenweltler in der Lage dazu gewesen war, seinem gewaltigen Streich auszuweichen.

„Du wirst dir mehr einfallen lassen müssen, wenn du mich besiegen willst. Schließlich bin ich das perfekte Gegenstück zu dir – in jeder Beziehung.“ Dark entblößte in einem wölfischen Grinsen seine Zähne und weidete sich an dem verunsicherten Eindruck, den Link machte.

Dieser verstärkte sich sogar noch, als Dark Ganons Forderung erfüllte und jede Bewegung des Herrn der Zeiten perfekt imitierte.

Wann immer Link einen Schritt nach vorn machte, wich Dark genau eine Schrittlänge zurück. Wenn Link das Schwert erhob, tat Dark es ihm gleich und parierte den Schlag mit einer exakten Kopie des Schwungs. Stand Link still, bewegte Dark sich ebenfalls nicht und machte sich einen Spaß daraus, selbst den Ausdruck auf Links Gesicht nachzuahmen, was diesen sichtlich enervierte.

Man mochte von Ganon halten, was man wollte, doch eines musste man dem Dämonenprinzen lassen: Er kannte seinen Feind!

Darks Verhalten irritierte Link so sehr, dass er immer wieder patzte und Anfängerfehler machte.

Es wäre für Dark ein Leichtes gewesen, einen dieser Schnitzer auszunutzen, Links Verteidigung auszuhebeln und ihn mit nur einem taktisch platzierten Hieb niederzustrecken.

Doch er wollte seinen Gegner nicht nur besiegen.

Er wollte ihn vernichtend schlagen!

In seinem Kopf beobachteten die Göttinnen diesen Kampf und bangten um das Leben ihres auserwählten Helden.

Dark weidete sich an der Vorstellung, dass Din, Nayru und Farore während des langen Duells immer mehr die Hoffnung verloren und schließlich verzweifelten, wenn sie erkannten, dass ihr Kämpfer absolut chancenlos und dem Tode geweiht war.

Von diesem imaginierten Bild angetrieben, beschied Dark, dass er lange genug Katz und Maus gespielt hatte.

Es war an der Zeit, endlich ernst zu machen!
 

Mit einem wahnsinnigen Glänzen in den Augen drosch Dark immer wieder auf Links Schild ein, so als hoffte er darauf, den Stahl spalten zu können. Der Herr der Zeiten ächzte bei jedem abgeblockten Schlag und taumelte wenige Schritte zurück. Dabei verzog er sein Gesicht zu einer gequälten Fratze, was Dark aufmerken ließ.

Offenbar hatte Link sich vor nicht allzu kurzer Zeit den Schildarm verletzt.

„Das kommt ja wie gerufen…“ Dark grinste breit, was ihm zusammen mit dem Funkeln seiner Augen wie einen Geisteskranken aussehen ließ.

Passend dazu ließ Dark sein Schwert immer wieder wie ein Berserker auf Link niederprasseln.

Dieser hatte immer größere Probleme, sich zu verteidigen. Dicke Blutstropfen lösten sich aus dem Stoff seiner Kleidung und fielen mit leisem Klatschen auf den gefluteten Boden, wo sie sich zu Phantasieblumen auffächerten und hinabsanken.

Trotzdem hielt der Herr der Zeiten verzweifelt dagegen, bis Dark ihm mit einem Schwerthieb eine Ponysträhne kürzte. Mit schreckgeweiteten Augen starrte Link auf die langsam hinabrieselnden Haare, während sein Kontrahent siegessicher grinste.

Dark war sich sicher, schon bald würde der von den Göttinnen auserwählte Held zu seinen Füßen liegen und um Gnade betteln.

Und er hätte endlich die Möglichkeit, sich an den Göttinnen zu rächen, indem er Link mit genau der Härte begegnete, die Nayru, Farore und Din den Schattenweltlern gegenüber gezeigt hatten!

Sie sollten ruhig wissen, wie das war, wenn der Einzige, der das eigene Schicksal in den Händen hielt, sich von einem abwendete!

Von diesem Gedanken mit neuer Energie versorgt, drosch Dark noch härter auf Links Schild ein. Dem bereits völlig ermatteten Herrn der Zeiten blieb nichts anderes übrig, als immer weiter zurück zu weichen. Dark folgte ihm jedoch auf dem Fuße und trieb ihn zum gefühlten tausendsten Mal um den toten Baum.

Erschöpft wie er war, fehlte Link die Konzentration, um auf seine Umgebung zu achten, sodass es Dark nicht überraschte, als sein Gegner über eine Wurzel stolperte und auf den Rücken stürzte. Der Aufprall presste Link die Luft aus der Lunge, was ihn für einige Sekunden wie gelähmt auf dem Boden liegen ließ. Dark nutzte diese Chance und richtete seine Schwertspitze genau auf Links Herz.

Endlich!

Der Zeitpunkt, wo er über die Göttinnen und sein Schicksal triumphieren würde, war endlich gekommen!

Schon bald würde er mit Zeldas Doppelgängerin ein neues Leben anfangen und sich täglich darüber ins Fäustchen lachen, dass er allen Widerständen getrotzt hatte. Obwohl die Göttinnen ihm ein Schicksal ohne Zukunft aufgebürdet hatten, gab es in seinem Leben nun endlich wieder ein goldenes Morgen.

Obwohl Dark sein Schwert bereits zum finalen Stoß erhoben hatte, versuchte Link, den höllischen Schmerzen in seinem rechten Arm zu trotzen und sich wieder aufzurappeln.

Darks Mundwinkel zuckten angesichts so viel Kampfeswillen ein wenig in die Höhe.

Ja, sie waren eindeutig Gegenstücke!

Die Entdeckung einer weiteren Gemeinsamkeit stimmte Dark milde. Dies bedeutete aber nicht, dass er seinen Doppelgänger verschonen wollte. Stattdessen wollte er ihm seinen Tod lediglich so einfach und schmerzfrei wie möglich machen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen strich Dark in sanftem Ton heraus: „Sieh es endlich ein, du bist mir nicht gewachsen – nicht in dieser Verfassung.“

Er hoffte, dass seine Worte Link zur Aufgabe bewegen und dazu bringen würden, still auf dem Rücken liegen zu bleiben. Auf diese Weise würde Dark sein Herz ganz sicher treffen, was einen schnellen Tod gewährleistet hätte.

Doch anstatt zu resignieren, funkelte Link zornig zu Dark herauf.

Davon unbeeindruckt, fuhr Dark in einem, seiner Meinung nach, tröstenden Ton fort: „Jetzt guck doch nicht so wütend. Deine Aufgabe hätte vermutlich jedem einiges abverlangt. Außerdem bist du verletzt.“

Dass sich angesichts von Links Sturheit ein amüsierter Unterton in seine Stimme geschlichen hatte, der seine Worte nach Hohn klingen ließ, fiel dem Schattenweltler nicht auf.

Deswegen legte er nur den Kopf schief wie er es schon als kleines Kind getan hatte, wenn ihn Neugierde überfallen hatte, und sprach weiter: „Ich frage mich, ob das hier noch wehtut.“

Mit diesen Worten trat er Link gegen die Sohle des Fußes, den der Herr der Zeiten ein wenig nachgezogen hatte, als Dark ihn aus seinem Versteck hinter dem Geisterbaum beobachtet hatte. Während des Kampfes hatte Link sein Humpeln jedoch so gut verstecken können, dass Dark sich ernsthaft fragte, ob die Verletzung gar nicht so sehr schmerzte wie er anfangs angenommen hatte.

Links lautes Aufstöhnen ließ Dark jedoch vermuten, dass der Herr der Zeiten noch immer unter heftigen Schmerzen litt, diese jedoch überzeugend überspielen konnte.

Merkwürdiger Weise machte dies Dark ein wenig stolz auf Link und er lobte: „Wie ich es mir gedacht habe… Ich muss gestehen, dass ich beeindruckt bin. Du hättest es fast geschafft, dein Humpeln vor mir zu verbergen.“

Bedauern schlich sich in das Herz des Schattenweltlers, als er daran dachte, Link töten zu müssen, obwohl er ihm so ähnlich war. Selbst in dem trotzigen Ausdruck, der sich auf dem Gesicht des Herrn der Zeiten breit gemacht hatte, erkannte er sich wieder.

Doch jegliches Mitgefühl wurde bis auf die Grundfeste niedergebrannt, als plötzlich der tief in Darks Seele verankerte Neid neu aufloderte.

Nein!

Sie waren keine Freunde und würden auch nie welche werden!

Niemals!

Dark betrachtete für einen kurzen Moment die scharfe Schneide seines Schwertes und schätzte ab, wie viel Kraft er wohl würde aufbringen müssen, um den Brustkorb des Herrn der Zeiten zu durchstoßen. Dann ließ er seinen Schild zu Boden fallen, umpackte er das Schwertheft mit beiden Händen, suchte sich einen festen Stand und fragte: „Irgendwelche letzten Worte?“

Zu Darks Irritation leuchteten Links Augen bei dieser Frage kurz auf, bevor er ihm entgegenzischte: „Ein Kampf ist erst dann vorbei, wenn er vorbei ist!“

Bevor Dark sich fragen konnte, was dies bedeuten sollte, schnappte Link sich den fallengelassenen Schild und schleuderte ihn Dark mit voller Wucht ins Gesicht.

Ein stechender Schmerz explodierte über Darks rechter Augenbraue und das aus der Platzwunde hervorquellende Blut brannte fürchterlich in seinem Auge

Am liebsten hätte er sich beide Hände auf die Verletzung gedrückt, um den Blutfluss umzulenken. Stattdessen umklammerte er jedoch seinen Schwertgriff, um nicht plötzlich völlig wehrlos dazustehen.

Dark versuchte blinzelnd, Link im Blick zu behalten, doch wann immer er das rechte Auge öffnen wollte, schoss ein Schmerz wie von tausend Nadeln durch seinen Augapfel. Dennoch zwang er sich, es offen zu halten, um so wenig wie möglich von seinem räumlichen Sehen einzubüßen.
 

Als er endlich wieder etwas erkennen konnte, bemerkte Dark, dass Link nicht mehr vor ihm auf dem Boden lag. Schnell wirbelte er herum und entdeckte hinter sich den Herrn der Zeiten mit abwehrend vor sich gehaltenem Schwert.

Bei diesem Anblick kochte Darks Wut über und ließ ihn sprichwörtlich Rot sehen.

Links Attacke hatte jedes auch nur ansatzweise positive Gefühl, das Dark ihm entgegen gebracht hatte, ausgelöscht.

Wie hatte er nur so dumm sein und für einen Moment glauben können, sie beide wären Brüder im Geiste?!

Wie hatte er so blöd sein können, zu glauben, dass er überhaupt irgendeinen Verbündeten hatte?

Seit frühester Kindheit hatten die Göttinnen ihm immer wieder bewiesen, dass er dazu bestimmt war, einsam und allein zu sein. Wenn sie ihm dann doch mal einen Gefährten geschickt hatten, dann nur, um ihn wieder fortzunehmen und Darks Leid noch zu mehren.

Die Göttinnen hassten ihn.

Und er hasste alles, was mit ihnen in Verbindung stand!

Mit zornverzerrter Stimme brüllte der Schattenweltler: „Das wirst du bereuen! Ich wollte dir die Gnade eines schnellen Todes gewähren, da wir uns so ähnlich sind, doch nun werde ich dir beibringen, was es heißt zu leiden!“ Dann stieß er einen unartikulierten Kampfesschrei aus und stürzte sich auf Link, der nun wieder stark humpelte und deswegen nur schlecht ausweichen konnte.

Dark kämpfte nun von wildem Blutdurst getrieben.

Es war als hätte er schlagartig alles vergessen, was Shadow ihm je beigebracht hatte. Mit Tränen in den Augen drosch er blind auf Link ein, ohne auf seine Verteidigung zu achten.

Er wollte Link nur noch tot sehen, weil er glaubte, die Erschlagung des von den Göttinnen auserwählten Helden helfe gegen den schreienden Schmerz in seinem Inneren.

Nun wäre es an Link gewesen, seine technische Überlegenheit auszuspielen. Doch der Herr der Zeiten war dermaßen entkräftet, dass er genug mit Ausweichen und dem Parieren von Darks Schlägen zu tun hatte.

Auf einmal schlich sich jedoch ein Grinsen auf Links Lippen, was Dark noch mehr durchdrehen ließ.

Worüber amüsierte sich dieser schildwerfende Mistkerl?!

Egal, er würde ihm schon zeigen, wer zuletzt lacht…

Ein weiteres Mal ließ Dark seine Waffe auf Link herabsausen. Das schwarze Master-Schwert knallte mit einem lauten Klirren auf die Parierstange seiner Schwesternklinge, von wo aus es heftige Vibrationswellen den Arm des Herrn der Zeiten heraufschickte.

Dieser überraschte seinen Kontrahenten, indem er kaum dagegenhielt, sondern Darks Klinge geschickt abrutschen ließ, einen Satz nach hinten machte und dann sein Schwert wegsteckte, bevor er in Richtung des Geisterbaums flüchtete.

Eine leise Stimme in Darks Innerem warnte ihn davor, dass es sich bei Links sonderbarem Verhalten bestimmt um eine List handelte, doch sie wurde von dem laut durch Darks Adern rauschendem Blutdurst übertönt. Seine Klinge schwingend rannte Dark dem Herrn der Zeiten hinterher und versuchte, den augenscheinlich wehrlosen Mann niederzumetzeln.

Link duckte sich jedoch im letzten Moment unter dem Schlag hinweg, sodass sich die Schneide des schwarzen Master-Schwerts tief in den Stamm des toten Baumes bohrte.

Dark zog ein paar Mal an dem Schwertheft, doch als ihm klar wurde, dass er seine Waffe so schnell nicht würde befreien können, zückte er Zeldas Schwert.

Während der Herr der Zeiten bei diesem Anblick überrascht die Augen aufriss, hatte Dark das Gefühl, mit neuer Kraft versorgt zu werden. Es war beinah als lägen Zeldas Hände auf seinen, als unterstütze sie ihn bei jedem Hieb.

Die Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn mahnte, dass Zelda einen Mord niemals gutgeheißen hätte, ignorierte er geflissentlich.

Doch bevor Dark mit Zeldas Schwert auch nur zu einem Schlag ausholen konnte, rief Link: „Hier, fang!“

Mit diesen Worten warf der Herr der Zeiten eine blauschwarze Kugel zu Dark herüber, die diesen einen erschrockenen Satz nach hinten machen ließ.

Die Bombe landete mit einem Platschen vor ihm auf dem Boden und Dark wollte bereits flüchten, als ihm etwas auffiel.

Mit einem breiten Grinsen hob Dark die Bombe auf und spottete: „Dir ist bewusst, dass eine Bombe nicht explodiert, wenn man ihre Lunte nicht entzündet, oder?“

Er konnte kaum glauben, wie dumm der Herr der Zeiten war!

Dieser ließ den Spott jedoch einfach an sich abprallen und hob die linke Hand, in der sich eine Art Kristall befand. Dark konnte sich darauf keinen Reim machen, aber Links Worte jagten ihm dennoch einen Schauer über den Rücken: „Ja, das ist mir vollkommen klar.“

Wenn es ihm bewusst war, warum…?

In diesem Moment fiel es Dark wie Schuppen von den Augen, was Link in der Hand hielt: einen Feuerzauber!

Kaum dass Dark dies registriert hatte, breitete sich von Link ausgehend eine gewaltige Flammenwand aus und walzte sich auf den Schattenweltler zu.

Resigniert ließ dieser die Bombe aus seinen Händen gleiten, während sich eine einzelne Träne aus seinem Augenwinkel stahl.

Zu seiner eigenen Überraschung hatte er keine Angst vor dem Tod.

Nicht mehr.

Stattdessen verspürte er eine gewisse Erleichterung, dass nun alles vorbei sein würde.

Während er die Feuerwand auf sich zurasen sah und die wichtigsten Stationen seines Lebens noch einmal Revue passieren ließ, wurde Dark plötzlich klar, dass er selbst seit jeher sein größter Feind gewesen war.

Es hatte immer wieder Momente in seinem Leben gegeben, in denen er seinem Schicksal eine Wendung hätte geben können, doch er war zu verblendet gewesen, um diese Chancen als solche zu erkennen.

Er hatte sich nie mit dem zufriedengeben können, was er hatte. Stattdessen hatte er stets hasserfüllt auf das geblickt, was ihm fehlte.

Die Göttinnen hatten ihn zwar vielleicht verlassen, aber sie hatten ihn nie verdammt.

Das hatte er selbst getan…

Das Schlimmste daran war jedoch, dass er den Menschen in seinem Leben dadurch ebenfalls viel Unrecht getan hatte.

Als die Flammenwand ihn fast erreicht hatte, schloss Dark die Augen und flüsterte leise: „Es tut mir leid, Vater… Mutter… Shadow…“

Kurz darauf zerriss eine ohrenbetäubende Explosion die Luft, doch davon merkte Dark nichts mehr. Die Wucht der Detonation war so kräftig, dass er augenblicklich tot war.

Alles, was von ihm übrig blieb, war eine Wolke hauchfeiner Asche und das unausgesprochene Versprechen, im nächsten Leben alles besser zu machen.



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