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Aufstieg und Fall des Sonnenkönigs

von

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Trollkriege I

Einhundert Jahre vergingen für Elfen wie für die Menschen ein paar. Es war ulkig, wenn Elfen mit Menschen Freundschaften schlossen und die wenigsten so alt wurden wie die, die die meisten noch als Kinder bezeichnen würden. Sylvanas fühlte sich lange nicht mehr als Kind. Sie, ihr Bruder und ihre Schwestern waren ausgebildete und ausgereifte Bogenschützen, die sich verpflichtet hatten, das Land und dessen Grenzen zu schützen. Obwohl gerade die Waldläufer als besonders skeptisch gegenüber Fremden galten, gerade gegenüber Menschen, mit denen sie die meiste Zeit eher zweckdienliche Beziehungen führten, waren es gerade die Windläufer, die dafür bekannt waren, auch romantische Gefühle gegenüber ihnen zu hegen. Aber für so etwas hatte Sylvanas nun wirklich keine Zeit. Sie war ehrgeizig und talentiert und auf bestem Wege, Waldläufergeneralin zu werden. Sie musste sich nur anstrengen und so weitermachen wie bisher. Der Titel war eigentlich schon zum Greifen nahe.

Sylvanas spannte ihren Bogen. Sie war hochkonzentriert, so sehr, dass ein einzelner Schweißtropfen sich den Weg durch ihr wunderschönes Gesicht bahnte. Sie hatte eine strahlend weiße Haut, der die Sonne nichts anzutun vermochte und das Blau ihrer Augen schien im Tageslicht noch viel reiner und klarer zu schimmern. Wie die meisten Elfen war sie eine wahre Schönheit, deren Attraktivität nur an dem strengen Ausdruck ihres Gesichtes litt. Kaum, dass sie die Sehne ihrer Waffe losgelassen hatte, flog der Pfeil mit einem leisen Zischen geradewegs in die Mitte einer Zielscheibe. Seit sie ein kleines Mädchen war hatte sie nie wieder verfehlt. Kaum ein Waldläufer in ihrem Alter war derart begabt. Es war fast wie Musik in ihren langen Ohren, die mit silbernen Ohrringen besetzt waren. Einer davon, gepierct durch die Spitze ihres rechten Ohrs, hatte die Form eines gewöhnlichen Blattes der Bäume in Silbermond. Ihre Blätter glänzten in herrlichen Orangetönen und sie liebte es, sie sich einfach nur anzusehen, mit ihren Schwestern darunter zu spielen und zu reden und sich manchmal einfach nur dem Alltag hinzugeben.

In letzter Zeit war es schwierig geworden, dem Alltag zu frönen. Trolle schlichen immer wieder an der Grenze ihrer Heimat entlang, um einen geeigneten Zeitpunkt zu finden, Quel’thalas anzugreifen und sich der Elfen zu bemächtigen. Vor kurzem hatten sie und ihre älteste Schwester, Alleria, einen anderen Waldläufer am Rande des Waldes gefunden. Er war auf abscheuliche Weise getötet worden, eine Axt streckte ihm im Rücken und seine Ohren wurden ihm vom Gesicht getrennt. Die Trolle behielten gerne Trophäen und behängten voll Stolz auf ihren Triumph ihre Kleider damit. Es gab kaum ein Volk, das niederträchtiger und verhasster bei den Elfen war. Zu ihrem Pech waren die Trolle gleichsam brutal und gefährlich wie sie klug sein konnten. Sie mochten nicht vor Wissen strotzen, aber sie waren gewieft, nicht nur im Umgang mit Waffen. Auch ihre Methoden waren oftmals durchdachter als sie es ihnen hätten zuschreiben wollen. Unwillkürlich musste sich Sylvanas vorstellen, wie ihr Pfeil das Auge eines Trolles treffen würde - und er würde augenblicklich tot sein.

„Sylvanas.“ Lor‘themar Therons Stimme. Sie erkannte sie unter Tausenden. Die Hochelfe fuhr herum, um zu dem stattlichen Mann aufblicken zu können. So attraktiv seine wallenden silbernen Haare auch sein mochten, so angenehm seine Stimme auch klang, sie hatte sich nie vorstellen können, etwas mit ihm anzufangen und sie wusste zu genau, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. Beide waren sie jung und beide wussten sie, dass sie noch ein ganzes Leben vor sich haben würden. Für Romantik war ihrer Meinung nach keine Zeit. „Wir haben Nachricht über einen Trollangriff. Wir sollten uns das ansehen.“

Sie musste nicht antworten. Sylvanas Augen sprachen für sie. Theron wartete ihre Antwort nicht ab, er war so schnell verschwunden, wie er hinter ihr aufgetaucht war. Sie wusste genau, was sie tun musste.
 

Keine fünf Minuten später befand sie sich am Randes des Waldes von Silbermond. Sie hatte einen etwas unkonventionelleren Weg gewählt und sich über die Kronen ihrer geliebten Bäume bewegt, lautlos wie eine Katze, um sich dem Geschehen heimlich von der anderen Seite zu nähern. Als sie einen Troll sichtete, harrte sie aus und zog ihren Bogen eng an ihren Leib. Sie musste herausfinden, ob noch mehr von ihnen in der Nähe waren und ob ein Angriff deren Aufmerksamkeit vielleicht auf sie lenken könnte. Zu ihrem Erstaunen konnte sie weder einen anderen Troll, noch ein anderes Lebewesen in ihrer nahen Umgebung ausmachen – ihre Augen und Ohren waren scharf und sie wusste, dass sie sich nicht täuschen würde. Also war der, den sie erspäht hatte, ein gefundenes Fressen. Beinahe lautlos zog sie den Pfeil aus ihrem Köcher, legte ihn in die Sehne und spannte sie. Ihr Augenlid senkte sich. Sie atmete ruhig. Ein. Aus. Ihre Finger entließen den gespannten Draht und mit einem wischenden Geräusch traf der Pfeil den Schädel des Trolls. Er fiel augenblicklich zu Boden und war tot, ganz, wie sie es sich ausgemalt hatte. Ein seltsames Gefühl der Genugtuung überkam ihren Geist. Sie fühlte sich so lebendig. Euphorie brachte ihr Blut zu wallen, doch sie unterdrückte das berauschende Gefühl so gut sie konnte, denn Sylvanas wusste, dass sie angreifbar würde, sollte sie sich jetzt in ihrem Ruhm baden.

Das Rascheln der Blätter zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es war unnatürlich, denn es wehte kein Wind, der die Baumkronen umspielte. Sie war bereit, einen Pfeil oder einen Dolch zu ziehen, doch zu ihrer Erleichterung war es Lor’themar, der zu ihr aufgeholt hatte und sich zu ihr gesellte. Er wollte etwas sagen, doch Sylvanas bedeutete ihm mit einer Geste, dass er den Mund halten solle und deutete in Richtung des getöteten Trolles. Die Augen des anderen Waldläufers weiteten sich kurz, dann nickte er. In einem Atemzug verschwand Theron und im nächsten kamen er, einige Waldläufer und ein kleiner Trupp Zauberbrecher zwischen den Bäumen hervor. Die Hochelfen in ihren Rüstungen in den Farben ihres Wappens schritten voran, die Schilde erhoben, um geschossene oder geworfene Waffen der Trolle im Falle eines Falles abzuwehren. Sie schritten auf die Leiche zu, erwartungsvoll und vorsichtig, aber es tat sich nichts. Die scharfen Ohren der Elfen vernahmen keine Kriegsschreie in der Umgebung, kein Rascheln und keine sonstigen Geräusche, die auf die Präsenz anderer Rassen hinweisen würden.

„Nehmt den Leichnam mit. Die Trolle werden hierher zurückkehren und wir werden ihnen keine Indizien über unsere Art und Weise zu kämpfen geben.“

Auch wenn der Zwist zwischen Troll und Elf nun seine Zeit dauerte und sie die Methoden der Elfen mittlerweile kennen sollten, wollte niemand ein Risiko eingehen.

Sylvanas hatte mittlerweile auch zu der Gruppe von Elfen aufgeholt, sich durch die Zauberbrecher geschlichen und ihren Pfeil aus dem Leichnam des Trolls gezogen. Mit Ekel in ihrem hübschen Gesicht wischte sie die blutige Spitze an dem Lumpen um seine Beine ab und zog sich leisen Fußes wieder zurück. Lor’themar holte zu ihr auf und begleitete sie auf ihrem Rückweg.

„Wenn die Trolle wirklich angreifen sollten“, begann er, seine Stimme schien abwesend, wie als würde er zu sich selbst sprechen, obwohl er das Wort deutlich an sie gewandt hatte, „sind wir dann vorbereitet?“

Sylvanas überlegte einen Augenblick, ehe sie antwortete: „Natürlich.“

„Gut.“ Er nickte. Dann war das Thema für ihn beendet. Nie würde sich Lor’themar erlauben, an ihr oder einer der anderen Windläufer zu zweifeln. Sie waren eine starke Familie – und nicht nur sie. Jeder Ranger, der sich geschworen hatte, dieses Land zu beschützen und jeder Magier und jeder Zauberbrecher.

„Wir sehen uns, Mylady.“
 

Sylvanas bemerkte kaum, dass der männliche Elf sich von ihr abgewandt hatte. Sie hatte ihm nur noch ermutigend zugenickt und kehrte schließlich nach Hause zurück. Ihr eigenes Zuhause grenzte direkt an das ihrer Schwestern. Es war ein ganzer Komplex voller tempelgleicher Gebäuden, weißes Marmor mit goldenen und roten Dächern, deren Fenster groß und offen waren und die ewige Sonne herzlichst empfingen. Zu den Dächern schwebten außerdem magische Kristalle, die die Energie der Sonne und des Sonnenbrunnens in sich beherbergten und aus denen sie ihre Kraft zogen. Ihr eigenes Gemach lag in einem Turm, den sie über ein paar Treppen erklimmen musste und der flankiert wurde von zwei anderen Türmen – denen ihrer Schwestern... Auf dem Weg nach oben begegnete sie ihrer jüngeren Schwester, Vereesa, und grüßte sie mit einem Kopfnicken. Sie war müde, wenn auch nicht wirklich erschöpft, allerdings nagten die Gedanken an die einfallenden Trolle an ihren Gedanken.

Es überraschte Sylvanas nicht, dass sie plötzlich eine zarte Hand an ihrer Schulter spürte, die sie aufhielt, sich zurückzuziehen. Sie erwiderte die Berührung, indem sie mit der ihren die Hand ihrer Schwester umschloss und sich schließlich zu ihr umdrehte.

„Ist alles in Ordnung, Schwester?“ Die Sorge stand deutlich in der Stimme.

Sylvanas lächelte schwach. Sie wollte ihre Schwester nicht belügen und sie wusste, dass sie das auch nicht brauchte.

„Es ist wirklich alles in Ordnung“, bestätigte sie und strich eine silberne Strähne aus Vereesas Gesicht. Ihr Lächeln war wie die Sonne und erwärmte das Herz der Waldläuferin sofort. Vereesa wusste, dass es an dieser Stelle keinen Sinn mehr ergeben würde, weiter nachzuforschen, denn Sylvanas wusste, dass sie immer zu ihr kommen konnte, wenn sie jemanden zum Reden brauchte.

„Wie geht es mit deiner Ausbildung voran, kleiner Stern?“

„Gut! Ich stehe dir und Alleria in nichts nach.“ Vereesa lächelte, denn sie wusste, dass das nicht stimmte. Manchmal stellte sie sich etwas ungeschickt an, ihrer kämpferischen Natur und ihrem Ehrgeiz tat das allerdings keinerlei Abbruch. Aber sie war noch jung.

„Das freut mich. Ich werde mich aber nun zurückziehen. Schlaf schön, Schwesterchen.“

Sie nickten sich zu. Beide wussten sie, dass sie einander immer haben würden, sie beide, Alleria und auch ihre Brüder. Es würde nichts geben, was sie voneinander trennte.

Gar nichts.



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