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Breakfast at Robin's

von

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Love Triangle

"Noch ein paar Rosen dazu?", fragte die junge Floristin freundlich. Lydia stand in verschnörkelter Schrift auf dem Schild auf ihrer Brust.

"Äh... ja, klar, warum nicht?", entgegnete Taylor. "Aber nur die roten, bitte."

Kitsch pur eigentlich. Aber Robin liebt rot.

"Gibt es einen besonderen Anlass?", wollte Lydia neugierig wissen, während sie die roten Rosen geschickt in den üppigen Blumenstrauß integrierte.

Taylor strahlte und nickte. Natürlich gab es den.

"Meine Freundin und ich sind heute auf den Tag genau ein halbes Jahr zusammen", erklärte sie stolz.

"Oh, wie schön! Herzlichen Glückwunsch!", gratulierte Lydia begeistert.

"Danke!"

Eigentlich hatte Taylor ihre Freundin zu diesem Jubiläum nur mit einem Besuch und frischen Brötchen überraschen wollen... und normalerweise war sie wirklich kein spontaner Mensch, aber aufgrund ihrer wirklich außergewöhnlich guten Laune heute hatte sie vor ihrem Bäckereibesuch kurz entschlossen noch einen kleinen Abstecher zum Blumenladen an der Ecke gemacht. Und der Umweg hatte sich wirklich gelohnt, Lydia verstand etwas von ihrem Handwerk. Aus Taylors vagen Angaben über warme Farben und viel Rot hatte sie das perfekte Kunstwerk geschaffen. Ein kleines Meer aus duftenden roten, orangenen und gelben Blüten, zusammengehalten von einer hübschen roten Schleife. Robin würde es lieben.

"Soll noch ein Namensschild dazu?", erkundigte sich Lydia und riss Taylor so aus ihren Gedanken. "Irgendwelche besonderen Danksagungen, Glückwünsche oder so?"

"Ähm..." Taylor dachte einige Sekunden nach und schüttelte dann entschieden den Kopf. "Lieber nicht. Die liest sie sowieso fast nie."

Lydia schmunzelte. "Okay. Das macht dann... neunundzwanzig Euro, bitte."

Taylor kramte dreißig aus ihrem Portmonee. "Stimmt so."

Heute bist du ja wirklich in Geberlaune, stellte sie amüsiert fest.

"Oh, danke!", freute sich Lydia, nahm das Geld entgegen und verstaute es in der Kasse. "Dann sehen wir uns sicher in einem halben Jahr nochmal wieder!", verabschiedete sie sich augenzwinkernd, was Taylor zum Schmunzeln brachte.

"Genau. Bis dann!" Die Glöckchen über der Tür klingelten hell, als sie den Blumenladen verließ. Den Strauß beinahe ehrfürchtig vor sich hertragend machte sich Taylor auf den Weg zur Bäckerei zwei Blocks weiter und kaufte dort eine ganze Tüte süßer Brötchen. Die aß Robin für ihr Leben gern, am liebsten mit Marmelade oder Konfitüre, die sie natürlich selbst gemacht hatte. Taylor hielt sonst nicht viel von süßem Essen, aber selbst sie musste zugeben, dass Robins Konfitüren unschlagbar waren.

Zum Glück wohnte ihre Freundin nur ein paar Straßen von der Bäckerei entfernt in einem Mehrfamilienhaus am Rande der Innenstadt, so waren die Brötchen tatsächlich noch warm, als Taylor durch die wie immer nur angelehnte Haustür trat.

Ein wohliger Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Der nur allzu vertraute Duft von Kaffee und frischem Brot zog durch das Treppenhaus und durch die Wohnungstüren waren gedämpft die Geräusche von Radiosendungen und leisen Unterhaltungen wahrnehmbar. Ein typischer, gemächlicher Start ins Wochenende. Die Welt erwachte langsam, aber es traute sich noch niemand, laut zu reden.

Beschwingt begann Taylor, die Treppe hochzulaufen. Sie konnte es kaum erwarten, ihre Freundin nach anderthalb Wochen ausschließlicher Textkommunikation endlich wiederzusehen und nahm deswegen immer zwei Stufen auf einmal. Schließlich stand sie ein wenig außer Atem, aber voller Vorfreude vor Robins Wohnungstür, den überdimensionalen Blumenstrauß in der einen und die Tüte mit frisch gebackenen, duftenden Brötchen in der anderen Hand. Vorsichtig, um keine der Blüten oder Halme zu knicken, verfrachtete sie die Blumen kurz von der rechten Hand in ihre linke Armbeuge und drückte auf die Klingel. Dann trat sie einen Schritt zurück und atmete tief durch.

Die Schmetterlinge in ihrem Bauch spielten verrückt und obwohl sie sich bemühte, möglichst ruhig zu bleiben, konnte sie sich nicht davon abhalten, aufgeregt auf ihren Fersen zu wippen. Selbst nach all der Zeit, die sie jetzt schon zusammen waren... jedes Mal, wenn sie vor ihrer Wohnungstür stand, fühlte es sich wie das erste Mal an.

Eine Minute verstrich, ohne dass etwas passierte. Die Schmetterlinge beruhigten sich langsam wieder und Taylor begann, sich Sorgen um ihr Vorhaben zu machen. Robin war doch nicht etwa weg?

Auf keinen Fall, beruhigte sie sich selbst wieder. Nicht so früh an einem Samstag. Du weißt doch, wie sehr sie ihr ausgedehntes Frühstück liebt.

Gerade wollte sie erneut klingeln, da hörte sie von drinnen gedämpft schnelle Schritte, die rasch näher kamen.

Kurz darauf öffnete sich die Tür einen Spalt breit und Robin streckte ihren Kopf heraus. Sie war barfuß und in einen weißen Bademantel gehüllt, ihre langen blonden Haare standen zerzaust von ihrem Kopf ab.

"Hi", hauchte sie atemlos, ehe sie ihre Freundin erkannte. Ihr Gesicht nahm einen völlig perplexen Ausdruck an, während ihr Blick von Taylors Gesicht zu ihren vollbepackten Armen und wieder zurück wanderte.

"Taylor? Was machst du denn hier? Ich, ähm..." Hastig richtete sie sich ein paar widerspenstige Haarsträhnen. "Ich hatte dich gar nicht erwartet..."

Verwundert runzelte Taylor die Stirn, lächelte aber weiter. "Hi! Ich hab dir was mitgebracht, wegen unseres Halbjahresjubiläums, du weißt schon. Ähm... störe ich? Ist da jemand bei dir?"

"Nein!" Robins Antwort kam wie aus der Pistole geschossen- viel zu schnell, das fiel sogar ihr selbst auf. "Also... ja. Ähm... vielen Dank für...", sie machte eine vage Geste in die Richtung von Taylors Mitbringseln, "... das alles, wow, ist echt nett von dir, aber, äh..."

Die Falten in Taylors Stirn vertieften sich. Warum druckste sie so verlegen herum? Und vor allem: Warum trug sie einen Bademantel? Robin war doch eine notorische Frühaufsteherin und hatte normalerweise um diese Uhrzeit längst geduscht und sich etwas Vernünftiges angezogen.

Es sei denn...

In Taylor stieg plötzlich ein schrecklicher Verdacht hoch.

Wortlos drückte sie Robin die Blumen und die Brötchentüte in die Hand und schob sich an ihr vorbei in die Wohnung.

"Hey... hey! Moment mal... warte doch!", rief Robin ihr hinterher, aber auch ihr halbherziger Protest konnte Taylor nicht zum Stehenbleiben bewegen. Stur lief sie weiter. Sie kannte den Weg in Robins Schlafzimmer, sie war schließlich oft genug selbst dort gewesen. Selbst sturzbetrunken fand sie den Raum ohne Probleme, das wusste sie aus Erfahrung.

In ihrer Erfahrung war das Schlafzimmer allerdings bis auf Robin immer leer gewesen... heute nicht, wie sie feststellen musste, als sie über die Schwelle trat und abrupt stehenblieb.

Heute saß Frances, ihre beste Freundin, inmitten von zerwühlten Decken auf der Bettkante ihrer Partnerin und war gerade dabei, sich ihre Unterwäsche wieder anzuziehen. Als sie den Kopf hob und Taylor in der Tür stehen sah, erhellte sich ihr Gesicht sofort.

"Oh, hi, Baby!"

Diesmal verschwendete Taylor keine Zeit damit, sie wie sonst immer auf die fehlplatzierten Kosenamen hinzuweisen. Im Moment gab es wirklich Wichtigeres zu besprechen.

"Was zum- was machst du hier bei Robin?!"

"Wonach sieht's aus?" Frances grinste euphorisch, während sie sich ihren BH zurechtzupfte. "Ich hab ihr heute Nacht das Hirn weggefi-"

Taylor unterbrach sie mit einer ungeduldigen Handbewegung, bevor Frances die Chance nutzen konnte, um noch mehr ins Detail zu gehen.

"Ich will's nicht wissen", meinte sie zähneknirschend. "Es ist mir auch egal. Der Punkt ist: Du bist diese Woche gar nicht dran!"

"Wie bitte?" Verblüfft hielt Frances sich eine Hand hinters Ohr. "Kannst du das nochmal sagen? Ich hab doch gerade tatsächlich verstanden-"

"Du hast mich verstanden."

Frances blinzelte ungläubig. "Baby, ist das dein Ernst?"

Taylor ging gar nicht auf sie ein. "Du warst für die ganze letzte Woche regulär eingetragen und weil du vor zwei Wochen so krank warst, habe ich dir, nett und zuvorkommend, wie ich bin, extra noch drei Tage draufgeschlagen, damit du aufhörst, deswegen rumzuheulen! Und du willst mir jetzt erzählen, dass du zu kurz kommst, wenn es um Robin geht? Dass du in dieser Beziehung so sehr benachteiligt bist, dass du es nötig hast, dich ohne jegliche Vereinbarung hinter meinem Rücken mit ihr zu treffen? In der Zeit, die mir zusteht?!" Aufgebracht verschränkte sie die Arme vor der Brust. "Du willst mich doch verarschen, Frances."

"Pfff...", machte die Angesprochene überfordert. "Ey, du kannst doch nicht erwarten, dass ich das ganze organisatorische Zeug im Kopf behalte."

Taylor nickte energisch. "Richtig, das kann ich nicht. Genau deshalb habe ich dir den kompletten Plan für die nächsten zwei Monate auch nochmal per Mail geschickt!"

"Hm... muss wohl im Spam-Ordner gelandet sein, wie immer."

"Ich dachte, ich könnte mich zumindest in diesem einen Punkt auf dich verlassen!"

"Ach, komm schon, Baby, hab dich nicht so", grinste Frances in einem Versuch, die angespannte Stimmung etwas aufzulockern. "Du hättest gern auf 'nen flotten Dreier vorbeikommen können!"

Robin, die gerade mit Blumenstrauß und Brötchentüte beladen über die Zimmerschwelle getreten war, wich sofort wieder zurück. "Ähm... Leute... ?", fragte sie leicht verunsichert, aber niemand schien ihre Ankunft zu bemerken.

Anklagend deutete Taylor auf Frances. "Siehst du? Genau das ist dein Problem. Du kannst einfach nichts ernst nehmen!"

"Ach ja? Weißt du, was dein Problem ist? Du bist ein totaler Kontrollfreak."

"Ha! Ich bin ein Kontrollfreak, nur weil ich einen Überblick darüber haben will, wann du dich mit Robin triffst?"

"Einen Überblick", spottete Frances, "klar doch. Soll ich vielleicht noch die Uhrzeit dazusagen, damit du mir eine Zigarette vorbeibringen kannst, wenn wir fertig sind? Wenn ich meine Freundin flachlegen will, melde ich das doch nicht bei dir an!"

"Dann solltest du schleunigst damit anfangen, denn zufällig ist sie auch meine Freundin!"

In einem Anfall von Melodramatik warf Frances theatralisch die Hände gen Zimmerdecke. "Ey, ich hab mich bisher immer an deinen Scheiß-Zeitplan gehalten, auch wenn er komplett hirnrissig ist! Ich war immer voll zuverlässig! Und jetzt heulst du rum wegen einer einzigen Ausnahme?!"

"Ernsthaft? Ich diskutiere doch nicht mit jemandem über Zuverlässigkeit, der in Unterwäsche vor mir steht!", giftete Taylor.

Frances hob gespielt bedauernd ihre Augenbrauen. "Aww. Lenkt dich das zu sehr ab, Baby?"

"Nicht besonders, Honey", entgegnete Taylor scharf und spie das letzte Wort so abfällig aus, als wäre es eine Beleidigung.

Leicht verstört sah Robin zwischen den beiden hin und her. "Streitet ihr gerade oder ist das so 'ne Art Vorspiel bei euch?", fragte sie sarkastisch, bekam aber keine Antwort.

"Ich konnte letzte Woche halt nicht!", rechtfertigte sich Frances gereizt. "Das neue GTA ist rausgekommen! Und du weißt genau, wie sehr ich dieses Spiel liebe, Baby!"

"Das hättest du mir eben vorher sagen sollen! Dann hätte ich deine Woche auf diese verschoben, ich hätte die letzte übernommen und alles wäre jetzt gut!"

"Können wir bitte darüber sprechen, dass Frances GTA wichtiger zu sein scheint als ich?" Wieder einmal versuchte Robin, etwas zur Diskussion beizutragen, wurde jedoch sofort übertönt.

"Alter, sag mal, hörst du dir eigentlich zu, wenn du redest?", lachte Frances. "Das hier ist eine Beziehung und kein verfickter Zahnarzttermin! Oder, Robin?"

Keine Reaktion. Frances runzelte die Stirn.

"Robin?"

"Hm? Oh, sorry", meinte die Angesprochene trocken. "Ich hatte nicht erwartet, dass ich zu der Sache auch noch etwas sagen darf..."

"Sie wird dir nicht helfen können", mischte sich Taylor ein, "weil ich ganz einfach Recht habe! Robin, du warst doch dabei, als wir den Zeitplan vereinbart haben. Du kannst Frances sicher betätigen, dass ich ziemlich zuvorkommend und unkompliziert war, was die vorher angekündigte Umverteilung von bestimmten Tagen oder Wochen angeht."

Frances nickte in gespielter Zustimmung. "Oh ja, sicher. Oder du kannst Taylor bestätigen, dass sie ein kontrollsüchtiges, arrogantes Arschloch ist."

Taylor funkelte ihre beste Freundin zornig an, dann sahen beide erwartungsvoll zu Robin hinüber.

Die allerdings winkte nur überfordert ab: "Kommt schon, bei euren ganzen überkomplizierten Regeln blicke ich schon lange nicht mehr durch. Macht das unter euch aus."

"Feige!", echote es verächtlich von beiden Seiten gleichzeitig, bevor Robins kurzer Moment im Zentrum der Aufmerksamkeit vorbei war und die beiden Kontrahentinnen sich wieder gegenseitig feindselig anstarrten.

Blitzschnell wechselte Frances die Taktik und setzte ein kumpelhaftes Grinsen auf. "Komm schon, Baby, tu doch nicht immer so scheinheilig und brav... das, was ich hier mache, hast du doch mit Sicherheit auch schon abgezogen, oder?" Sie zwinkerte ihrer besten Freundin zu. "Keine Sorge, mir kannst du's sagen."

"Du brauchst deine Charakterschwächen jetzt nicht auf mich projizieren", schoss Taylor zurück. "Im Gegensatz zu dir bin ich nämlich ein verantwortungsvoller, vernünftiger, erwachsener Mensch, der sich an die verdammten Regeln hält!"

Frances gähnte demonstrativ gelangweilt. "Sorry, hast du gerade was gesagt? Bin kurz eingenickt. Mann, du bist sooo langweilig. Kein Wunder, dass du Blumen und Brötchen brauchst, um sie rumzukriegen..."

"Was?" Taylor runzelte die Stirn. "Darum geht es hier doch gar nicht. Ich-"

"Ach ja?" Frances ließ sie gar nicht erst ausreden. "Was willst du denn mit deinem ach-so-netten Frühstück und den hübschen Blumen da erreichen, hm?", fragte sie lauernd.

Verständnislos zuckte Taylor mit den Schultern. "Robin eine Freude machen."

"Nein, Baby... längerfristig gesehen."

"... satt werden?"

Frances verdrehte die Augen. "Ach, komm schon, du willst sie doch auch nur ins Bett kriegen! Ich bin wenigstens ehrlich, was meine Absichten betrifft."

"Was zum- Frances, es dreht sich nicht immer alles um Sex!"

Frances sah sie ungläubig an- und brach gleich darauf in schallendes, leicht gekünstelt klingendes Gelächter aus, das so lange andauerte, bis ihr die Puste ausging und sie tief Luft holen musste, um weiterzulachen. "Haah... red dir das nur weiter ein, Baby", kicherte sie atemlos, nachdem sie ihre Lungenkapazitäten ein weiteres Mal erschöpft hatte.

"Hör endlich auf mit deinen dämlichen Kosenamen! Wir beide sind kein Paar, verdammt!"

"Schade eigentlich", konterte Frances. "Sonst wäre schließlich harter Versöhnungssex eine Option!"

"Und ihr wundert euch, warum ständig Leute denken, ihr wärt zusammen...", murmelte Robin kopfschüttelnd, aber von ihr nahm schon lange keine der beiden mehr Notiz.

"Du bist nicht witzig, kapiert?", fauchte Taylor. "Ernsthaft, wie habe ich es je mit dir ausgehalten? Alles an dir regt mich so auf..."

"Danke gleichfalls!"

"Wie konnte ich nur so dumm sein, zu denken, dass du wenigstens diesen Teil deines Lebens unter Kontrolle hast? Mit jemandem wie dir kann man echt keine Beziehung führen!"

"Ach, ist ja witzig", höhnte Frances, "wir beide führen nämlich keine Beziehung, Bitch!"

Taylor verstummte. Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen, ihre Lippen ein dünner, verkniffener Strich. Bei ihr war das immer ein sicheres Anzeichen dafür, dass es jetzt ernst wurde.

"Hast du mich gerade Bitch genannt?", fragte sie gefährlich leise und mit lauerndem Unterton, ohne Frances aus den Augen zu lassen. "Robin, hast du das auch gehört? Hat sie mich gerade Bitch genannt?"

Robin hob den Blick von ihren Fingernägeln und zog gespielt überrascht die Augenbrauen hoch. "Ähm, was? Hab gerade nicht zugehört."

"Feige!" Auch diesmal waren sich wieder beide einig.

Robin hob resigniert die Hände. "Okay... ich geb's auf", sagte sie mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem sonst. "Ich geh Frühstück machen." Damit verschwand sie aus dem Raum und ließ die beiden Streithennen allein.

"Du hast mich gehört, Bitch!", meinte Frances provozierend und machte einen Schritt auf ihre Kontrahentin zu. "Komm mal runter von deinem hohen Ross, Mann! Was willst du hiermit beweisen, hm? Dass du besser bist als ich, weil du dich an deinen verfickten Zeitplan hältst?" Aufgebracht fuchtelte sie mit den Armen in der Luft herum. "Newsflash: Außer dir interessiert sich für den niemand! Du musst eindeutig mal lockerer werden, Baby."

"Meinst du? Meine Faust ist eigentlich gerade ziemlich locker!"

In gespieltem Erstaunen riss Frances die Augen auf. "Wow, du kannst ja doch witzig sein!"

"Findest du das lustig? Du findest das hier also lustig, ja?", fragte Taylor angriffslustig, schob sich die Ärmel hoch und ließ ihre Knöchel knacken. "Mal sehen, ob du gleich immer noch lachst, wenn ich dein Gesicht zu Hackfleisch verarbeite."

"Oh, ich mach mir ins Höschen, Baby", spottete Frances. "Du traust doch eh nicht, das durchzuziehen."

"Ach, tu ich nicht?", wollte Taylor wissen und trat noch einen Schritt näher, sodass sie nun direkt vor ihrer besten Freundin stand. Die allerdings ließ sich nicht einschüchtern und starrte weiterhin unerschrocken zu ihr hoch.

"Nein... Bitch."

Sämtliche Muskeln in Taylors Armen spannten sich an, als ihre Hände sich zu Fäusten ballten. Wortlos holte sie aus, um Frances ihren bitteren Irrtum eindrücklich bewusst zu machen- und hielt mitten in der Bewegung inne, als Robin plötzlich genau zwischen ihr und ihrer Kontrahentin auftauchte und sie mit ausgestreckten Armen wieder auf Distanz zueinander zwang.

"So, es reicht! Ihr hört mir jetzt zu, und zwar beide", erklärte die Blondine gereizt.

"Aber-", fing Frances an.

"Aber-", begann Taylor.

"Zuhören, habe ich gesagt!" Bedrohlich funkelte Robin ihre beiden Freundinnen an. "Es ist zwar zugegebenermaßen ziemlich amüsant, euch beim Streiten zuzusehen, mit der Zeit wird es aber echt anstrengend, sehr repetitiv und vor allem laut. Deswegen habt ihr jetzt genau zwei Möglichkeiten: Entweder ihr benehmt euch- ich will kein böses Wort mehr hören, von niemandem..."

"Ich hab doch gar nicht-", verteidigte sich Frances.

"Sie hat-", protestierte Taylor.

"... oder ihr verlasst jetzt meine Wohnung und lasst mich in Ruhe frühstücken. Und euren Zeitplan könnt ihr euch dann sonst wohin stecken, denn ich habe erstmal genug von euch."

Frances und Taylor schwiegen, aber die Blicke, mit denen sie sich taxierten, sprachen Bände.

"Zwei Möglichkeiten. Na, welche wählt ihr?"
 

"Gib mir die Erdbeermarmelade", verlangte Frances. Kaum fünf Minuten später saßen alle drei vollständig angezogen am Frühstückstisch und zu Taylors großem Überdruss hatte ihre beste Freundin dazu sogar einige von Robins Klamotten ausleihen dürfen. Deswegen las sie weiter Zeitung, kaute einen Bissen ihres Kirschmarmeladenbrötchens und ignorierte Frances gekonnt.

"Gib mir die Erdbeermarmelade!"

Immer noch keine Reaktion. Robin seufzte tief.

"Los, gib ihr die Erdbeermarmelade, Tay."

"Würde ich ja gerne... aber da fehlt ein Wort", bemerkte Taylor spitz. "Mit B."

Frances lächelte zuckersüß. "Okay... gib mir die Erdbeermarmelade, Baby."

Wortlos knallte Taylor das Marmeladenglas vor ihrer besten Freundin auf den Tisch.

"Komm schon", grinste Frances. "Deine Mundwinkel haben gezuckt, ich hab's genau gesehen."

"Das ist nur kontrollierte Wut", winkte Taylor ab.

Frances ließ nicht locker: "Aber du hast mir die Marmelade gegeben."

"Ich bemitleide deine jämmerliche Existenz."

"Und du lächelst!"

"Das ist noch mehr Wut. Und ein kleines bisschen unbändiger Hass, wenn du's genau wissen willst."

"Ernsthaft, ihr beiden braucht einen Shippingnamen", überlegte Robin laut, worauf die beiden Streithennen ihre Diskussion sofort unterbrachen und alarmiert zu ihr herübersahen.

"Ey, pass bloß auf, was du sagst!", warnte Frances, während Taylor drohte: "Ich an deiner Stelle wäre jetzt sehr vorsichtig..."

Robin ließ sich dadurch jedoch nicht beirren, sie ignorierte die beiden einfach. "Tances? Tayces? ... Fraylor?" Für einen kurzen Moment hielt sie inne, bevor sie begeistert nickte. "Ja, Fraylor, der ist gut!"

Frances und Taylor wechselten mit gehobenen Augenbrauen Seitenblicke.

"Deine Freundin ist echt ekelhaft", zischte Taylor.

"Deine doch auch", gab Frances ebenso leise zurück.

"Wenigstens darin seid ihr euch einig", seufzte Robin. "Das ist doch schonmal etwas. Hätten wir das dann abgehakt?"

"Ja!", bestätigte Frances.

"Nein!", widersprach Taylor.

Irritiert runzelte Frances die Stirn. "Nein?"

"Du glaubst doch nicht, dass ich dir die Marmelade gebe und damit hat es sich? Dass du mit deinen hirnverbrannten Einfällen einfach wieder davonkommst?"

"Ähm... ja?"

"Nein. Ich will eine Entschuldigung."

Frances verdrehte die Augen. "Meine Fresse, bist du kompliziert, Baby..."

"Kann eben nicht jeder so einfach gestrickt sein wie du."

Frances seufzte theatralisch. "Sorry wegen dem Zeitplan und so... ich werde versuchen, in Zukunft mal in meinen Spam-Ordner zu schauen."

Zufrieden nickte Taylor. "Sorry, dass ich dich schlagen wollte... ich werde versuchen, diesen Reflex in Zukunft zu unterdrücken."

"Und jetzt sind wir wieder BFFs, Baby?"

Taylor zuckte die Achseln. "Meinetwegen. Und jetzt, wo wir das geklärt hätten..." Gespannt lehnte sie sich nach vorne. "Wie war GTA? Hat sich dein Regelverstoß wenigstens gelohnt?"

Sofort begannen Frances' Augen, zu leuchten. "Boah, ja. Total. Es war einfach legendär", schwärmte sie.

"Kommt schon, wir haben doch bereits etabliert, dass Frances GTA wichtiger ist als ich", meinte Robin zynisch. "Müsst ihr jetzt wirklich noch Salz in die Wunde streuen?"

Beschwichtigend legte Frances ihr eine Hand auf die Schulter. "Ey, das stimmt doch gar nicht. Aber das neue GTA halte ich eben nur einmal im Leben zum ersten Mal in den Händen... dich kann ich ja immer haben."

Es dauerte eine Weile, bis Robin realisierte, was ihre Freundin gerade gesagt hatte. "Was?!"

"Jedenfalls", wandte sich Frances wieder an Taylor, "fand ich die Story zwar beim Teil davor cooler-"

"Wegen der Folterszene?", lachte Taylor.

"Genau. Und das Gameplay war etwas angenehmer. Aber dafür gibt's im neuen Teil bessere Waffen, Autos, Charaktere-"

"Und Bordelle?"

Frances grinste. "Du kennst mich, Baby."

"Fuck! Könnt ihr euch bitte wieder streiten? Das war erträglicher", beschwerte sich Robin.

Sofort schlug Taylor sich schockiert eine Hand vor den Mund. "Boah. Hast du- hast du etwa gerade ein böses Wort gesagt?!"

Enttäuscht schüttelte Frances den Kopf. "Dass ein derart unflätiger Ausdruck solch wohlgeformten Lippen entfleucht... fürwahr, eine Tragödie."

Taylor nickte. "Ich sollte mich auf ihr Gesicht setzen, damit das nicht nochmal passiert."

"Was?!" Robins entrüstete Stimme ging in dem nun ausbrechenden Gelächter völlig unter.

"Der war gut!", prustete Frances.

"Das bin ich doch immer, Honey", gab Taylor lässig zurück.

"Leute-", fing Robin an, wurde jedoch gleich wieder von Frances unterbrochen.

"Hey, ist sie bei dir eigentlich auch immer so aufs Vorspiel fixiert?"

"Oooh ja", stimmte Taylor ihr mit leidvollem Gesichtsausdruck zu. "Sie braucht immer Ewigkeiten, um zur Sache zu kommen."

"Bitte was?" Sauer verschränkte Robin ihre Arme vor der Brust. "Ich hoffe sehr, dass ihr gerade über eine eurer GTA-Nutten redet..."

Frances lächelte anzüglich. "Zur Sache? Du meinst zum Punkt."

"Das auch. Aber ernsthaft, in der Zeit kannst du locker dein Abitur nachholen!"

"Leute?!" Aufgebracht wedelte Robin mit den Händen in der Luft herum. "Ich kann euch hören, ich sitze direkt hier!"

"Also, versteh mich nicht falsch", fügte Taylor hinzu und ignorierte ihre Freundin komplett. "Es ist schön, aber... es zieht sich immer so."

"Ich zieh dir auch gleich was", murmelte Robin erbost. Frances dagegen nickte verständnisvoll.

"Boah, ich weiß, was du meinst. Manchmal wünsche ich mir einfach, sie würde sich ein paar Muskeln zulegen und es mir mal so richtig geben."

"So wie die hier etwa?" Stolz präsentierte Taylor ihren rechten Arm. Das konnte Frances natürlich nicht auf sich sitzen lassen und krempelte ebenfalls ihren Ärmel hoch.

"Das werdet ihr bereuen", knurrte Robin grimmig, während ihre beiden Freundinnen die Größe ihrer Muskeln verglichen.

"Meine sind eindeutig größer", behauptete Frances überzeugt.

"Auf gar keinen Fall!", entgegnete Taylor entschieden.

"Robin?" Wie auf ein geheimes Kommando drehten sich beide zu ihr um. "Was meinst du dazu?"
 

"Robin! Komm schon, Robin!", rief Taylor und hämmerte gegen die Tür. "Lass uns wieder rein! Bitte!"

"Ich find's echt nicht okay, dass sie uns rausgeworfen hat", stellte Frances fest.

Frustriert ließ Taylor die Fäuste sinken. "Und das an unserem Halbjahresjubiläum...", murmelte sie geknickt und scharrte mit den Füßen über den Boden. "Ich hab ihr doch zur Feier des Tages sogar die Blumen und die Brötchen geschenkt."

Frances hob eine Augenbraue. "Mal unter uns: Das war echt kitschig, Baby."

"Ich weiß."

"Naja, sie wird sich schon wieder einkriegen... ich sag dir, spätestens morgen hat sie ein schlechtes Gewissen und ruft dich an. Ist immer so bei ihr."

"Mhm."

Eine Weile lang sagte niemand etwas. Stattdessen starrten beide gedankenverloren und mit einem Hauch von Melancholie Robins verschlossene Wohnungstür an, hinter der der verlockende Duft der frischen süßen Brötchen immer noch zu erahnen war.

Dann endlich brach Frances das peinliche Schweigen.

"GTA bei mir?"

Taylors Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, als sie sich zu ihrer besten Freundin umdrehte.

"Ich dachte schon, du fragst nie."



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shirakuya
2021-09-09T13:39:42+00:00 09.09.2021 15:39
Moinsen ^^

Ich hab noch nie so viel gelacht bei einer FF wie bei dieser. Ich mag die Charaktere unglaublich gern. Und dieser Wechsel von "Ich hau dir aufs Fressbrett" zum "Wir reden über Robin die ist ja nicht da" richtig gut.

Wirklich gut gelungen ♡
Liebe Grüße
Shira


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