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Der Herr und das Miststück

von

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Wie Chiaki Geld egal wurde

Er hätte sich nie im Leben auf diesen Schwachsinn einlassen dürfen. Doch wer Sora kannte, der wusste auch, dass man diesem kaum etwas entgegenzuhalten hatte, wenn er auf einen einargumentierte. Im Gegensatz zu Chiaki nämlich war er um Worte niemals verlegen und setzte für gewöhnlich auch seinen Willen durch. Da die Band aber nur durch die Songs lebte, die Chiaki schrieb, nahm er sich hin und wieder zurück, wenn es darum ging, Entscheidungen bezüglich des Werdegangs ihrer Musik zu treffen. Allerdings musste er dann sein Bestimmergen anderweitig zum Einsatz bringen. Sein Bestimmergen in Kombination mit seinen Überzeugungsfähigkeiten.

Ja, Chiaki wusste, dass Sora nur das Beste für ihre Band wollte. Sie standen kurz vor dem Durchbruch, was die Musik anging, aber so recht wollten die CD-Verkäufe und Konzerte noch kein großes Geld in die Kassen spülen. Und genau aus diesem Grund war in der verrückten Birne des Drummers eine wahrlich bescheuerte Idee gereift. Chiaki hatte von Anfang an gesagt, dass sein Plan zum Scheitern verurteilt sein würde, aber Sora, stur wie ein Bock, hatte ihn so lange bekniet, bis er nachgegeben hatte. Und nun in einer Kneipe saß, in einem Outfit, wie er es noch nicht einmal auf der Bühne getragen hätte.

Er kam sich zu Recht vor wie eine Schlampe in diesem verboten kurzen Faltenröckchen, das selbst seine Oberschenkel zu großen Teilen entblößte. Für einen Typen, der mit sich selbst nach wie vor nicht ganz im Reinen war, stellte dies eine Tortur dar. Seiner Meinung nach wäre es überhaupt nicht vonnöten gewesen, sich so in Schale zu schmeißen und sich sogar Schleifen ins Haar zu binden, denn es würde ihm auch in Zukunft garantiert nichts anderes einbringen als die lüsternen Blicke der Männer vom Nebentisch. Nur wegen Sora befand er sich quasi auf dem Präsentierteller und fühlte sich wie Freiwild, so als Crossdresser. Warum hatte sein Kumpel ihn denn nicht direkt auf den Strich geschickt? Das wäre wohl ohnehin viel ergiebiger ausgefallen und ihn mit einer Handtasche voll Kohle heimgehen lassen. Aber wahrscheinlich wusste selbst Sora, dass Chiaki sich nie im Leben davon hätte überzeugen lassen, sich wie eine Nutte wildfremden Kerlen anzubieten, nur um reich und berühmt zu werden. Für irgendwelche Freier hätte Sora schön alleine die Beine breit machen können.

Was Chiaki hier tat, mutete allerdings nicht minder schmutzig an. Vielleicht würde er nicht irgendwelchen dahergelaufenen Männern einen Blowjob anbieten oder ihnen den Arsch hinhalten, aber seine Absicht zielte in dieselbe Richtung. 'Denk an unsere Band', hatte Sora ihm eingebläut, immer und immer wieder, wenn er sich geziert und ihm mitgeteilt hatte, dass er sich auf so eine krumme Tour nicht einlassen würde. 'Denk daran, was für große Hallen wir fühlen werden, wenn wir erst einmal die Kohle aufbringen, um richtig gute Musik aufzunehmen. Von nichts kommt nichts, merk dir das, Mann.'

Ja, klasse. Sora war so ein mieser Bastard. Und Chiaki so ein willensschwacher Vollidiot, der sofort sprang, wenn Sora in die Hände klatschte. Aber was konnte er auch dafür, dass er oft recht gefallsüchtig war? Wenn er sich seine Bandkollegen nicht warm hielt und sie sich verdünnisierten, konnte er seine Musik gleich an den Nagel hängen. Es war nämlich gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der sich mit einem merkwürdigen Zeitgenossen wie ihm abgeben wollte. Viele Typen wollten nur mit netten Kollegen zusammen arbeiten. Aber Chiaki würde nie ein netter Kollege sein. Als die Nettigkeit verteilt worden war, hatte er sich wohl gerade in irgendeiner Ecke Schleifen ins Haar gebunden und alles um sich herum vergessen.

Nichtsdestotrotz fand er die Sache daneben. Es gab nämlich Leute, die man besser nicht verarschte. Leute, die es bis nach ganz oben in der japanischen Untergrundszene geschafft hatten und dementsprechend großen Einfluss besaßen. Leute, die einem stets mit Aufrichtigkeit begegneten und zu allem Übel auch noch große Stücke auf einen hielten.

Er hoffte wirklich, dass Miya nicht aufkreuzen würde, auch wenn ihn dies gewissermaßen sogar verletzt hätte. Einfach, weil er ein Idiot war. Es fühlte sich aber eben nicht übel an, auf diese gewisse, besondere Weise angesehen zu werden. Nicht von den Typen am Nachbartisch, die sollten sich lieber verpissen, ehe Chiaki böse wurde und ihnen die Faust ins Gesicht rammte. Nur von Miyas Augen. Es war kein Geheimnis, dass Miya ein gewisses Interesse an Chiaki hegte, und dies war auch der ausschlaggebende Punkt für Sora gewesen, Chiaki als Lockvogel einzusetzen. Er selbst hätte es ganz sicher nicht geschafft, Miya zu bezirzen und ihm eine eigene Kreditkarte zu entlocken als kleines Dankeschön für begnadete Liebeskünste. Wenn es einer vollbringen konnte, dann Chiaki. In seinem Röckchen, seiner Bluse und mit den putzigen Zöpfen passte er offenbar haargenau in Miyas Beuteschema. Dass dieser überhaupt an Dinge wie Liebe und Sex dachte, schien verwunderlich, wo er sich doch Chiakis Wissens nach nur für die Musik und seine Gitarre interessierte.

Doch so konnte man sich täuschen. Und da Chiaki unlautere Absichten sein eigen nannte, hoffte er, dass Miya sich selbst schützen und ihn sitzen lassen würde. So ein Date ließ sich doch leicht vergessen, wenn man einen vollen Terminkalender besaß, oder? Am liebsten wäre Chiaki selbst abgedampft, schon, um den anzüglichen Blicken der Lustmolche vom Nachbartisch zu entgehen, aber noch während er mit dem Gedanken spielte, betrat ein vertrautes Gesicht die Kneipe und blickte sich suchend um. Na super. Warum lief niemals dann alles schief, wenn man es sich ausdrücklich wünschte?

Es dauerte freilich nicht lange, bis Miya Chiaki unter den Kneipengästen ausmachte. In seinem Blick machte sich Erkennen breit, so wie er ihm direkt ins Antlitz schaute, und Chiaki konnte nicht mehr tun, als träge die Hand zum Gruß zu heben. Und natürlich schaffte er es einfach nicht, Miya in die Augen zu sehen. Aufgrund seines mitunter recht geringen Selbstbewusstseins und der damit einhergehenden Unterwürfigkeit richtete er seinen Blick nach Möglichkeit gen Boden oder wie in diesem Fall auf seine Finger. Lackiert hatte er sich die Nägel, nur für Miya. Miya, von dessen Gesellschaft er gar nicht beglückt werden wollte. Nicht nur, weil er sich für seinen - Soras! - bescheuerten Plan schämte, sondern auch, weil er sich so schrecklich nervös in Miyas Gegenwart fühlte. Er hatte Mühe, er selbst zu bleiben, wenn er sich mit dem Älteren umgab.

Seine Kehle war staubtrocken, so wie der Stuhl ihm gegenüber weggerückt wurde und sein Date sich zu ihm gesellte. Verdammt, Miya tat ihm beinahe leid, weil er ihm schöne Augen machen sollte, obwohl dies nicht von seiner inneren Überzeugung her rührte. Miya war immer so nett und nachsichtig mit ihm. Hin und wieder war er fast so etwas wie ein Vater für Chiaki. Jedenfalls fühlte er sich stets so jung, wenn er zugegen war. So jung, dass man ihm alles verzeihen konnte, weil kleine Jungs eben viele Flausen im Kopf hatten? Nein, über diese Sache würde Miya nicht hinwegsehen. Wenn sie denn rauskam. Chiaki hoffte, dass er seine Rolle überzeugend würde spielen können. Auch wenn er arge Bedenken diesbezüglich hatte.

 

"Guten Abend, Chiaki-kun", grüßte der Ältere sein Gegenüber freundlich, und auch, wenn Chiaki nur noch auf die Tischplatte starrte, konnte er erahnen, dass Miya lächelte. Angetan lächelte, wie seine nachfolgenden Worte bestätigten. "Hinreißend wie immer siehst du aus, ich muss schon sagen..."

"Man tut, was man kann", brummelte Chiaki und befahl sich selbst, wenigstens gute Laune vorzuschützen, da Miya sonst auf die Idee kommen würde, dass das Interesse an ihrem Date lediglich einseitiger Natur sein würde. Aber stimmte dies denn? Chiaki wusste es selbst nicht. Er wusste nur, dass er Miya am liebsten ebenfalls ein Kompliment für sein Aussehen gemacht hätte. Dieses schwarze Hemd betonte seine dominante Ausstrahlung noch zusätzlich, ließ es ihn streng wirken, aber genau das war es doch, was seine Attraktivität ausmachte.

Chiaki bereute es fast, den Blick gehoben und Miya kurz, aber ausgiebig gemustert zu haben. Er war im Grunde niemand, der sich für gewöhnlich über das Aussehen seiner Mitmenschen Gedanken machte und gar abwägte, wer ihm im sexuellen Sinne gefallen würde, aber er brauchte noch nicht einmal in sich hineinzuhorchen, um zu wissen, dass Miya ihm zusagte. Und dass er dessen Begehren, das nur zu deutlich in seinen schmalen, abschätzenden Augen schwelte, ganz für sich allein gepachtet hatte, ließ sein Herz schneller schlagen. Oh Mann, er durfte Miya einfach nicht enttäuschen. Er wollte es noch nicht mal. Diese Zuneigung konnte er nicht kaputtmachen. Um keinen Preis.

Und doch war er nach wie vor auf dem besten Weg, einen Keil zwischen sie zu treiben.

"Du bist viel zu bescheiden", meinte Miya, der mittels Handhebung die Bedienung an ihren Tisch orderte und zwei Bier bestellte, eines für sich und eines für seine reizende Begleitung. "Nicht jeder Junge kann solche Kleidung tragen. Röcke sind das eine, aber Schleifen und Zöpfe das andere." Er lächelte ihn mit schiefgelegtem Kopf beinahe schon verträumt an. "Du bist hübscher als so manches Mädchen."

"Ach, na ja, na ja...", relativierte Chiaki leicht beschämt, winkte rasch ab und schalt sich einen Idioten, als er spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Er war froh, dass die Bedienung in diesem Moment zurückkehrte und ihnen ihre Getränke servierte. Der peinliche Augenblick fand eine kurze Pause, in welcher Chiaki sich in Ruhe überlegen konnte, was er Miyas Kompliment noch würde entgegensetzen können. "Ich kann trotzdem nicht mit einem Mädchen mithalten, wenn du das meinst..."

Miya, der gerade sein Bierglas an die Lippen heben wollte, hielt verdutzt inne.

"Meinst du, weil du andere körperliche Merkmale aufweist?" Nun trank er tatsächlich einen großen Schluck, während Chiaki ihm verunsichert zuschaute und an seinem Daumennagel herumkratzte. Der dämliche Nagellack blätterte jetzt schon ab. Wahrscheinlich, damit er optisch bald schon genauso schäbig sein würde wie er es innerlich war. "Wünschst du dir denn, ein Mädchen zu sein?"

"Ähm, nicht wirklich", versicherte Chiaki ihm rasch, auch wenn es vielleicht nicht sonderlich überzeugend klang. Er neigte eben oft zu Diplomatie und Relativierungen, weil er niemanden vor den Kopf stoßen wollte, ja noch nicht einmal sich selbst. "Es ist nur...wieso triffst du dich mit mir, wenn du dich genauso gut mit einem Mädchen oder einer Frau treffen könntest?"

Verflucht, hatte er ihn das gerade wirklich gefragt? Auf den Schreck musste er erst einmal einen Schluck zu sich nehmen. Er war beinahe schon froh, dass das Bier so eklig schmeckte, weil ihm dies den Kopf wieder etwas gerader rückte. Nur leider konnte er seine Worte trotzdem nicht mehr zurücknehmen.

Miya schaute ihn lange an und schwieg dabei. Ob Chiaki ihn denn nun auf eine Idee gebracht hatte? Nein, Miya war nicht dumm und schon gar nicht handelte er unüberlegt.

"Ich meine..." Chiaki räusperte sich, als Miya nach sekundenlangem, quälendem Schweigen noch immer nichts sagte. "Es ist ja bestimmt auch nicht so, als ob du keine Frau abbekommen würdest..."

Bei deinem Aussehen, fügte Chiaki in Gedanken hinzu und schätzte sich glücklich, dass er wenigstens diese Offenbarungen für sich behielt, wenn er sich doch schon in Teufels Küche bugsiert hatte. Bei deiner Intelligenz. Bei deinem tadellosen Charakter. Und bei der Kohle, die du auf dem Konto hast...

An letzteres wollte Chiaki gar nicht denken. Im Grunde hasste er kaum etwas mehr als Menschen, die nur mit ihrem Partner zusammen waren, weil dieser einen guten Posten in seinem Beruf bekleidete und entsprechend verdiente. Und ausgerechnet in die Rolle eines solchen sollte er schlüpfen. Wo es ihm doch scheißegal war, wie viel Geld Miya besaß. Miya war so viel mehr wert als die Kohle auf seinem Konto. Aber wie sollte Chiaki sich nun noch aus dieser Nummer herauswinden, wo er doch schon knietief in der Scheiße stand? Armer Miya. Wie sollte er ihm den Rücken zuwenden, ohne ihn zu enttäuschen? Wie ihn abweisen, ohne dass er böse auf Chiaki war? Seine Sympathien waren schließlich das wertvollste, was der junge Sänger besaß. Lieber hätte er sich einen Finger abgehackt als sie zu verspielen.

 

Auch nach vielen weiteren Sekunden war Miya Chiaki die Erwiderung noch immer schuldig. Anstelle, dass er jedoch Anstalten machte, nun etwas zu entgegnen, fasste er sich stirnrunzelnd in den Nacken und blickte kurz über seine Schulter.

"Irgendwie zieht es hier", bekundete er letztlich und wandte sich anschließend mit bittendem Blick an Chiaki. "Könnte ich mich vielleicht neben dich setzen? Ich kann mir einen steifen Nacken nicht erlauben."

"N-nur zu", brachte Chiaki zögerlich hervor und rückte sogar ein Stück zur Seite, um einen Platz auf der gepolsterten Bank für Miya freizumachen. Als der andere sich dankend neben ihm niederließ, konnte er wahrlich kaum mehr atmen vor lauter Aufregung. So nahe waren sie sich selten. So nahe, dass ihre Oberschenkel sich fast berührten. Ja, er vermochte nun sogar den Duft von Miyas Aftershave wahrzunehmen. Herb und frisch und seine Attraktivität noch eindrucksvoller unterstreichend. Angespannt strich Chiaki sich den Rock mit leicht zitternden Fingern glatt. Wie sollte er das nur aushalten? Jede Sekunde schien zu viel, zu aufregend. Er überlegte, ob er auf das Klo flüchten sollte, aber als Miya einen Arm auf die Lehne hinter ihm legte, konnte er einfach nicht mehr entkommen. Zumal Miya ihn nun auch noch so anguckte. Wie den schönsten Menschen auf der ganzen Welt.

"Es geht nicht darum, wen ich abbekommen würde und wen nicht", erklärte Miya ihm nun, und Chiaki presste die Zähne aufeinander als Ventil für die Tatsache, dass Miya ihm so nahe war, dass er seinen Atem hauchzart an seiner Wange spüren konnte. "Bild dir nicht ein, du wärst nur ein Notnagel. Denn das bist du nicht. Zumindest nicht für mich..."

Seine Hand, die eben noch brav auf seinem eigenen Oberschenkel geruht hatte, schlich sich nun ziemlich entschlossen auf Chiakis nacktes Knie und verharrte dort. Ganz zum Leidwesen des Jüngeren. Dieser starrte die Finger des anderen geschockt an, und gleichzeitig glaubte er, das Kribbeln in seinem Bauch, das sich allmählich durch seinen ganzen Körper zog, nicht länger aushalten zu können. Oh Gott, er drehte fast durch aufgrund dieser Berührung. Er wusste nicht, inwiefern Miya ihm anmerken konnte, dass er drauf und dran war, den Verstand zu verlieren. Was hatte Sora ihm noch einmal aufgetragen? Miya schöne Augen zu machen, ihm den Kopf zu verdrehen. Und dann?

"Viel mehr sollte ich mich glücklich schätzen, dass so ein hübsches Püppchen an jemandem wie mir Interesse hat", säuselte Miya und verlieh seinen Worten Ausdruck, indem er seine Hand nun gefährlich weit nach oben schob. Unter Chiakis Rock, bis zum Ansatz von dessen Slip. "Die jungen Dinger umgeben sich schließlich meist lieber mit ihresgleichen anstatt mit einem verbrauchten Mann im mittleren Alter..."

"D-du und verbraucht?" Chiaki ließ ein nervöses Lachen ab, während es ihm fast schwindelte in Anbetracht der Tatsache, dass Miya ihm einfach unter den Rock ging. "Wer stellt hier nochmal sein Licht unter den Scheffel?"

"Schön, dass du das so siehst." Miya lächelte ihn warm an, und seine Finger ließen sich alsbald an der Innenseite von Chiakis Oberschenkel verzeichnen. Allerdings nicht nur, um ihn dort genauso behutsam wie fordernd zu streicheln, sondern um ihn leicht von dem anderen wegzuziehen und seine Beine dezent zu spreizen. "Tatsächlich weise ich noch keine gravierenden Alterserscheinungen auf, insbesondere nicht, was gewisse körperliche Funktionen angeht."

Chiaki hätte aufgelacht, wäre er nicht so schrecklich benommen gewesen. Miya grub ihn derart offensiv an, dass es beinahe absurd anmutete. Der Mann, der mit seiner Musik verheiratet war und nur für die Arbeit zu leben schien, barg Überraschungen, die Chiaki vollkommen erstaunten. Offenbar machte es ihm tatsächlich etwas aus, dass er nicht genügend körperliche Zuwendung bekam. Das machte es demzufolge einfach, ihn herumzubekommen und Soras Plan in die Tat umzusetzen. Miya wirkte beinahe verzweifelt, und dass er Chiaki haben wollte, stand ganz außer Frage. Diese Gewissheit durfte der Jüngere sich gar nicht allzu genau auf der Zunge zergehen lassen, denn auch so schon kämpfte er damit, die Erregung, die ihm durch Mark und Bein ging, zu unterdrücken. Nein, er durfte Miya nicht verführen oder sich von ihm verführen lassen. Nicht unter diesen Umständen.

Deshalb griff er nun mit fahrigen Fingern nach seinem nach wie vor halbvollen Bierglas und führte es an seine Lippen, auch wenn er befürchten musste, sich zu verschlucken, da Miya ihn noch immer so lüstern begrabschte. In dieser Beziehung war er offenbar keinen Scheiß besser als die Männer am Nebentisch, die ihn vorhin noch mit Blicken ausgezogen hatten. Der ruhige, beherrschte, strenge Miya. Chiaki erkannte ihn fast nicht wieder.

"Bilde ich mir das ein oder wird das Bier tatsächlich immer scheußlicher?", wollte Chiaki mit vor Ekel verzerrtem Gesicht wissen, als das dunkle Gebräu seine Kehle herunterrann. Mit dieser Frage konnte er wenigstens dem Knistern, das zwischen ihnen in der Luft lag, ein wenig zunichtemachen. Zumindest stellte dies sein Plan dar.

"Du solltest unbedingt mal das deutsche Bier probieren", entgegnete Miya, dessen Daumen unentwegt Kreise auf Chiakis Schenkel beschrieb. Markierung seines Territoriums. Miya hatte Chiaki längst als sein Eigentum bestimmt, und es stand in den Sternen, ob der Jüngere sich ihm nun noch entziehen konnte. "Das schmeckt viel besser als unsere Brühe."

"Gut", nickte Chiaki und versuchte sich an einem kleinen Lächeln, um der Situation wenigstens ein wenig Normalität zu verleihen, obwohl an ihr überhaupt nichts mehr normal war. "Dann komme ich nächstes Mal mit, wenn ihr ne Europatour macht."

"Das kannst du sehr gern tun." Miya schmunzelte süßlich, aber in seinem Blick standen all die unlauteren Absichten geschrieben, die er mit Chiaki zu tun gedachte. Zumindest bildete der Jüngere sich dies ein. "Die Zeit auf Tour zieht sich oftmals sehr dahin, da wäre es schön, eine reizende Gesellschaft zu haben, die einem ein wenig die Langeweile vertreibt..."

Chiaki konnte Sora förmlich jubilieren hören. Wie recht er mit seinen Vermutungen gehabt hatte. Miya hätte Chiaki mit Freuden zu seinem persönlichen Betthäschen gemacht, so sehr stand er auf ihn und seine kurzen Röcke. Ein derartiger Job versprach zudem massig Kohle, aber viel mehr fesselte Chiaki im Moment der Gedanke, dass er bei einem solchen regelmäßigen Sex mit Miya bekommen würde. Jeden verdammten Tag ein heftiger Orgasmus. Jeden Tag so begehrend angesehen werden, als wäre man die süßeste Schnecke auf der ganzen Welt. Jeden Tag so hart und hemmungslos gefickt zu werden, als wäre man nur ein Miststück ohne jedes Mitbestimmungsrecht...

Benommen schluckte er seine Fantasien hinunter und wandte tief durchatmend den Blick ab, auch wenn ihm dies nicht viel nutzte, wo er doch nun tatsächlich allmählich einen Harten bekam.

"Allerdings musst du nicht erst bis dahin warten, um das deutsche Bier zu probieren", eröffnete Miya ihm und riss ihn damit ein Stück weit aus seinen furchtbar erregenden Gedanken, die langsam begonnen hatten, reichlich realistisch anmutende Bilder vor seinem geistigen Auge zu formen. Er, mit gespreizten Beinen auf dem Bett liegend, bereit für Miya. Hart, gedehnt, willig...vielleicht sogar gefesselt...

Shit.

"W-was?", hakte Chiaki irritiert nach, da er Miya kaum zugehört hatte. "Was ist mit Bier?"

"Hey." Miya lächelte ihn wieder an, dieses Mal allerdings eindeutig so amüsiert wie ein Vater, der sich belustigt über eine Kinderei seines Sohnes zeigte. "Du bist ja ganz durch den Wind. Bist du denn so scharf auf das deutsche Bier?"

"Oh ja, und wie", entgegnete Chiaki mit einem vagen, aber doch gerissenen Schmunzeln, wusste er doch genauso gut wie Miya, dass er eigentlich etwas ganz anderes meinte. "Ich kanns kaum erwarten, es zu kosten."

"Dann solltest du mit zu mir kommen." Selbstzufrieden aufgrund der Tatsache, einen Köder gefunden zu haben, reckte Miya das Kinn in die Höhe. "Ich habe noch eine Dose deutsches Bier Zuhause. Für Notfälle habe ich sie aufgehoben." Seine Hand kniff nun etwas fester, bestimmter in Chiakis Schenkel. "Und wenn das kein Notfall ist, dann weiß ich auch nicht."

Chiaki wusste, dass er aus der Nummer nicht mehr herauskommen würde, wenn er nun auch noch mit zu Miya ging. Der Fehler, den er machte, nahm immer verhängnisvollere Züge an, und schon bald würde er auffliegen. Miya würde bemerken, dass er ihn nur gewähren ließ, weil er sich ein paar Geldscheinchen als Belohnung für seine Liebesdienste erhoffte. Spätestens, wenn er ihn um Bezahlung nach einer wilden Nummer bitten würde, würde Miya ihn sicherlich achtkantig rausschmeißen und nie wieder anrühren. Er wollte keine Nutte, so viel stand fest. Er wollte jemanden, der ihn ebenfalls begehrte und ihn nur ranließ, weil sein Körper sich nach seinen Zuwendungen sehnte. Und er glaubte, so jemanden in Chiaki gefunden zu haben. Weil dieser sich mit ihm umgab. Weil dieser seine Hand nicht weggeschlagen hatte, als sie sich unter seinen Rock gestohlen hatte. Wer wollte schon einen Lügner?

 

Chiakis Körper jedenfalls konnte man wahrlich nicht als Lügner bezeichnen. Er büßte seine Erektion schlichtweg nicht mehr ein, nicht einmal als sie mit der U-Bahn zu Miya fuhren und die Situation keinerlei Erotik mehr aufzuweisen hatte. Dafür aber schwelte die Erotik nach wie vor in seinem Kopf und umnebelte seine Sinne. So heftig, dass er sogar nicht anders konnte, als aufzustöhnen, so wie Miya ihm die Hand auf den Hintern legte, als sie seine Wohnung gemeinsam betraten.

Fertig mit sich und der Welt saß Chiaki schließlich auf der Couch und fragte sich, ob es auffallen würde, wenn er rasch zum Klo flitzte und sich dort einen herunterholte. Selbstverständlich auf Miya. Auf die Vorstellung, wie seine Hand vorhin in der Kneipe sich nicht damit zufrieden gegeben hätte, auf seinem Oberschenkel zu ruhen, sondern hin zu seinem Schritt gehuscht wäre, durch die Beinöffnung seines Slips und ihn-

Das Bierglas, das ihm gereicht wurde, fiel ihm fast aus der Hand, weil nicht nur sein Verstand, sondern auch sein Körper mächtig durcheinander gekommen war. Eigentlich hatte er überhaupt keinen Durst, geschweige denn Appetit auf Bier, aber er nippte dennoch an ihm und nickte Miya, der neben ihm saß, anerkennend zu.

"Schmeckt wirklich gut", bekundete er und schob derweil in der Hoffnung, diskret zu sein, seinen Arm über die Beule unter seinem Rock. "Eindeutig ein Sünde wert."

"Da habt ihr ja was gemeinsam." Ehe Chiaki es sich versehen konnte, war ihm das Glas weggenommen worden. Entschlossen stellte Miya es auf den Tisch und rutschte anschließend näher an das Objekt seiner Begierde, bedrängte es förmlich in seinem schwelenden Hunger. "Aber ich vermute fast, dass du mich noch schwächer machst als so ein läppisches Bier..."

Im Anflug einer Art Fluchtreflex wollte Chiaki nun am liebsten sein perfides Spiel auffliegen lassen. Er wusste, auf was Miya es abgesehen hatte, und er wusste erst recht, dass er drauf und dran war, sich dies zu holen, wenn er dem nicht im letzten Moment einen Riegel vorschob.

Erschrocken rückte er von Miya ab, den Küssen ausweichend, die er begonnen hatte, hungrig auf seinem Hals zu verteilen. Schon jetzt vermochte er kaum mehr zu atmen vor Erregung, und er war sich so sicher, prompt den Verstand vollständig zu verlieren, wenn Miyas Hand sich nur in die Nähe seines Schritts wagte. Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, jemals jemanden derart gewollt zu haben.

"Stimmt was nicht?", fragte Miya besorgt nach, konnte es sich allerdings nicht verkneifen, einen weiteren Kuss auf die zarte Haut seines Püppchens zu drücken, nach welchem er sich so verzehrte. "Magst du es nicht? Oder hast du nur etwas gegen Sex beim ersten Date?"

Die Wonne hatte Chiakis Kopf förmlich leergefegt. Er starrte Miya an, wagte es sogar, seinem Blick verhältnismäßig lange standzuhalten, während er schief und verkrampft mehr im Sofakissen lag, als dass er saß. Ja, er dachte wieder an Sora, an ihr Abkommen. Daran, wie er von Chiaki verlangt hatte, Miya zu verführen, um an sein Geld zu kommen. Und auch die Gewissensbisse plagten ihn abermals. Durfte er sich einfach fallen lassen?

Natürlich durfte er. Denn er war bei Weitem nicht nur ein Schauspieler, der sich Miya anbieten würde, ohne selbst Gefallen an dem zu finden, was er mit ihm tat. Er würde es tun, weil er sich heftig danach sehnte. Weil er verrückt nach Miya war. Und weil er keinen einzigen Schein als Belohnung für diese Nummer sehen wollen würde. Das Geld war ihm doch scheißegal, so lange Miya ihn endlich nahm. Liebte. Fickte. Wie auch immer er es nennen wollte.

"Ich hab nichts gegen Sex beim ersten Date", verkündete Chiaki also schließlich verschmitzt mit einem abenteuerlustigen Lächeln auf den Lippen. "Ich hab nur was gegen Sex auf der Couch."

Kaum, dass er diese Worte ausgesprochen hatte, packte Miya ihn schon am Arm und stand auf, zog ihn mit sich, in den Nebenraum, bei welchem es sich garantiert um das Schlafzimmer handelte.

So, wie die Tür hinter ihnen zufiel und sie sich Ertrinkenden gleich küssten, verlor Soras Plan mehr und mehr an Bedeutung. In der Tat konnte Sora ihn mal am Arsch lecken. Obwohl er ihm gewissermaßen sogar dankbar sein musste - denn ohne sein Zutun und die Organisation eines Dates hätte Chiaki wohl noch länger darauf warten müssen, sich nackt unter Miya zu winden und von ihm den Sex seines Lebens zu bekommen...



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