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Das sechste Jahr

Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu beschützen?
von

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Bühne frei

„Dieses kleine arrogante Balg!“, schimpfte Severus los, sobald die Tür ins Schloss gefallen war. „Ich will ihn mal sehen, wie er mit einer Aschwinderin zurechtkommt. Und den Gefrierzauber für die Eier kennt er bestimmt auch nicht.“

 

Harry hatte sich in der Zwischenzeit daran gewöhnt, dass sich Severus ihm gegenüber im Privatem anders verhielt, als er es gewöhnt war. Mehr wie der Junge, der er noch in Hogwarts gewesen war, nicht wie der strenge Lehrer, der fast alle Wörter in seinen Sätzen punktierte und jeden verunsicherte und von dem jeder Blick ein mulmiges Gefühl hinterließ. Als ob er einen tief in die Seele schauen könnte. Nun, er beherrschte Legilimentik. Dieses Gefühl war also nicht ganz unbegründet.

 

Weiter vor sich hin schimpfend ging Severus zum Kamin, um die Überreste des durch den Übergang entstandenen Flohpulverfeuers zu löschen und anschließend den Kamin für weitere Reisende zu verschließen.

 

Draco ließ sich in der Zwischenzeit auf einen der beiden Sessel vor dem Kamin fallen.

 

Harry beobachtete ihn, ob es irgendwelche Anzeichen für Folter oder Verletzungen gab. Aber Draco sah einfach nur müde und erschöpft aus. Eigentlich sollte er lieber ins Bett gehen, aber Harry brachte es nicht über sich, ihn wegzuschicken. Er musste erst wissen, was vorgefallen war.

 

Als Severus von dem Kamin wegtrat, brannte bereits wieder ein wärmendes Feuer und Harry war dankbar. Der Wärmezauber verlor langsam wieder seine Wirkung. Severus beschwor einen dritten Sessel herauf und deutete Harry an, sich hinzusetzen, während er selbst Platz nahm.

 

Draco blickte auf und sah Harry direkt in die Augen. „Ihr braucht mich gar nicht erst fragen, was los war. Ich habe nämlich absolut keine Ahnung.“

 

Das war enttäuschend. Aber Draco musste doch sicher irgendetwas mitbekommen haben? „Warum hat das Treffen diesmal so lange gedauert? Von Freitagabend an?“, fragte Harry.

 

„Ich weiß es nicht. Ich war genauso überrascht, als mein Vater plötzlich da stand und meinte, dass er mich und diese Ratte Bletchley zum Dunklen Lord bringen soll. Er selbst wusste auch nicht warum.“ Draco war bemüht, seine eisige Maske aufrechtzuerhalten. Sein einziger Schutz gegen die Erschöpfung, die in seinem Geist steckte.

 

„Was ist passiert, als ihr angekommen seid?“, fragte Harry weiter.

 

„Erstmal gar nichts. Wir waren auf unserem Anwesen und mussten warten. Diese schmierige Ratte Pettigrew meinte, dass kurzfristig ein Todessertreffen einberufen wurde und der Meister erstmal keine Zeit für uns hätte. Er wollte uns aber nicht erzählen, worum es bei dem Treffen ging.“

 

„Ich weiß es auch nicht.“, beantwortete Severus die unausgesprochene Frage. „Ich habe zwar den Ruf gespürt, …“ – Harry wusste, dass man diesen Schmerz nicht ignorieren konnte. Er hatte ihn bereits selbst zu spüren bekommen. Der Ruf war gleichzeitig eine Warnung, ihn nicht zu ignorieren. – „… aber ich bin ja gezwungen, in diesem Schloss zu bleiben. Lucius hätte mir erzählt, wenn meine Anwesenheit erwünscht gewesen wäre.“

 

Harry nickte verstehend. Severus war der einzige Todesser, der sich erlauben konnte, den Ruf seines Lords zu ignorieren. Einige der wenigen Privilegien als Doppelagent.

 

„Innerhalb der Schulzeit erfahre ich solche Dinge meistens nur hinterher über den Tagespropheten. Oder durch den Orden.“ Jeder in Voldemorts Reihen, auch die Jungtodesser, wussten von Severus Rolle. Genauso wie jeder im Orden des Phönix. Es machte die Sache einfacher, weil seine Loyalität niemals direkt infrage gestellt werden konnte. Sowohl Dumbledore als auch Voldemort vertrauten Severus und die jeweiligen Anhänger vertrauten dem Urteil ihrer Anführer. Nur einige wenige zweifelten an Severus‘ Treue.

 

Sirius hatte ihm nie vertraut und auch Lupin war sehr argwöhnisch. Aber sie waren aufgrund ihrer gemeinsamen Vergangenheit voreingenommen und aus diesem Grund waren ihre Bedenken nie ernst genommen worden. Bei Mad-Eye Moody sah es anders aus. Aber er vertraute generell niemanden und schon gar keinem Extodesser. Und solange Dumbledore ihm vertraute, war die Meinung des ehemaligen Auroren uninteressant.

 

Auf der anderen Seite gab es auch den einen oder anderen, der Severus nicht glaubte. Vorneweg Bellatrix Lestranges. Severus hatte Harry erzählt, dass sie ihn offen beschuldigte und meinte, dass Voldemort eine falsche Entscheidung getroffen hatte, ihm zu vertrauen. Nicht, dass sie ihm das direkt in sein Schlangengesicht sagen würde, dafür hing sie doch zu sehr an ihrem kümmerlichen Leben, aber sie verbreitete das Misstrauen ihm gegenüber in ihren Reihen. Harry würde etwas dagegen unternehmen, wenn sich die Möglichkeit dazu bot.

 

„Wie ging es dann weiter?“, wollte Severus wissen und riss Harry aus seinen Gedanken. Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Draco, der leicht genervt die Augen verdrehte.

 

„Erstmal gar nicht. Wir haben die ganze Nacht in unserem Anwesen verbracht. Ich habe die ganze Zeit kein Auge zugetan.“ Wie um seine Aussage zu bekräftigen, gähnte Draco lautstark. Harry konnte verstehen, dass das anstrengend gewesen war. Er hatte auch seit Freitag kaum Schlaf bekommen.

 

Aus den Augenwinkeln heraus sah Harry, wie Severus versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken, aber kläglich scheiterte. Harry erging es nicht anders.

 

„Ich kann doch nicht schlafen, wenn zwei so schmierige Ratten in meinem Haus sind.“ Draco verzog angewidert sein Gesicht, bevor er weiter sprach. „Ich hatte Bletchley gefragt, warum er zum Dunklen Lord gerufen wurde, aber er hat nur dämlich gegrinst und meinte, dass er selbst um ein Treffen gebeten hatte. Mehr wollte er mir nicht erzählen. Am nächsten Morgen haben uns mein Vater und meine Tante abgeholt und uns zum Haus des Dunklen Lords gebracht. Ich musste dann wieder warten, während er erstmal mit Bletchley gesprochen hat. Ich durfte dann erst am Nachmittag zu ihm.“

 

Draco machte eine kurze Pause, um sich zu sammeln. Er war sehr müde und es war anstrengend, seine Gedanken zu sortieren. Harry nutzte die Pause, um Draco den Rest seines Butterbieres zu holen. Es war nicht das beste Getränk, um ihn wach zu halten, aber es würde wenigstens seine Kehle befeuchten.

 

Draco nahm den Krug entgegen und lächelte Harry dankbar an.

 

Harry blinzelte kurz vor Überraschung und ging dann auf seinen Platz zurück, das merkwürdige Kribbeln in seinem Bauch ignorierend.

 

Nachdem Draco einen Schluck getrunken hatte, erzählte er weiter. „Ich habe dann ganz normal meinen Bericht abgegeben; was alles passiert ist, wie das Training verläuft, der Stand meiner Aufträge, …“ Draco warf einen bedeutungsschweren Blick in Harrys Richtung. Er wusste sofort, was der Slytherin meinte. „Er wollte vor allem wissen, wie du dich machst, Potter.“

 

„Das ist nicht ungewöhnlich.“, warf Severus ein. „Mr. Potter muss sich erst noch des Vertrauens des Dunklen Lords würdig erweisen. Natürlich wird er da besonderes Augenmerk auf sein Verhalten legen.“

 

„Ja, mag sein.“, entgegnete Draco und lehnte sich zurück. „Das war aber auch schon alles. Danach wurde ich wieder nach Hause geschickt und sollte dort auf Bletchley warten. Ich hatte nicht erwartet, dass ich bis jetzt dort festsitzen würde. Ich habe auch in der letzten Nacht nicht viel Schlaf bekommen. Als Bletchley endlich wieder gekommen ist, hat er nur dämlich gegrinst und meinte, wir könnten zurückflohen. Das war’s.“

 

Harry seufzte. Das waren wirklich nicht viele Informationen. Voldemort hatte sich für sein Verhalten interessiert, aber wie Severus bereits gesagt hatte, war das zu erwarten gewesen. Was auch immer Bletchley von ihrem Lord gewollt hatte, sie mussten abwarten und schauen, was passierte. Aber er war froh, dass es Draco soweit gut ging.

 

„Hat Voldemort irgendetwas wegen deiner Aufträge gesagt, weil du bei dem einen nicht weiterkommst?“ Er musste einfach fragen. Dass Draco deswegen Probleme bekommen könnte, bereitete ihm momentan die größten Sorgen.

 

„Nein. Ich habe ihm kurz erzählt, was ich in der Richtung unternommen habe und wie undurchschaubar du dich verhältst. Er hat daraufhin einen komischen Laut von sich gegeben. Ich glaube, das sollte ein Lachen sein. Unheimlich.“ Draco schüttelte sich bei der Erinnerung. „Er meinte dann, dass er das nicht anders erwartet hätte. Ich soll aber weiter die Augen offen halten.“

 

Voldemort hatte gelacht? Hatte Draco ihm etwa auch von dem Vorfall in der Dusche erzählt? ‚Ich hoffe, dann wenigstens nicht allzu detailliert.‘ Wieder einmal hätte Harry sich für seine Dummheit an dem Abend ohrfeigen können. Das würde ihm definitiv nicht noch einmal passieren.

 

Severus zog fragend eine Augenbraue nach oben.

 

Harry schüttelte seine selbstmitleidigen Gedanken ab und grinste seinen Lehrer schief an. „Draco hat den gleichen Auftrag bekommen wie du. Er soll ebenfalls herausfinden, wer meine Angebetete ist. Vielleicht solltet ihr euch zusammen tun!?“

 

Severus schnaubte. „Verschwendete Zeit. Ich bin mir sicher, dass nicht einmal Veritaserum dir dieses Geheimnis entlocken könnte, Harry.“

 

Draco schaute kurz verwirrt zwischen den beiden Zauberern hin und her. Er wunderte sich, seit wann die beiden so vertraut miteinander waren, sagte aber nichts dazu.

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

Sie waren nicht mehr lange in Severus‘ Büro geblieben. Kurz nach Mitternacht waren Harry und Draco in ihre Schlafsäle zurückgekehrt. Harry verfluchte wieder einmal, dass er bis in den siebten Stock hinauf musste. Er war furchtbar müde und unter seinem Tarnumhang war es angenehm warm, so dass es ihm schwer fiel, die Augen offen zu halten. Aber irgendwie hatte er es geschafft, in sein Bett zu kommen und sogar am nächsten Morgen pünktlich aufzustehen.

Verschlafen saß er im Zaubertrank-Unterricht und versuchte, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Er musste ein Gegengift herstellen.

 

Auch wenn er sich in der Zwischenzeit besser mit Gegengiften auskannte und keine Probleme hatte diese nach Anweisung zu brauen, stellte ihn das eigene Entwickeln eines Gegengiftes vor eine Herausforderung. Das Trennen des Giftes in seine einzelnen Bestandteile war nicht schwierig, auch nicht das Bestimmen der Zutaten und deren jeweiligen Gegengifte, aber das Brauen des eigentlichen Gegentrankes war sein Problem. Dazu fehlte ihm jegliche Intuition und es gab nichts, was man dazu auswendig lernen konnte.

 

Sein Notfallplan war ein Bezoar. Der half gegen die meisten Gifte, man musste ihn nur dem Opfer in den Hals stecken. Aber hier und jetzt half er ihm nicht weiter.

 

Missmutig schaute Harry in seinen Kessel und beobachtete die blubbernde sumpfgrüne Flüssigkeit, die giftiger aussah, als das Gift gegen das es wirken sollte. Neben ihm arbeitete Granger und hatte seit langer Zeit mal wieder Spaß neben ihm zu sitzen, weil sie etwas besser konnte als er und sie ließ es sich nicht nehmen, ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen.

 

Harry wünschte sich, dass einer der Slytherins irgendetwas in ihren Kessel tun würde und ihn zum explodieren brachte. Aber die trauten sich das bei Slughorn nicht. Draco konnte ihnen keine Rückendeckung geben, weil diese aufgedunsene Spinne ihn nicht mochte. Außerdem war Draco ohnehin nicht da.

 

Zabini kam heute Morgen mit einem Stück Pergament und ließ Draco im Namen von Severus entschuldigen, er bräuchte ganz dringend seine Hilfe. Ja, klar. Harry war sich ziemlich sicher, dass er, wenn er weiter in die Kerker vordringen würde, irgendwann Draco erspüren würde, wie er friedlich in seinem Bett lag und schlief. Natürlich hatte Severus ihn gedeckt.

 

Ein bisschen eifersüchtig wandte sich Harry wieder seinem Gebräu zu. Er konnte es ja verstehen. Draco hatte es bitter nötig, so wie er letzte Nacht ausgesehen hatte. Gerne würde sich Harry mit dazu legen…

 

„Fertig!“, rief Granger plötzlich und ließ Harry zusammenzucken. In seinem Kessel blubberte dunkler Schleim träge vor sich hin. Ein ungeübtes Auge hätte es mit Vielsafttrank verwechseln können.

 

‚Hatte Granger nicht das Rezept für den Vielsafttrank, den wir im zweiten Schuljahr gebraut hatten, aus einem Buch aus der Verbotenen Abteilung?‘

Vielleicht wäre es sinnvoll mal nach diesem Buch zu suchen. Möglicherweise bekam er da ein paar Tipps, wie er Gegengifte richtig entwickelte. Oder er könnte einfach Severus fragen, ob er ihm hilft.

 

„Wunderbar, Ms. Granger. Ich hatte auch nichts anderes von Ihnen erwartet.“ Granger strahlte ihn an und wandte sich dann mit einem überlegenen Blick an Harry. Slughorn nutzte den Moment und warf einen Blick in Harrys Kessel und schüttelte dann nur traurig mit dem Kopf.

„Ach Harry. Beim Brauen zeigen Sie wirklich genau gleiche wunderbare Talent wie Ihre Mutter, aber für das Entwickeln von Gegengiften fehlt leider jegliches Gespür.“

 

Zu Harrys Trost sah es in Weasleys und Macmillians Kessel ebenfalls nicht besser aus.

 

Den Rest des Tages verbrachte Harry in einer dumpfen Wolke aus Müdigkeit und Lethargie. Auch während des Trainings mit den Slytherins lief es nicht anders. Draco war glücklicherweise wieder soweit erholt, dass er die Aufsicht zum größten Teil übernehmen konnte und Harry musste nur die Karte des Rumtreibers im Auge behalten.

 

Aber trotz dessen, dass Harry sich zersplintert fühlte, entging ihm nicht, dass Bletchley dem Training ferngeblieben war.

 

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Dienstagmorgen fühlte sich Harry wieder wie er selbst. Er hatte am Abend zuvor auf einen Ausflug in die Bibliothek verzichtet und war dafür zeitig ins Bett gegangen. Jetzt saß er an seinem Platz am Gryffindor-Tisch in der Großen Halle. Sein Anhängsel hatte es wieder geschafft, sich neben ihn zu setzen. Sehr nah. Zu nah. Harry fühlte sich etwas bedrängt, entschied sich aber, nichts zu sagen oder wegzurücken. Vielleicht würde Draco ihm den Gefallen tun und auch sie verfluchen.

 

Seine Hauskameraden schienen immer noch zu glauben, dass sie diejenige gewesen war, die Turpin und Jones das angetan hatte – außer ihr Bruder natürlich. Zumindest entnahm Harry das ihren vorsichtigen Blicken, die sie immer wieder in ihre Richtung warfen.

 

Aber nicht nur in seinem Haus war das Thema noch aktuell. Auch von den anderen Tischen konnte er neugierige Blicke auf sich spüren und hörte das Getuschel. Harry versuchte, sich nicht davon stören zu lassen. Seit Hagrid ihn damals in die Zaubererwelt geholt hatte, war er immer irgendwie im Zentrum der Aufmerksamkeit gewesen.

‚Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen können.‘, dachte Harry missmutig.

 

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als die Posteulen in einem wilden Durcheinander von Braun- und Grautönen in die Große Halle geflogen kamen. Ganz automatisch suchte Harry nach einem weißen Fleck in dem Getümmel, aber seine Hedwig hatte anscheinend keine Briefe für ihn. Dafür erregte eine andere Eule seine Aufmerksamkeit. Genauer gesagt ein silbergrauer Uhu, der sich mit fast zwei Metern Flügelspannweite nicht nur durch sein einzigartiges Gefieder von seinen Artgenossen abhob. Zielsicher und elegant flog er zum Slytherin-Tisch und setzte sich auf Goyles Kopf. Der Junge schrie kurz auf und versuchte, den Vogel wegzuscheuchen, aber dieser bewegte sich kein Stück von seinem auserwählten Platz.

 

Nach einem kurzen Kampf, den Goyle eindeutig verlor, wurde dem Vogel endlich seine Last abgenommen. Ein riesiges Päckchen und ein Brief. Das Auspacken überließ Draco seinen Klassenkameraden, während er den Brief las. Der Uhu hatte sich in der Zwischenzeit etwas von Goyles Teller stibitzt und flog jetzt wieder nach Hause. Zum Abschied hatte er Goyle noch eins mit seinen riesigen Schwingen verpasst. Harry tat er fast ein bisschen leid, wie er so da saß, die Arme zum Schutz über seinen Kopf zusammengeschlagen, und wimmerte.

 

Die anderen Slytherins beachteten ihn nicht weiter. Sie schauten nach, was Draco alles für Kuchen und Süßigkeiten von zu Hause zugeschickt bekommen hatte. Obwohl er schon sechzehn Jahre alt war, bekam er immer noch solche Pakete. Sehr zur Freude von Crabbe und Goyle, die sich regelmäßig daran bedienten.

 

Als hätte Draco Harrys Blicke gespürt schoss sein Kopf plötzlich nach oben und schaute Harry direkt in die Augen. Es dauerte nur drei Sekunden, aber es reichte, um Harry zu signalisieren, dass sie gleich ein kurzes Theaterstück aufführen würden.

 

Draco setzte sich aufrecht hin und schaute gehässig in seine Richtung. „Na Potter! Was glotzt du so? Neidisch, dass deine Mutter dir kein Päckchen geschickt hat?“

Gespielt geschockt über seine eigene Gedankenlosigkeit, schlug er sich mit der Hand vor dem Kopf. „Ach, stimmt ja. Wie konnte ich das nur vergessen? Sie kann dir ja gar keine Päckchen schicken.“

 

Draco hatte nicht laut genug gesprochen, um das morgentlich Getümmel komplett zu übertönen, aber laut genug, dass man ihm am Gryffindor-Tisch verstanden hatte. Dort wurde es schlagartig still und alle starrten Harry an, warteten auf seine Erwiderung. Die plötzliche Ruhe blieb auch bei den anderen Tischen nicht unbemerkt. Auch hier begannen die Schüler nach und nach zu verstummen, zu neugierig, was gerade passiert war.

 

Harry spielte mit. Er stand abrupt auf, seine Hände waren zu Fäusten geballt. Die Kiefer zusammengepresst funkelte er seinen Rivalen an, als ob er ihm jeden Moment einen Unverzeihlichen auf den Hals hexen würde.

 

So wirkte es nach außen. Im Inneren war Harry vollkommen ruhig. Der Spruch berührte ihn nicht. Schon lange nicht mehr. Er war nur Mittel zum Zweck. Draco hatte ihm so mitgeteilt, dass sie miteinander reden müssten. Am unauffälligsten war es immer, wenn sie zusammen nachsitzen mussten. Dieser Spruch, hier und jetzt, war nur der Auftakt. Ihr eigentliches Theaterstück würden sie später vor Severus in Verteidigung gegen die Dunklen Künste aufführen. Hier einen großen Streit anzufangen, unter den Augen aller Lehrer wäre dumm.

 

Harrys rechte Hand zuckte. Aber bevor er seinen Zauberstab greifen konnte, waren Granger und Mini-Weasley neben ihm aufgesprungen und zogen ihn aus der Großen Halle. Etwas drastisch, aber sie hatten ihn, wie er erwartet hatte, gestoppt, bevor er einen Fluch auf Draco hexen konnte. Harry ließ sich widerstandslos wegbringen. Die Blicke, die er seinem Erzfeind zuwarf, waren mörderisch.

 

Sie brachten Harry nach draußen. Er versuchte, sich zu sammeln, atmete mehrmals tief ein und aus. Mini-Weasley strich ihm immer wieder beruhigend über den Rücken. So beruhigend fühlte es sich für Harry nicht an, aber er ließ es über sich ergehen.

 

Kurz nach ihnen kam auch der andere Weasley hinterher getrabt. Er sah ärgerlich seine Freundin und seine Schwester an. „Warum habt ihr Harry weggeschleppt? Dieses Frettchen hätte eine Abreibung verdient gehabt.“

 

„Spinnst du, Ron?“, entgegnete Granger wütend. „Harry kann doch nicht einfach vor der ganzen Schule – vor allen Lehrern! – Malfoy verfluchen. Dafür hätte er einen Schulverweis kriegen können. Willst du das?“

 

Weasley zuckte zusammen und schaute dann leicht beschämt zu seiner Freundin. „Natürlich will ich das nicht.“, antwortete er widerwillig. Man sah ihm an, dass er es aber doch lieber gesehen hätte, wenn Harry den Slytherin verflucht hätte. Nun, diesen Gefallen würde er ihm ganz sicher nicht tun.

 

„Geht’s wieder, Harry?“ Mini-Weasley schaute Harry besorgt an. Er schenkte ihr ein dankbares Lächeln, was sie sofort leicht erröten ließ.

 

„Ja, geht schon. Danke.“ Harry ließ seine Stimme ein wenig zittern.

 

„Willst du zurück in die Große Halle? Oder wollen wir noch ein bisschen hoch in den Gemeinschaftsraum gehen? Es ist noch ein bisschen Zeit, bevor der Unterricht anfängt.“ Sie schaute Harry hoffnungsvoll an, aber er schüttelte nur mit dem Kopf. Er hatte jetzt keine Geduld, um mit ihr zu spielen. Er war viel zu neugierig, was Draco von ihm wollte. Es musste etwas mit dem Brief zu tun haben, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass etwas Wichtiges drinstehen würde. Immerhin konnten Posteulen abgefangen werden. Das Risiko wäre viel zu hoch.

 

„Nein, ich muss noch schnell in die Bibliothek. Ich wollte noch etwas nachschlagen, bevor der Unterricht anfängt.“ Das war nicht mal gelogen. Harry hatte sich an ein Zaubertrankbuch erinnert, in dem letztes Jahr für Severus nach Zaubertrankzutaten gesucht hatte. Asiatische Antidotes. Der Titel klang vielversprechend. Vielleicht könnte er da noch ein paar Tipps zum Entwickeln von Gegengiften finden. Auf jeden Fall war es die perfekte Ausrede, um von dieser Göre wegzukommen, die ihn jetzt enttäuscht anschaute.

 

„Gut, wir kommen mit.“, meinte Granger plötzlich. Weasley und Harry schauten sie beide überrascht an. Wann war das letzte Mal gewesen, dass sie gemeinsam in die Bibliothek gegangen waren? Harry konnte sich nicht erinnern.

 

„Wieso wir?“ Weasley Abscheu vor Wissen zeigte sich nur allzu deutlich auf seinem Gesicht.

 

„Hab dich nicht so, Ron. Es könnte dir ganz sicher nicht schaden, auch hin und wieder ein Blick in ein Buch zu werfen.“ Er sah nicht so aus, als ob er ihr glauben würde. Granger seufzte. „Zumindest sollten wir Harry jetzt nicht alleine lassen.“

 

Also darum ging es. Sie wollte ihn kontrollieren. Damit er nicht doch heimlich zurück in die Große Halle rannte und Draco verfluchte.

 

Es half nichts. Er müsste wohl ein bisschen Zeit mit seinen Freunden verbringen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Yamis-Lady
2020-01-09T21:07:57+00:00 09.01.2020 22:07
ohje, harry muss sich dem Schicksal fügen und mit allen in die Bibliothek gehen 🙈
der arme


Antwort von:  CruelLamia
09.01.2020 23:00
Ich wollte Harry nicht zu perfekt machen. Also hat er eine kleine Schwäche in Zaubertränke. Nicht sonderlich überraschend, oder? 🙈

LG Lamia 🐱
Von:  Sandy
2018-04-13T20:16:39+00:00 13.04.2018 22:16
Hi ich bin es wieder Sandy,

das Kapitel war echt klasse wieder mal, bin gespannt was Draco Harry zu erzählen hat?
Und toll fande ich es auch mit dem gekünstelten Streit von Harry und Draco in der großen Halle intessant um ein Gespräch zu bitten toll

Und Hermine und Ron und Gianny können nur einen auf den Keks gehen total !!
Hermine mit ihrem Besserwissere gehabere und Ron würde sogar riskieren lassen das harry aus der Schule fliegt nur um Draco zuverfluchen!!
Und Ginny die harry die dauert an Pelle rückt.

Und beim Treffen von draco auch nicht so raus und Informationen und dafür machte er Sich mehr sorgen um Draco das Ihm nichts passieren wird beim Lord!!

Und dann muss er sich noch mit seinen FREUDEN rumschlagen nur weil er zu Bibliothek gehen mag der Arme!!

Aber trotzdem wieder Super klasse und lange kapitel bin auf jedenfall sehr gespannt wie es nächstes mal wieder weiter gehen wird.
Coole FF lese immer wieder aufs neue die Kapiteln immer wieder ein Genuss!! 😘😊😁😀

Weiter so... Echt toll

Bis zum nächsten mal

LG Sandy
Antwort von:  CruelLamia
14.04.2018 09:20
Hallo Sandy,

vielen lieben Dank für deinen tollen Kommentar.

Es ist ja wichtig, dass Harry und Draco hin und wieder aneinandergeraten. Sonst wäre es ja für den Rest zu auffällig. Und sie sind ja noch nicht fertig. Im nächsten Kapitel geht es weiter. 😁

Ja, Harrys Freunde sind echt aufdringlich. Aber so sind sie nun mal und bevor Harry die Seiten gewechselt hat, war das auch in Ordnung. Sie meinen es ja schon gut mit ihm. Aber ja, sie nerven. 😂

Ich freue mich, dass dir meine FF so gut gefällt, dass du sie immer und immer wieder liest. Wenn dir dabei auffallen sollte, dass sich irgendetwas widerspricht, sag mir bitte ruhig Bescheid. Die FF ist doch umfangreicher geworden als ich zu Beginn gedacht hatte und auf die Details zu achten, hat sich als sehr schwierig herausgestellt. Bin für jeden Hinweis dankbar. 😊

Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal.
Lamia 🐱


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