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Das sechste Jahr

Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu beschützen?
von

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Der Verekelfluch

Harry lehnte an einer der Säulen in dem Raum des Schreckens, den er erschaffen hatte, den Kopf in den Nacken gelegt. Er wartete auf Dobby, den er beauftragt hatte, ihm etwas zu essen aus der Küche zu bringen. Wie erwartet, hatte der kleine Hauself vor Freude gequickt und war sofort losgeeilt, um Harry seinen Wunsch zu erfüllen. Der Raum hatte sich sofort angepasst und einen kleinen Tisch und zwei Stühle bereitgestellt. Teller, Besteck und Becher für zwei Personen waren darauf zu finden.

 

Seufzend verfluchte Harry sein Unterbewusstsein, dass schon wieder mehr gewünscht hat, als er beabsichtigt hatte. Der Raum war einfach zu sensibel und gerade was Harry anging, schien er besonders erpicht darauf zu sein, ihm all seine Wünsche zu erfüllen.

Das war natürlich Einbildung. Der Raum behandelte jeden gleich und konnte auch nicht so tief in jemanden hineinschauen, dass man keine Macht mehr darüber hatte, was der Raum tat oder nicht. Aber Harry war zu sehr in seinen Gedanken bei einem anderen Zauberer gewesen und der Raum konnte ihn diesen Wunsch nicht erfüllen, also hatte er einfach sein Möglichstes getan. Und das hatte zur Folge, dass für zwei Personen gedeckt war.

 

Harry wurde aus seinen Gedanken gerissen, als plötzlich Dobbys Präsenz vor dem Eingang auftauchte. Die Tür öffnete sich einen Spalt und war dann auch schon wieder zu. Der kleine Hauself machte kein Geräusch als er sich Harry mit wackeligen Schritten näherte.

 

Der unsichere Schritt ließ Harry stutzen und er blickte in die Richtung, aus der Dobby kam. Aber statt eines Hauselfen mit großen runden Augen, riesigen Fledermausohren und einer viel zu langen Nase sah ein nur Berge von Essen, die langsam auf ihn zu schwebten. Jetzt konnte er auch das Klappern von Geschirr hören. Einzelne Teller und Platten stießen immer wieder gegeneinander, brachten sich gegenseitig zum Kippen und das Essen darauf zum Schwanken. Mehrmals glaubte Harry, dass gleich alles auf dem Boden landen würde, aber es wurde jedes Mal wieder rechtzeitig ausbalanciert. Hin und wieder konnte er eine einen Fetzen rosa Haut aufblitzen sehen, wie Arm, Schulter und auch mal der Kopf, auf denen ebenfalls Teller balanciert wurden, während die restlichen Platten und Schüsseln um den kleinen Kerl herumschwebten und ihn völlig unkenntlich machten. Das einzige, woran man erkennen konnte, dass es wirklich Dobby war, waren die Füße, die unter den Bergen von Essen hervorlugten.

Der sockenverliebte Hauself hatte sich heute gleich zwei Paar angezogen. Das erste ging bis hoch zu den Knien und war knallgelb, dass es beinahe in den Augen brannte. Das zweite Paar ging nur bis zur Wade und hatte ein Karo-Muster, das abwechselnd gelb-grün und blau-rot blinkte. Ein viel zu großer Schal mit bestickten Feen, die sich gegenseitig jagten hatte sich in seinen Beinen verheddert.

 

Immer weiter bewegte sich das Essen zu dem kleinen Tisch, auf dem es niemals genügend Platz finden würde. Kaum war der Gedanke in Harrys Bewusstsein gedrungen, schon wurde der Tisch größer und größer bis ungefähr 20 Hexen und Zauberer bequem drumherum sitzen konnten.

‚Na hoffentlich haben die Anderen Hunger.‘

 

Harry kaute auf seiner Unterlippe herum, während er überlegte, ob er Dobby helfen sollte oder lieber nicht. Er sah aus, als ob er Hilfe bräuchte, aber Dobby war viel zu eigensinnig und stolz – soweit das ein Hauself eben sein konnte – und würde wahrscheinlich nur aufgeregt seine Hilfe ablehnen und dann doch einen falschen Schritt machen und schon würde das Chaos ausbrechen. Das wollte Harry lieber vermeiden. Am besten Dobby einfach machen lassen. Zumindest solange er nicht versuchte, jemanden das Leben zu retten. Dann lieber ganz schnell auf den Besen steigen und weg.

 

Noch während Harry mit sich haderte, passierte es. Dobby verhedderte sich noch mehr in seinem Schal und stolperte. Harry konnte gar nicht so schnell reagieren und schloss reflexartig seine Augen, um das Unheil nicht mit ansehen zu müssen. Gespannt wartete er auf das laute Scheppern, dass jeden Augenblick folgen musste.

 

Aber es kam nicht.

 

Vorsichtig öffnete Harry ein Auge, um dann gleich beide erstaunt aufzureißen.

Kein Essen war auf dem Boden verteilt. Stattdessen stand alles ordnungsgemäß auf dem Tisch. Zwei riesige Schalen mit frischen Obst, Platten mit kalten Braten und Käse, Schüsseln mit dampfenden Gemüse, Pasteten, Brötchen und vieles mehr war sicher verteilt. Auch Krüge mit Butterbier und Kürbissaft, die Harry vorher noch gar nicht gesehen hatte, waren mit dabei.

Er entdeckte eine Siruptorte und beäugte sie gierig.

 

„Dobby! Ich hatte dich gebeten, mir eine Kleinigkeit zu Essen zu bringen. Nicht, die ganze Küche zu plündern. Wer soll denn das alles essen?“

 

Der Hauself lag mit seinem Gesicht auf dem Boden, Arme, Beine, Ohren und Nase von sich gesteckt. Der Schal war mehrfach um seinen kleinen Körper und Beine gewickelt. Mühsam hob er den viel zu großen Kopf und sah ihn mit großen, runden Augen an. Irgendwie schaffte Dobby es, aufzustehen und dabei den Schal zumindest soweit zu entwirren, dass er nicht beim nächsten Schritt gleich wieder auf dem Boden landen würde.

 

„Sie haben nicht gesagt, was Sie essen wollen, Harry Potter, Sir. Und Harry Potter muss viel Essen, muss bei Kräften bleiben. Er hat seit einiger Zeit nicht mehr ordentlich gegessen. Dobby hat es bemerkt und macht sich Sorgen um Harry Potter.“ Harry beobachtete den kleinen Hauself, wie er aufgeregt gestikulierte und musste sich ein Lachen verkneifen, als Dobbys ohnehin schon riesige Augen noch größer wurden.

„Oh, nein! Dobby hat Harry Potter verärgert. Dobby hätte sich nicht so viel herausnehmen dürfen. Das war nicht in Ordnung. Jetzt ist Harry Potter wütend auf Dobby…“

 

„Ich bin nicht wütend auf dich Dobby.“

 

„… Dobby muss sich bestrafen, weil er Harry Potter verärgert hat…“

 

„Nein, Dobby!“

 

Aber der Hauself hörte ihn nicht. Es war besorgniserregend. Harry hatte in der Zwischenzeit schon ein paar dieser diensteifrigen Geschöpfe kennengelernt und jedes neigte auf die eine oder andere Art dazu, sich zu verletzen, wenn sie der Meinung waren, etwas Falsches getan zu haben. Aber bei keinem war es so extrem gewesen, wie bei Dobby. Und das, obwohl Dobby ein freier Elf war, der keinem Herrn diente.

Gut, insgeheim hatte Harry das Gefühl, dass Dobby sich ihm verpflichtet hatte. Zumindest war er über alle Maßen darauf erpicht, ihn zufriedenzustellen.

Vielleicht würde er Dobby fragen, ob er mit ihm kommen wolle, wenn er mit der Schule fertig war. Vorausgesetzt, der kleine Elf hätte sich bis dahin nicht selbst zu Tode bestraft.

 

Harry schaffte es gerade noch so, zu Dobby zu eilen und ihm die Gabel aus der Hand zu winden, die der Elf sich gerade in den Handrücken rammen wollte.

 

„Dobby! Ich verbiete dir, dich zu bestrafen. Du hast nichts falsch gemacht und ich bin auch nicht böse auf dich. Ich war nur etwas überrascht wegen des vielen Essens.“

Er überlegte kurz.

„Und eigentlich ist es richtig gut, dass du so viel Essen gebracht hast. Wir haben heute ein anstrengendes Training vor uns. Es kann nicht schaden, wenn wir uns vorher noch mal stärken und vielleicht für danach noch was zu essen hier hätten. Du hast gut mitgedacht. Danke schön, Dobby.“

 

Harry war erleichtert, als er bemerkte, dass diese kleine Notlüge den gewünschten Erfolg hatte. Dobby sah ihn an und sein Gesicht fing an, zu strahlen. Es wirkte ein bisschen grotesk, aber besser, als wenn er sich wirklich noch verletzt hätte.

 

„Danke, Sir. Harry Potter ist sehr freundlich.“ Jetzt wirkte Dobby ein bisschen beschämt, fing sich ab schnell wieder und wurde wieder zu dem aufgeregten, übereifrigen Geschöpft, dass Harry vor so vielen Jahren kennengelernt hatte.

„Kann Dobby noch etwas für Sie tun, Sir?“

 

Das war der Grund, warum Harry glaubte, dass Dobby ihm gehörte – so eigenartig das auch für ihn klang, ein anderes Wesen zu besitzen. Aber war es nicht das, was Hauselfen für ihre Familien, ihre Herren waren? Besitztümer? Und wollten sie es nicht auch genauso haben? Es lag nun mal in der Natur der Hauselfen. Und auch wenn Dobby immer behauptet hatte, dass er ein freier Elf sein wollte, so wollte er in Wirklichkeit doch immer nur von den Malfoys weg. Er konnte nicht, wollte nicht frei sein. Deswegen erfüllte er jeden Wunsch, den Harry äußerte, als wäre er ein Befehl. Deswegen ließ er es nicht zu, dass jemand in seiner Gegenwart schlecht über Harry sprach und es selbst niemals tun würde. Deswegen bewahrte er jedes von Harrys Geheimnissen. Darauf konnte er sich verlassen. Selbst, dass er jetzt die Slytherins trainierte. Selbst, dass er sich Voldemort angeschlossen hatte.

Dobby hatte nur einmal gefragt, ob er sich sicher sei, die richtige Entscheidung getroffen zu haben – gleich darauf wollte er seinen Kopf gegen eine Wand rammen, weil er Harrys Entscheidung in Frage gestellt hatte – und hatte dann sofort geschworen, dass das Geheimnis bei ihm sicher sei und dass er eher sterben würde, als irgendjemanden davon zu erzählen.

 

Das war das erste Mal, dass Harry nichts gegen die angekündigte Gewaltandrohung des kleinen Wesens gesagt hatte.

 

Harry war froh, dass er Dobby auf seiner Seite hatte und sich auf ihn verlassen konnte. Er hatte zwar auch Kreacher, der gezwungen war, jeden seiner Befehle zu befolgen, aber es war leichter, wenn man einen Hauselfen hatte, der das auch freiwillig tat.

Vielleicht würde sich die Meinung des alten Hauselfs der Blacks ändern, wenn er wüsste, dass Harry jetzt auf der anderen Seite stand, aber er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ihm das zu sagen und hatte bisher auch noch keine Notwendigkeit darin gesehen.

 

„Ja, du könntest tatsächlich noch etwas für mich tun.“

Die Augen des kleinen Wesens leuchteten auf und er lehnte sich eifrig ein Stück vor, um ja nicht eins seiner Worte zu verpassen.

 

„Draco wird jeden Moment hier sein.“ Harry konnte ihn schon spüren, wie er sich gemächlich dem Raum näherte. Dobby zuckte kurz bei dem Namen zusammen. Er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass er wieder so häufig mit dem Sohn seines alten Herrn zu tun hatte. Am Anfang hatte er Draco sogar gedroht, dass er ihm wehtun würde, sollte er Harry auch nur ein Haar krümmen. Danach hatten Harry und Draco gemeinsam Dobby davon abhalten müssen, sich in einem hergezauberten Putzeimer mit Schmutzwasser zu ertränken. Seitdem kamen die beiden eigentlich gut miteinander aus, aber alte Verhaltensmuster zu durchbrechen, ist eben nicht so einfach.

 

„Ich muss noch etwas mit ihm besprechen, bevor die anderen kommen. Es wäre schön, wenn du dafür sorgen könntest, dass wir ungestört bleiben, bis wir fertig sind. Kannst du das machen?“

 

Dobbys Miene verfinsterte sich.

„Er hat doch nichts getan, um Harry Potter zu schaden? Wenn er…“

 

„Nein, Dobby.“ Harry blickte belustig auf den Hauselfen herab. „Draco hat nichts getan, um mir zu schaden.“ – ‚Nicht wirklich.‘ – „Ich muss einfach nur etwas Privates mit ihm besprechen. Es wird sicher nicht lange dauern. Aber für den Fall, dass die anderen Slytherin vorher da sind, kannst du ihnen sagen, dass sie kurz warten sollen?“

 

„Ja, das kann Dobby machen. Dobby macht alles für Harry Potter.“ Aufgeregt nickte er und ließ seine Ohren flattern.

Dobby war Harry so absolut ergeben. Er bräuchte ihn wahrscheinlich nach seinem Abschluss nicht einmal fragen, der Hauself würde ihm mit Sicherheit einfach folgen.

 

Mit einer tiefen, ehrerbietigen Verbeugung – die Nase schliff mit ihrer gesamten Länge über den Boden – drehte sich Dobby um und lief zur Tür. Harry begleitete ihn. Draco lief bereits vor der Wand auf und ab und würde jeden Moment hineinkommen.

 

Kaum hatte sich die Tür einen Spalt breit geöffnet, war Dobby auch schon hinausgeschlüpft, nicht ohne Draco einen warnenden Blick zuzuwerfen, den dieser aber nicht sehen konnte.

Denn sobald die Lücke groß genug war, griff Harry nach dem Arm des Slytherin und zog ihn zu sich herein.

 

Draco war von dem plötzlichen Angriff so überrascht, dass er nicht mal daran dachte, seinen Zauberstab zu ziehen.

Harry nutzte den kurzen Moment und drängte Draco gegen die Wand, setzte dabei ein bisschen mehr Kraft ein, als nötig gewesen wäre.

„Was hast du getan? Und vor allem, warum hast du es getan.“, zischte er ihn an.

 

Draco brauchte nicht lange, um sich von den Schock zu erholen. Er war in keiner wirklichen Gefahrensituation. Harrys Zauberstab war noch in seinem Umhang verborgen und die Position an der Wand war zwar ein bisschen unbequem, aber nicht schmerzhaft.

Er lachte leise und Harry konnte die Vibration in kleinen Wellen gegen seinen Körper spüren.

 

„Das habe ich dir doch schon gesagt. Die kleine Turpin will einfach nicht mehr mit dir ausgehen. Sie findet dich abstoßend.“ In Dracos Augen lag ein gefährliches Glitzern, sein Mund war zu einem hinterhältigen Lächeln verzogen. So sehr Slytherin.

 

Ein kurzer Schauer lief durch Harrys Körper. Um ihn zu vertuschen – Draco brauchte nicht zu wissen, was seine Nähe in ihm auslöste – drückte er Draco noch weiter gegen die Wand, drängte sich dabei unbewusst selbst noch näher an den Körper heran.

 

„Spiel keine Spielchen mit mir, Draco. Ich weiß, dass du Turpin verhext hast. Und ich weiß auch, dass du ihr hinterher das Gedächtnis gelöscht hast.“ Draco sah aber gar nicht danach aus, als ob er sich unwohl fühlen würde. Er schien diese Situation eher zu genießen.

 

Draco lehnte seinen Kopf leicht nach vorne, so weit, wie Harrys Griff es ihm erlaubte. Seine Lippen streiften Harrys Wangenknochen als er seine nächsten Worte flüsterte. „Dabei solltest du mir dankbar sein. Du wolltest doch nicht wirklich mit ihr ausgehen. Wir beide wissen doch, dass du nur an einer Person interessiert bist.“

 

Harry versteifte sich augenblicklich. Das konnte nicht sein. Draco konnte unmöglich wissen, an wem er interessiert war. Oder? War schon alles zu spät?

 

„Oder wolltest du sie eifersüchtig machen?“ Durch seine innerliche Panik hätte Harry Dracos letzte Worte beinahe überhört.

Sie. SIE! Er wusste nichts. Hatte nicht mal einen Verdacht.

 

Erleichtert atmete Harry aus. Er hatte nicht mal bemerkt, dass er seinen Atem angehalten hatte. Seine gesamte Anspannung verließ mit der Luft seinen Körper. Unbewusst lockerte er aber dadurch auch seinen Druck auf Draco. Dieser nutzte die Gelegenheit, um sich seinerseits ein bisschen mehr gegen Harry zu drängen.

 

Die Nähe zu dem anderen Zauberer war berauschend. Wie leicht wäre es jetzt, seine Arme um den anderen zu schlingen, ihn zu sich zu ziehen, seine Lippen zu suchen und sie mit seinen zu verschmelzen. Ihre Körper noch weiter aneinander zu pressen und diesem Verlangen nachzugeben.

 

Der ihm nur allzu vertraute Geruch stieg Harry in die Nase. Draco roch nach einem kühlen Frühlingsmorgen, nach einer frischen Brise, nach mit Tau behangenen Gräsern. Genauso wie das Gras, auf dem Harry gestern Morgen noch gelegen hatte.

Es war zu leicht, alles zu vergessen und sich in dem Augenblick zu verlieren, die hellgrauen Augen auf ihn gerichtet, völlig auf ihn fixiert. Genau wie am Abend zuvor.

 

Harry trat abrupt einen Schritt zurück als hätte er sich verbrannt.

‚Reiß dich endlich wieder zusammen, Harry!‘, ermahnte er sich selbst. Die Nähe des Slytherins tat Dinge mit ihm, die er so niemals erwartet hatte. Er musste aufpassen, dass er nicht die Kontrolle über sich verlor. Und Dracos merkwürdiges Verhalten half auch nicht gerade.

 

„Glaub, was du willst.“, sagte Harry, seine Stimme klang etwas belegt und er schluckte den Kloß hinunter, der sich in seiner Kehle gebildet hatte.

 

Draco löste sich glucksend von der Wand.

„Ach, Potter, Potter, Potter. Wo bleibt denn dein Sinn für Humor? Und tu nicht so, als ob dir ernsthaft was an dieser kleinen unscheinbaren Ravenclaw liegen würde. Ich hätte dir einen besseren Geschmack zugetraut.“

 

Harry tat ihm nicht den Gefallen, darauf einzugehen. Stattdessen drehte er sich um und ging geradeweg auf den Tisch zu, setzte sich gegenüber der Siruptorte hin und nahm sich ein großes Stück.

 

„Was hat es denn mit dem ganzen Essen auf sich?“ Draco hatte sich Harry gegenübergesetzt und begutachtete die verschiedenen Speisen, die auf dem Tisch verteilt waren.

 

„Übereifriger Hauself.“, antwortete Harry zwischen zwei Bissen.

 

„Dobby, verstehe.“ Sein Ausdruck wurde etwas nachdenklich.

 

Harry zog fragend seine Augenbrauen nach oben, sein Mund zu sehr mit der köstlichen Torte beschäftig, um laut nach einer Erklärung zu fragen.

 

„Dobby war, seit ich mich erinnern kann, ein schwieriger Hauself. Ich weiß nicht, ob er schon immer so war oder so geworden ist. Ich habe nicht gefragt und auch nie darüber nachgedacht. Es war mir ganz ehrlich einfach egal. Ich habe mich immer über ihn geärgert, weil er nie etwas richtig machen konnte. Mein Vater und meine Mutter waren immer sehr grob zu ihm deswegen. Aber vielleicht wurde er auch so, weil er so grob behandelt worden war!?“

 

„Warum interessiert dich es jetzt?“, wollte Harry wissen. Er war wirklich neugierig, was Dracos Einstellung geändert hatte.

 

„Es fällt schon auf, wenn man einen anderen Hauselfen im Haus hat und plötzlich alles einfach funktioniert. Dipsy, unsere neue Elfe, ist auch sehr eifrig und bestraft sich auch, wenn sie etwas falsch gemacht hat, aber es passiert eher selten und ihre Strafen sorgen nicht dafür, dass sie ihre Arbeit nicht mehr verrichten kann. Vater hat sie noch nicht einmal selbst bestraft. Meine Mutter dagegen…“ Draco schüttelte sich, als wollte er unliebsame Gedanken abschütteln.

 

Harry sah Draco aufmerksam an, während er erzählte. Es war das erste Mal, dass Draco etwas Privates von sich preisgab und er war dabei so in seinen Gedanken vertieft, dass seine Maske kurz verrutschte. Für einen Bruchteil einer Sekunde konnte Harry Wut und Enttäuschung in den feinen Gesichtszügen seines Gegenübers erkennen. Und er war sich ziemlich sicher, dass das nicht auf Dracos Vater bezogen war.

 

Harry hatte immer angenommen, dass das Verhältnis zu Dracos Vater nicht einfach war, wegen der ganzen Erwartungen, die Malfoy an seinen einzigen Sohn, seinen Erben hatte. Er war immer davon ausgegangen, dass Draco wenigstens zu seiner Mutter ein besseres Verhältnis hatte. Aber da hatte er sich anscheinend geirrt.

 

„Dazu kommt, dass Dobby dich geradezu verehrt. Was auch immer ihn dazu bewegt, Narbengesicht.“, sagte Draco mit einem provozierenden Lächeln.

 

„Mein unvergleichlicher Charm. Was denn sonst?“

Sie fingen beide an, zu lachen.

Es war beinahe unfassbar. Da saßen sie, ein Slytherin und ein Gryffindor gemütlich an einem Tisch und unterhielten sich wie alte Freunde.

 

„Na sicher.“, schnaubt Draco.

 

Aber es hielt nicht lange an. Sie mussten immer noch etwas klären und Harry würde nicht locker lassen.

„Warum hast du Turpin verflucht?“

 

Die Veränderung trat sofort ein und gab Harry einen kleinen Stich, weil er die Ursache für den Stimmungswechsel des Slytherins war. Dracos offene, lockere Haltung war verschwunden. Er gab sich immer noch lässig, aber man konnte die innere Anspannung deutlich erkennen, wenn man wusste, wonach man suchen musste. Seine Miene war verschlossen und nichts deutete mehr daraufhin, dass sie eben noch gemeinsam gelacht hatten.

 

„Spaß.“, gab Draco trocken zurück.

 

„Tch. Und jetzt der echte Grund?“ Draco würde doch nicht allen Ernstes glauben, dass er ihm das abnahm.

 

Doch Draco sagte nichts. Stattdessen schaute er Harry nur mit leicht hochgezogenen Augenbrauen in die Augen. Ein stummes Statement, dass er nicht gedachte, seine Antwort noch einmal zu überdenken.

 

Seufzend schob Harry seinen leeren Teller beiseite. Das hatte keinen Sinn. Und so viel Zeit hatten sie nicht mehr, dann würden die anderen kommen.

„In Ordnung. Verrätst du mir wenigstens, was das für ein Fluch gewesen ist?“

 

„Warum willst du das wissen? Du kennst selbst mehr als genug Flüche.“

 

„Das ist richtig. Aber die sind meist schwarzmagischer Natur, also kann ich die nicht benutzen.“

 

Draco lehnte sich ein Stück nach vorne und schaute Harry neugierig an.

„Wofür benutzen?“

 

Harry überlegte kurz und entschied dann, dass es nicht schaden könnte, wenn er Draco von Chang erzählte. Er wusste ohnehin schon alles über die DA und Edgecombe. Kein Grund, ihm Changs Anteil an der ganzen Misere vorzuenthalten.

 

 

„Ich verstehe.“, begann Draco, als Harry geendet hatte. „Die kleine Schlampe hat wirklich mal einen Denkzettel verdient.“

 

„Also verrätst du mir, was du für einen Fluch bei Turpin verwendet hast?“

 

Die hellgrauen Augen blitzten gefährlich auf. Etwas Dunkles, Bedrohliches lag in ihnen und Harry war von sich selbst überrascht, wie sehr ihn dieser Blick erregte.

 

„Sehr gern. Wenn es dazu beiträgt, diesem Miststück eine Lektion zu erteilen, bin ich dabei.“

Harry hatte das Gefühl, dass Draco andere Gründe hatte, ihm zu helfen, behielt seine Vermutung aber für sich.

 

„Also?“

 

„Ich habe eine Abwandlung des Verekelfluchs benutzt.“

 

„Verekelfluch.“ Harry sah ihm mit ausdruckloser Miene an. Davon hatte er noch nie etwas gehört und der Name klang auch eher so, als hätte Draco ihn sich gerade ausgedacht.

 

„Ja, so heißt er. Du findest ihn im Buch der Zaubersprüche Band 7. Ich glaube, Seite 278, weiß aber nicht welche Auflage.“, meinte Draco belustigt. „Er sorgt dafür, dass sich eine andere Person angeekelt aus der Nähe des Zaubernden verzieht.“

 

Skeptisch schaute Harry zu Draco. Die Wirkung konnte er nicht abstreiten. Turpin ekelte sich wirklich vor ihm, aber „Wozu braucht man sowas?“.

 

„Der Fluch wurde angeblich von einem Zauberer erfunden, der eine Vorliebe dafür hatte, Muggel zu bestehlen. Er hatte selbst kein großes magisches Talent und konnte nur die einfachsten Zauber benutzen. Er wurde von seiner Familie verstoßen und versuchte, als Muggeln zu leben, konnte sich aber nie an ihre Art zu leben gewöhnen und deswegen hat er sie einfach bestohlen. Wenn sie ihn erwischten benutzte er immer diesen Fluch. Der Name des Zauberers ist nicht bekannt. In den Büchern heißt er einfach nur Der Dieb.

Man kann ihn aber auch benutzen, um eine anhängliche Exfreundin loszuwerden.“

 

„Du sprichst aus Erfahrung?“

 

„Bedauerlicherweise. Aber er hält leider auch nicht sehr lange. Ich habe den Eindruck, wenn man ihn immer und immer wieder bei der gleichen Person benutzt, wird sie irgendwann immun.“

 

Harry schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln. Er konnte sich gut vorstellen, welche Exfreundin Draco sich vom Hals halten wollte.

Aber etwas passte noch nicht.

„Du hast gesagt, dass der Zauberer, der den Fluch spricht, für den anderen eklig wird. Allerdings ekelt sich Turpin vor mir und nicht vor dir.“

 

„Wieso sollte sie sich auch vor mir ekeln? Ich bin einfach unwiderstehlich.“ Mit einem kleinen süffisanten Lächeln lehnte sich Draco ein Stück weit nach vorne. Die Ellenbogen auf den Tisch abgestützt legte er seinen Kopf auf seine ineinander verschränkten Hände. Dabei schaute er Harry die ganze Zeit direkt in die Augen.

 

‚Was soll das? Flirtet Draco etwa mit mir?‘ Schnell verdrängte Harry diesen Gedanken wieder. Das konnte es ganz sicher nicht sein. Das war bestimmt eher als Provokation gedacht, weil Harry kein so perfektes Äußeres hatte. Er trug eine Brille, seine Haare standen in alle Richtungen ab und ließen sich nicht mal durch Magie bändigen, trug viel zu große, abgetragene Muggel-Klamotten und zu allem Überfluss hatte er auch noch diese dämliche Narbe, die sein Gesicht entstellte. Kein Vergleich zu Draco bloody perfect Malfoy, der jede Hexe mit einem Augenaufschlag zum Schmelzen bringen konnte. Und nicht nur Hexen.

 

Innerlich seufzend schob er das Thema zur Seite. Keine Zeit für Selbstmitleid.

„Du hast also an dem Fluch rumgebastelt.“

 

Mit einem leicht enttäuschten Gesichtsausdruck, den Harry sich nicht erklären konnte, lehnte sich Draco wieder auf seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Ja. Es war gar nicht so schwer. Ich musste nur eine Kleinigkeit verdrehen und schon war die Wirkung so wie ich sie brauchte. Es hat nur leider eine kleine Nebenwirkung auf die Persönlichkeit. Aber das wird vergehen, sobald die Wirkung des Fluchs nachgelassen hat.“

 

„Auf die Persönlichkeit? Ach, deswegen hat Turpin sich so biestig verhalten.“

 

„Das war ein sehr amüsanter kleiner Nebeneffekt, findest du nicht, Harry?“ Selbstzufrieden schaute er auf.

„Ich weiß gar nicht, warum noch keiner vorher auf diese Idee gekommen ist.“

 

„Ist vielleicht. Und hat es nur nicht aufgeschrieben.“

 

„Pft.“ Draco dreht sich gespielt beleidigt zur Seite und zeigte Harry die sprichwörtliche kalte Schulter.

 

Harry prustete los. Er war so ein spielerisches Verhalten von dem Slytherin nicht gewöhnt, aber es machte Spaß, Draco mal so ungezwungen zu erleben, ohne den Versuch, die ganze Zeit seine Maske aufrechtzuerhalten. Daran könnte er sich mit Sicherheit gewöhnen.

 

Draco grinste kurz, bevor er wieder ernst wurde.

„Zurück zum Thema. Was hast du mit Chang vor? Willst du jedes Mal, wenn sie einen neuen Freund hat, ihn mit diesem Fluch belegen?“

 

„Mmhhh. Nein. Das Jahr ist nicht mehr lang und danach sehe ich sie wahrscheinlich nie wieder. Nicht, dass ich traurig darüber wäre, aber dann könnte sie in Ruhe weiterleben und noch mehr Leben zerstören. Ich möchte lieber eine längerfristige Lösung.“

 

„Da wäre Grangers Fluch wirklich perfekt gewesen, aber den kannst du ja leider nicht benutzen.“

 

Sie sahen sich einen Moment lang in die Augen und Harry konnte sehen, wie es in Draco arbeitete. Es schien beinahe, als hätte er persönliche Motive, Chang eins auszuwischen.

Plötzlich erhellte sich Dracos Blick und nahm dann einen zufrieden boshaften Ausdruck an, den sogar Salazar Slytherin höchstpersönlich beeindruckt hätte.

 

„Ich habe eine Idee.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Yamis-Lady
2020-01-09T19:27:21+00:00 09.01.2020 20:27
harry und draco plaudern, als wäre es das normalste der welt. so süß xD
thihi~

und dobby ist auch knuffig. so einen haufelfen hätte ich auch manchmal gern, wenn es um den haushalt geht. aber... jedesmal riskieren zu müssen, dass meine katzen eventuell kahl rasiert werden würden, damit sie kein fell mehr verlieren, ist mir dann doch zu riskant 😂😂
Antwort von:  CruelLamia
09.01.2020 22:19
🤣 Nein, das wäre wirklich nicht schön. Das ist ein zu schönes Bild. Wenn du es erlaubst, würde ich das gerne an einer Stelle (hätte schon eine im Kopf) mit in die FF aufnehmen.

Bitte, bitte. 🙏🏻

LG Lamia 🐱
Antwort von:  Yamis-Lady
11.01.2020 14:03
haha, ja klar. darfst du sehr gerne 😁😁
Antwort von:  CruelLamia
11.01.2020 15:35
Danke schön. Freu mich schon drauf. 😁
Von:  Tythonia
2018-01-05T19:30:37+00:00 05.01.2018 20:30
Mega Gut wie immer 😍
Antwort von:  CruelLamia
05.01.2018 21:39
Vielen lieben Dank. ^-^~
Von:  Mandrags
2017-12-05T13:06:19+00:00 05.12.2017 14:06
Ich mag deine Geschichte, auch dein Schreibstil ist angenehm. Bin ja mal gespannt wies so weitergeht und natürlich was Draco für eine Idee hat. Freu mich schon aufs nächste Kapitel.
Antwort von:  CruelLamia
09.12.2017 09:12
Huhu,

vielen Dank für deinen lieben Kommentar.

Es tut mir sehr leid, dass ich zur Zeit so unregelmäßig update. Aber ich bin optimistisch, dass spätestens nächstes Wochenende ein neues Kapitel kommt.
Ich gebe mein bestes. 😔

Wenn du Cho nicht magst, so wie ich, dann wird dir Dracos Idee bestimmt gefallen. 😉
Kommt aber erst später raus.

Nochmals vielen Dank.

LG Lamia 🐱
Von:  Sandy
2017-11-23T19:10:10+00:00 23.11.2017 20:10
Hi ich bin es Sandy,
wolte sagen echt klasse ff so wie tolles Kapitel war wieder toll das Treffen im raum des Schreckens mit harry und dobby und später mit Draco einfach super Klasse ff gefällt mir immer besser freut mich schon sehr wenn es weiter gehen wird beim nächsten Kapitel wie es Training so wird...
Hoffe bis bald wieder
LG Sandy...
Antwort von:  CruelLamia
23.11.2017 22:54
Hi Sandy,

ich muss mich ganz doll bei dir für deine Treue bedanken. Schön, dass du immer noch dabei bist und so fleißig kommentierst, obwohl ich in letzter Zeit nur so selten update. 😓

Ich bin schon fleißig am nächsten Kapitel. Ich glaube nicht, dass ich es bis morgen schaffen werde, aber ich lade es hoch, sobald ich fertig bin, auch wenn es kein Freitag sein sollte.

Kleine Vorschau: es ist mal wieder ein Chap aus Dracos Sicht. 😉

Vielen Dank für deinen lieben Kommentar.
Bis zum nächsten Mal. 🙋🏼

LG Lamia 🐱


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