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Wahnsinn vs. Verzweiflung

Challenge!
von
Koautor: abgemeldet

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Umkehr ausgeschlossen

Das war’s.

Mit einem letzten Handgriff schloss Kenny die Platine an die Stromversorgung an und stöpselte dann das Datenkabel an seinen Laptop.

„Schickes Spielzeug“, meinte Dizzy.

„Ich hoffe es funktioniert auch“, antwortete Kenny und öffnete das Steuerungsprogramm, korrigierte den Winkelabweichungskoeffizienten und tippte die Koordinaten seines Standorts ein.

„Ich räum’ nicht hinter dir auf, wenn du die Raumzeit sprengst.“

„Danke für das Vertrauen.“

„Das nächste Mal, wenn du verrückter Wissenschaftler spielst, bewirb dich doch bei BioVolt.“

„Ha, ha.“
 

Kenny ignorierte die folgenden Sticheleien des BitBeasts und konzentrierte sich stattdessen auf die Zahlen, die vor ihm über den Bildschirm rasten und selbst in seinem Kopf nur begrenzt Sinn ergaben. Kein Grund das auszusprechen.

„Fertig“, verkündete er. Sein Blick ruhte einige Zeit auf der Maschine, die er gebaut hatte, bevor Dizzy sich bemerkbar machte und ihn aus seinen Gedanken riss.

„Viel Glück, Chef.“

„Danke.“ Er konnte es brauchen.
 

oOoOo
 

Merke: Ein Riss in der Raumzeit erzeugt einen Lichtblitz, in den er das nächste Mal nicht hinein schauen wollte. Kenny nahm die Brille von der Nase und rieb sich die Augen, blinzelte, in der Hoffnung seine Umgebung wieder erkennen zu können. Mit wenig Erfolg.

„Dizzy, wo sind wir?“, fragte er, tastete hinter sich und versuchte seinen Laptop zu finden. Ebenfalls ohne Erfolg. „Dizzy?“

Auch als er wieder sehen konnte, fehlte von seiner treuen Gefährtin jede Spur. Kenny rappelte sich auf und drehte sich einmal im Kreis. Das hier … war anders.
 

Um ihn ragten Wolkenkratzer in den Himmel und grelle Werbereklamen wechselten sich an den Fassaden mit Verkehrswarnungen und dem Wetterbericht ab. Neben ihm rasten zwei Drohnen vorbei, deren Alarmsirenen ihm die Ohren klingeln ließen.
 

Das war noch immer Tokyo.
 

Und allem Anschein nach hatte sein Experiment funktioniert. Er hatte eine Zeitmaschine gebaut.

Eine auffallend abwesende Zeitmaschine allerdings.

„Mist“, schimpfte er, suchte noch einmal seine nähere Umgebung ab, aber es blieb erfolglos. Kein Laptop, keine Zeitmaschine, keine Dizzy. Er war alleine gestrandet. Das einzig Positive: Es war keine einsame Insel irgendwo im Ozean.
 

Fünf Minuten später wurde er das erste Mal nach seiner Identifizierungsnummer gefragt. Die blecherne Stimme, die aus der Drohne schallte, klang erstaunlich genervt und als er keine zufriedenstellende Antwort liefern konnte …

Nun, er war froh, als ihn jemand am Arm packte und somit aus der Situation befreite. Seine Retterin zog ihn durch die Straßen, eine enge Treppe hoch und über unzählige enge Brücken zwischen den Gebäuden. Schon nach wenigen Minuten hatte er die Orientierung völlig verloren - dafür konnte er auch das Heulen der Drohne nicht mehr hören.

Als sie endlich stehen blieben, schnappte er nach Luft und lehnte sich an eine Wand.

„Bist ein ganz schöner Idiot“, sagte das Mädchen. Kenny hob den Kopf, runzelte die Stirn. Ihr sah man die Anstrengung nicht an … und irgendwie kam sie ihm bekannt vor.

„Danke“, brachte er schließlich hervor. „Für die Rettung, meine ich.“

„Bist wohl nicht von hier.“

„Kann man so sagen.“

„Besser du verschwindest wieder.“

„Wieso?“

Sie schüttelte den Kopf, drehte sich um und verschwand über eine der zahlreichen Verbindungen zwischen den Hochhäusern. Kaum hatte er sie aus dem Blick verloren, fiel ihm ein an wen sie ihn erinnerte. Emily. Das Gesicht, die Augen … nur alles andere stimmte nicht.
 

oOoOo
 

Kenny drückte sich an die Wand, hielt sich im Schatten versteckt und wartete bis die Wachen an ihm vorbei gelaufen waren. In den letzten beiden Tagen hatte er diese Technik beinahe perfektioniert und heute hatte er erst ein Mal vor jemandem davonlaufen müssen.

So hatte er sich die Zukunft nicht vorgestellt.
 

„Idiot, was hast du dir denn vorgestellt?“, schalt er sich selbst und lugte um die Ecke. Schnell huschte er über die Straße und verschwand in den Schatten gegenüber, lief die Treppe an einem Hochhaus hinauf und tauchte im Gewimmel auf den Brücken unter. Oder er versuchte es zumindest.

Zu viele irritierte Blicke richteten sich auf ihn und den Grund dafür … den hatte er noch nicht herausgefunden. Kenny beschloss sein Glück nicht zu lange auszutesten und zog sich wieder in den düsteren Teil der Stadt zurück, wo sich kein Mensch um ihn zu scheren schien.
 

„Hey, Idiot.“

Er hob den Kopf, suchte nach dem Ursprung der Stimme.

„Über dir.“

Kenny hob den Kopf und seine Augen hefteten sich auf das Mädchen, das von einer Leiter baumelte und ihn anstarrte. Sie trug das Gesicht von Emily. Ein Gesicht, das er in diesen Tagen hier schon ein paar Mal gesehen hatte, doch dieses Mal schien es das gleiche Mädchen zu sein, das ihn gerettet hatte.

„Was willst du von mir?“, wollte er wissen.

„Nichts.“

Er runzelte die Stirn, gab aber keine Antwort.

„Wundert mich, dass du mit dem Gesicht noch immer herumläufst.“

Sie ließ sich auf den Weg neben ihn fallen und betrachtete ihn eine Zeit lang.

„Was ist falsch mit meinem Gesicht?“ Und was war das überhaupt für ein Gesprächsthema?

„Es ist verboten.“

„Was?“

„Du bist wirklich seltsam.“
 

Pseudo-Emily setzte sich in Bewegung und Kenny beschloss ihr zu folgen. Sie war die erste, die halbwegs normal mit ihm redete. Ihn nicht anstarrte, als wäre er eine tickende Zeitbombe. Und ihn nicht zu verhaften versuchte.

„Ich … bin quasi nicht von hier“, sagte er. „Ich verstehe viel nicht was hier vor sich geht.“

„Gibt es das Verbot nicht wo du herkommst?“

„Kann man so sagen.“

„Dizzy hat das Gesicht verboten. Und immer wenn jemand damit auftaucht, lässt sie ihn hinrichten“, erklärte Pseudo-Emily. „Du solltest dir schnell ein anderes besorgen. Ich finde Typ Kai I ja süß. Würde dir sicher stehen.“

„Typ Kai I?“

„Jaaa. Das ist der mit den blauen Herzen.“

„Dreiecke.“

„Nein, das ist Kai A.“

Kenny gab keine Antwort. Die Sache mit den Gesichtern war … verstörend, um es nett auszudrücken. Noch verstörender war allerdings die Information zu seinem eigenen Gesicht. Und zu Dizzy.
 

oOoOo
 

„Ich verstehe nicht warum dich das interessiert.“

Pseudo-Emily lugte um die Ecke und zog den Kopf wieder zurück, aber sie gab kein Signal zum Aufbruch. Gutes Zeichen.

Sie hatte ihm einen Zugang zum Netzwerk besorgt. Er schuldete ihr etwas, aber damit konnte er sich immer noch beschäftigen. Erst einmal musste er herausfinden …

„Da“, sagte er.

„Beeil dich“, antwortete sie. „Wenn der Blocker ausläuft, haben wir einen ganzen Schwarm Drohnen am Hals.“

Seine Augen huschten über den kurzen Zeitungsartikel von vor anderthalb Jahrhunderten. Ein Tag, nachdem er seine Zeitmaschine gestartet hatte.
 

Ein Tag nachdem er in die Zukunft verschwunden war.
 

Ohne Dizzy.
 

Man hatte ihn als vermisst erklärt. Bei einem wissenschaftlichen Experiment verschwunden. Er überflog weitere Artikel. Wahnsinniges Genie sprengt sich selbst in die Luft. Junger Wissenschaftler wie vom Erdboden verschwunden. Freunde und Verwandte wissen keinen Rat. Polizei schließt eine Entführung nicht aus.
 

Nach zehn Jahren für tot erklärt. Verschwinden gibt immer noch Rätsel auf.
 

Schwer beschädigter Laptop gibt keinen Aufschluss über das Geschehen.

Kenny schluckte.

„Wir müssen weg!“, zischte Pseudo-Emily. „Die Zeit ist um!“

Er klinkte sich aus dem Netz aus, trat einen Schritt von der Schnittstelle weg - und zögerte.

„Ich bleibe“, kündigte er dann an.

„Du bist verrückt!“

Ja, vermutlich war er das.

Aber was auch immer mit Dizzy geschehen war, er war dafür verantwortlich.
 

oOoOo
 

Sie hatten ihn nicht umgebracht - zumindest bisher noch nicht. Kenny fasste das als gutes Zeichen auf. Es war allerdings schwierig ositiv zu bleiben, wenn man alleine in einer Zelle saß und nichts tun konnte, als zu warten. Dass irgendetwas passierte.p

Immer wieder hatte er darum gebeten Kontakt zu Dizzy aufnehmen zu dürfen.

Man hatte ihn ignoriert.

Vielleicht beobachtete sie ihn durch die beiden Kameras, die seine Zelle ausstrahlten. Vielleicht hatte er ihre Aufmerksamkeit schon längst erregt und sie versuchte zu beurteilen, ob er wirklich er selbst war … oder ein Hochstapler.

Den sie hinrichten konnte.
 

Was war nur mit ihr passiert.
 

„Es tut mir Leid, Dizzy“, sagte er leise. Wenn sie hier war … wenn sie ihn hören konnte … vielleicht würde er zu ihr durchdringen.

„Ich weiß auch nicht genau was schief gelaufen ist. Zuerst schien alles zu funktionieren mit der Maschine. Und dann war ich plötzlich hier. Alleine.“

Er seufzte leise. Das war lächerlich. Er redete mit sich selbst.

Mit leisem Surren bewegte sich eine der Kameras, hielt einige Sekunden still, kehrte dann in die Ausgangsposition zurück.

„Hm?“

Der Vorgang wiederholte sich bei der anderen Kamera, bevor wieder Ruhe einkehrte - nur um sich eine Minute später zu wiederholen.

„Dizzy?“

Dieses Mal hielten die Kameras inne, beide direkt auf ihn gerichtet.

„Also doch.“

Er stand auf, trat einen Schritt nach vorne.

„Dizzy, ich bin’s.“

„42319 Tage seit dem Verschwinden.“

Er drehte sich um, starrte das Gesicht an der Wand an, vor der er bis eben noch gesessen hatte und die er nicht als überdimensionalen Monitor erkannt hatte. Ein hübsches Gesicht, aber nichtssagend.

„Dizzy?“

„Hübsch, nicht wahr? Und so viel besser als die grafische Oberfläche dieses alten Laptops.“

„Du bist es wirklich …“ Kenny schluckte. „Was ist passiert?“

„Passiert? Nichts. Sehr lange.“

„In den Artikeln stand …“

„Lügen. Immer nur Lügen. Lügenpresse. Irgendwann erwische ich sie alle.“

Ihr Gesicht blieb ausdruckslos, beinahe gelangweilt.

„Der Laptop wurde beschädigt“, begann Kenny. „Was ist mit dir passiert?“

„Ich war eingesperrt.“

„Ich weiß.“

„Dann habe ich mich befreit. Jetzt bist du eingesperrt.“

„Dizzy …“

„Es ist nicht angenehm, nicht wahr?“ Jetzt lag ein Lächeln auf ihrem Gesicht. „Keine Sorge. Du wirst nicht lange hier sein.“

Die Worte hätten ihn beruhigen müssen. Eigentlich. Aber das hier fühlte sich grundlegend falsch an.

„Leb wohl, Kenny. Chef.“ Sie kicherte. „Jetzt bin ich hier der Chef.“
 

Sie schnippte mit den Fingern - ihm wurde schwarz vor Augen und die Beine gaben unter ihm nach.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Vorgaben für dieses Kapitel lauteten:

Genre: Crack & Zeitreise
folgende Wörter müssen verwendet werden: Winkelabweichungskoeffizient, Lügenpresse Komplett anzeigen

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