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Lost & Found

von

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Part Three

Ellie scheute sich nicht, behielt ihre einstige Freundin taxierend im Auge, die sichtlich geschockt vom Geständnis war; der eigene Blick wies ein bedrohliches Lodern auf, denn Ellie bezweifelte, dass das einzig und allein dem Schein der Laterne geschuldet war.

An dem Massaker trug sie keine Schuld, Joel hatte entschieden; es war seine Entscheidung gewesen, ihr Leben über das aller zu stellen. Ihr Leben retten, auf das Heilmittel spucken – Joel hatte sie ins Herz geschlossen und hatte sich gegen einen weiteren Verlust gestemmt und Ellie war diejenige, die damit leben gelernt hatte.
 

»Machen wir’s zu, ihr könnt das im Warmen klären«, hörte sie Sam, mit dem kläglichen Versuch die ausgebreitete Spannung zu lösen und ja, es war eine Sache zwischen Riley und ihr, die in Ruhe besprochen gehörte.

Nicht hier, nicht am Waldrand, nicht in der Kälte der Nacht.

Doch kannte sie Riley, oder Ellie glaubte zumindest, dass sie manches noch immer wusste – Riley hatte ihren eigenen Kopf und war nicht dafür bekannt gewesen, abzuwarten. Das hatte sie auch damals nicht.

Als Ellie auf alles vorbereitet war, sich auf Widerstand eingestellt hatte, nickte Riley plötzlich und wandte den Blick ab. Wortlos nahm sie die zweite Schaufel, was Ellies Stirn in Falten legte. In dem Zustand sollte sie eher rasten, aber blieb Ellie deswegen stumm.

Die andere war alt genug.
 

»Bist du auf Rache aus, musst du erst an mir vorbei«, war alles, das Ellie sagte und das Thema selbst zur Seite schob, Sam beim Schaufeln beobachtete.

Ihr war bewusst, wie sehr Riley Marlene gemocht hatte. Marlene war ihr ein Vorbild gewesen, dem sie immer nachgeeifert hatte.

Ellie hatte sie selbst gern gehabt, aber nie, unter keinen Umständen, würde sie Joel ausliefern und sollte Riley ernsthaft nachforschen und in Erfahrung bringen, wer genau Marlene auf dem Gewissen hatte, dann ... Ellie spähte zu ihr.

Riley zeigte keine Reaktion.
 

Von da an hatte niemand ein Wort gesprochen, was den Rückweg unangenehm in die Länge gezogen hatte.

Zurück, hielt Ellie auf die Küche zu, sie brauchte dringend etwas Warmes. Einen wärmenden Tee, der ihr die Kälte nahm.

Nebenbei lauschte sie und bekam so mit, wie Sam Riley nach oben führte, ihr vermutlich das Zimmer für die Nacht zeigte.

Das Wasser war am Kochen und Ellie nutzte die Zeit. Aufmerksam überprüfte sie die Türen und Fenster, traf Vorbereitungen für die Nacht, damit sie alle ausreichend Schlaf erhielten.

So sollte es sein, aber wusste Ellie besser, wie sie tickte. Noch dachte sie nicht an ein paar Stunden Schlaf; die Müdigkeit war vorhanden, jedoch spürte sie ein stark rumorendes Unwohlsein, das jeden Gedanken an das Schlafen blockte.
 

Für die Vorkehrungen hatte Ellie äußerst lange gebraucht, hatte sich zwischendurch eine Tasse Tee eingeschenkt. Im Normalfall war sie in wenigen Minuten fertig, dieses Mal hatte sie alles doppelt und dreifach geprüft.

Vielleicht lag es einfach am Rumoren, am Verdauen des Schocks, der weiterhin tief saß. Immerhin hatte sie um Riley getrauert, mit ihrem Tod abgeschlossen, wehmütig an alte Zeiten gedacht. Nun war sie da, oben in einem Zimmer, in dem sie womöglich ähnlichen Gedanken nachhing oder, was für ihren Körper besser war, einfach schlief und sich erholte.

Letzteres gefiel Ellie. So konnte sie nachher in Ruhe hoch gehen, ganz ohne Bedenken. Das Gespräch auf den Morgen vertagen, wenn ein Gespräch überhaupt zu Stande kam. Ellie wusste sehr wohl, wie sie manchem gerne auswich.

»Scheiße«, nuschelte sie schließlich und sank auf den wackeligen Holzstuhl, der in der Küche stand und seinem Zweck noch ausreichend diente (Sam sollte sich ihn unbedingt ansehen). Riley, die stets von den Fireflies geschwärmt hatte und ihnen unbedingt beitreten wollte, befand sich im selben Haus. Jene Riley in die sie verliebt gewesen war und deren Verschwinden ihr das Herz gebrochen hatte.
 

»Schlägst du Wurzeln?«, neckte Sam, der zurückhaltend im Durchgang verweilte. Das Grinsen, das er sonst zeigte, war verschwunden. Stattdessen taxierte er Ellie mitleidend. »Ihr habt reichlich Gesprächsbedarf … was wirst du tun?«, fragte er dann, und sie erkannte eine Spur von Neugierde.
 

»Mich stellen«, kommentierte Ellie ausdruckslos und griff nach der Tasse. »Wie und wann … ist fraglich.« Das entsprach der Wahrheit. Noch blieb eine Entscheidung aus, aber Ellie hatte Fragen. So viele Frage, die nach einer Antwort forderten.
 

»Mein Gefühl sagt mir, ihr ergeht es ähnlich.« Dabei kam er zum kleinen Tisch, der neben Ellie stand und lehnte dagegen. »Meinst du, sie wird gefährlich? Er hat dich gerettet, sie sollte dankbar sein.« Nachdenklich rieb Sam sich das Kinn und Ellie blickte fragend hoch. Was erwartete Sam? Würde Riley Joel ausfindig machen und töten?

Ellie hatte keine Antwort parat. Wer wusste schon, welcher Mensch aus ihr geworden war, inwieweit die alte Riley noch existierte?
 

»Kommt sie mit, erkennt sie ihn.« Joel hatte die Vaterrolle übernommen. Ausgerechnet er, der meinte, sie war nicht seine Tochter und es würde nie zu solch einem Verhältnis kommen. Mittlerweile sah jeder, welch einen Stellenwert Ellie einnahm und so benahm sich Joel auch. »Sie kommt erst mit, wenn wir die Sache geklärt haben. Ansonsten muss Riley verschwinden.«
 

»Ihre Verfassung gibt euch Zeit, allerdings haben wir weniger. Kommen wir später zurück, steht er höchstpersönlich vor der Tür. Er und-«, da brach Sam ab, biss sich auf die Zunge. Ellie verstand auch so, von wem er sprach.

Keine Namen.

Noch wussten sie nicht, was Riley vorhatte, wie sie zu dem stand (ob sie eventuell mithörte).

»Morgen ist ein neuer Tag. Falls du was brauchst, du weißt, wo du mich findest«, gähnte Sam schließlich und stieß sich ab, nicht ohne ihr doch noch ein breites Grinsen zu schenken und eine angenehme Nacht zu wünschen.

Dass sie diese nicht haben würde, daran glaubte Ellie fest. Zu viel sprach dagegen und so blieb sie noch eine Weile sitzen; langsam trank sie den Tee aus, der mit der Zeit abgekühlt war und starrte in die fast gänzliche Dunkelheit, wäre da nicht die Lampe gewesen.
 

Irgendwann dann, als ihre Augen kurz zugefallen waren, hörte sie Schritte – die Treppe. Drei Stufen knarzten ziemlich, waren unüberhörbar, sofern man nicht davon wusste. Sofort schlug Ellie die Augen auf, setzte sich gerade (dabei bemerkte sie den schmerzhaften Rücken und Nacken) und hielt den Atem an.

Ellie war sich sicher: Sam schlief. Er hatte einen verdammt guten Schlaf entwickelt, anders als bei ihrem Kennenlernen. Die Jahre hatten ihn stärker, robuster gegenüber allem gemacht, mehr als sie je von ihm erwartet hatte. War er also eingeschlafen, dann brauchte es einen Angriff.

So blieb nur eine Person übrig.

Fuck, Ellie wollte eine Konfrontation noch vermeiden.
 

»Ich habe dich doch nicht überhört.« Riley trat in die Küche und Ellie erkannte, dass sie sich, abgesehen von den Verletzungen, in einer ähnlichen Verfassung befand und nicht wirklich geschlafen hatte. Wenn Ellie bloß sagen konnte, wie spät es war. »Gehst mir aus dem Weg, was?«

Ellie wandte den Blick ab, stand auf, nahm die Laterne und schritt an ihr vorbei, wurde allerdings am Handgelenk gepackt. Nicht grob, aber fest genug. »Ellie …«
 

»Ich will zur Couch, kommst du mit?«, fragte sie, obwohl ein anderer Gedanke sie zum Aufstehen bewogen hatte: Abhauen. Irgendwie fühlte sich Ellie weiterhin nicht in der Lage dafür, sich ihrer Vergangenheit, ihren Gefühlen zu stellen, doch kam das Gegenteil aus ihrem Mund.

Riley ließ sie überrascht los und folgte, wenn mit einem gewissen Abstand.

»Ich habe eine Vermutung … wegen Marlene«, begann Ellie, als sie sich gesetzt und Minuten über angeschwiegen hatten, »Sie hatte meiner Mutter ein Versprechen gegeben und dementsprechend sollte ich in Sicherheit leben. Marlene war der Grund, warum ich überhaupt in der Schule aufgenommen worden bin. Du hingegen, du warst anders. Die Fireflies hatten dir den Kopf verdreht. Was, wenn sie das tat, um uns zu trennen? Dir durfte sie den Wunsch weniger verwehren und sie brauchte Rekruten. Ich blieb zurück und hätte …«

Ellie beugte sich vor, instinktiv hatte sich ihre eigene Hand auf ihren recht Unterarm gelegt, der von einer Jacke bedeckt war.
 

»Hättest du was?«, flüsterte Riley, die am anderen Ende saß und sich nun gerade aufrichtete, den Arm fragend musterte.

Ellie brauchte eine Weile, wog alles ab, ehe sie die Jacke auszog und das Hemd, das sie darunter trug, zum Ellbogen hochschob. Vorsichtig streckte sie den Arm Richtung Riley, schob mit der linken Hand die Laterne näher, damit das Tattoo ersichtlicher wurde. Das hatte sie schon eine Weile. Irgendwann war ihr die Idee gekommen, es verdeckte die Narben, bis zu einem gewissen Grad jedenfalls.
 

»Ich bin übermütig gewesen und gebissen worden. Stell dir vor, es ist verheilt. Drei Tage habe ich mich verkrochen und ich habe gewartet … auf das Verwandeln, den Tod – ist ausgeblieben.« Riley hatte zuerst gezögert, dann hatte sie nach dem Arm gegriffen. Neugierig beäugte sie das Tattoo, aber noch mehr starrte sie auf die Bissnarbe. Als sie federleicht darüber strich, zuckte Ellie leicht, spürte dabei eine sich unkontrolliert ausbreitende Gänsehaut, die sie nach Luft schnappen ließ.

»Immunität existiert nicht! Ein Biss und du bist im Arsch, das ist das Gesetz!« Ellie lachte rau, schüttelte den Kopf. »In die Schule zurück? Unmöglich. Also bin ich zu Marlene und sie hat … hat alles ins Rollen gebracht.«
 

»Das mit ihrem Mörder?«, sprach sie kalt und automatisch entzog Ellie ihre Hand, rollten den Ärmel hinunter.
 

»Ja, er sollte mich aus der Stadt bringen, aber Marlene hat nicht damit gerechnet, dass ich ihm ans Herz wachse. Er hat mein Leben über alle gestellt. Dafür muss ich mich nicht rechtfertigen.«
 

»Aber er.«
 

»Sie hat dir mächtig den Kopf verdreht, was?«, meinte Ellie provokant. »Du weißt, was möglich ist und du bist weit gekommen. Willst du ihn töten und mich ausliefern?« Perplex blinzelte Riley, ihr Mund klappte auf. Ellie beobachtete jede einzelne Reaktion, quittierte diese mit einem süffisanten Grinsen. »Was ist? Du gehörst den Fireflies an. Sie suchen danach. Dem rettenden Heilmittel. Dank mir existiert eine minimale Chance.«
 

»Ich bin ausgestiegen, Ellie«, erwiderte sie mit fester Stimme und bevor Ellie, an der es wiederum war überrascht zu sein, reagieren konnte, ergriff Riley erneut ihren Arm. »Wann war das?«
 

»Locker zwei Monate nachdem du verschwunden bist«, gab Ellie kleinlaut bekannt, konnten den Blick nicht vom Gesicht der anderen abwenden, während sie spürte, wie der Stoff abermals hochgezogen wurde; und ihr Herz pochte dabei ungewohnt schnell.
 

»Kurz nach meinem Beitritt habe ich die Stadt verlassen. Eine neue, aufregende und gefährliche Erfahrung. Dann – 71 Tage nach meinem Abtauchen – kam ich zurück. Marlene war dort und verletzt und meinte …« Federleicht berührten ihre Fingerkuppen das Tattoo und Ellie erkannte, wie sie sich einen kurzen Augenblick lang auf die Unterlippe biss. »Sie hat gesagt, du wurdest gebissen. Wenigstens etwas das der Wahrheit entspricht und ja, Ellie, ich finde deine Vermutung alles andere als abwegig.«
 

»Warum bist du gegangen? Einfach so, ohne ein Wort? Ich hätte es nicht gekonnt«, wisperte Ellie. »Eine simple Erklärung hätte gereicht!«
 

»Wollte ich, glaub mir, aber Marlene … alles ging so schnell. Zudem war es verdammt schwer die Stadt zu durchqueren. Ich war einfach zu spät, außerdem …« Riley brach ab, dabei spürte Ellie das Zittern in der Hand der anderen. Tief holte sie Luft. »Ich konnte nicht. Du hättest mich nie gehen lassen und das hätte mich aufgehalten.«

Ellie schluckte, nicht wissend, was sie sagen sollte. Stimmte das? Ellie konnte fast nicht glauben, was Riley sie da sagte. Als ob sie je dazu in der Lage gewesen wäre. Riley hatte schon immer gerne das getan, wonach ihr beliebte, wie hätte Ellie sie da aufhalten können?

»Ich war naiv. Einfach abhauen, einsteigen und zurückkehren, um dir die freudige Nachricht zu überbringen – hat sich realistisch angehört.« Schließlich ließ Riley von ihrem Arm ab und lehnte zurück. »Hast du nie daran gedacht, dich umzubringen? Wir alle wissen, was im Normalfall geschieht. Wolltest du dieses Dasein wirklich riskieren?«

Ellie zuckte die Achseln. Natürlich hatte sie daran gedacht – Fuck, in den Stunden waren ihr alle erdenklichen Ideen gekommen, aber etwas hatte sie aufgehalten. Etwas, das Ellie bis heute nicht verstand.

Im Nachhinein war sie dankbar darüber.

Hätte sie eine andere Entscheidung getroffen, den nötigen Mut (oder hätte eher die Verzweiflung die Oberhand gewonnen?) aufgebracht – sie hätte nie Joel getroffen oder Sam oder Tommy oder Maria oder Henry oder … Ellie wäre inmitten ihrer größten Angst gestorben: dem Alleinsein.
 

»Sagen wir, ich habe mich richtig entschieden. Ich bin hier.«
 

»Weil Marlene dich nicht persönlich in den Stützpunkt bringen konnte?«, lenkte Riley gefährlich um.
 

»Marlene wollte mich ins Forschungszentrum bringen, ja, sie wurde allerdings verletzt. Deshalb hat sie jemanden gesucht, der sich mir annimmt.« Irgendetwas blockierte, Ellie wollte nicht daran denken, was damals alles vorgefallen war. Was zu dem Umstand geführt hatte, das sie so haarscharf aneinander vorbei gelaufen waren.
 

»Er muss dir wichtig sein.«
 

»Ich liebe ihn wie einen Vater.«

Riley hob den Kopf, schwieg, sah ihr unschlüssig in die Augen.

»Also, du willst ihr Werk nicht beenden?«, schwenkte Ellie ihrerseits rasch um. Joel wollte sie nicht weiter thematisieren, noch nicht.
 

»Nein, nicht wirklich. Ihr Tod hat große Veränderungen herbei geführt, der Großteil hat sich abgewandt und die, die noch übrig sind … sagen wir, sie sind nicht exakt das, womit ich assoziiert werden möchte.«
 

»Marlene war auch kein Unschuldslamm, solltest du darauf ansprechen.«
 

»Weiß ich, ich habe tieferen Einblick gehabt«, knurrte Riley angegriffen und Ellie seufzte leise.

In dem Fall hatte sie nicht direkt provozieren wollen. Es war eben das Thema an sich. Tommy hatte Geschichten erzählt, von seiner Zeit bei ihnen und was am Ende zu seinem Ausstieg geführt hatte. »Marlene hat den Menschen Hoffnung gegeben. Eine Chance!«
 

»Mit einem Heilmittel, das nicht existiert«, sprach Ellie verbittert und zog den Arm gänzlich an ihren Körper. »Sei ehrlich, Riley … hättest du gewollt, dass ich dafür mein Leben gebe?«



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dark777
2018-11-11T17:59:50+00:00 11.11.2018 18:59
Böse, ganz böse an dieser Stelle aufzuhören ;). Egal was Riley im nächsten Kapitel sagen wird, es ist nicht richtig.....aber auch nicht falsch. Mit der Ellie-Thematik und dem Ende von The Last of Us habe ich mich tagelang auseinandergesetzt, es gibt einfach kein eindeutiges richtig oder falsch. Egal wofür sich Joel entschieden hat/hätte, es wäre immer ein bitterer Beigeschmack geblieben. So ist es jetzt auch mit Riley. Egal was sie antwortet, entweder wird es unaufrichtig klingen (wenn sie Ellie verschont hätte) oder nach Verrat (wenn sie Ellie ausgeliefert hätte).

Schwere Kost, bin gespannt wie es weiter geht V(~_^)!


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