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Nur mit dir, für dich

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Tiefsinnige Gedanken

Seit Oscar und André Bernard zu Rosalie gebracht hatten, verging etwa ein Jahr in Ruhe. Zumindest bei ihnen. In Versailles dagegen herrschte Aufruhr. Der Prinz und Thronfolger Louis Joseph erkrankte. Die Ärzte taten alles Mögliche und schafften es ihn am Leben zu halten.

 

„Zum Glück ist das Fieber zurückgegangen“, teilte Oscar wenige Tage später ihrem Geliebten mit. Sie saßen am früheren Abend auf ihren Salon und tranken Tee.

 

„Das stimmt“, meinte dazu André und sah sie lange an. Zwanzig Jahre war er schon mit ihr zusammen und sechzehn davon genoss er ihre Liebe. Aber miteinander verheiratet waren sie immer noch nicht. Diese bedrückende Tatsache versuchte er beiseite zu schieben. „Oscar, was hältst du davon, wenn wir eine Runde fechten gehen? Ich finde, wir sind schon ziemlich aus dem Ruder gekommen.“

 

„Warum auch nicht?!“ Oscar stellte ihre Tasse ab und erhob sich. In der letzten Zeit war sie mit fast allen seinen Wünschen einverstanden. Das amüsierte André umso mehr. Sie schien dem Leben als Kommandant der königlichen Garde langsam überdrüssig zu werden. Nur würde sie das niemals gestehen. Manchmal war ihm ihr Gedankengang immer noch ein Rätsel, aber er spürte es sofort, wenn etwas mit ihr nicht stimmte.

 

In Mitten ihrer Fechtübung bekamen sie Besuch. Graf von Fersen kam direkt aus Versailles, um mit Oscar gemütlich ein Gläschen Wein am Kamin zu trinken.

 

Sophie sorgte dafür, dass ihr Enkel sie dabei nicht störte. Sie gab im tiefsten Winkel ihres Herzens noch nicht auf, dass zwischen den beiden doch noch etwas werden würde und belegte André mit Aufgaben, die ihn fern von Oscars Salon hielten.

 

In der Nähe des prasselnden Feuers, mit dutzenden von Kerzen erleuchteten Zimmer und am kleinen Tisch mit gepolsterten Stühlen, führten die zwei eine angenehme Unterhaltung. „...ich diene der Armee und Ihr dem Garderegiment und trotzdem haben sich unsere Wege seit Jahren nicht gekreuzt“, stellte von Fersen ganz beiläufig fest.

 

„Das ist in der Tat sehr eigenartig“, stimmte Oscar ihm zu. „Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann wir uns das letzte Mal begegnet sind.“

 

„Ich schon“, erinnerte sich von Fersen schmunzelnd. „Das war, als Ihr ein Kleid für euren Freund angezogen und mit ihm im Wald getanzt habt.“

 

„Wie bitte?!“ Oscar zog ihre Stirn kraus. Die Erinnerung an das Kleid formte sich in ihren Gedanken, aber das andere nicht. „Wollt Ihr damit sagen, Ihr habt uns nachgestellt?!“

 

„Beruhigt Euch, Oscar. Ich habe nur gesehen, wie Ihr mit ihm unter dem Mondlicht getanzt habt und mehr nicht. Ich bin dann weiter geritten.“

 

„Und das soll ich Euch glauben?“

 

„Ich bitte Euch, Oscar! Sehe ich so aus, als würde ich Euch bespitzeln und an jemanden verraten?!“

 

Oscars Stirn glättete sich. Nein, von Fersen war zu so etwas nicht fähig. Sie kannte ihn eigentlich schon gut genug. Sie nippte an ihrem Wein und setzte ihn dann von ihren Lippen ab. „Verzeiht mir, Graf.“

 

„Schon gut Oscar. Ich verstehe, was Euch bewegt. An Euren Stelle würde ich bestimmt genauso reagieren.“ Von Fersen lehnte sich zurück und überkreuzte seine Beine. „Wisst Ihr, Oscar, habt Ihr schon daran gedacht, das Leben eines Mannes aufzugeben und das Leben einer Frau zu führen?“

 

„Nein, das habe ich nicht.“ Oscar schüttelte verneinend den Kopf. Sie und das Leben einer Frau? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen. Außer an der Seite von André, aber auch da würde sie Schwierigkeiten haben. Die Erziehung saß zu tief in ihr fest. So etwas konnte man nicht abschütteln und von heute auf morgen ein anderer Mensch werden. „So lange ich lebe, führe ich das Leben eines Mannes“, ergänzte sie dem Grafen genauer: „...und so würde es auch weiter bleiben, trotz das ich mich wie eine Frau fühle.“

 

„Ihr seid schon ein bemerkenswerter Mensch, Oscar. Seit ich Euch kenne, bewundere ich Euch.“

 

„Danke, Graf. Ich nehme das als Kompliment.“

 

„So war das auch gemeint.“

 

„Ich frage mich, wo André bleibt...“, wechselte Oscar abrupt das Thema. Sie war es nicht gewohnt, Komplimente von den anderen zu bekommen und das machte sie unbehaglich. Bei André war das eine ganz andere Sache. André! In der Tat! Wo blieb er nur?! Und Sophie ließ sich auch nicht blicken! Als hätte man sie mit von Fersen völlig vergessen! „Ich schaue nach ihm...“, entschied sie sich kurz angebunden und erhob sich. „Wollt Ihr uns zum Abendmahl Gesellschaft leisten, Graf?“

 

„Nein, danke, Oscar. Ich mache mich sogleich auf den Weg. Ich wollte nur ein wenig mit Euch plaudern.“ Von Fersen tat es ihr gleich und reichte ihr freundschaftlich die Hand. „Es war wieder einmal schön bei Euch.“

 

Oscar drückte ihm die Hand fachmännisch, wie Mann zu Mann. „Ihr könnt mich immer gerne besuchen, Graf.“

 

 

 

 

 

André hatte schon seit langem nicht mehr so viele Aufgaben von seiner Großmutter auf einem Haufen bekommen, wie heute. Er ahnte, weshalb sie das machte. Schon als Graf von Fersen ins Haus kam, hielt sie für ihn sofort eine Reihe von Aufgaben parat, von denen keine in Oscars Salon führte. Den Wein für die beiden hatte sie selbst gebracht. Als würde ihr damit diesmal einen Durchbruch gelingen! Bei Oscar und von Fersen würde sie damit erneut auf Granit beißen! Das wusste er ganz genau und dennoch grämte es ihm. Fast genauso wie damals an jenem Abend, als Oscar ein Kleid getragen hatte.

 

André hatte bereits jede aufgetragene Kleinigkeit erledigt: In der Küche, im Haus und damit seine Großmutter ihm nicht noch mehr auferlegte, flüchtete er in den Stall. Als Begründung erfand er, dass die Pferde versorgt werden müssten. Eigentlich waren sie schon versorgt, aber er wollte nur einfach seine Ruhe. Und zweitens, konnte er so abpassen, wenn der Graf weg sein würde, denn sein Pferd stand noch hier im Stall.

 

André ging zu Oscars Schimmel und gab ihm ein Apfel aus dem nahe stehenden Holzeimer. Das Tier schnappte mit seinen weichen Lippen gleich nach der Frucht und zerkaute sie mit seinen muskulösen Kiefer. „So ist es brav.“ André klopfte ihm beherzt am breiten Hals und fuhr durch die zottelige Mähne. „Du bist ein prachtvolles Tier und so schön wie deine Herrin.“

 

„Du vergleichst Oscar mit ihrem Pferd?“, erscholl eine heitere Stimme hinter ihm.

 

André wirbelte erschrocken herum und machte sogleich einen Diener. „Das war sinnbildlich gemeint, Graf.“

 

Von Fersen lachte und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich weiß, wie du das meintest. Hast du Lust, ein Stück mit mir auszureiten?“

 

„Im Ernst?“ André schaute ungläubig drein. Wieso wollte er mit ihm auszureiten? Das schickte sich doch nicht!

 

„Ach, komm schon, André. Sattle dein Pferd.“ Von Fersen zwinkerte ihm zu und ging zu seinem Pferd.

 

 

 

 

 

Draußen wurde es bereits dunkel und unzählige Sterne zeichneten sich am Himmel wie weiße Punkte auf schwarzen Stoff. André ritt neben von Fersen einher und fühlte sich dabei äußerst unbehaglich. Sie passierten das große Tor des Anwesens und nahmen die Straße nach Paris. Das verwunderte André, denn Versailles lag in einer ganz anderen Richtung. Dennoch stellte er keine Fragen. Von Fersen würde schon sagen, was er von ihm wollte. Und es war ohnehin für seinen Stand nicht angemessen, den Grafen als erster anzusprechen.

 

„Oscar schätzt dich sehr“, begann dieser, nach dem sie das Anwesen ein gutes Stück hinter sich ließen. André sah nur stur geradeaus. Es behagte ihm nicht, mit diesem Mann über Oscar zu sprechen. Und besonders nicht auf diese Art. Von Fersen schien das nicht zu stören. Er redete ungerührt weiter: „Sie ist ein ausgezeichneter Kommandant und eine ganz besondere Frau. Ich will dir nicht zu nahe treten, André. Aber in dieser Hinsicht beneide ich dich.“

 

„Wie meint Ihr das?“ André horchte auf. Jetzt wurde ihm noch zusätzlich mulmig.

 

„Ich meine, dass du ein Glückspilz bist“, erklärte ihm von Fersen schmunzelnd: „Ich spreche von der Liebe. Ihr beide ergänzt euch einander, passt zusammen wie Pech und Schwefel und niemand weiß über euch Bescheid. Ihr seid ein perfektes Paar.“

 

André schluckte hart. Woher wusste der Graf das über sie beide? Hatte ihm Oscar etwas davon verraten? Aber das war doch nicht ihre Art! Er bemühte sich um einen neutralen Ton: „Ich weiß nicht wovon Ihr sprecht. Oscar und ich sind zusammen aufgewachsen und sind daher nur gute Freunde.“

 

„Du brauchst dich nicht verstellen, André. Ich habe euch beide letztes Mal im Wald tanzen gesehen. Aber keine Sorge, bei mir ist euer Geheimnis sicher. Ich will dir nur sagen: Halte deine Liebe fest, gib sie niemals auf und passe gut auf sie auf. Oscar ist zwar wie ein Mann erzogen worden, kann gut kämpfen und versteckt gekonnt ihre Gefühle, aber auch eine harte Schale hat einen weichen Kern.“

 

„Und wieso erzählt Ihr mir das alles?“ André zog seine Augenbrauen streng zusammen. Er glaubte an die Aufrichtigkeit des Grafen, aber er war trotzdem auf der Hut.

 

Von Fersen konnte sein Misstrauen nachvollziehen. An seiner Stelle wäre er vielleicht auch so gewesen. Er holte tief Luft, bevor er weiter sprach: „Ich wünschte mir nur, dass Oscar und du in euren Liebe mehr Glück findet als Marie Antoinette und ich in der unseren.“

 

André richtete betroffen sein Augenmerk auf ihn. So viel Offenheit hatte er ihm nicht zugetraut.

 

Von Fersen lachte bitter. „Schau mich nicht so an, André. Ich meine es ehrlich mit euch beiden.“ Er zügelte unvermittelt sein Pferd. „Ich muss jetzt nach Versailles zurück. Ich danke dir für den Ausritt. Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder.“ Von Fersen wendete sein Pferd, trat ihm in die Flanken und ließ einen verdutzten André zurück.

 

Dieser musste vorerst seine Gedanken ordnen. Was war mit dem Grafen los? Quälte ihn etwa noch die Liebe zu der Königin? Ganz bestimmt! Die Liebe konnte man doch nicht einfach so aus dem Herzen verbannen! Der Graf hatte ihm und Oscar in ihrer gemeinsamen Liebe Glück gewünscht und dabei an seiner eigene gedacht. Er meinte es ehrlich und André glaubte ihm, aber dennoch stimmte es ihn wehmütig. Um in der Liebe richtig glücklich zu werden, bedurfte man mehr als gegenseitige Zuneigung und Vertrauen. Da wäre zum Beispiel Gleichheit angebracht. Wenn er und Oscar in ihrem Stand gleich wären, dann bräuchten sie nicht ihre Liebe vor allen Augen der Welt geheim halten und wären schon längst miteinander verheiratet. André seufzte gequält. Er brauchte etwas zu trinken, um diese erdrückende Tatsache aus seinem Kopf verschwinden zu lassen. Also ritt er weiter nach Paris und suchte sich das nächstbeste Wirtshaus aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MilchMaedchen
2016-12-17T12:55:58+00:00 17.12.2016 13:55
So schnell kommt man ja garnicht mt dem kommentieren hinterher, wie du die Kapitel raushaust. :-)

Sehr schönes, tiefsinniges Kapitel. Graf von Fersen hat es schon nicht leicht mit seiner Liebe.


Antwort von:  Saph_ira
18.12.2016 18:44
Ja, ich will noch diesen Monat fertig mit dieser FF werden und deshalb die Hast bei Veröffentlichung. :-)
Ich glaube, die Liebe des Grafen von Fersen zu Marie Antoinette ist sogar noch schwieriger, als die Liebe zwischen Oscar und André.
Dankeschön herzlich für dein Kommentar. :-)


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