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Bin ich wertlos in deinen Augen ...?

von

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Ich schloss meine Augen. Es war schon viele Jahre her, seit Saburo bei uns auf dem Schiff als Schiffskoch angeheuert hatte, ich war damals noch zu klein gewesen, als dass ich mich daran erinnern könnte. Bestimmt waren seitdem mindestens zwölf oder dreizehn Jahre vergangen.
 

Viel zu tun gehabt hatte ich mit ihm nie. Er war eher der ruhige, zurückgezogene Typ gewesen, mit dem ich nie ein Wort gewechselt hatte. Selbst wenn ich mal wieder Strafdienst in der Küche hatte verrichten müssen, hatten sich unsere Konversationen auf das Nötigste beschränkt. Wann immer ich dabei anstatt zu arbeiten den Küchendienst geschwänzt hatte oder mal wieder absichtlich wortwörtlich die Suppe versalzen hatte, um Law zu ärgern, hatte er darüber hinweggesehen und mich auch nicht verpetzt- auch wenn Law es meistens trotzdem herausgefunden hatte.
 

Okay, das mit dem versalzten Essen hatte ich nur hin und wieder gemacht, weil ich mit meinen damals sieben oder acht Jahren nicht verstand, weshalb mich mein Vater plötzlich so vollkommen ignorierte und ich dadurch seine Aufmerksamkeit bekam- wenn auch nur in Form einer Standpauke. Damals war ich einfach froh gewesen, wenn er mich beachtete.
 

Kurz gesagt, Saburo hatte sich immer auffallend unauffällig verhalten. Seine Kampfstärke konnte ich nicht einschätzen, denn ich hatte ihn nie in einem Kampf gesehen, da ich bei ebendiesen immer an Bord und unter Deck hatte bleiben müssen, damit mich niemand sah.
 

Und ich wäre unter normalen Umständen wahrscheinlich auch nie darauf gekommen, dass er etwas mit der Marine am Hut haben könnte. Wenn er bei der Sache mit meiner Vergiftung nicht so schlampig vorgegangen wäre.
 

Von Penguin hatte ich ja später erfahren, dass Kōri zu dem Zeitpunkt auf mich hätte aufpassen sollen, als ich vergiftet wurde. Und Saburo hatte krank im Bett gelegen.
 

Im Anschluss an den Vorfall war Kōri dann unauffindbar gewesen. Doch wenn er der Spion gewesen wäre, hätte er sich doch nicht versteckt gehalten, da dies grade erst die Aufmerksamkeit auf ihn lenken würde. Ich meine, er hätte sich einfach nur zurück zu den anderen begeben müssen, und niemandem wäre etwas aufgefallen. Oder er hätte sich ein Alibi besorgt.
 

Vor allem hätte er das Ganze nicht durchgezogen, wenn er selber grade Aufsicht hätte. Nein, er war es nicht gewesen. Ihm musste etwas zugestoßen sein, denn wir befanden uns seit längerer Zeit unter Wasser, er hätte nirgendswohin fliehen können und so hätte man ihn sicher längst gefunden.
 

Wenn ich mir allerdings die Blutspuren im Lagerraum bedachte, von denen mir Penguin erzählt hatte, dann war ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass Kōri nicht mehr unter den Lebenden verweilte. Entweder er hatte aus dem Weg geräumt werden müssen, weil er irgendetwas gesehen hatte, was nicht für seine Augen bestimmt gewesen war, oder er hatte dran glauben müssen, damit er keine Aufsicht führte, und ich alleine und unbeaufsichtigt war.
 

Saburo hingegen hatte ein Alibi. Mir war gesagt worden, dass er krank im Bett lag und Penguin das Kochen übernommen hatte. Doch machte ihn dieses Alibi nicht erst recht verdächtig? Wie wahrscheinlich war es schon, dass Saburo genau an dem Tag, an dem sein Essen vergiftet ist, krank wird? Denn im Normalfall würde man in so einer Situation als aller erstes den Koch verdächtigen.
 

Doch eine Frage konnte ich mir nicht beantworten. Wie hatte Saburo Law getäuscht?
 

So niederträchtig und hasserzeugend Law auch für mich war, er war nicht dumm. Leider. Und deshalb ging ich nicht davon aus, dann man ihn einfach so täuschen konnte, indem man ihm eine Krankheit simulierte.
 

Auch seine Intention war mir noch immer ein Rätsel. Hatte er mich mit dem Gift umbringen wollen? Denn genau das hatte er ja fast getan. Aber sagte er grade nicht, dass er ebendieses eigentlich nicht vorhatte? Oder hatte er mich damit nur schwächen wollen?
 

Mit meiner Annahme, dass Saburo der Spion war, hatte ich jedenfalls Recht gehabt- schließlich stand dieser grade vor mir und hielt mir ein Messer an den Hals.
 

Der Punkt, der mich jedoch überhaupt erst auf ihn als Spion gebracht hatte, war ein anderer gewesen. Ich hatte es in dem Moment gewusst, als er vor kurzem-
 

„Sag mal, willst du mich verarschen? Ich rede mit dir du Mistgöre!“
 

Unsanft wurde ich aus meinen Gedankengängen gerissen, als sich zusätzlich zu dem Messer, welches mit immer stärkerem Druck gegen meine Kehle gedrückt wurde, noch eine Hand um meinen Hals schloss und mir die Luft abdrückte. Röchelnd schnappte ich nach Luft.
 

Dieser Anblick schien Saburo zu gefallen.
 

„Ja, bettle um dein Leben, du elender Wurm.“
 

Mit aller mir noch aufbringbaren Kraft hob ich meinen Arm und umfasste mit meiner Hand die meines Gegenübers, versuchte, seinen Griff zu lockern. Dabei drückte ich meine Fingernägel so tief in sein Fleisch, dass ich bereit nach kurzer Zeit sein Blut meine Fingerkuppen entlangfließen spürte.
 

„Weißt du, wenn du deinem Vater alles gesagt hättest, wärst du nun nicht in dieser Situation. Aber in Sachen Naivität stehst du deiner Mutter wohl in nichts nach. Was mir recht kommt.“
 

Er… Auch er kannte meine Mutter? Aber woher?
 

Durch meine Gegenwehr schien seine Wut auf mich noch zu steigen, und so übte er noch stärkeren Druck auf meinen Hals aus.
 

Trotz allem sagte keiner von uns ein Wort, und die Stimmung im Raum war so gespannt, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Meine Sinne begannen zu schwinden und es bildeten sich bereits weiße Punkte in meinem Sichtfeld.
 

Dann spürte ich, wie sich sein Griff um meinen Hals erst lockerte, und schließlich gänzlich verschwand.
 

„Das ist deine letzte Chance. Kooperiere oder stirb. Und glaub ja nicht, dass ich zimperlich darin bin, Leuten das Lebenslicht auszuknipsen. Es ist meine Pflicht, gesetzlosen Abschaum wie dich zu liquidieren.“
 

Plötzlich wieder die Ruhe selbst, zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich neben mein Bett. Saburo wirkte fast gelangweilt, als er sich die Kratzspuren auf seiner Hand besah. Allem Anschein nach stufte er den Grad meiner Gegenwehr als lächerlich ein.
 

Im Mundwinkel verweilte immer noch seine Zigarette. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich ihn noch nie zuvor hatte rauchen gesehen- was vermutlich auch daran lag, dass dies auf dem Schiff strikt untersagt war.
 

Auch sonst schien es mir, als ob ich Saburo das erste Mal so richtig ansehen würde. Sonst hatte ich ihn nie wahrgenommen, weil er einfach so unauffällig gewesen war. Ok, das traf eigentlich auf den größten Teil der Crew zu- von den meisten kannte ich nicht einmal den Namen. Das lag unter anderem auch daran, dass beinahe die gesamte Crew dieselben, unifarbenen Anzüge trug, und auch sonst sahen sie für mich allesamt gleich aus. Saburo mit seiner durchschnittlichen Größe und Statur, seinen dunklen Haaren und seinem unscheinbaren Gesicht bildete da auch keine Ausnahme.
 

„Ich muss schon sagen, nachdem der Vizeadmiral so darauf bestand, dass ich dich zu ihm bringen soll, dachte ich irgendwie, dass du mehr auf dem Kasten hast. Vor allem, wenn man bedenkt, wer dein Vater ist. Aber da wurde ich wohl enttäuscht, du bist ja schwächer als der schlechteste Marinerekrut, der mir je untergekommen ist. Scheint, als ob dich der Vizeadmiral weit überschätzt hat. Sicherlich wird es ihn dann auch nicht stören, wenn ich dich jetzt aus dem Weg räume. In deiner Verfassung wirst du uns sowieso nichts nützen. Schade eigentlich, dass du nicht mehr von deinem Vater geerbt hast. Dein Sturkopf ist wohl das Einzige, was du von ihm hast. Kein Wunder, dass dich dein Vater hasst.“
 

Und schon wieder. Schon wieder wurde mir vorgehalten, wie schwach ich doch war, und das als Tochter des ach so starken „Chirurg des Todes“. Ich konnte und wollte es langsam nicht mehr hören. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mir die Ohren zugehalten.
 

„Also, ich frage dich jetzt ein letztes Mal: Woher wusstest du, dass ich für die Marine arbeite?“
 

Wusste der echt nicht, dass ich nicht sprechen konnte? Es schien so, denn er wartete mit offensichtlicher Ungeduld auf eine Antwort von mir. Es kratzte vermutlich sehr an seinem Ego, von einem Dreikäsehoch wie mir enttarnt worden zu sein.
 

Ob er mich wirklich umbringen würde, wenn ich ihm nicht Rede und Antwort stand? Wäre das nicht vollkommen überzogen, nachdem er Jahre damit verbracht hatte, mich zu observieren?
 

Mit einer einzigen, flüssigen Bewegung hatte mich Saburo auf die Füße gezogen und drückte mich gegen die Wand. Das Messer verweilte weiterhin an meiner Kehle.
 

Erneut beugte er sich vor und flüsterte mir ins Ohr:
 

„Dir persönlich kann es eigentlich egal sein, wer dich jetzt schlussendlich kaltmacht. Irgendwann hätte dich Law sowieso um die Ecke gebracht, so wie damals deine Mutter. Ja, mein Vorgesetzter hat mir davon erzählt, was damals passiert ist. Eigentlich wollte er dich ja jetzt ausbilden, aber das lohnt sich denke ich nicht. So kann ich dich jetzt schon entsorgen, bevor du doch noch jemanden über meine Identität informierst. Du bist es ohnehin nicht wert, für die Marine zu arbeiten. Du gehörst zum Abschaum dieser Welt, und wirst immer Abschaum bleiben.“
 

Mit weit aufgerissenen Augen sah ich ihn an. Wieder einmal hatte ich das bestätigt bekommen, was ich zu verdrängen versuchte. Meine Mutter war durch die Hand meines Vaters gestorben. Gegen meinen Willen traten Tränen in meine Augen, die ich eilig wegzublinzeln versuchte. Doch es liefen mir immer mehr Tränen übers Gesicht. Ich konnte nicht mehr stark bleiben. Es war, als ob die kalte, starre Maske, welche ich in der letzten Zeit getragen hatte, mit den Tränen weggeschwemmt würde.
 

Saburo hingegen fand meinen Gefühlsausbruch alles andere als passend.
 

„Kann es sein, dass du mich nicht ernst nimmst, Kleine? Ich gebe dir zehn Sekunden, dann wars das für dich.“
 

„Zehn.“
 

Ich verharrte regungslos in meiner Haltung. Ich würde nicht nachgeben.
 

„Neun.“
 

„Acht.“
 

Langsam meine Augen schließend, war ich mir sicher, diese nie wieder zu öffnen.
 

„Sieben.“
 

„Sechs.“
 

Trotz meines festen Vorsatzes, ruhig weiterzuatmen und mir nichts anmerken zu lassen, ging mein Atem unwillentlich schneller, als ich spürte, wie sich der Druck des Messers auf meiner Kehle verstärkte.
 

„Fünf.“
 

„Vier.“
 

Eine letzte, vereinzelte Träne lief meine Wange hinab, als ich daran dachte, dass ich gleich vielleicht meine Mutter wiedersehen würde. Ein Gefühl von Wärme breitete sich in mir aus und ließ mich vergessen, in welcher Situation ich mich grade befand.
 

Meine Träne falsch deutend, sprach Saburo: „Oh, ich liebe es, wenn sie dann, egal wie stark sie sich vorher alle geben, schlussendlich doch noch alle Angst kriegen, bevor ich sie abmurkse.“
 

„Drei.“
 

Wenn ich geistig anwesend gewesen wäre, wäre mir nun aufgefallen, dass Saburo nicht mehr weiterzählte. Doch gedanklich hatte ich mich schon von dieser Welt verabschiedet und achtete nicht darauf. So vernahm ich weder das leise Klicken der Tür, als diese sich schloss, noch Saburos Stimme, als dieser mit offenkundiger Belustigung sprach: „Oh, wie es aussieht, möchte uns jemand Gesellschaft leisten.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: haki-pata
2016-10-13T05:26:27+00:00 13.10.2016 07:26
Gänsehautkapitel.
Im besten Sinne.
Antwort von:  North-Blue
17.10.2016 21:56
Hay,
Danke für deine Rückmeldung, ich freue mich über jeden, der diese FF verfolgt ^-^
Liebe Grüße :)
Von:  LittleMarimo
2016-10-12T19:18:25+00:00 12.10.2016 21:18
Oh oh wer kommt den jetzt? wer auch immer das ist.. Danke!
Aber das der kerl nicht weiß dass sie nicht reden kann xDD
Antwort von:  North-Blue
17.10.2016 21:55
Hay,
Jaaa, das war perfektes Timing :D Aber ob derjenige Mina helfen kann? ^^
Und ja, Saburo ist nicht grade bestens informiert :p
Liebe Grüße :)


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