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Digimon 00001100 <Twelve>

Samsara Madness [Video-Opening online]
von

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Das Geheimnis der Asuras

„Ihre gefährlichste Waffe? Was soll das sein?“, fragte Taneo.

„Das wird er uns wohl gleich sagen“, meinte Tageko.

Gennai sah sie einen nach dem anderen ernst an. „Es ist euch vielleicht aufgefallen, dass die Asuras nicht wie gewöhnliche Digimon sterben.“

„Sie meinen, wegen ihren Daten? Wir haben bemerkt, dass sie immer in eine bestimmte Richtung davonfliegen. Digimon wie DarkTyrannomon oder die Keramon haben sich einfach aufgelöst und ihre Datensplitter sind in alle Richtungen davongestoben“, überlegte Taneo.

„Genau das ist es“, sagte Gennai. „Es hat einen Grund, warum die Daten der Asuras sich am Himmel sammeln.“ Er zögerte kurz. „Sind euch die Begriffe Samsara und Nirvana bekannt?“

„Darüber haben wir doch was gelesen, als wir zu den Asuras recherchiert haben“, sagte Jagari aufgeregt. „Samsara ist der Kreislauf von Sterben und Wiedergeburt. Und wenn man ein anständiges Leben geführt hat, geht man ins Nirvana ein, ins große Nichts. Kurz gesprochen.“

Gennai nickte. „Wenn ein Digimon stirbt, wird es als DigiEi in der Stadt des Ewigen Anfangs wiedergeboren. Es schlüpft aus einem DigiEi und hat erneut die Chance, zu digitieren und stärker zu werden.“

„Also wie ein ewiges Samsara“, schlussfolgerte Tageko.

„Die Asuras unterscheiden sich hierbei aber von anderen Digimon. Man könnte sagen, das ist es auch, was ein Asura ausmacht.“

„Die Asuras gehen ins Nirvana?“, fragte Jagari auf gut Glück.

„So einfach ist es nicht. Man könnte sagen, die Asuras haben eine Zwischenstufe erreicht, zwischen Samsara und Nirvana. Sie werden nicht wiedergeboren, aber sie verschwinden auch nicht einfach. Stattdessen sammeln sich ihre Daten, ihre Erinnerungen, ihre Macht und alles, was sie einst ausgemacht hat, und vereinigen sich mit ihrem Anführer.“

„Der Anführer der Asuras?“, fragte Kouki. „War das nicht LordMyotismon?“

„Nein, ihr wahrer Anführer ist ein Digimon, dem ihr noch nicht begegnet seid. Und seit ihr begonnen habt, die anderen Asuras zu töten, hat es beständig an Stärke gewonnen.“

„Aber das ist doch …“ Renji fehlten die Worte. „Leute, verstehe ich das grad richtig?“

„Die Asuras werden nicht wiedergeboren“, wiederholte Gennai. „Stattdessen gehen ihre Daten in eine Art Schein-Nirvana ein. Und das ist der Körper ihres Anführers. Das ist der Grund, warum ihr Arkadimon nicht vernichten dürft.“

„Weil es sich dann mit seinem Anführer vereinigen würde?“, fragte Fumiko.

„Ich kapier’s irgendwie doch nicht“, murmelte Renji.

„Arkadimon ist schon für sich allein ein Digimon von solcher Zerstörungskraft, dass es die DigiWelt in seinen Grundfesten erschüttern könnte“, sagte Gennai mit unheilschwangeren Worten. „Wenn ihr es tötet, müsst ihr früher oder später noch einmal gegen es kämpfen – zusammen mit der Macht aller anderen besiegten Asuras.“

„Toll“, meinte Tageko sarkastisch. „Und ich hatte schon geglaubt, der Tag könnte gar nicht mehr besser werden.“

Als hätte sie mit diesen Worten irgendetwas provoziert, war die Luft plötzlich von einem Rauschen erfüllt. Die Baumwipfel erzitterten, Nadeln regneten auf die Lichtung herab. „Was war das?“, fragte Jagari erschrocken.

„Ich werde mal nachsehen!“ Thunderboltmon schoss wie ein Blitz über die Baumkronen und stieß ein erschrockenes Fiepen aus. „Taneo! Es ist da! Arkadimon kommt auf uns zu!“

„Aber das ist unmöglich!“, rief Tageko. „Es war meilenweit entfernt! Wir müssten einen viel größeren Vorsprung haben!“

„Es sieht jetzt ein wenig anders aus“, berichtete Thunderboltmon von oben. „Es ist größer – ich glaube, es ist wieder digitiert!“

„Das heißt wohl, es hat unterwegs noch einige andere Digimon verspeist“, murmelte Kouki bitter. Taneo vergrub das Gesicht in den Händen.

„Wir sollten sofort von hier verschwinden“, sagte Renji.

„Was? Das könnt ihr nicht!“, begehrte Elecmon, der Hüter der Stadt des Ewigen Anfangs, auf. „Was wird aus den DigiBabys?“

„Es hat recht, wir haben Arkadimon quasi hergelockt. Wir können jetzt unmöglich fliehen“, sagte Kouki.

„Was willst du denn sonst tun? Kämpfen? Wenn es schon wieder digitiert ist, ist es doch erst recht zu stark für uns!“

Taneo haderte mit sich. Was sollten sie tun? Was war das Vernünftigste in diesem Moment? Und was konnte er mit seinen Wertvorstellungen vereinbaren? Die Vernunft siegte letztendlich. „Renji hat recht. Wir können es unmöglich bekämpfen. Noch können wir fliehen.“

„Das ist nicht dein Ernst!“, rief Kouki.

„Dass ich das mal erleben darf“, murmelte Renji. Taneo wusste nicht, ob er damit darauf anspielte, dass sie derselben Meinung waren oder dass Taneo tatsächlich die DigiEier aufgeben wollte.

„Wenn wir bleiben, verlieren wir“, sagte Taneo und schwitzte dabei. „Damit ist niemandem geholfen. Es besteht immer noch die Chance, dass wir Arkadimon von hier fortlocken können und es die Stadt in Ruhe lässt. Selbst wenn nicht, wir haben eben erfahren, dass tote Digimon wiedergeboren werden!“

„Du hast sie ja nicht mehr alle!“, rief Kouki. „Willst du die Baby-Digimon opfern, nur weil sie wiedergeboren werden und wir nicht?“

„Glaub nicht, dass es mir gefällt!“, fauchte Taneo ihn an. „Aber es ist das Einzige, was uns übrig bleibt!“

Kouki zögerte kurz, wich seinem Blick aus. „Ich bleibe“, verkündete er. „Ihr könnt ja auf Cyberdramon fortfliegen.“

„Du bist so ein verdammter Sturkopf!“, knurrte Taneo.

Fumiko war an Kouki herangetreten und drückte seine Hand. „Wir können sowieso nicht ewig fliehen. Und wir haben keinen Proviant mehr. Wie lange werden unsere Digimon diese Flucht noch durchhalten? Oder wir, nervlich? Hast du daran schon gedacht?“

Taneo biss sich auf die Lippen und schwieg.

„Es ist gleich da“, meldete Thunderboltmon und kam wieder zu ihnen herunter. „Was sollen wir tun?“

„Komm, Salamon“, sagte Kouki entschlossen. „Wenn wir es weiter vorn im Wald abfangen, kommt es vielleicht nicht bis zur Stadt.“ Er lächelte schwach. „Vielleicht schaffen wir es, euch den Rücken so lange freizuhalten, bis es eure Spur verliert. Das wär doch ein Plan, oder, Taneo?“

„Du willst dich für uns opfern?“, rief Renji schrill.

„Und Fumiko nehmt ihr auch mit.“ Kouki schob seine Freundin auf die anderen zu.

Sie stemmte sich dagegen. „Nein, tun sie nicht! Ganz – sicher – nicht!“

„Wenn einer kämpft, kämpfen wir alle!“, sagte Renji. Und das, obwohl er nur mehr ein Fellknäuel als Partner hatte – welche Chancen rechneten sie sich überhaupt aus?

„Hört mal“, sagte Taneo langsam, als wollte er kleinen Kindern das Rechnen beibringen, „wir sind am Ende. Vielleicht werden wir immer schwächer, ja, aber wir sind selbst jetzt lange nicht stark genug.“

„Dann hoffen wir eben auf ein Wunder. Vielleicht wechselt Arkadimon ja die Seiten“, meinte Kouki in dem schwachen Versuch, einen Scherz zu machen. Der Schweißtropfen, der seine Schläfe hinablief, zeigte deutlich, wie er über die Sache dachte.

Taneo sah hilfesuchend zu Tageko. Diese ballte die Fäuste und seufzte tief. „Du hast sie gehört. Sie wollen Märtyrer spielen.“

„Dann hilf mir, es ihnen auszureden!“

„Tja, was das angeht …“ Tageko lächelte traurig. „Ich glaube, ich will mitspielen.“

Taneo starrte seine Freunde an, die offenbar nicht schnell genug sterben konnten. „Was ist nur los mit euch, verdammt?“

„Weißt du“, sagte Tageko, „nur zu fliehen ist echt zermürbend. Ich will mich nicht länger verstecken. Und auf Dauer geht es sowieso nicht gut. Die Asuras werden schon dafür gesorgt haben, dass wir keinen einzigen Fernseher mehr finden. Es ist besser, wir beenden das eher früher als später.“

Taneo schüttelte langsam den Kopf, als auch Jagari mit seinem grünen Schnullerdigimon auf dem Arm zu den anderen trat. „Pabumon und ich machen auch mit. Das, was wir gerade tun, ist weder heldenhaft noch bringt es irgendwas. Wenn wir es nicht schaffen, dann haben wir es wenigstens versucht und das Ergebnis ist auch dasselbe.“

„Wir könnten Cyberdramon gebrauchen“, meinte Kouki lächelnd. „Natürlich nur, wenn du uns helfen willst.“

Taneo schnaubte. „Also schön. Ihr seid alles Idioten. Merkt euch meine Worte. Ihr seid Idioten, und ich hab’s euch gesagt. Wehe, es beschwert sich hinterher einer von euch.“

„Also bleibst du?“, fragte Fumiko.

„Ich kann euch Idioten ja nur schlecht alleine lassen“, brummte er unglücklich.

„Also ist das entschieden.“ Kouki streckte lächelnd die Hand aus. „Einer für alle, alle für einen.“ Die anderen legten ihre Hände auf seine, Taneo zuletzt.

„Hört mich an“, sagte Gennai drängend. „Ich kann euch leider nicht helfen. Ich wünsche euch alles Glück, das ihr bekommen könnt. Und vergesst nicht, was immer ihr tut: Ihr dürft Arkadimon nicht töten.“ Damit erlosch die Übertragung.

„Als ob wir dazu überhaupt fähig wären“, schnaubte Tageko.

„Also los, alles auf die Plätze“, sagte Kouki. „Taneo, hast du irgendeinen schnellen Plan, wie wir heil aus dem Kampf herauskommen?“

 

Es war wirklich eine dumme Idee. Selbst Renji begriff das, und er hatte oft Vorwürfe bekommen, dass er dumme Dinge tat. Also, was machte das schon aus?

Das neue Arkadimon war größer als Cyberdramon und mit einem weißen Insektenpanzer ausgerüstet, der schon von weitem stahlhart wirkte. Rote Muster waren darauf zu sehen. Seine Flügel waren gewachsen, sein Kopf war immer noch derselbe, die Schlitzaugen funkelten bedrohlich. Als Renji die Analyzer-Brille aufsetzte, sah er, dass es nun wirklich auf dem Ultra-Level war. „Schon, als es nur auf dem Rookie-Level war, konnte es zwei Ultra-Digimon hintereinander besiegen“, murmelte er. „Ich frage mich, wie stark das Teil jetzt ist.“

„Wir werden es leider gleich herausfinden“, sagte Kouki, der neben ihm in Deckung gegangen war.

Sie sollten die Köder spielen, und Arkadimon schien sie bereits gewittert zu haben, denn es änderte seinen Kurs ganz leicht, rauschte über die Baumwipfel hinweg. Dann kam Thunderboltmon ins Spiel.

Wie ein Pfeil schoss es ihm im Dickicht entgegen. Als es knapp unter Arkadimon war, hüllte goldenes Licht es ein, und das fürchterliche Cyberdramon brach aus dem Unterholz. Sein Knurren wurde von einem gleißenden Strahl aus seiner Ausradierkralle begleitet, der Arkadimon von unten traf, dann lenkte Cyberdramon ihn gegen Arkadimons Flügel.

„Treffer!“, sagte Renji.

„Komm, Salamon, jetzt wir!“ Kouki und sein Digimon liefen los, Renji folgte ihm.

Obwohl Arkadimon voll erwischt worden war, schien es unversehrt. Nicht einmal sein Flügel war beschädigt worden. Anstatt abzustürzen, flatterte es nun an Ort und Stelle und richtete sein Augenmerk auf Cyberdramon, das so plötzlich unter ihm erschienen war.

Blossomon ließ ihm keine Gelegenheit, sich neu zu orientieren. Dank seiner Erscheinung gut getarnt, schoss es aus wenigen Dutzend Metern seine Spiralblumen ab, die Arkadimons Kopf trafen und hoffentlich verhinderten, dass es Cyberdramon ins Visier nehmen konnte.

Dieses sauste währenddessen senkrecht himmelwärts und zog sine glühenden Klauen über Arkadimons Panzer. Dann zog es sich sofort wieder zurück.

„Bleibt auf Abstand, solange wir nicht wissen, welche Attacken es nun kann!“, hörte Renji Taneo rufen. Er war auf einen Baum geklettert, aber Renji wusste nicht genau, wo er war.

Arkadimon fauchte und schüttelte sich. Renji suchte vergeblich nach Kratzspuren auf seiner gepanzerten Haut. „Verdammt!“, fluchte er. „Das Ding hält einfach zu viel aus!“

„Kouki, Salamon, jetzt!“, rief Taneo.

„Alles klar! DigiArmorEi des Wissens, erstrahle!“ Und schon rauschte Kouki auf Butterflymon davon.

„Verflucht, ich hasse es, wenn wir nichts tun können!“, knurrte Renji. Der Fellball, zu dem Candlemon geworden war, piepste zustimmend.

„Jetzt weißt du, wie es mir geht“, sagte Fumiko, die unter einem Baum stand und den Kampf beobachtete. Sie hatte die Arme um den Körper geschlungen, als wäre ihr kalt. Irgendwie sah sie verloren aus, fand Renji.

Ursprünglich war zur Debatte gestanden, dass die DigiRitter ohne kampffähigem Partner die Stadt des Ewigen Anfangs evakuieren sollten, aber das hatten sie verworfen. Es wären einfach zu viele Eier und Babydigimon gewesen, und sie wussten auch keinen Ort, an den sie sie bringen konnten. So würden sie wenigstens alle gemeinsam im Kampf gewinnen oder verlieren – wobei Letzteres weit wahrscheinlicher war –, genau wie sie es gewollt hatten.

Kouki und Butterflymon umkreisten Arkadimon in einem waghalsigen Manöver. Sie hatten ausgetestet, welche seiner Armor-Digitationen am schnellsten und wendigsten war – und Kouki hatte sich danach nicht davon abbringen lassen, gemeinsam mit seinem Partner zu kämpfen. Renji fand das irre mutig, auch wenn Tageko, Taneo und Fumiko geschlossen dagegen gewesen waren.

Wie erhofft, irritierte der flinke Schmetterling Arkadimon, das versuchte, ihm mit dem Blick zu folgen. Indessen bombardierten Cyberdramon und Blossomon es von unten, aber diese Attacken schien es kaum zu spüren. „Weiter!“, rief Taneo. „Gebt nicht auf! Irgendetwas muss es bringen!“

Arkadimon hielt plötzlich inne. Es war, als fröre es mitten in der Luft ein. Zwischen den fauchenden Attacken der anderen hörte man Klicklaute von ihm kommen.

Dann löste sich der Wald unter ihm plötzlich auf.

Renji brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er da sah. Bäume, Wurzeln, Blattwerk, einfach alles unterhalb von Arkadimon löste sich plötzlich in Daten auf, so wie es ihre besiegten Gegner stets taten. Er hörte Tageko keuchen und Taneo etwas von Rückzug brüllen. Renji schluckte und wich zurück, als die Welle aus sprühenden Daten langsam auf ihn zukam. Das war also die Attacke von Arkadimon? War das überhaupt eine Attacke? Oder geschah hier ein seltsames Naturphänomen?

 

Blossomon entkam der flächenweisen Zerstörung nicht rechtzeitig. Es versuchte außerhalb der Reichweite zu humpeln, aber einige seiner Ranken lösten sich in dem allgemeinen Datenwirbel auf. Tageko fuhr ein Stich ins Herz, als sie ihren Partner stöhnend niedersinken sah. Dann hörte der Wald auf, sich selbst aufzulösen, und Blossomon digitierte zurück – zumindest sah es so aus. Myriaden von Datensplittern blockierten die Sicht. Tageko stürmte aus ihrem Versteck und auf den Rand des Kraters zu.

Gut hundert Quadratmeter Wald waren vernichtet worden, wie von einer gewaltigen Explosion zerrissen. Die Kraterwände waren erst spiegelglatt, dann rutschten Erde und Laub hinunter. Tageko hörte einen Schrei und ihr Blick schnellte himmelwärts.

Der Baum, auf dem Taneo hockte, neigte sich. Die Attacke hatte Teile seiner Wurzeln gefressen und die übrigen fanden an dem Kraterhang keinen Halt. Mit rauschender Krone und knackenden Ästen rutschte der Baum in den Krater und stürzte dabei um.

„Taneo!“ Ein goldener Blitz sauste den Stamm entlang, dann hatte Kouki Taneo gepackt. Butterflymon, nun mit beiden Jungen auf dem Rücken, tat sich mit dem Fliegen schwer. Es zielte den Waldboden neben Renji an, um sie abzusetzen – als Arkadimon seine Chance nutzte.

Schreie kamen von überall her, und Tageko erkannte, dass auch sie selbst etwas Zusammenhangloses brüllte. Arkadimon schoss auf das wankende Butterflymon zu und stieß dabei Cyberdramon, das in seinem Weg war, wie eine Puppe zur Seite. Es streckte den krallenbewehrten Arm aus, und selbst dort, wo sie rannte, spürte Tageko den irren Luftstrom, der plötzlich daraus hervorwehte. Taneo und Kouki wurden von Butterflymons Rücken gerissen und landeten sich überschlagend irgendwo im Dickicht. Das Digimon selbst krachte so heftig gegen einen Baumstamm, dass dieser gespalten wurde. Im nächsten Moment schlug der Baum, auf dem sich Taneo versteckt gehabt hatte, auf dem Waldboden auf und verstreute Äste und Blätter in alle Richtungen.

„Taneo! Kouki!“, schrie Tageko und sah sich atemlos um. Wo waren sie? Und wo waren die anderen?

„Tageko …“, drang ein schwaches Stimmchen an ihre Ohren. Sie zuckte zusammen.

„Budmon!“ Es lag in einer Mulde im Kraterhang, schmutzig und mit glasigen Augen, aber es lebte. Sie stürzte zu ihm und drückte es an ihre Brust. „Ist alles in Ordnung mit dir?“

„Tut mir leid, dass ich nicht schnell genug war …“, murmelte es.

„Mach dir keinen Kopf.“ Tageko sah unbehaglich auf das riesige Arkadimon, das eine neuerliche, wirkungslose Ausradierkralle in den Rücken bekam. Seine Klicklaute stimmten einen hektischen Takt an, als es den Kopf hin- und herbewegte. Offenbar war Cyberdramon als Gegner noch attraktiver als die Menschen und ihre zurückdigitierten Digimon, denn es stieß wieder in die Lüfte und wandte sich nach dem Drachenwesen um. Tageko nützte die Gelegenheit, um wieder in den Wald zu laufen. Deckung finden. Und die anderen.

Obwohl es vor Arkadimons Angriff keine Deckung gab. Obwohl die anderen vielleicht gar nicht mehr lebten.

 

Koukis Kopf brummte, als hätte ihm jemand eins mit einem Hammer übergezogen. Sein Rücken schmerzte; er lag im Hohlkreuz über einen Busch, dessen Äste ihm in die Haut stachen. Stöhnend versuchte er sich aufzurichten. Als er es nach drei Versuchen endlich geschafft hatte, sich von dem Gebüsch herunterzuwälzen, sah er Fumiko, die sich besorgt über ihn beugte. „Alles noch dran?“, fragte sie.

„Ja“, murmelte er. „Schade, ich war wohl nicht lang genug ausgeknockt, dass du mich Mund-zu-Mund beatmet hättest.“

Sie schenkte ihm ein schmales Lächeln und zog ihn in die Höhe. „Wo ist Taneo?“

Sie fanden ihn auf dem moosbedeckten Waldboden. Er war noch bewusstlos. Blut klebte in seinen Haaren. „Verdammt, Taneo!“ Kouki stürzte zu ihm.

„Leute, hier lang!“ Renji tauchte irgendwo zwischen den Bäumen auf. Jagari war bei ihm. „Wir müssen abhauen, solange es noch geht!

„Das wird ohnehin nichts mehr!“, rief Jagari.

„Taneo ist verletzt!“, schrie Kouki zurück.

Renji fluchte und lief herbei. Gemeinsam hoben sie ihn in die Höhe, um ihn zu tragen.

„Wo ist Tageko?“ Fumiko sah sich hektisch um, während Kouki laut nach Butterflymon rief. Ihre Rufe gingen im Getöse über ihnen unter. Kouki sah, dass Cyberdramon sich an Arkadimons Rücken geklammert hatte und auf dessen Panzerung einhieb – als das Asura plötzlich wieder erstarrte.

„Nein! Cyberdramon, flieg weg!“, schrie Kouki, aber es war zu spät.

Cyberdramons Arme verschwanden einfach, lösten sich in Datensplitter auf. Es stieß sich kräftig mit den Hinterbeinen ab und somit auch Arkadimon von sich – andernfalls wäre es wohl um es geschehen gewesen. Mit kräftigen Flügelschlägen brachte es sich außer Reichweite, während dort, wo Arkadimon sich den Baumkronen näherte, ein grünbraun glitzernder Schneesturm aufwirbelte.

 

„Lauft“, keuchte Jagari und stürmte los. Kouki und Renji zerrten Taneo hinter sich her, dessen Beine über den Waldboden schleiften. Wie eine Staubwolke kam die Zerstörung näher. Fumiko erinnerte sich an ein Buch, das sie mal gelesen hatte: die Unendliche Geschichte. So in etwa hatte sie sich immer das Nichts vorgestellt, das ganze Welten verschlang.

Wie ein gefallener Stern verglühte Cyberdramon, während es abstürzte. Es schien zum Glück auch nur zurückdigitiert zu sein.

Etwas sprang plötzlich auf Koukis Schulter und brachte ihn fast aus dem Tritt. Gatomon klammerte sich an ihn. „Kouki, geht es dir gut?“

„Leute!“ Auch Tageko hechtete an ihre Seite, Budmon in den Armen. Sie deutete erschrocken auf Taneo. „Was ist mit ihm?“

„Bewusstlos“, sagte Kouki knapp.

„Bewusstlos? Oder tot?“, fragte sie schrill.

Fumiko lief es kalt den Rücken runter. Sie hatten nicht nachgeprüft, ob Taneo noch atmete …

„Wo laufen wir hin?“, rief Renji. Hinter ihnen kam die Wolke aus Datensplittern immer näher, mit einem leisen, rieselnden Geräusch, und löste alles auf, was ihr in den Weg kam.

„Einfach nur weg hier!“, stieß Fumiko kurzatmig aus.

„Wartet“, rief Tageko plötzlich. „Wenn wir hier weiterlaufen …“

Jagaris Schrei unterbrach sie. Er war zuvorderst gelaufen und plötzlich am Ende des Waldes angelangt. Die anderen bremsten gerade noch rechtzeitig, ehe sie in den Krater fallen konnten, den Arkadimons erste Attacke gerissen hatte. „Und jetzt?“, murmelte Renji beklommen. „Da geht’s nicht weiter.“ Hinter ihnen wallten immer noch die Datensplitter auf.

„Ist doch egal!“, zischte Kouki und riss Taneo und damit Renji über die Kante. Fumiko und Tageko folgte ihnen.

Halb stolpernd, halb laufend, stürmten sie die Kraterwand hinunter. Als Erstes verloren Renji und Kouki den Halt und schlitterten schreiend mit Taneo in die Tiefe. Fumikos Fuß verfing sich nur kurz nach ihnen in einer lockeren Wurzel und sie schlug auf dem harten Untergrund auf, der keinen Zentimeter nachzugeben schien. In einer Wolke aus Erde überschlug sie sich und kam erst zum Liegen, als sie den Mittelpunkt des Kraters erreicht hatte.

Jagari, Renji und Kouki rappelten sich eben in die Höhe. Sie waren über und über mit Erde beschmiert und gaben Fumiko eine Ahnung davon, wie sie selbst aussah. Taneo gab ein Stöhnen von sich und blinzelte. Immerhin schien er zu sich zu kommen, denn er sah sich verwirrt um.

„Alles in Ordnung?“, rief Tageko, die etwas eleganter, aber dennoch nicht gerade geschickt den Rest des Weges zurücklegte.

„Ja“, knurrte Renji. „Bis auf die Tatsache, dass wir jetzt richtig im Arsch sind.“

„Taneo!“ Die hohe Stimme gehörte Kokuwamon, das seinem Partner in den Arm flog. Es wirkte zu Tode erschöpft. Offenbar war es direkt in den Krater gestürzt. „Ich hab es nicht geschafft …“

„Das macht nichts. Du hast tapfer gekämpft“, murmelte Taneo und streichelte sein Käferköpfchen.

Ein hämisch-klickendes Geräusch ließ sie herumfahren. Arkadimon war am Rand des Kraters gelandet und hatte seine Flügel gespreizt. Es gab keine Digimon mehr, auf die es aufmerksam werden konnte. Nun waren sie dran. Und dann wohl die Stadt des Ewigen Anfangs.

Fumiko biss die Zähne zusammen und besah ihre Freunde. Niemand konnte mehr kämpfen. Sie kauerten alle mutlos im Schmutz. Es war vorbei. Fumiko sah etwas vor sich in der Erde liegen. Ihr DigiEi war aus ihrem Rucksack gerollt, als sie über den Kraterhang gerutscht war. Apathisch hob sie es auf. In dem Riss klebte Erde. „Dämliches Ding“, murmelte sie. „Wir sehen uns demnächst im Jenseits.“

Kouki trat neben sie. Sie sah ihn an. Sein Kinn zitterte und sein starrer Blick war auf Arkadimon gerichtet. Sie fühlte seine Angst. Auch die anderen brachten keinen Ton über die Lippen, während Fumiko sich bereits mit dem Ende abgefunden hatte.

Arkadimons Klicken wurde zu einem Fauchen, und es nahm breitbeinige Haltung ein. Dann spannte es wieder die Muskeln für seine vernichtende Attacke an.

„Ich liebe dich“, murmelte Kouki.

„Ich dich auch“, erwiderte Fumiko mit trockenem Mund.

Vor ihnen klaffte zischend ein faustgroßes Loch Erde auf und wurde zu Datenmehl. Das Loch vergrößerte sich, rauschte auf die DigiRitter zu. Sie sah, wie Kouki die Augen zusammenkniff, zwang sich jedoch selbst, zuzusehen, wie das Nichts näherkam. Wie es aussah, würde es sie wohl als Erstes erwischen. Das war besser, als ihre Freunde sterben zu sehen.

Die vernichtende Welle kam, das Licht wurde heller …

Licht?

Es war stockdunkle Nacht, die Datensplitter funkelten nur ein wenig, woher kam …

Fumikos Blick blieb an dem Ei haften, das sie in der Hand hielt. Während die Welle aus purer Zermalmung näher kam, wuchs vor ihren Augen der unheilvolle Riss in der Oberfläche, und violettes Glühen sickerte heraus … Was geschah? Starb das Digimon darin nun endgültig? Oder bedeutete das etwa …

In dem Moment, als die Wolke aus Nichts sie erreichte, zerbarst das Ei. Schalenstücke wurden in alle Richtungen weggesprengt, und ein violetter Strahl sauste himmelwärts. Etwas blitzte auf, etwas traf sie, Fumiko hörte trommelfellzerfetzenden Lärm, gefolgt von wattiger Stille. Das Leuchten, das nicht mehr nur violett war, verglomm, und stattdessen hüllte dicker Nebel sie ein, ebenso dicht und schwer wie die Stille.

Grau. Alles war grau. War das das Ende? Hatte sie eben das berühmte Licht am Ende des Tunnels gesehen, und nun war alles vorbei?

Hinter sich hörte sie jemanden husten. Das Geräusch klang fremd hier, als würde es die Ruhe dieses Ortes stören, die letzte Ruhe der Toten … Ein fernes, tiefes Geräusch ertönte hinter der Nebelwand, und die Illusion verschwand. Sie war nicht ins Nichts gefallen. Sie stand auf festem Boden.

Fumiko fühlte die winzigen Wassertröpfchen in der Luft, wenn sie atmete. Sie hüllten ihre Haut in einen feuchten Schleier. Der Geruch nach Moder und Salz drang in ihre Nase, scharf und doch irgendwie … tot.

„Wo … wo sind wir?“, hauchte Jagari.

Fumiko wusste es nicht. Sie wusste nur, dass Arkadimon nirgendwo zu sehen war. Überall war es besser als in diesem Wald.

„Hier riecht es nach Meer“, stellte Tageko fest.

„Aber wir waren doch noch eben … hä?“, machte Renji verdattert.

Fumikos Blick wurde von etwas angezogen, das direkt über ihr zu schweben schien, wie ein Stern am Himmel, nur größer. Da … war etwas. Und sah auf sie herab. Ihr wurde bewusst, dass sie ihr DigiEi nicht mehr in den Händen hielt.

Eine sanfte Brise kam auf und riss einige Nebelfetzen zur Seite, und Renji stieß einen Schrei aus. Dann ertönte ein Plumpsen, als er auf den Hosenboden fiel.

„Was … ist das?“, hauchte Jagari.

Fumiko sah fest das Wesen an, das vor ihr im Nebel sichtbar geworden war. Es war riesig und hatte geradezu irrwitzig dürre Gliedmaßen. Hände und Füße steckten dafür in ausladenden, weißen Panzerungen mit violetten Mustern. Unter dem Brustpanzer war halb etwas wie ein riesiges Auge zu sehen; der eigentliche Kopf besaß ein weiteres, kleineres Auge und war behelmt. Schweigsam blickte es auf Fumiko herab. Sie trat näher.

„Fumiko! Nicht“, zischte Tageko, doch sie hörte nicht auf sie. Anders als ihre Freunde empfand sie keine Angst vor diesem Ungetüm, sondern eher etwas … anderes. Langsam hob sie die Hand und legte die Finger auf den Beinpanzer des Wesens. Er fühlte sich kühl an.

In dem Moment, in dem die das stumme Ungeheuer berührte, glaubte sie, in seinen Gedanken lesen zu können. Sie fühlte Erleichterung, unbändige Freude, Trauer und Scham, aber Hoffnung. Waren das nun ihre Gedanken oder die des Wesens?

Ein Sturm traf sie, ein Sturm von Eindrücken und Gefühlen, Erinnerungen und etwas wie Gedanken, die man nicht in Worte fassen konnte.

Ich wusste es, dachte sie. Laut beantwortete sie schließlich Jagaris Frage. „Das hier ist Parallelmon. Mein Digimon.“ Und sie spürte, dass der aufwallende Stolz eindeutig zu ihr gehörte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  PattMaster
2017-07-24T08:17:14+00:00 24.07.2017 10:17
Parallelmon sagt mir auch nichts. Aber dass es ein ultimate ist, ist schon sehr interessant. Bin gespannt wie es weiter geht. Es ist ja auch ein virus digimon, hm. Eventuell ist da etwas nicht ganz so gelaufen, wie es Genai geplant hat.
Antwort von:  UrrSharrador
28.07.2017 16:17
Danke für deinen Kommi! Keine Sorge, auch wenn Parallelmon ein Virus-Digimon ist, ich kann so viel verraten, dass es definitiv zu den Guten gehört ;)
Antwort von:  PattMaster
29.07.2017 10:34
Virus heißt ja nicht unbedingt, dass es böse sein muss, sie Guilmon und seine Digitationen in Tamers, oder Impmon aus Tamers.
Antwort von:  UrrSharrador
29.07.2017 18:03
Jap, genau :)
Von:  Fuchspinsel
2017-07-23T20:30:40+00:00 23.07.2017 22:30
Oha oha damit hab ich nicht gerechnet xD
Ich kannte Parallelmon vorher gar nicht oO Dachte ehrlich gesagt der Schatten im Opening sei Arkadimon
Grau... es riecht nach Meer... Nebel... könnte dieses Digimon sie an das Meer der Dunkelheit gebracht haben?
Oh man wie gern würd ich weiterlesen wenn ich nur könnte T.T
Antwort von:  UrrSharrador
28.07.2017 16:21
Danke für deinen Kommentar :) Ja, jetzt ist es geschlüpft^^ Freut mich, dass ich dich mit dem Schatten in die Irre führen konnte :D ich werd mich bemühen, mal wieder ein paar Updates zu meinen FFs rauszuklopfen. Vielleicht schaff ichs noch heute.
Von:  EL-CK
2017-07-23T17:15:02+00:00 23.07.2017 19:15
Auftritt Parallelmon 🎉🎉🎉🎉🎉 ich schieß mal ein mal Gummibären-Feundenfeuer ab ;)
Antwort von:  UrrSharrador
28.07.2017 16:16
Danke für deinen ... *panisch in Deckung gehe* xD
Antwort von:  EL-CK
27.08.2017 10:52
Mein Gummibärchen-Arsenal muss ja noch aufgebraucht werden.... Danach gibt's was anderes bei schönen Anlässen


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