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My love bite on your neck

von

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Love bite 20 - Feind und Freund

Morgen ^^

Heute gibt es zwei Kapitel von mir. Schon mal zur Vorsorge, da ich nicht weiß, wie ich die nächsten Tage dazu komme.

Meiner alten Katze geht es immer schlechter. War die letzten Tage nur beim Tierarzt. Gebracht hat es leider nichts. Wenn es ihr heute weiterhin so schlecht geht, werden wir sie diese Woche noch erlösen, denke ich.
 

Zu diesem Kapitel gibt es noch zu sagen, dass Meilo hier mal Pause hat. Diesmal dreht sich alles um Niclas und teilweise um seine Vergangenheit.
 

Euch viel Spaß beim Lesen und schon mal ein schönes Wochenende für euch

Eure Fara
 


 

Love bite 20 - Feind und Freund
 

"Dieser liebliche Tropfen aus der Toscana hat ein besonders fruchtiges Bouquet. Wenn Sie kosten möchten?" Leises Raunen, beeindruckte hmm-Laute. Der scheint zu schmecken. Welch Verschwendung, ihn wieder auszuspucken.

Jean reicht mir die angebrochene Flasche, die ich wieder zurückstelle und die nächste in Angriff nehme. Dies ist der letzte Wein der heutigen Verkostung. Mein Job ist erledigt. Bis die Gäste sich hoffentlich für die ein oder andere Flasche entschieden haben, die sie sich mit nach Hause nehmen wollen, werde ich den Rückzug antreten, und mich umziehen gehen. Feierabend! Aufräumen tut heute ein anderer.

In der kleinen Umkleide, Rumpelkammer trifft es eher, suche ich meinen Kram zusammen. "Hat dir dein erster Arbeitstag gefallen?", fragt plötzlich jemand hinter mir. Kilians Stecher Clemens! Ausgerechnet!

"Geht dich nix an", knurre ich und versuche diesen Lulatsch zu ignorieren. Schwierige Angelegenheit, sage ich euch.

Er stellt sich neben mich, und weil ich noch mit dem Knoten der Schürze kämpfe, kann ich ihm schlecht ausweichen. Besonders in dem kleinen Raum hier. "Müssen wir das tun? Uns angiften?", fragt er mich doch glatt dreister weise.

"Weiß nicht was du meinst."

"Und ob du das weißt", qäckt er, seufzt dann allerdings resigniert. "Hör mal, ich bin jetzt mit Kilian zusammen und du hast doch auch einen Neuen. Einen ziemlich schnuckeligen noch dazu. Ist doch alles gut?" Ich knirsche mit den Zähnen. Ich könnte ihm so einiges Erzählen, was nicht gut ist an der ganzen Geschichte, angefangen dabei, dass er MEINEN FREUND eben schnuckelig genannt hat, aber ich lasse es. Es lohnt den Ärger nicht und bis auf ekelige Zornesfalten bringt es mir auch nichts. "Wie seid ihr beiden eigentlich zusammengekommen? War ja recht früh. Ich meine, so kurz nach der Trennung ..." Jetzt platzt mir doch der Geduldsfaden. Er wagt es von früh zu reden?!

"Hör auf damit!", zische ich ihn an. "Ich will mich nicht mit dir unterhalten. Weder über mich, noch über meinen Partner, meinen Ex oder sonst irgendwas, verstanden?" Endlich habe ich den Knoten auf, zerre die Schürze von mir und werfe sie in meinen mitgebrachten Beutel.

Schnellen Schrittes rausche ich aus der Umkleide und verlasse den Weinkeller.

So kurz nach der Trennung! Das ich nicht lache! Wer hatte denn gleich einen neuen Stecher? Kilian, und nicht ich! Er hat mich verlassen und sich gleich 'nen neuen gekrallt. Das Meilo und ich uns so schnell gefunden haben war purer Zufall und viel Glück. Zugegeben, ohne Kilians Geständnis, dass er wieder vergeben ist und die Briefe, die er mir zurückgegeben hatte, hätte ich Meilo vielleicht niemals kennengelernt. Aber trotzdem werde ich mich diesem Lulatsch von Clemens deswegen nicht erklären oder gar rechtfertigen! Muss ich auch nicht. Es geht ihn nichts an und MEIN schnuckeliger Freund hat ihn nicht im geringsten zu interessieren. Basta!

"Niclas?!" Klaus-Peter ruft nach mir. Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. "Warte doch! Dein Geld", schnauft er und wedelt mit seiner Hand. "Warum bist du denn so schnell weggedüst?", fragt er mich und überreicht mir meinen heutigen Lohn. Den habe ich dank meines Ärgers ja total vergessen.

"Habs eilig", lüge ich. "Mein Freund will mich nachher noch anrufen." Das war keine Lüge.

"Du hast wieder jemanden? Das freut mich aber!" Ich lächle verlegen. "Dann bist du über Kilian hinweg?"

"Bin ich." Was mein Herz angeht ja. Aber was Clemes' Anwesenheit im Weinkeller angeht, nein. Darüber kann ich nicht so leicht hinwegsehen, auch wenn ich es gerne würde. Aber mir kommt echt die Galle hoch, sobald ich auch nur an diesen Kerl denke! Ob KP weiß, dass Clemens Kilians Neuer ist? Ich denke nicht.

"Wie ist er denn so? Sieht er gut aus?" KPs dreckiges Grinsen lässt mich schmunzeln.

"Und wie", antworte ich. "Aber nicht nur das. Er ist wundervoll. Meilo über den Weg gelaufen zu sein, ist das Beste, was mir jemals passiert ist."

"Wow. Der muss ja was ganz Besonderes sein."

"Ist er", bestätige ich und fühle das altbekannte Kribbeln in meinem gesamten Oberkörper, das mich jedes Mal überfällt, wenn ich an in denke.

"Dann bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon, es gäbe Probleme mit Clemens. Weißt du schon, dass er und Kilian ...?" KP weiß also doch Bescheid.

"Ja, das weiß ich", nicke ich. "Aber so lange er mich in Ruhe lässt, gibt es keine Probleme."

KP sieht mich nachdenklich an. "Du wirst nicht drum herum kommen, mit ihm hin und wieder zusammenzuarbeiten."

"Habe ich mir schon gedacht."

"Ich will keine Szenen vor den Gästen."

"Habe ich nicht vor."

"Auch nicht, wenn Kilian vorbeikommt. Hörst du? Er besucht Clemens regelmäßig." Das habe ich mir schon irgendwie gedacht.

"Kilian ist mir egal geworden. Wirklich. Es wird zu keinerlei Szenen kommen. Nicht vor den Gästen oder den Kollegen."

"Gut. Mehr wollte ich nicht hören. Bis übermorgen."

"Ja. ... Tschau." KP verschwindet wieder im Weinkeller und ich marschiere in die Seitenstraße, in der mein Auto parkt. "Shit!", japse ich. "Warum kann sich Kilian mit seinem tollen Clemens nicht einfach in Luft auflösen?" Das würde vieles einfacher machen. Und zudem meine Nerven schonen.
 

Zuhause schäle ich mich aus den Klamotten und springe unter die Dusche. Während das warme Wasser auf mich prasselt, versuche ich meinen durcheinander geratenen Gedankengängen zu folgen. Clemens, Kilians Neuer, ist einer meiner Kollegen. Ich könnte kotzen!

Ja, ich bin glücklich mit Meilo. Und nein, ich bin nicht eifersüchtig, weil Kilian einen anderen Kerl hat. Es regt mich nur auf, dass ich diese lange Bohnenstange nun beinahe jeden Tag zu Gesicht bekomme und womöglich Kilian noch dazu! Es erinnert mich an all die unschönen Gefühle, den Schmerz, die Verzweiflung, an mein gebrochenes Herz, die ich dank des Beziehungsaus seitens Kilian hatte. Und ich will nicht daran erinnert werden.

Heute zum Beispiel. Ständig lief mir Clemens vor der Nase herum. Sein ekelhaftes Aftershave hing mir ewig in der Nase. Jetzt noch könnte ich schwören, es zu riechen. Er nervt! Und immer wieder musste ich an den Moment denken, in dem mir Kilian die Wohnungstür vor der Nase zugeschlagen hat, nachdem ich all die Kisten mit meinen Habseligkeiten in den Hausflur geschafft hatte. Den lauten Knall dabei, der meine Brust zugeschnürt hatte.

Ich hab versucht es zu verdrängen und dachte an Meilo, an all die schönen Stunden, die wir bisher miteinander geteilt haben und auch an die Vorfreude, wenn wir endlich zusammen sein können, ohne uns Sorgen über die Folgen zu machen. Es half. Teilweise. Denn immer wieder schob sich Kilian in mein Denken. Kilian und sein Neuer. Die Tag ein, Tag aus glücklich zusammenleben. Kotz!

Aber ich muss mich zusammennehmen. Ich will den Job nicht verlieren, aber ich kann auch nicht garantieren, dass ich ruhig bleibe, wenn dieser dämliche Volltrottel mich anlabert.

Ich stelle das Wasser aus und trete aus der Dusche. Vor dem Spiegel mustere ich die schon viel zu hell gewordenen Flecke auf Hals und Brust. "Warum bist du nicht bei mir?", frage ich leise und denke dabei an Meilo. "Dann könnte ich viel entspannter über diese Bohnenstange hinwegsehen." Denn das, was mich noch viel mehr aufregt, als all die schlechten Erinnerungen an unsere Trennung, ist folgendes: Kilian und Clemens sitzen jetzt sicher zusammen in Clemens ach so toller Bude und spielen glückliches Pärchen! Darauf bin ich eifersüchtig! Ja, genau darauf, und auf nichts anderes.

"Verdammt nochmal!" Es wurmt mich, und das macht mich am meisten fertig. Wenn ich Clemens sehe, dann weiß ich, dass die beiden etwas haben, das Meilo und ich erst haben werden, wenn das Jahr herum ist. Das ist die ganze Tragödie daran. Die beiden sind ein glücklich vereintes Pärchen, während Meilo und ich zwar auch glücklich sind, aber eben nicht immer vereint. Manchmal für ein Wochenende. Wenn überhaupt. Das zerfrisst mich noch!

Wie gern würde ich mit Meilo abends vor der Glotze hocken, mich an ihn kuscheln, oder sonntags lange ausschlafen und mit ihm faul im Bett herumlümmeln. Das geht alles so gut wie gar nicht. Ein Termin jagt den Nächsten und für uns bleibt kaum Zeit. Wenn ich Meilo nicht so sehr lieben würde, dann wüsste ich nicht, ob ich das lange aushalten könnte.

Meilo und ich gehören eben zusammen! "Und wir sind ein besseres Paar als Kilian und Clemens!" Mein Spiegelbild lächelt mir entgegen. Das sieht doch schon besser aus.
 

***
 

Eine Woche später habe ich mich ganz gut eingearbeitet. Ich weiß inzwischen, was ich zu tun habe, helfe überall aus, wo ich gerade gebraucht werde. Wenn es vorn im Laden mal harkt, springe ich ein, oder ich fege vor dem Laden den Gehweg. Die Arbeit macht mir Spaß und ich kann inzwischen sogar über Clemens hinwegsehen. Wir reden kaum miteinander, eben nur die Dinge, die für das Geschäft wichtig sind. Es ist gut so wie es ist. Von Jean und den anderen Kollegen weiß ich allerdings, dass Clemens ein ziemlich umgänglicher Typ ist. Immer, wenn ich ihn sehe, und er sich mit anderen unterhält, lacht er oder macht Scherze. Er scheint anders zu sein, als ich anfangs dachte. Trotzdem bleibe ich auf Abstand. Man kann es mir auch nicht verübeln, finde ich. Aber wenigstens ist Kilian bis jetzt noch nicht aufgetaucht. Wie lange mir in dieser Hinsicht das Glück noch hold sein wird, weiß ich nicht, doch jeder Tag ohne ihn ist ein Glückstag.

"Niclas? Hilfst du mal draußen bei der Lieferung?" Jean ruft nach mir.

"Ja!" Ich wische meine Hände an der Schürze ab und eile nach draußen zum Hintereingang. Man meint nicht, wie viel Staub sich innerhalb weniger Tage überall ansammelt. KP ist immer dahinter, alles Tip Top sauber zu halten, aber dem Staub wird man einfach nicht Herr.

Hinten angekommen, sehe ich, wie ein großer Laster am Straßenrand steht. Die Warnblinker an, lässt er gerade die Laderampe samt vier Stapel Kisten runter. Clemens steht mit einem Sackkarren daneben und schaut dem Ganzen zu. "Ich soll helfen", wende ich mich an ihn. Er nickt, lächelt mich schmal an und guckt weiter dem massigen LKW-Fahrer zu.

Als die Laderampe unten ist, schiebt Clemens den Sackkarren unter den ersten Stapel Kisten. Ich gehe ihm zu Hand, helfe, die Sackkarre sicher anzukippen, und laufe neben dem Turm voller Kisten, in denen Weinflaschen klimpern, her. Im Lager laden wir alles ab und weiter geht's. Wir verrichten alles schweigend. Sehr angenehm für mich, muss ich sagen. Clemens scheint es kapiert zu haben, dass er mich auf persönlicher Ebene nicht ansprechen soll.

Der letzte Stapel landet auf der Sackkarre. Bevor wir ihn zu den anderen rollen, quittiere ich beim LKW-Fahrer die Lieferung, nachdem ich den Lieferschein gecheckt habe. Alles in Ordnung. "Danke. Gute Fahrt noch", wünsche ich dem Fahrer. Er brummt und nickt mir zu, dann macht er sich wieder daran, die Ladeklappe zu schließen. Dann helfe ich mal Clemens mit dem Rest des Weines. Doch als ich mich umdrehe, ist er nirgends zu sehen.

"Clemens?" Ich laufe durch den Hintereingang hinein, spähe um die Ecke und da sehe ich ihn auch schon. Er zieht alleine den Wein rückwärts hinter sich her, biegt um die Ecke, um den Lagerraum zu betreten, bleibt jedoch mit einem Wagenrad an der Wand hängen und schon passiert das Unvermeidliche. Der Turm gerät ins Wanken. Der obere Teil kippt, und donnert gegen den Türrahmen. "Pass auf!" Ich beeile mich, damit ich vielleicht noch irgendwie das Schlimmste verhindern kann, doch ich komme zu spät. Clemens, dieser Idiot, wollte die restlichen in Schräglage gelangten Kisten richten, aber die Schwerkraft war stärker. Sie gaben ebenfalls nach und fielen geradewegs auf Clemens Arm.

"AHH!" Es scheppert laut und Clemens wird halb unter den schweren Kisten begraben.

Ich komme schlitternd zum Stehen und gehe neben diesem Dummkopf in die Knie. Wein schwimmt auf dem Boden und ich muss aufpassen, dass ich mich in keine Scherbe hocke. "Scheiße, pass doch auf!" Vorsichtig hebe ich die zu Bruch gegangenen Kisten beiseite, damit ich etwas besser an ihn herankommen kann, doch sämtliche Kisten plus Sackkarren versperren mir weiterhin den Weg. "Alles okay?", frage ich ihn über den Haufen hinweg.

"Weiß nicht", krächzt Clemens. Er liegt auf der Seite, versucht sich nun allerdings aufzusetzen. Dabei gibt er einen zischenden Laut von sich. "Mein Arm!"

"Mist! ... Jean! Jean!!!" Hoffentlich hört er mich! "Bin gleich bei dir", verspreche ich und beeile mich, mir einen Weg zu Clemens freizuschaufeln. Gar nicht so leicht. Immer wieder halte ich zerbrochene Flaschen in den Händen. Ich muss echt aufpassen. "Bleib ruhig liegen. Nicht, dass du dich noch schneidest."

"Was denn?" Endlich! Jean hat mich gehört! Er guckt um die Ecke, gibt einen französischen Fluch von sich und rennt mir zu Hilfe. "Wie ist denn das passiert?", fragt er mich und zerrt am Sackkarren.

"Die Karre ist umgekippt und auf Clemens drauf", erkläre ich ihm und hebe die letzte Kiste weg.

Jean ist als erster bei Clemens und hilft ihm dabei, langsam aufzustehen. Clemens verzieht dabei das Gesicht und hält sich den Arm. Man sieht sofort, dass er mehrere Kratzer hat. Beim zweiten Blick offenbart sich jedoch, dass sein Schultergelenk ausgekugelt zu sein scheint. Der rechte Schulter steht ein ganzes Stück weit nach oben heraus. Autsch! "Scheiße. Wir müssen einen Krankenwagen anrufen!"

"Tu das", sagt Jean zu mir. "Ich schaffe ihn nach vorn." Ich nicke und laufe los. Mit dem Handy rufe ich den Rettungswagen, erwähne die Schnittwunden sowie das ausgekugelte Schultergelenk und lege wieder auf. "Schön langsam." Jean kommt mit Clemens im Arm bei mir an. "Setzt dich lieber. Du ist ganz blass." Ich rücke einen Stuhl zurecht, auf dem er sich setzen kann.

"Tut es sehr weh?", frage ich ihn. Er nickt nur und hält sich weiterhin den Arm. "Die kriegen dich wieder hin. Der RTW ist unterwegs." Clemens lächelt schmal.

"Dann gehe ich raus und weise ihn ein", meint Jean. Ehe ich mich versehe ist er hinausgelaufen und ich bin mit dem verletzten Freund meines Ex allein. Super! Aber in Ausnahmesituationen sollte man in der Lage sein, über seinen eigenen Schatten springen zu können, finde ich.

Deshalb hocke ich mich neben Clemens. Weil ich nicht so recht weiß, was ich tun soll, lege ich kurzerhand meine Hand auf seinen Oberschenkel um ihn ein wenig Trost zu spenden. Seine Hose ist vollgesogen mit Wein und auch einige Blutflecken sind darauf. "Wenigstens desinfiziert der Alkohol die Schnitte", scherze ich tölpelhaft. "Tut mir leid. Das war nicht gerade feinfühlig. Ich rede totalen Müll." Besonders, wenn ich nervös bin.

"Hauptsache, du redest überhaupt mit mir", sagt Clemens keuchend. Ich lächle ihn schmal an und senke den Blick. Was soll ich darauf auch erwidern?

"Willst du, dass ich Kilian anrufe?" Eigentlich möchte ich das nicht, aber wie gesagt: Ausnahmesituation.

"Musst du nicht", winkt Clemens ab. "Er arbeitet gerade und macht sich dann nur Sorgen." Ich nicke. "Aber danke für das Angebot." Bitte. Gern geschehen. "Und danke, dass du mir geholfen hast, und mich nicht einfach da hast liegen lassen."

"Du musst ja eine tolle Meinung von mir haben, dass du glaubst, ich würde dich verletzt in einer Pfütze aus Wein liegen lassen!"

"So meinte ich das gar nicht", japst Clemens, zischt dann aber, weil er sich ruckartig bewegt hat.

"Lass gut sein. Du bist mein Kollege. Ist doch logisch, dass ich dir helfe. Wenn mir das passiert wäre, hättest du das ja auch ... Oder?"

"Hätte ich", nickt er. "Auch wenn du mich ganz schön herablassend behandelst." Treffer versenkt.

"Warum wohl?", brumme ich und reiße mich zusammen, meine Hand nicht wieder von seinem Bein zu nehmen.

"Ihr habt euch sehr geliebt, nicht wahr?" Ich schlucke meinen Groll runter. Er fängt wieder damit an!

"Sonst wären wir nicht so lange zusammen gewesen", antworte ich. Ja, anfangs hatten wir uns sehr geliebt. Keine Ahnung, wann dem nicht mehr so war.

"Kilian verliert nie ein Wort über dich, doch ich glaube, ihm ist die Trennung auch nicht leicht gefallen."

Ich lache freudlos auf. "Und wieso hat er mich dann einfach rausgeschmissen, und mir gesagt, dass er mich nicht mehr liebt?" Clemens zuckt mit den Schultern, was er lieber nicht hätte tun sollen. Er schreit unterdrückt auf und beißt sich auf die Unterlippe. "Nicht bewegen", rate ich ihm. "Am besten, wir reden gar nicht mehr miteinander."

Es dauert eine Weile, bis Clemens in der Lage ist, mit zu antworten. "Jetzt nicht, oder nie wieder?"

"Beides", flüstere ich.

"Das finde ich aber schade. Du scheinst ein ganz netter Typ zu sein." Ich schaue zu ihm auf, sage aber nichts. Das ich das Selbe schon über ihn gedacht habe, obwohl dieser Gedanke mir nicht schmeckt, verschweige ich besser. Und ich muss dazu zum Glück auch nichts mehr sagen, da Jean hineingestürmt kommt, im Schlepptau zwei Rettungssanitäter. Sie nehmen Clemens mit und es kehrt wieder Ruhe im Weinkeller ein.
 

Jean und ich räumen zusammen die Sauerei im und vor dem Lagerraum auf. Fast keine der Flaschen ist heile geblieben. Nur die in der unteren Kiste sind noch unversehrt. Als KP von der ganzen Aktion Wind bekommt, ist er ganz bestürzt. Kurz bevor ich Feierabend habe, rast er in den Laden und zieht mich beiseite. "Wie ist denn das alles passiert?", fragt er mich.

"Wir sind mit einem Rad der Sackkarre versehentlich an der Wand entlanggeschrabbt und dann haben wir das Gleichgewicht verloren", lüge ich. Ich verschweige ihm, dass Clemens den Wein alleine in den Lagerraum bringen wollte. Wir sollen immer zu zweit sein, wenn wir die Wahre annehmen. Damit eben genau dieses Szenario nicht passiert.

Wieso ich Clemens eigentlich schütze, weiß ich selbst nicht. Vielleicht, weil er mir doch ein bisschen leid getan hat, so jämmerlich, wie er in der Weinpfütze gelegen hat. "Ist Clemens noch im Krankenhaus?", möchte KP wissen. Aber ich weiß das natürlich auch nicht. Mein Chef schaut auf die Uhr. "Wollen wir ihn besuchen? Wir haben sowieso gleich Feierabend."

"Jetzt?" KP nickt. "Ich kann leider nicht", rede ich mich raus. "Meilo und ich haben unseren allabendlichen Telefontermin."

"Ah so. Na dann fahr du heim. Jean? Kommst du mit?"

"Klar!"

Wir machen noch schnell Klarschiff, dann verabschieden wir uns voneinander.

Als ich jedoch in meinem Auto sitze, komme ich mir saudämlich vor. Hätte ich doch mitkommen sollen? Und was ist, wenn KP Clemens ebenfalls nach dem Unfallhergang ausfragt? Ich zücke mein Handy und suche mir die Nummer des städtischen Klinikums heraus. "Ich habe eine Frage", sage ich zu der Frau, die meinen Anruf entgegen nimmt. "Vorhin ist ein junger Mann mit Schnittverletzungen und einer ausgekugelter Schulter eingeliefert worden. Ich wollte nur wissen, ob er noch bei Ihnen im Krankenhaus ist."

/Sind sie ein Verwandter?/ Ich schließe genervt die Augen. Wenn ich nein sage, dann gibt sie mir keine Auskunft. Pech nur, dass ich Clemens Nachnamen gar nicht kenne.

"Nein, ein Arbeitskollege." Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr die Wahrheit zu sagen.

/Dann darf ich Ihnen keine Auskunft geben./

"Ich wollte doch nur wissen, ob er noch da ist, weil ich ihn jetzt besuchen möchte. Das kann ich mir aber sparen, wenn er wieder zuhause ist."

/Wie ist denn der Name?/

"Clemens. Den Nachnamen kenne ich nicht." Die Frau gibt einen genervten Ton von sich. Leise Tippgeräusche sind zu hören. "Er wurde vor etwa zwei Stunden vom Krankenwagen abgeholt", helfe ich ihr auf die Sprünge.

/Clemens Kohlberger. Eingeliefert mit leichten Schnittverletzungen und einem ausgekugelten Schultergelenk/, liest sie mir vor.

"Das ist er!"

/Er wurde vor einigen Minuten abgeholt./ Yes! Dann kann ihn KP nicht ausfragen. Es sei denn, er fährt zu ihm nach Hause. Shit!

"Danke für ihre Hilfe." Ich lege auf. Falls KP und Jean ihn zu hause besuchen, dann kann ich es auch nicht ändern. Dann ist es eben so. Außerdem wird Clemens durch die ihm sicher verabreichten Schmerzmittel ziemlich ausgeknockt sein. Und falls er eben die Wahrheit über den Unfallhergang sagt, kann ich ihm auch nicht helfen. Er ist alleine losgezogen, und nicht ich.
 

Ich starte den Wagen und fahre nach Hause. Dort mache ich mir ein schnelles Abendessen, dusche, und haue mich danach vor mein Programm. Es leidet arg an Vernachlässigung, seit ich wieder arbeite. Doch es hilft mir, mich abends zu entspannen. So auch heute. Ich höre erst auf, als mein Handy klingelt. Sicher Meilo! Ich lasse alles stehen und liegen, und krame nach meinem klingelnden Telefon. Als ich es habe, gehe ich schnellstens dran, und schaue nicht mal nach, wer da anruft. "Bin dran!", keuche ich.

/Niclas?/, haucht eine leise Stimme in mein Ohr. Definitiv kein Meilo.

"Ja, der bin ich. Wer ist da?"

/Clemens./ Was?

"Wie kommst du an meine Nummer?"

/Habe sie aus Kilians Handy gemopst./ Kilian hat immer noch meine Handynummer abgespeichert? Das überrascht mich wirklich. /Tut mir leid, dass ich dich einfach anrufe, aber ich wollte mich nochmal bei dir bedanken./

"Kein Ding", sage ich mit einem unbehaglichen Stechen im Bauch. "Das hatten wir doch schon geklärt." Da fällt mir ein: "Hast du schon mit Klaus-Peter gesprochen?"

/Nein. Wieso?/ Ich erkläre ihm, was ich unserem Chef erzählt habe. /Du hast gelogen?/, fragt Clemens mich verwundert.

"Nicht direkt. Wir haben doch zusammen den Wein ins Lager gefahren. Es gab keinen Grund zu lügen."

/Wieso tust du das für mich?/ Keine Ahnung.

"Kollegen halten zusammen", reime ich mir zurecht. "Klaus-Peter kann den Schaden sicher irgendwie richten. Also sag nichts, sonst bekomme ich auch noch Ärger."

/Werde ich nicht/, verspricht er mir.

"War es das, oder wolltest du noch mehr mit mir besprechen?"

/Das war's eigentlich .../ Clemens seufzt. Ich spitze die Ohren und warte, bis er weiter redet. /Kilian weiß nicht, dass ich anrufe./

"Dachte ich mir."

/Und er ... Er weiß auch nicht, dass wir zusammen arbeiten./ Das ist jetzt aber was neues! /Er würde das bestimmt nicht gutheißen./

"Das musst du mit ihm ausmachen. Ist nicht mein Problem." Das nicht, aber dass Meilo auch noch nichts von Clemens weiß, allerdings schon. Ich wollte ihn nicht aufregen. Er hat sowieso so viel Stress im Moment.

/Na ja ... Kilian ist ziemlich eifersüchtig./ Hä? Das ist mir aber neu! /War er bei dir auch so?/Stopp mal! Will Clemens gerade mit mir über Beziehungsprobleme sprechen?! Mit mir, Kilians Ex?! /Niclas? Bist du noch da?/

"Ja! Ja, bin ich." Ich muss mich setzen!

/Und? War er bei dir auch ständig eifersüchtig?/, wiederholt er seine Frage.

"Nein", antworte ich wahrheitsgemäß. "In der Sache war er mehr als entspannt." Ich auch, nur mal so nebenbei angemerkt.

Clemens zieht die Nase hoch. Heult er etwa? /Er vertraut mir nicht/, wispert er.

Ich stecke in der Zwickmühle. Was soll ich tun? Clemens und Kilians Beziehung geht mich einen Scheißdreck an. Ich will mir das nicht anhören, aber ich habe unweigerlich Clemens jämmerlichen Anblick im Sinn, wie er mit Armschlinge in einer Ecke sitzt und heimlich mit mir telefoniert. Er hört sich echt beschissen an! "Wie kommst du darauf?", entfleucht mir auch schon die Frage, die alles ins Rollen bringt. Ich fasse es nicht, aber ich höre mir gleich tatsächlich die Beziehungsprobleme des Mannes an, der mit meinem Ex zusammen ist!

/Ich kann es nicht beweisen, aber Kilian spioniert mir nach. Er kontrolliert mich./

"Vielleicht kommt dir das nur so vor", überlege ich laut.

/Nein! Einmal habe ich eine Telefonnummer von einem alten Schulkollegen gesucht, aber sie war nicht mehr in meinen Kontakten gespeichert, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich sie dort eingespeichert habe. Da wurde ich stutzig, und als ich genauer nachschaute, waren noch mehr Nummern verschwunden./

"Und du glaubst, Kilian hat sie gelöscht?"

/Ja/, fiepst er erstickt.

"Hast du ihn darauf angesprochen?" Ich hätte Kilian die Hölle heiß gemacht!

/Ich habe mich nicht getraut. Meinst du, ich sollte ihn mal darauf ansprechen?/

Ich seufze und reibe mir über das Gesicht. Auf was habe ich mich da jetzt wieder eingelassen? "Ich weiß es nicht", sage ich zu ihm. "Und ich bin auch nicht in der Position, dir Ratschläge zu geben."

/Wieso denn nicht? Du warst doch so lange mit ihm zusammen. Hast du da nie etwas bemerkt? Hat er niemals dein Handy kontrolliert, oder Kontrollanrufe gemacht, wenn du unterwegs warst?/ Äh … Kontrollanufe?

"Nein, das hat er nicht." Das Unwohlsein in meinem Bauch nimmt zu. Was ist denn mit Kilian los?! Mir fällt die Begegnung in dem Kaufhaus wieder ein. Wie Clemens Meilo angeflirtet hat. "Hast du ihm jemals einen Grund dafür gegeben, misstrauisch zu sein?"

/Nein!/

"Sicher?"

Clemens druckst herum, setzt immer wieder zu einer Antwort an, aber es kommt nichts. Dann seufzt er laut und spricht endlich weiter. /Kilian und ich kennen uns schon sehr lange./ Wie bitte?! /Aber bitte glaube mir! Wir haben erst miteinander etwas angefangen, als ihr schon getrennt wart!/

"Das soll ich dir glauben?"

/Ich schwöre es dir!/, japst Clemens. /Wir waren lange Zeit über bloß weitläufige Bekannte. Mehr nicht. Als er sich von dir getrennt hatte, trafen wir uns zufällig in einer Bar. Wir redeten miteinander und eins führte plötzlich zum anderen. Es war nicht geplant gewesen. Das musst du mir glauben!/ So dämlich es sich vielleicht anhört, aber das tue ich wirklich. Was hätte er auch für einen Grund mich anzulügen? Kilian und ich sind endgültig auseinander und ich habe Meilo. Und ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass es einfach für Clemens ist, sich mir anzuvertrauen. Wäre ich in seiner Situation, was müsste schon alles passiert sein, damit ich mich an den Ex meines Freundes wende? /Erst ist es nur eine Bettgeschichte zwischen uns gewesen, aber dann kamen wir uns näher und es ging alles so schnell. Wir verliebten uns ineinander./ So ähnlich wie bei Kilian und mir damals. Nur, dass es ganz und gar nicht schnell ging. Misstraut er ihm deswegen? Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen.

"Aber wieso kontrolliert Kilian dich dann?", harke ich nach. "Hast du ihn betrogen, oder ...?"

/Das habe ich nicht!/, wehrt Clemens sich. Ich raff es immer noch nicht. /Wahrscheinlich liegt das an meiner Vergangenheit/, krächzt er, schon wieder den Tränen nahe. /Ich war ein ziemlich durchtriebenes Flittchen./ Mir stockt der Atem. Das nenne ich mal ehrlich! /Eine Zeit lang war ich echt extrem drauf. Und das weiß Kilian. Er hat das damals mitbekommen./

"Und jetzt bist du das nicht mehr?", schließe ich aus seinen Worten.

/Damit ist Schluss. Schon seit einigen Monaten. Ich wollte das nicht mehr. Überall galt ich leicht herumzubekommende Schlampe. Es machte mir nicht aus, bis mir so ein Typ an die Wäsche wollte und mir sogar Geld dafür bot. Ich war so in Panik, dass ich mich in meiner Wohnung verkroch und sehr lange nachdachte. Ich wollte mein Leben wieder in die Reihe bekommen, denn nicht nur, dass mich alle als bloßes Fickstück ansahen, ich hatte nur noch wenige Freunde und einen Job hatte ich auch nie lange. Die Arbeit in Klaus-Peters Weinkeller ist mir sehr wichtig. Und auch Kilian findet es gut, dass ich dort aushelfe./

"Verstehe." Langsam fügt sich alles zu einem Bild.

/Deswegen ist er auch so schnell bei mir eingezogen. Ich habe früher viel Scheiße gebaut, und über alles will ich noch nicht reden, aber mir geht es dank Kilian schon viel besser./ Das muss ich erst mal sacken lassen. Plötzlich komme ich mir dumm vor. Dumm und kleinlich. Es gab also noch einen weiteren Grund, für Kilians Umzug. /Ich dachte, alles sei wieder gut. Ich liebe Kilian über alles, aber je glücklicher ich werde, desto mehr scheint Kilian mir zu misstrauen. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihm begreiflich machen soll, dass ich nicht mehr so bin./ Clemens schluchzt herzzerreißend. Im Mitleid erhaschen ist er ein wahrer Meister, das muss man ihm lassen.

"Rede offen mit ihm darüber", schlage ich vor, obwohl sich alles in mir dagegen sträubt, mich in ihre Beziehung einzumischen. "Sag ihm, dass du nur ihn liebst. Zeige es ihm."

/Das mache ich doch. Jeden Morgen, jeden Mittag, jeden Abend und jede freie Minute, in der wir uns sehen. Ich schreibe ihm kleine Nachrichten, die ich ihm in die Arbeitsmappe lege und .../

"Nachrichten?!" Mir schwant böses!

/Ja. Kleine Zettel, auf denen ich ihm einen schönen Tag wünsche, und dass ich ihn liebe./

"Lass dass lieber!", rate ich ihm.

/Warum?/

"Das habe ich früher immer gemacht."
 

***
 

Während ich die Regale im Laden abstaube, schiele ich immer wieder zur Ladentür. Clemens will heute wiederkommen. Seine Schulter muss er noch schonen, aber leichte Arbeiten wird er wieder schaffen. Woher ich das weiß? Ratet mal, wer in den vergangenen Tagen sehr viel mit ihm telefoniert hat. Ja, genau. Der doofe Idiot, der hier Regale abstaubt. Ich bin zum inoffiziellen Seelsorgetelefon geworden.

Viel weiterhelfen konnte ich ihm nicht, aber wenigstens konnte ich ihm zuhören. Und wir haben eins festgestellt: Kilians Kontrollaktionen haben beinahe zeitgleich angefangen, als Clemens ihm, genau wie ich damals, kleine Nachrichten in die Arbeitsmappe gelegt hat. Dass das kein Zufall ist, darauf würde ich meinen Hintern verwetten! Ich gehe sogar so weit, dass ich behaupte, Kilian hat einfach nur Angst, Clemens wieder zu verlieren, so, wie er mich glaubt 'verloren' zu haben. An unserer Trennung war angeblich mein Programm schuld, dem ich mehr Zuwendung geschenkt hatte, als ihm. Ein Umstand, den er mit wenigen Worten aus der Welt hätte schaffen können, aber lassen wir dieses alte Lied. Jetzt glaubt er womöglich, Clemens würde seiner alten Liebe, dem Herumvögeln, verfallen. Das dem nicht so ist, gilt ihm zu beweisen.

Die Ladenglocke geht. Mein Kopf fliegt herum und ... Nur ein Kunde. Uff! "Guten Tag."

"Tag."

Erleichtert staube ich weiter ab. Ich bin nervös. Nicht wegen Clemens. Noch ein Ratespiel. Wer wird Clemens wohl hier her fahren? Richtig! Kilian! Und das ganz bewusst. Da Clemens sich nicht traut, ihm zu sagen, dass ich ebenfalls im Weinkeller arbeite, überrumpeln wir ihn einfach. Nur damit ihr es wisst, ich war dagegen, aber Clemens hat einen dicken Sturkopf. Also spiele ich mit, funkle ihn böse an und tue so, als ob ich beide nicht leiden kann. Obwohl ich Kilian wirklich nicht mehr richtig leiden kann, sehe ich ihn inzwischen in einem ganz anderen Licht. Clemens ebenfalls, doch das dürfte längst klar sein.

Wieder läutet die Glocke über der Ladentür. Der Kunde, der eben noch im Laden war, verschwindet mit einer Weinflasche im Arm den Weinkeller, und lässt gleich die nächsten eintreten. Ich muss gar nicht hinschauen, um zu wissen, dass es nun losgeht. Ich erkenne Kilians Stimme unter hunderten wieder! "Pass mit deiner Schulter auf ja? Und wenn es nicht mehr geht, ruf mich an, dann hole ich dich."

"Ja, ich weiß doch. Mach dir keine Sorgen." Die zwei haben mich noch nicht entdeckt und ich kann nicht umhin, sie zu beobachten. Kilian wirklich richtig besorgt um Clemens. Es berührt mich, lässt aber auch gleichzeitig mein Herz kurz zusammenziehen. So war er bei mir nie. Wieder ein Beweis, dass wir beide doch eigentlich gar nicht zusammengehörten. Nicht so wie die beiden, oder wie Meilo und ich. Irgendwie beruhigt mich das auf einmal, denn mein Bruch mit Kilian war im Nachhinein gesehen vorhersehbar gewesen. Lange hätten wir nicht mehr so weiter machen können. Wir scheinen uns tatsächlich langsam entliebt zu haben, und haben es nicht bemerkt. Oder vielmehr, ich hatte es nicht bemerkt. Kilian offensichtlich schon.

"Willst du wirklich schon arbeiten? Du siehst ganz blass aus." Kilian streichelt über Clemens Wange.

"Will ich", antwortet er und lächelt nervös. "Bis nachher. Ich rufe dich an."

"Ist gut." Kilian umarmt seinen Clemens vorsichtig und gibt ihm einen Kuss. Ich schaue weg. So viel Pärchenaktion der beiden ist mir dann doch zu viel. "Überanstrenge dich nicht!"

"Werde ich nicht", beteuert Clemens.

Kilian, der wieder im Begriff ist zu gehen, dreht sich just in diesem Moment in meine Richtung. Unsere Blicke treffen sich. Erstaunen, Unglaube, Wut. In dieser Reihenfolge wird er meiner Anwesenheit gewahr. "Hallo Kilian", begrüße ich ihn. "Wie geht's?"

Er schluckt hart, glotzt mich immer noch an wie einen Außerirdischen, bevor er wieder Clemens anschaut. "Arbeitet der hier?", fragt er seinen Freund. Der? Wie nett!

"Ja, das tue ich. Du kannst auch gern mit mir reden." Ich verschränke die Arme vor der Brust und drehe mich zu ihm. "Seit kurzem tue ich das. Was dagegen?"

"Wusstest du das?", richtet er sich erneut an Clemens.

"Na ja ... schon ..." Clemens senkt den Blick. Innerlich würde ich ihm gerne eine Ohrfeige verpassen. Habe ich es nicht gesagt? Das war eine dumme Idee! Eine ganz dumme!

"Und wann wolltest du mir das sagen?"

"Ich wollte schon, aber ..." Ich nehme mich stark zurück, dass ich das elendige Häufchen Clemens nicht noch in Schutz nehme. Das würde eine völlige Katastrophale herbeiführen. Aber ich kann was anderes machen.

"Ich hab ihm gesagt, dass ich nicht will, dass du davon Wind bekommst. Oder glaubst du, ich will jeden Tag dein Gesicht sehen, wenn ich hier arbeite?"

Endlich gerate ich wieder in Kilians Schussfeld. Gut so. Lass den Ärger an mir aus. Bin es ja gewohnt. "Wer glaubst du, bist du, dass du glaubst, meinem Freund Vorschriften zu machen?", keift er mich an.

"Was machst du denn für einen Aufstand? Vertraust du etwa deinem Schatzi nicht?" Der hat gesessen. Weil es wahr ist. Ich kann Clemens entsetzen Blick geradezu spüren, aber wenn, dann fangen wir das gleich richtig an. Hier und jetzt. "Nein!", lache ich auf. "Ich hab recht oder? Ärger im Paradies? Wenn ich das meinem Freund erzähle! Wir hatten schon Wetten abgeschlossen."

Wie gut, dass ich Kilian besser kenne, als mir lieb ist. Clemens ist schon stur, aber Kilian ist der König der Sturheit. Er beißt seine Kiefer fest aufeinander. Funken sprühen aus seinen Augen. Das erinnert mich an unseren ersten, großen Streit. Mann, ist Kilian dabei abgegangen! Und was für einen Sex wir danach hatten! Nicht so gut, wie der von Meilo und mir, aber er war nicht schlecht gewesen. Ich hoffe, Clemens dankt mir morgen dafür. "Bei uns ist alles bestens", zischt Kilian. "Ich vertraue Clemens."

"Tust du das?"

"Ja! Und hör auf dich in meine Beziehung einzumischen!" Ich bekomme noch einen vernichtenden Blick zugeschleudert, ehe Kilian sich an Clemens wendet, ihn stürmisch Küsst und abdampft.

"Oh Mann!", keuche ich, als er aus dem Laden verschwunden ist. "Ich habe ganz vergessen, wie aufbrausend er sein kann." Meilo ist das genaue Gegenteil. Eine wahre Wohltat!

"Das war nicht gut", fiepst Clemens. "Kilian ist stinksauer!"

"Der kriegt sich auch wieder ein", beruhige ich ihn.

"Warum hast du ihn gefragt, ob er eifersüchtig ist!" Sein Kopf ruckt zu mir.

Langsam laufe ich auf Clemens zu und bleibe vor ihm stehen. "Damit ihr euch heute Abend darüber unterhaltet", erkläre ich ihm. Kilian wird das Thema wieder aufgreifen. Ganz sicher.

"Das geht nicht! Was, wenn er wieder so in Rage gerät?"

"Clemens, das wird er nicht. Er ist jetzt sauer auf mich. Dich wird er weiterhin bemuttern." Seine Stirn runzelt sich. Ich fange an zu grinsen. "So besorgt, wie er um dich ist, habe ich ihn noch nie erlebt."

"Nicht?"

"Nein." Ich schüttle den Kopf. "Mir wurde wieder richtig bewusst, dass wir uns niemals wirklich nahe waren, auch wenn wir das vielleicht eine lange Zeit über geglaubt haben. Aber ihr seit es. Das hat man gesehen, und seitdem ich das Selbe mit Meilo erleben darf, kann ich es auch erkennen." Clemens zieht die Nase hoch und wischt sich über die Augen. Ich klopfe ihm auf die unversehrte Schulter und ziehe ihn kurz an mich. "Das wird schon. Der Holzkopf kommt noch dahinter, dass er nicht eifersüchtig zu sein braucht." Clemens nickt schwach. "Komm! Suchen wir dir mal eine Arbeit, die nicht zu schwer für dein Schultergelenk ist."
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Usaria
2016-09-15T12:20:19+00:00 15.09.2016 14:20
Hallo Fara,

Na habe ich´s nicht vorraus gesehen! Aber zum Glück ist ja die Große Bombe ja nicht expludiert!
Niclas, Nicy, du bist einfach zu gut für diese Welt. Redet da feinfühlig wie wie sonst wer, mit dem neuen seines Ex. Also wenn ich ehrlich bin ich hätte mir dies nicht an gehört! Ich hätte ihn gefragt ob er keinen Freund hatt dem er dies erzählen kann!
Und Respekt! Niclas zieht die Wut von Killian auf sich! Und wie er das Macht! Ein kleines Schlitzohr ist er schon!

Das mit deiner Katze tut mir leid. Ich kann nachempfinden wie´s dir geht. Vor 4 Jahren musste ich meine kleine freche Kanninchendame Yucki einschläfern lassen.

Lieben Gruß Usaria
Antwort von:  Fara_ThoRn
30.09.2016 20:16
Nic kennt Kilian eben ;-)
Ich denke, Nic konnte sich auch nur au Clem einlassen, weil er inzwischen mit Meilo glücklich ist und dadurch schlussendlich auch mit Kilian abgeschlossen hat.
Deshalb kann er auch Clem etwas unter die Finger greifen und dabei aus seinem Wissen schöpfen ;-)

Ein Tier einschläfern zu müssen ist immer total schwer. Aber am Ende ist es schon eine Erleichterung für das Tier.
Meinen Kater musste ich letztes Jahr im Dezember einschläfern lassen. Er hatte Krebs.


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