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Harry Potter, the Real Story

the show must go on
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nein, ich habe die Geschichte nicht aufgegeben, es hat nur einige Zeit gedauert, bis ich mich wieder damit auseinandersetzen wollte. Dieses und die nächsten beiden Kapitel sind vor ca einem Jahr entstanden; mein Schreibstil verändert sich seit mehreren Jahren regelmäßig, deshalb ist es noch schwieriger für mich an dieser Geschichte weiterzuarbeiten. Aber ich gebe mein bestes :D Viel Spaß beim Lesen ♥ Komplett anzeigen

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Sommergedanken

Sonnenstrahlen brannten vom Himmel während ein junges Mädchen am Rücken liegend im Wasser trieb. Man könnte meinen sie wäre tot, wenn da nicht das verräterische Blinzeln ihrer blauen Augen wäre.

Viel zu viel war im letzten Jahr geschehen, Grund genug um den Großteil der Ferien mit Nachdenken zu verbringen, wie Sally fand.

Vor einem knappen Jahr hatte sie etwas erfahren, das ihre komplette Welt auf den Kopf gestellt hatte. Professor McGonagall - ihre jetzige Hauslehrerin an der Hogwartsschule - und Alastor Moody hatten ihr einen Besuch abgestattet und ihr erklärt, dass sie die Schwester von Harry Potter, dem Jungen der überlebte, war. Zudem hatten sie ihr nahe gelegt, dass sie diese Information an niemanden sonst weitergeben sollte. Aus Angst hatte sie sich daran gehalten. Naja, zumindest fast. Ihre beste Freundin Mika O´Brian wusste von dem Geheimnis, hatte aber versprochen nichts zu verraten.

Das erste Schuljahr an Hogwarts war sehr turbulent gewesen und Sally hatte kaum Zeit gehabt sich darüber Gedanken zu machen. Doch kaum hatten die Sommerferien begonnen, schwirrte in ihrem Kopf nichts anderes als das Thema Harry Potter herum. Mikas erster Besuch war dabei auch nicht gerade hilfreich gewesen. Sie war noch am ersten Wochenende nach Sallys Rückkehr, mit einem Schuhkarton vor ihrer Tür gestanden und hatte ihre beste Freundin in das sonnengelbe Zimmer im obersten Stock im Haus der Familie Tonks gezogen. Mika hatte das letzte Jahr ohne Sally damit verbracht verschiedene Zeitungen und Bücher nach Harry Potter zu durchforsten. Sally hatte schnell bemerkt, dass Harry eine Berühmtheit war, von der sie ironischerweise bisher nie etwas gehört hatte. Sie ging davon aus, dass ihre Adoptiveltern das Thema so gut es ging vor ihr ferngehalten hatten. Sally wusste nicht ob sie ihnen dafür dankbar sein sollte oder nicht. Am liebsten wäre es ihr gewesen wenn sie niemals davon erfahren hätte, aber dafür war es wohl zu spät.

Sally hatte sich durch sämtliche Artikel und Bücher gewühlt, hatte aber schnell herausgefunden, dass es gar nicht so viel herauszufinden gab. Harry wurde gefeiert, weil er Du-weißt-schon-wen zu Fall gebracht hatte, im zarten Alter von einem Jahr. Allerdings wusste niemand wie genau er das angestellt hatte und Sally war sich auch ziemlich sicher, dass er es genauso wenig wusste. Die Schwarzhaarige hatte erfahren, dass er bei Muggeln lebte - den einzigen noch lebenden Verwandten die er hatte. Was eine Lüge war, wie sie wusste. Ihr eigener Name war in ein paar Artikeln gefallen - man ging wohl davon aus, dass sie ebenso gestorben war, auch wenn man keine Leiche gefunden hatte. Ein Journalist hatte die Theorie aufgestellt, dass sie in dem Verschwindekabinett der Potters verloren gegangen war.

Eigentlich war die Zwölfjährige ganz froh darüber, dass man ihr nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Es war schon komisch gewesen den eigenen Namen zu lesen und für tot erklärt zu werden, wenn man eigentlich putzmunter am Bett saß und den Artikel las. Die Schuhschachtel mit den ganzen Texten stand sicher verwahrt unter Sallys Bett. Obwohl sie sich bei genauerem Überlegen nicht mehr ganz so sicher war, ob das der beste Ort für ein Versteck war.
 

Ein Schatten legte sich vor die Sonne, der Sally dazu veranlasste die Augen zu öffnen, die sie vor wenigen Minuten geschlossen hatte. Sie musste in paar Mal blinzeln um sich an das helle Licht zu gewöhnen und entdeckte ihren Großvater am Beckenrand stehen. Sally richtete sich auf und schwamm zum Beckenrand hinüber, wo er in die Knie ging um besser mit ihr sprechen zu können.

»Deine Großmutter hat uns etwas zu essen und zu trinken gebracht. Und ich denke es täte dir gut langsam aus der Sonne zu gehen«, fügte er zwinkernd hinzu, bevor er sich wieder aufrichtete und zu dem Pavillon hinüber ging, in dem bereits seine Frau saß und eine Zeitschrift durchblätterte.

Sally sah ihm nach und lächelte. Ihre Großeltern würden sich am nächsten Tag auf eine längere Reise begeben, die Sallys Vater ihnen zum Hochzeitstag geschenkt hatte. Sie wollten Amerika erkunden und an Weihnachten schließlich in Australien sein, bevor es dann über Asien wieder zurück nach Europa ging. Sie wollten rechtzeitig zu Ostern wieder zu Hause sein und Sally war gespannt ob sie das schaffen würden, oder ob sie irgendwo länger hängen blieben, weil es ihnen so gefiel.

Die Gryffindor stieg aus dem Pool und wickelte sich in ein großes Badetuch. Eine Wespe hatte es sich vor wenigen Sekunden zum Ziel gemacht, Sally das Leben schwer zu machen, wie es schien. Mit schnellen Schritten machte sie sich auf dem Weg zu dem Pavillon, den ihr Vater mit einem Anti-Wespen-Zauber belegt hatte. Kaum hatte sie einen Fuß in den Pavillon hinein gesetzt, wandte sie sich um und streckte der Wespe trotzig die Zunge entgegen. Die Wespe surrte ein paar Mal gegen den magischen Bann, bevor sie - bestimmt furchtbar beleidigt - verschwand.

»Das war wirklich eine wunderbare Idee«, meinte Oma Tonks gut gelaunt und legte die Zeitschrift beiseite. »Dass Ted diesen Zauber gesprochen hat«, fügte sie hinzu, nachdem sowohl Sally als auch ihr Mann sie fragend angeblickt hatten.

»Ja Dad ist einfach der beste!«, gab Sally erfreut zurück und griff nach der Kanne mit Eistee. Ein plötzlicher Schmerz durchfuhr ihre Magengegend, so heftig, als hätte jemand ein Messer nach ihr geworfen. Die Eisteekanne fiel ihr beinahe aus der Hand, doch ihr Großvater hatte schnellere Reflexe als man ihm zutraute und rettete die Kanne, bevor ein großes Malheur passierte. Er griff nach ihrem Glas und schenkte ihr ein.

»Hier, Liebes. Trink genug, du warst du lange in der Sonne«, sagte er mit einem leicht besorgten Unterton, als er ihr das Glas vor die Nase stellte. Sally nuschelte ein leises »Danke« und nippte an dem Glas. Sie hatte keine Ahnung was gerade mit ihr passiert war. Ihre Großeltern warfen ihr noch einmal einen besorgten Blick zu, bevor sie sich wieder anderen Tätigkeiten widmeten. Oma Tonks versuchte das Kreuzworträtsel in ihrer Zeitschrift lösen, während Opa Tonks zu stricken begann. Er wollte Sally unbedingt noch einen Pullover stricken, bevor sie abreisten, aber allzu weit war er noch nicht gekommen. »Für die kalten Weihnachtstage, wenn ich nicht da bin um dich zu wärmen«, hatte er vor ein paar Tagen gemeint. Er hatte extra wegen ihr stricken gelernt und schlug sich eigentlich ganz gut. Sally war so gerührt gewesen, dass sie geweint hatte.

Ihre Familie, die eigentlich gar nicht ihre Familie war, kümmerte sich so liebevoll um sie, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie ihnen das jemals danken sollte. Erneut war da dieser Stich in ihrer Magengegend und ein Kloß bildete sich in Sallys Hals. Das Lesen der ganzen Artikel hatte etwas in ihr ausgelöst. Ein Gefühl, als würde sie nicht wirklich dazugehören - als hätte sie die unendliche Liebe dieser Menschen in den letzten Jahren nicht verdient. Sally fühlte sich wie ein Eindringling, obwohl das natürlich völliger Blödsinn war, denn sie kannte Andromeda und Ted inzwischen gut genug um zu wissen, dass sie dem ganzen nie zugestimmt hätten, wenn sie ein Problem mit ihr gehabt hätten.

Etwas geistesabwesend rieb Sally sich den Bauch. Der Appetit war ihr inzwischen vergangen, obwohl ihre Großmutter sich sehr bemüht hatte. Sally griff nach ein paar Weintrauben, die schienen ihr momentan noch am leichtesten verdaubar zu sein. Sie hätte gerne mit ihren Großeltern über dieses komische Gefühl gesprochen, aber die beiden sahen gerade so glücklich aus und so kurz vor ihrem wohlverdienten Urlaub wollte Sally sie damit auch nicht belästigen, das erschien ihr nicht richtig.

Gerade als Sally den Mund aufmachen wollte um ihre Sorgen vielleicht doch anzusprechen, tauchte ein bekanntes Gesicht im Garten ihrer Großeltern auf. Ted Tonks strahlte bis über beide Ohren, als er auf sie zu trat.

»Na, wie geht es euch?«

Er setzte sich neben Sally auf die Bank und stibitzte sich eine Weintraube. Oma Tonks füllte noch ein paar Buchstaben ein, bevor sie die Zeitung erneut weglegte, während Opa Tonks sein Strickzeug mit einem tiefen Seufzen sinken ließ. »Bevor ich diese eine Masche verloren hab, ging es mir noch gut«, meinte er etwas betrübt, lachte dann aber.

Die drei Erwachsenen unterhielten sich noch kurz, während Sally sich eine Weintraube nach der anderen in den Mund schob. Der Schmerz von vorhin war vergessen, stattdessen wurde ihr allmählich wirklich schlecht.

»Dad? Können wir nach Hause?«, fragte Sally nach einer halben Stunde, in der sie die halbe Schüssel Weintrauben leer gegessen hatte. »Ich glaub ich muss mich hinlegen«, fügte sie hinzu und hielt sich den schmerzenden Magen.

Ted legte den Arm um sie und strich ihr behutsam über den Rücken. »Natürlich, Liebling, wir verschwinden sofort. Hast du all deine Sachen beisammen?«

Sally nickte und stand auf. Sie fiel ihrer Großmutter um den Hals, wünschte ihr eine schöne Reise und erinnerte sie noch einmal daran, dass sie ihr von überall wo sie hinkamen, eine Postkarte schicken sollte.

»Liebes, es tut mir furchtbar Leid, aber ich denke das mit deinem Pullover bekomme ich bis morgen früh nicht mehr hin.«

Ihr Großvater schien wirklich traurig zu sein, als er Sally gegenüberstand um sich zu verabschieden. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie sagte: »Ach Opa, du bist der beste, weißt du das?« Sie umarmte ihn fest und eine Träne kullerte über ihre Wange. »Ich werde ihn dir schicken sobald er fertig ist, versprochen«, flüsterte er ihr ins Ohr, als er sie ebenso fest in die Arme schloss.
 

Es wurde ein tränenreicher Abschied und Sally hatte ihre Bauchschmerzen schon fast wieder vergessen, doch als sie zu Hause aus dem Kamin stolperte und ihre Schwester Nymphadora gut gelaunt fragte, wie es ihr ging, sank sie stöhnend auf die Couch und murrte nur: »Ich hab zu viele Weintrauben gegessen…« Dora lachte, murmelte etwas von »Typisch« und setzte ihr Klio, die Hauskatze, auf den Bauch, bevor sie nach draußen ging um die letzten Sonnenstrahlen dieses wunderbaren Tages zu genießen.

Klio begann zu schnurren, kaum hatte Sally ihren Kopf berührt und schlief schneller ein, als man hätte »Gute Nacht« sagen können. Sally seufzte leise und schloss die Augen ebenso für einen Moment. Sie fühlte sich als würde sie wieder auf dem Wasser treiben, was dafür sorgte, dass sich ein Lächeln auf ihren Lippen bildete.

Das nächste Mal, als sie die Augen öffnete, lag sie auf dem Boden und Klio hatte es sich auf ihrem Rücken bequem gemacht. Sally rappelte sich auf, gähnte und streckte sich einmal durch. Sie war wohl tatsächlich von der Couch gefallen – das war ihr wirklich schon lange nicht mehr passiert.

»Hast du gut geschlafen?«, fragte Andromeda belustigt, die gerade von draußen gekommen war. Es war inzwischen dunkel und sie hielt ein leeres Weinglas in der Hand.

»Naja … ich hab schon mal besser geschlafen«, gab Sally zu und grinste schief.

Sie verabschiedete sich von ihrer Mutter und wünschte auch ihrem Vater und ihrer Schwester noch eine gute Nacht, nachdem sie den Kopf noch einmal nach draußen gesteckt hatte. Klio hatte beschlossen es sich bei Dora auf dem Schoß bequem zu machen, worüber Sally nur den Kopf schütteln konnte.

Gute zwanzig Minuten später, lag Sally frisch geduscht in ihrem Bett und blickte an die Decke. Das Fenster war offen, da ihr Eulerich Oliver auf der Jagd war, und ein angenehmer Windhauch strömte herein. Die Luft war angenehm warm, weshalb Sally das Fenster die Nacht über geöffnet lassen würde.

Während das junge Mädchen so durch die Finsternis an die Decke starrte, schossen ihm tausende Gedanken durch den Kopf. Mika würde dieses Jahr nach Hogwarts kommen und zum ersten Mal hatte Sally Zweifel, ob es richtig gewesen war ihrer besten Freundin von ihrem Geheimnis zu erzählen. Was wenn Mika sich verplappern würde? Was würden ihre Freunde sagen, wenn sie erfuhren, dass Sally sie ein ganzes Jahr lang belogen hatte? Sallys Herz raste und ein dicker Kloß bildete sich wieder in ihrem Hals. Stumme Tränen liefen über ihre Wangen und tropften in ihr Kissen. Und dann war da noch die Sache mit Harry. Wusste er, dass sie noch lebte? Wie ging es ihm? So viele Fragen schwirrten in Sallys Kopf herum und es gab keine Antworten. Sie wusste nicht wen sie fragen sollte; ob ihre Eltern auf so etwas überhaupt Antworten hätten? Dazu kam noch, dass Sally eigentlich nicht wusste, wieso sie das Geheimnis, dass sie sie war, für sich behalten musste. Wenn sie an die Artikel dachte, hatte es damals niemanden wirklich interessiert. Und heute hatte man vermutlich schon vergessen, dass sie überhaupt existiert hatte. Weshalb war es also so wichtig, dass sie schwieg? Professor McGonagall und Mady-eye Moody hatten sehr ernst gewirkt. Als würde eine kleine Katastrophe geschehen, wenn Sally sich verplapperte; sich den Falschen anvertraute. Im letzten Jahr war sie über diese Nachricht so schockiert gewesen, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, es jemand anderem außer Mika anzuvertrauen. Während dem Schuljahr in Hogwarts hatte sie oftmals gar nicht mehr daran gedacht, da hatte sie andere Dinge zu tun gehabt. Aber jetzt … jetzt stürzten all die Gedanken, Sorgen und Ängste auf einmal auf sie ein.

Vielleicht konnte Remus ihr weiterhelfen. Sie sollte ihm schreiben. Sie wusste zwar nicht was, aber ihr würde schon etwas einfallen. Zumindest ging sie davon aus. Sally drehte sich auf die Seite und schloss fest die Augen. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte ihr bisher eigentlich auch niemand genauere Angaben gegeben, wo sie Harry finden konnte. Warum eigentlich? Immerhin lebte er bei Verwandten. Bei ihren Verwandten. Wieso sollte sie nicht mit ihm in Kontakt treten? Vielleicht musste sie wegen ihm ihre Identität geheim halten? Wurde er dadurch gefährdet? Oder wusste er von ihr und wollte sie einfach nicht in seinem Leben haben?

Für die Gryffindor ergab das alles keinen Sinn.

Dieses Schuljahr musste sie definitiv nach Antworten suchen.

Auf in den Fuchsbau

»Sally! Simon ist da!«

»Ja! Ich komm ja schon!«

»Jetzt beeil dich doch maaaaal!«

Sally verdrehte die Augen, lachte aber als sie die Treppe hinunter stürmte und ihrer Schwester die Zunge entgegenstreckte.

»Du nervst«, meinte sie an Dora gewandt, bevor sie sich an ihr vorbei schob, um zur Tür zu gelangen.

»Du auch«, rief ihr die Ältere lachend hinterher und ging mit der Katze Klio am Arm nach draußen in den Garten.

Ein Seufzen entwich der Schwarzhaarigen, bevor sich ihre Miene aufhellte, als ihr wieder einfiel weswegen sie eigentlich hier runter gestürmt war. Sie wandte sich um und setzte den Weg zur offenen Tür fort. Simon stand im Türrahmen und strahlte übers ganze Gesicht.

»Simon! Du bist ja riesig«, rief Sally lachend aus und umarmte ihren besten Freund fest, nachdem er eingetreten war.

»Hi, Sal. Danke. Und du bist im letzten Monat geschrumpft«, erwiderte er die lachende Begrüßung und löste sich wieder von ihr.

Die beiden gingen hinaus in den Garten und setzten sich unter einen Baum ins Gras.

»Alles Gute nachträglich zum Geburtstag. Ich hab hier eine Kleinigkeit für dich.«

Simon kramte in dem Rucksack, den er mitgebracht hatte und beförderte ein hübsch eingepacktes Geschenk hervor.

»Das wäre doch nicht nötig gewesen«, murmelte Sally und nahm das Geschenk dankend entgegen.

»Ich hör dich gar nicht. Emily hat es übrigens eingepackt, nachdem ich das Papier beinahe in Brand gesetzt hätte«, gab Simon zu und wurde etwas rot.

Sally lachte auf. Das sah Simon mal wieder ähnlich. Vorsichtig öffnete sie das Papier um es ja nicht zu zerstören und beförderte ein wunderschönes Fotoalbum zu Tage. Die Seiten waren zwar leer, aber Sally wusste, dass sie sehr bald gefüllt werden würden.

»Das ist perfekt. Danke, Simon!« Sie umarmte den Carter kurz und strich vorsichtig über den schönen Stoffeinband. Er war cremefarben und mit roten, gelben, blauen und grünen Blümchen versehen - die Farben der Hogwartshäuser.

»Ich wusste, dass es dir gefallen würde.« Simon strahlte übers ganze Gesicht und die Erleichterung, dass sich seine Vermutung bewahrheitet hatte, stand ihm ins Gesicht geschrieben

»Es ist wirklich toll. Und ich bin mir sicher, dass wir bald einiges einkleben können«, gab Sally mit einem Zwinkern zurück und grinste breit.

Ihr zwölfter Geburtstag lag nun eine Woche zurück und sie hatte noch nie so viele Briefe erhalten. Alle ihre Freunde hatten an sie gedacht - sogar von Jo hatte sie eine kurze Nachricht erhalten! Obwohl sie sich bei ihm nicht ganz so sicher war, ob es geplant oder ein Versehen gewesen war. Heute würden sie sich alle das erste Mal seit Schulschluss wieder sehen. Die beiden Weasleys hatten sie für den heutigen Tag eingeladen. Zuerst wollten die Freunde ein paar Tage bei den Weasleys verbringen, allerdings war ihre Mutter nicht sehr begeistert von der Idee gewesen, dass sechs weitere Menschen für ein paar Tage ihr Haus belagerten. Es gab einfach nicht genügend Platz. Die Zwillinge hatten in ihrem Brief zwar beteuert, dass sie ihre Eltern versucht hatten zu überreden, dass ihre beiden Brüder und ihre Schwester doch gemeinsam im Keller übernachten könnten, aber allzu gut war dieser Vorschlag nicht angekommen. Aber einen Tag mit ihren Freunden zu verbringen war immer noch besser als gar keinen Tag.

Sally stand auf um das Fotoalbum nach drinnen zu bringen. Sie wollte nicht, dass es schmutzig oder kaputt wurde. Die Schwarzhaarige ging in die Küche und griff nach zwei Gläsern, die sie mit Eistee befüllte, den ihre Mutter hergerichtet hatte. Sie hatte ihre Mutter heute nur kurz gesehen, da sie einen Termin beim Heiler hatte - reine Kontrolluntersuchung hatte sie gesagt. Nachdem sie den gestrigen Tag bei ihren Großeltern verbracht hatte, hatte sie ihre Mutter kaum zu Gesicht bekommen und irgendwie war es so, als fehlte Sally ihr Ruhepol. Von daher war es eigentlich ganz gut, dass sie den restlichen Tag bei George und Fred verbringen würde.

Bewaffnet mit zwei Gläsern Eistee ging Sally wieder nach draußen und versuchte nicht über die Teppichkante, die Katze und ihre eigenen Füße zu stolpern. Es war gar nicht so einfach wie es aussah und vermutlich sah es auch furchtbar lächerlich aus, als Sally auf Zehenspitzen durch den Garten trippelte, peinlich darauf bedacht, die Hauskatze Klio nicht über den Haufen zu laufen. Simon schien sich jedenfalls köstlich zu amüsieren, war aber dann so gnädig und eilte seiner Freundin zu Hilfe. Er nahm ihr eines der Gläser ab, grinste und prostete ihr zu.
 

Eine Stunde später saß Sally gemeinsam mit Simon, Fred, George und Mischa unter einer alten Eiche und blickten auf den Fuchsbau hinab. Die Schwarzhaarige war überrascht gewesen, dass sie nicht alle waren. Vor allem einen hätte sie gerne wiedergesehen. Die Pause von ihren Freunden hatte sie wohl vergessen lassen, dass Jo sein Mundwerk nicht unter Kontrolle hatte. George erzählte ihnen, dass Jo mit seiner Familie in Frankreich bei Verwandten war, Charly von vornherein abgesagt hatte, da ihre Eltern ihr ohnehin nicht erlauben würden Weasleys zu besuchen und Lee irgendwo im Süden Afrikas herumgurkte. Fred behauptete, dass er wohl auf der Suche nach seinen Verwandten im Urwald verloren gegangen war, woraufhin die Jungs lachten und Sally ihm auf den Oberarm boxte und empört seinen Namen rief.

Die fünf Freunde schlürften den selbstgemachten Kürbissaft, den Mrs. Weasley ihnen freundlicherweise mitgegeben hatte. Die Eiche unter der sie saßen, befand sich auf einem kleinen Hügel und wenn sie sich umdrehen und ein paar Schritte vom Fuchsbau weggehen würden, würden sie in der Ferne das Dorf Ottery St. Catchpole ausmachen können.

Es dauerte nicht lange, bis das Gespräch auf das einzige Thema fiel, das die zukünftigen Zweitklässler wohl interessierte: Quidditch. Simon war sofort Feuer und Flamme und Sally hob überrascht die Brauen. Noch nie hatte sie ihren Freund so enthusiastisch gesehen. Er war sehr begeistert von Sport allgemein, immerhin brauchte er Bewegung um zur Ruhe zu kommen. Aber, dass er nun ohne Besen beinahe abhob, nur weil sie alle an den Auswahlspielen für die Quidditchmannschaften teilnehmen durften, war schon etwas … erschreckend.

»Charlie hat gesagt, dass die Posten der Treiber und ein Platz unter den Jägern frei geworden ist. Und, dass er sich nach einigen Ersatzspielern umsehen wird. Im letzten Jahr gab es zu viele Verletzte ohne Ersatz«, erzählte George ihnen und verzog die Miene.

Niemand von ihnen hatte vergessen, dass Slytherin im letzten Jahr den Quidditchpokal gewonnen und Gryffindor somit haushoch geschlagen hatte. Den Hauspokal hatten sie dann auch noch eingeheimst. Auch Mischa hatte dies nicht vergessen, denn er grinste übers ganze Gesicht und kicherte über die betrübten Mienen der drei Gryffindors.

»Ich bewerbe mich jedenfalls für die Position des Jägers. Und ich prophezeie euch, dass ich ein Tor ums andere versenken werde«, warf Simon nach ein paar Momenten schließlich ein, um das Thema wieder auf die Spiele zu wechseln.

»Das glaube ich nicht!«, rief Fred aus und lachte als Simon nur meinte, dass sie das schon sehen würden.

Es dauerte nicht lange, bis Simon und die Zwillinge sich gegenseitig so in Rage geredet hatten, dass sie den Hang hinunter liefen und drei alte Besen aus dem Schuppen der Weasleys zerrten. Sally und Mischa hatten sie dabei völlig vergessen.

»Ähm …« Sally warf Mischa einen kurzen, fragenden Blick zu, bevor sie einstimmig zu lachen begannen.

Manchmal musste man seine Freunde nicht verstehen.

In stummer Übereinkunft hatten die beiden beschlossen, den anderen dreien nicht zu folgen. Mischa fand den Kleinkrieg wohl durchaus unterhaltsam, während Sally eher Angst hatte, eins mit dem Besenstiel über den Kopf zu bekommen. Man musste schließlich nicht was ihnen einfallen würde.

Und so beobachteten sie die Zwillinge und Simon, wie sie sich über irgendetwas stritten, das Sally nicht allzu genau wissen wollte, und wenige Minuten später in den Himmel stiegen um Quidditch zu spielen.

Die Stille zwischen Sally und Mischa war interessanterweise nicht unangenehm. Die Gryffindor wusste zwar nicht wirklich, was sie mit dem Russen sprechen sollte - die beiden waren noch nie zuvor alleine gewesen - dennoch war kein gespanntes oder nervöses Schweigen zwischen ihnen. Es war einfach ein Schweigen unter Freunden.

»Willst du auch in die Hausmannschaft?«, fragte Sally nach einer Weile, nachdem George Simon beinahe von seinem Besen gekickt hätte.

»Ich denke schon, ja. Schon alleine um euch Gryffindors mal eins auszuwischen.« Mischa zwinkerte ihr zu und grinste. »Und du?«, fragte er schließlich und setzte sich in den Schneidersitz, den Blick immer noch auf die drei Jungs gerichtet, die sich inzwischen gegenseitig durch den Obstgarten jagten.

»Ich wäre gerne Jägerin«, gab Sally zu. »Die anderen Positionen finde ich zwar auch toll, aber als Jäger ist man fast genauso wichtig wie der Sucher. Und wenn man genügend Tore erzielt, kann es ja trotzdem sein, dass man das Spiel gewinnt.«

»Das stimmt. Ich würde trotzdem lieber Sucher sein, wenn ich ehrlich bin. Du bist der einzige, der das Spiel beenden kann - das ist schon eine Ehre!«

»Da hast du Recht. Aber ich glaube um Sucher zu sein wäre ich viel zu nervös. Der Druck ist wohl ziemlich groß. Für den Hüter hätte ich zu große Angst vom Ball ins Gesicht getroffen zu werden, anstatt ihn aufzufangen. Und für Treiber hab ich vermutlich zu wenig Kraft in den Armen«, ging Sally die einzelnen Positionen durch, was Mischa lachen ließ.

»Ja, das Treiber-sein solltest du den Zwillingen überlassen, ich denke die werden es uns noch zeigen«, schmunzelte Mischa und deutete auf George und Fred, die Simon gerade mit faustgroßen Äpfeln bewarfen. Die beiden begannen wieder zu lachen und hörten erst damit auf, als sie sich den schmerzenden Bauch hielten.

Als Mischa sich zu ihr drehte um sie etwas zu fragen, blickte sie ihm das erste Mal so richtig ins Gesicht. Zumindest musste das wohl so sein, denn sonst wäre ihr dieses Etwas unter seinem linken Auge schon vorher aufgefallen.

»Wie ist das passiert?«, platzte es aus ihr heraus, bevor Mischa seine Frage nach ihren Sommerferien überhaupt beginnen konnte.

Dem Slytherin blieb der Mund offen stehen und er wusste kurzzeitig nicht, was er tun sollte. Ihre Frage hatte ihn etwas aus dem Konzept gebracht. Er schloss den Mund und öffnete ihn schließlich wieder um ihre Frage zu beantworten. Hätte er das nicht gemacht, wären trotzdem die Worte zur Ferien-Frage aus ihm herausgepurzelt.

Wie automatisch hob Mischa die Hand und strich sich mit dem Finger über die noch sehr frische Narbe unter seinem linken Auge.

»Ich war in den Ferien bei meinen Großeltern zu Besuch und hab diesen blöden Thestral nicht gesehen. Er war mir gegenüber nicht allzu friedlich gestimmt und hat mich gestoßen. Mit seinem Schnabel. In mein Gesicht.« Mischa wusste zwar nicht, ob diese Tiere Schnäbel hatten, aber es hatte sich so angefühlt.

Sallys Mund stand halb offen und man konnte die Zahnräder in ihrem Hirn förmlich rattern sehen. Es dauerte ein paar Momente, bis sie ihre Fragen geordnet hatte und schließlich mit der wichtigsten herausplatzte.

»Was sind Thestrale?« Sie wusste, dass sie dieses Wort schon einmal gehört hatte, aber sie wusste einfach nicht mehr wo und wann.

Mischa überlegte kurz und meinte dann: »Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht genau. Man kann sie nur sehen, wenn man jemanden sterben gesehen hat. Ich weiß aber, dass sie Flügel haben und irgendwie Pferdeähnlich sind. Aber richtig vorstellen kann ich mir sie auch nicht und ehrlich gesagt hoffe ich auch, dass ich nie einen sehen muss.« Er rümpfte die Nase und schnaubte leicht.

»Verstehe. Dann ist es kein Wunder, dass du ihn übersehen hast …« Das wäre nämlich ihre nächste Frage gewesen. Es erschien ihr etwas komisch, dass man ein Tier, das einem offenbar so eine Tiefe Wunde zufügen konnte, dass eine Narbe blieb, nicht sah.

»Jedenfalls ist es schon so gut wie verheilt, die Narbe wird wohl trotzdem bleiben«, fügte Mischa noch beiläufig hinzu und drehte den Kopf wieder in die Richtung der Weasley-Zwillinge und Simon, was Sally dazu veranlasste endlich den Blick von der Narbe zu lösen.

»Na, ihr Langweiler? Was macht ihr?«, rief Fred von weitem und winkte ihnen zu. Die drei Jungs hatten sich wohl ein Wettrennen den Hügel hinauf geliefert. Mit den Besen in den Händen. Wie gesagt … man musste seine Freunde nicht immer verstehen.

»Wir haben darüber gesprochen wie bescheuert ihr nen Hügel hoch lauft!«, rief Mischa zurück und stand auf.

Er zog Sally auf die Beine, sie warfen sich einen kurzen Blick zu und ohne ein Wort zu wechseln liefen sie beide los, den Hügel hinunter in Richtung Fred, George und Simon. Sallys Beine wurden immer schneller und schneller und sie konnte nichts dagegen tun. Ein Schrei entwich ihrer Kehle, woraufhin sie laut loslachte.

»Ich. Kann. Nicht. Bremsen!«, stieß sie hervor und riss die Augen auf, als sie Fred in zwei Meter Entfernung stehen sah.

Der Gryffindor schmiss den Besen zur Seite und breitete die Arme aus um Sally zu stoppen. Sie prallte in ihn hinein, klammerte sich an sein Shirt und fiel gemeinsam mit Fred hart zu Boden. Mischa hatte es irgendwie geschafft langsamer zu werden, riss Simon und George aber trotzdem von den Füßen. Einfach weil er es konnte. Die fünf Freunde purzelten ein paar Meter den Hang hinunter, bis sie zum Liegen kamen.

»Was ist gerade passiert?«, fragte Simon in die Stille hinein, die nur vom erschöpften Schnaufen der fünf gefüllt worden war.

»Keine Ahnung«, gab George schwer atmend zurück und brach schließlich in schallendes Gelächter aus, in das die anderen einstimmten.

Sally drehte den Kopf um ihre lachenden Freunde zu beobachten, fing ihre Blicke auf und war sich sicher, dass das kommende Schuljahr noch viel besser werden würde, als das letzte.

Finally reunited

Wie immer herrschte geschäftiges Treiben am Bahnhof King's Cross. Die zwei Familien, die sich mit drei Gepäckkarren, zwei Eulenkäfigen und einem Schlangenkäfig durch die Menge in Richtung der Gleise 9 und 10 schoben, fielen dabei gar nicht auf. Das jüngste der drei Mädchen war so aufgeregt, dass sie ihren Karren nicht richtig lenken konnte und ihr Vater ihr die Arbeit abnahm.

»Glaubst du sie werden mich mögen?«, piepste Mika zum gefühlt tausendsten Mal in Sallys Richtung.

Die Ältere schmunzelte und verdrehte belustigt die Augen, sagte aber nichts mehr dazu. Immerhin hatte sie diese Frage schon gefühlte 999 Mal beantwortet. Es war ziemlich ungewohnt Mika so nervös und piepsig zu sehen, wo sie doch im Normalfall vor Selbstbewusstsein strotzte und ein eher lautes Organ hatte, verglichen mit ihren Mitmenschen.

»Also, Mika, bist du bereit für deine erste Reise vom Gleis 9 3/4?«, fragte Nymphadroa und beobachtete amüsiert, wie die O'Brian begeistert ihre Augen aufriss und energisch nickte.

Sie hatten die Absperrung zwischen Gleis 9 und Gleis 10 erreicht und waren stehen geblieben. Mika hüpfte nervös von einem Fuß auf den anderen und warf sowohl ihren Eltern, als auch der Familie Tonks einen fragenden Blick zu, bis er schließlich an Sally hängen blieb. Natürlich wusste sie wie man zum Bahnsteig gelangte, doch jetzt schien ihr das ganze doch irgendwie unmöglich.

»Sollen wir gemeinsam los?«, schlug Sally der Brünetten vor, die sogleich aufgeregt nickte und nach ihrem Gepäckkarren griff.

Die beiden warfen sich einen kurzen Blick zu und liefen dann gemeinsam los. Wie automatisch schlossen sie beide die Augen, doch der Aufprall blieb aus. Stattdessen schimmerte eine dunkelrote Dampflok vor ihnen, als sie die Augen wieder öffneten.

»Genial!«, rief Mika aus und klatschte einmal begeistert in die Hände.

Sergej zischelte in seinem Käfig, als würde er ihr zustimmen und Mika fackelte nicht lange herum, öffnete den Käfig und hängte sich Sergej um den Hals. Sein Stammplatz. Sally schüttelte belustigt den Kopf und wandte sich im selben Moment um, als Dora am Bahnsteig erschien.

»Wir sehen uns später, Leute«, grinste sie in Sallys und Mikas Richtung, bevor sie ihren Gepäckkarren in die Richtung ihrer Freunde schob, um sich gemeinsam mit ihnen ein Abteil zu suchen.

Die beiden Mädchen warteten noch auf ihre Eltern, bevor sie es Dora gleichtun würden.

»Hey, SAL!«

Die Schwarzhaarige zuckte erschrocken zusammen, als sie eine nur allzu bekannte Stimme hörte, die quer über den Bahnsteig brüllte. Mit einem strahlenden Gesicht wandte sie sich um und fand sich sogleich in einer theatralischen Gruppenumarmung mit Fred und George Weasley wieder, die felsenfest behaupteten, dass sie sich ja mindestens eine Ewigkeit nicht gesehen hatten und wie sehr sie sie vermisst hatten - sie waren sogar in den Hungerstreik getreten! Für zwei Minuten vielleicht …

»Ach hört doch auch«, lachte Sally, drückte die beiden von sich und boxte ihnen freundschaftlich auf den Oberarm. »Leute, darf ich euch Mika vorstellen?« Sie wandte sich um und zog ihre beste Freundin zu sich heran. »Mika, das sind Fred und George Weasley«, stellte sie ihr die Zwillinge vor, die sich sogleich vor Mika verbeugten und ihr übertrieben erfreut die Hand schüttelten. Die Braunhaarige ließ ein Lachen hören. »Freut mich euch kennen zu lernen. Ich hab schon einiges von euch gehört«, grinste sie.

»Ich hoffe doch nur Gutes«, meinte George und warf Sally einen gespielt warnenden Blick zu.

»Nur das Beste«, versicherte Mika ihm und lachte erneut.

»Das will ich doch hoffen. Die Kleine ist mir sympathisch«, fügte George an Sally gewandt hinzu und stimmte in Mikas Lachen mit ein.

»Wo sind eigentlich die anderen?«, fragte Sally und sah sich nach dem Rest ihrer Freunde um. Sie entdeckte Simon gemeinsam mit seiner Schwester Emily und deren Freundinnen Catriona Callahan und Marlena Ebdon auf der anderen Seite des Bahnsteiges, bei den Eltern der beiden Carters.

»Die sind schon im Zug, wir haben zwei kleinere Abteile nebeneinander ergattert, Lee war irgendwie nicht so begeistert von der Idee Mischa beim Füttern von Mia zusehen zu müssen«, erzählte Fred und schmunzelte. Oh ja, das konnte Sally nur zu gut verstehen. Nicht jeder beobachtete gerne eine Schlange dabei, wie sie eine ganze Maus oder sonst irgendetwas hinunter würgte. »Übrigens glaube ich, dass unser Russe deine Freundin auch sehr sympathisch finden wird«, fügte er noch hinzu und nickte in Sergejs Richtung, der George amüsiert anzischelte, nachdem er einen Witz erzählt hatte, über den Mika gerade brüllend lachte.

»Oh ja, das glaube ich auch«, stimmte Sally ihm zu und schmunzelte. Sally hatte Mika nicht erzählt, dass Mischa auch ein Schlangenfreund war, sonst wäre sie vermutlich durchgedreht vor lauter Vorfreude.

»Wir sollten uns schnell von unseren Eltern verabschieden, dann brauchen wir nicht noch einmal auszusteigen.« Sally stupste Mika an, die es wohl mit George immer noch ziemlich lustig hatte.

Die Zwillinge versicherten ihnen sie würden die beiden Gepäckkarren mit ihren Leben beschützen, damit sie sie die zehn Meter zu ihren Eltern nicht mitnehmen mussten. Nymphadora war inzwischen wieder zu ihnen gestoßen und versicherte ihren Eltern gerade, dass sie die Weihnachtsferien in Hogwarts schon überleben würde. Ihr letztes Schuljahr stand bevor und sie hatte mit ihren Freunden vorhin gerade beschlossen, dass sie Weihnachten alle in Hogwarts bleiben würden. Das letzte gemeinsame Weihnachten. Sally fragte sich wie es wohl werden würde, wenn Dora nicht mehr in unmittelbarer Nähe war, schob den Gedanken aber schnell wieder beiseite - es würde immerhin noch ein ganzes Jahr dauern, bis es so weit war. Während Darren und Sandy O'Brian Mika daran erinnerten, dass sie sich benehmen und um Himmels Willen nicht mit der Schlange um den Hals im Unterricht erscheinen sollte, umarmte Sally Ted und Andromeda fest zum Abschied.

»Pass auf dich auf. Bleib brav. Lern fleißig und schreib uns sobald ihr Mikas Haus wisst«, lamentierten ihre Eltern abwechselnd herunter, was Sally grinsen ließ. »Natürlich«, versicherte sie ihnen, umarmte sie noch einmal und wandte sich dann Mika zu.

»Benji wäre heute sehr stolz auf dich«, versicherte Mrs. O'Brian ihrer Tochter gerade mit Tränen in den Augen, bevor sie sie fest an sich drückte.

Benjamin O'Brian war Mikas verstorbener Bruder. Er war vor drei Jahren von einem Auto angefahren worden und ums Leben gekommen. Mika war damals dabei gewesen und Sally wusste, dass es ihr immer noch schwer zu schaffen machte, auch wenn sie sich nichts anmerken ließ. Aus Anstand hörte Sally weg, winkte ihren Eltern noch einmal und ging zu den Zwillingen zurück. Sie wollte die O'Brians nicht drängen. Für Mikas Eltern war es sicher schwer sie gehen zu lassen - Benji hatten sie schließlich auch nur einmal von diesem Bahnsteig verabschiedet.
 

Die Lok ließ einen gellenden Pfiff hören und plötzlich kam Bewegung in die ganzen Menschen am Bahnsteig.

»Wir sollten uns beeilen«, riet Fred und schob Sallys Karren Richtung Waggon, kaum war Mika zu ihnen gestoßen. Die beiden Mädchen winkten ihren Eltern noch einmal, riefen »Auf Wiedersehen!« und hievten dann ihre Koffer mit Hilfe der Zwillinge in den Waggon. Sie hatten das erste der beiden reservierten Abteile schnell erreicht und begrüßten Lee Jordan und Simon Carter. Sally stellte Mika vor, die genauso freundlich aufgenommen wurde, wie Sally es ihr prophezeit hatte.

»Noch eine Schlange«, stöhnte Lee leise, als Mika Sergej von ihren Schultern nahm, um ihn auf einen Sitz zu setzen, damit sie gemeinsam mit den anderen ihren und Sallys Koffer auf der Gepäckablage verstauen konnte. Sally kicherte, sagte aber nichts dazu.

Als der Zug langsam los fuhr, verließen die Weasley-Zwillinge, Lee, Simon, Sally und Mika mit Sergej das Abteil um auf der anderen Seite des Ganges das Fenster zu öffnen und sich hinauszulehnen. Ihre Familien gingen langsam neben dem offenen Fenster her, winkten und sprachen ihre letzten Bitten noch aus. Mrs. Weasley ermahnte die Zwillinge sich zu benehmen. Mr. Carter erinnerte seinen Sohn daran, dass er sich öfter melden sollte - oder zumindest so tun sollte, indem er auf Emilys Briefen unterschrieb. Lees kleine Schwester begann zu weinen und er versprach ihr sobald wie möglich zu schreiben, was sie zumindest etwas zu besänftigen schien. Mr. O'Brian erinnerte Mika noch einmal daran, dass sie die Schlange nicht überall hin mit schleppen sollte - das schien wohl seine größte Sorge zu sein und Mrs. Tonks wünschte ihnen allen ein schönes Schuljahr und mahnte Sally noch brav zu lernen und sich nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Beinahe einstimmig antworteten die Schüler »Jaja!« und winkten ihnen so lange, bis sie ihre Familien nicht mehr sahen.

Simon und Lee gingen zurück in ihr Abteil, wo sie sich über Quidditch unterhielten. Die anderen vier beschlossen den Rest der Clique zu besuchen, die sich wohl nicht allzu schnell aus ihrem Abteil bewegen würden. Das hatten die drei Slytherins wohl alle gemeinsam - nicht zu viel machen, wenn man es nicht musste. Mika zwirbelte nervös eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. Natürlich hatte sie schon einiges von Sally über die drei gehört, aber trotzdem. Es waren immer noch Slytherins.

»Und das hier …«, sagte George, während er die Tür zum Abteil der Slytherins aufzog und mit einer theatralischen Geste hinein wies, die ihm einen Oscar eingebracht hätte. »… ist das Schlangennest.«

Besagte Schlangen pausierten ihre Tätigkeiten um die Neuankömmlinge zu mustern. Als Joel Sallys Blick auffing, setzte ihr Herz kurz einen Schlag aus, bevor sie ihn leicht angrinste. Himmel, er war gewachsen! Das Zischeln von Mischas Schlange vertrieb den Gedanken allerdings und Sally richtete den Blick auf die beiden. Gerade öffnete sie den Mund um etwas zu sagen, als ihr die Entscheidung abgenommen wurde.

»Oh! Eine Charcoal!«, quietschte Mika und zwängte sich an George und Sally vorbei, zwischen Jos und Charlys Beinen hindurch und ließ sich schließlich auf den freien Fensterplatz gegenüber von Mischa fallen um die kleine Schlange interessiert zu mustern.

Mit hoch gezogener Augenbraue sah Joel die Weasley-Zwillinge und Sally an, die immer noch vor der Abteiltür standen und aussahen, als hätte es ihnen die Sprache verschlagen. Was bei den dreien schon etwas heißen musste.

»Äh, ja…«, machte Sally schließlich, immer noch sichtlich verwirrt. »Also, Leute, das ist Mika«, stellte sie das andere Mädchen vor, das gar nicht mehr mitbekam was um sie herum passierte.

Auf Joels Gesicht zeichnete sich ein Hauch von Verständnis ab. Aber eben nur ein Hauch. Sally hatte schon einiges von Mika erzählt, doch vermutlich hatte sie ihren Freunden nicht allzu klar verdeutlicht, dass Mika einfach eine Verrückte war.

Mischa und Mika waren bereits in ein angeregtes Gespräch über Schlangen vertieft und sie alle hatten wohl das Gefühl, dass die beiden sich von niemandem stören lassen würden. Außer vielleicht von der Frau mit dem Wagen voller Süßigkeiten, aber selbst das war nicht sicher.

»Okay, das ist wirklich zu viel des Guten«, meinte Charly schließlich nach ein paar Minuten, klappte ihr Buch zu, ließ es am Sitz liegen und schob sich an den Weasleys und Sally vorbei um das Abteil zu wechseln. Fred und George nahmen Charlys ehemaligen Platz und den daneben ein um Jo etwas zu nerven und Sally stand etwas verwirrt immer noch in der Tür und meinte dann zu niemand bestimmten: »Ähm … ja … ich bin drüben …« Sie schloss die Abteiltür hinter sich und ging Charly hinterher.

»Ein komisches Mädchen. Ich habe es euch allen gesagt. Hoffentlich wird sie keine Slytherin ich glaube nicht, dass ich Mischa und sie den ganzen Tag lang aushalte«, jammerte Charly gerade und kraulte ihren Kater, der ihr nachgelaufen war, zwischen den Ohren.

Sally schmunzelte und ließ sich Lee gegenüber auf den freien Platz fallen, der am weitesten vom Fenster weg war. Simon und Charly hatten sich die Fensterplätze gesichert. Zumindest schien es so; Sally war sich ziemlich sicher, dass Charly Lee dazu genötigt hatte seinen Fensterplatz aufzugeben. Das würde jedenfalls die imaginären Giftpfeile erklären, die er ihr in regelmäßigen Abständen mit seinen Blicken zuwarf. Die schwarzhaarige Gryffindor musste schmunzeln. Wie sehr hatte sie ihre Freunde doch vermisst.

»Sie redet so viel!« Charly konnte gar nicht mehr aufhören sich über Mika auszulassen. Den Großteil der Zugfahrt beschwerte sie sich, dass die O'Brian zu viel redete, zu überdreht war und für ihren Geschmack zu viele Schlangen um den Hals trug.

»So schlimm ist sie doch gar nicht«, verteidige Simon das Mädchen und warf Charly einen mahnenden Blick zu. »Wenn ich mich recht erinnere hattest du letztes Weihnachten sogar ziemlichen Spaß mit ihr.« Ein verschmitztes Grinsen schlich sich auf Simons Gesicht.

»Ja, das war Weihnachten! Ach, Simon du verstehst wirklich gar nichts.« Charlotte verdrehte theatralisch die Augen und warf eine leere Schokofroschverpackung nach ihm.

Lee und Sally warfen sich einen belustigten Blick zu und kicherten. »Ich schätze da ist jemand eifersüchtig und hat Angst das fünfte Rad am Wagen zu werden«, sagte der Gryffindor wichtigtuerisch, wofür auch er sich eine Schokofroschverpackung einfing. Direkt auf die Stirn.

»Ich kann den ganzen Tag so weiter machen«, drohte die Slytherin und wedelte mit einer weiteren Packung herum. »Ich frage mich wirklich wieso ich mit euch befreundet bin«, meinte sie schließlich beleidigt, verschränkte die Arme vor der Brust und sah schmollend aus dem Fenster.

»Das fragen wir uns auch!«, riefen Simon und Lee einstimmig aus und brachten das gesamte Abteil zum Lachen. Charly warf erneut zwei leere Packungen nach den Jungs, musste aber auch grinsen. »Ihr seid echt dämlich!«

I'm an eagle that rides on the breeze

Die restliche Fahrt nach Hogwarts verlief alles andere als ruhig.

Joel hatte sich nach wenigen Stunden zu ihnen gesellt. Er behauptete er habe nach ihnen sehen wollen - als ob sie ohne ihn nicht überleben könnten; wobei Sally sich da sowieso nicht so ganz sicher war - doch ihnen war allen klar, dass er vor Mischa, Mika und den Zwillingen flüchten hatte wollen. Sally konnte es ihm nicht verdenken - diese Kombination war auf Dauer nichts für schwache Nerven. Und Jo war nicht gerade dafür bekannt, dass er die stärksten Nerven hatte, wenn es um die Zwillinge ging. Oder um durchgeknallte Schlangenfreunde. Oder um Menschen allgemein. Was er allerdings nicht bedacht hatte, war die Tatsache, dass es in dem anderen Abteil auch nicht friedlich zuging. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb er sich nach einer ganzen halben Stunde wieder verabschiedete und sich irgendwo einen anderen Sitzplatz suchte.

Charly hatte irgendwann beschlossen sich nicht mehr weiter über Mika aufzuregen, dafür aber über Lee. Der hatte zuerst versucht sie zu ignorieren und mit Simon über Quidditch zu sprechen, aber das hatte nicht unbedingt lang funktioniert. Sally hätte ihm von vornherein sagen können, dass es nicht gut gehen würde, sich auf Charlys Sticheleien einzulassen. Und so kam es, wie es kommen musste und die beiden brüllten sich beinahe über das Abteil hinweg an. Simon hatte versucht den Streit zu schlichten, bemerkte aber schnell, dass er dann nur selber in die Schussbahn geriet. Im wahrsten Sinne, denn Charly hatte die leeren Schokofroschverpackungen, mit denen sie die Jungs vorhin beworfen hatte, alle wieder zusammengesammelt, um sie erneut zu verschießen. Sally und Simon hatten sich still und heimlich die beiden Plätze neben der Tür geangelt, um schnellstmöglich verschwinden zu können, wenn es denn sein müsste.

Die Zankereien zwischen Lee und Charly drehten sich um alles Mögliche. Es endete allerdings damit, dass Lee behauptete, dass Charly ihre Haare färbte, und ebenjene herum brüllte, dass Lee sich in Wahrheit jeden Morgen mit brauner Farbe anmalte und eigentlich porzellanweiße Haut hätte. Simon und Sally hatten den Schlagabtausch schweigend und mit großen Augen verfolgt. Zum Glück war irgendwann die Dame mit dem Servierwagen erschienen und der nächste und letzte Besucher der kam, war ein leicht genervter Joel Corunna, der ihnen mitteilte, dass sie Gott sei Dank bald da sein würden. Er schien auf der Suche nach einem freien, ruhigen Platz wohl nicht gerade erfolgreich gewesen zu sein und Georges oder Freds Rufe aus dem Nachbarabteil, ließen darauf schließen, dass er sich doch wieder auf seinen alten Platz gesetzt hatte. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Wenn sie ehrlich war, hätte sie die verrückten Zwillinge und die Schlangenhalter der irren Schokofroschverpackungwerferin und dem Nachwuchscholeriker vorgezogen.

Sally war froh als sie endlich aus dem Zug aussteigen und auf den Bahnsteig springen konnte. Das war die anstrengendste Zugfahrt gewesen, die sie je erlebt hatte. Mischa hatte Mika wohl noch irgendwie davon überzeugen können, dass sie Sergej von ihrem Hals nahm und ihn in seinen Käfig steckte. Professor McGonagall wäre vermutlich nicht allzu erfreut, wenn die mit einer Schlangenkette um den Hals die Große Halle betreten würde. Das wäre dann ihr erster und letzter Ausflug nach Hogwarts gewesen.

Wie auch im letzten Jahr, brüllte der Wildhüter Rubeus Hagrid den ganzen Bahnsteig zusammen, damit er so die Erstklässler einsammeln konnte. Sally umarmte Mika noch einmal kurz und wünschte ihr viel Glück. Wobei wusste sie zwar selber nicht, aber etwas Besseres war ihr auch nicht eingefallen. Die Schwarzhaarige blickte der Jüngeren noch kurz hinterher, bevor sie Mischa folgte, der sie gerade angestupst hatte.

»Ein wirklich nettes Mädchen«, meinte er an Sally gewandt, als sie den anderen folgten. Wohin genau wussten sie beiden zwar nicht, aber es würde wohl nicht schaden erstmal der Masse zu folgen.

»Ja, das ist sie.« Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen und sie warf Mischa einen kurzen Blick zu, bevor sie wieder auf den Weg vor sich achtete.

Die Menschenmasse wurde langsamer, bis Mischa, Sally und ihre Freunde stehen bleiben mussten. Zuerst erkannten sie nicht was los war, aber nach ein paar Momenten lichtete sich die Menge und Sally atmete erleichtert auf. Sie hatte sich schon die schlimmsten Dinge für diesen kurzen ›Stau‹ ausgemalt, dabei waren die ganzen Schüler vor ihnen einfach nur damit beschäftigt, sich in die Kutschen zu setzen, die sie zum Schloss hochbringen würden. Schon letztes Jahr an Weihnachten war sie mit Charly, Simon und ihrer Schwester Dora in einer dieser Kutschen gesessen um den Zug nach Hause zu erwischen. Gezogen wurden diese Kutschen von ...

»Thestrale!«, rief Sally überrascht aus und bevor sie es verhindern konnte, schlug sie Mischa auf den Unterarm und krallte sich in seinem Umhang fest. Sie hatte ihre Augen aufgerissen und starrte ihn mit halb offenem Mund an.

Das Fragezeichen, das über Mischas Kopf schwebte, wurde immer größer, bis er sagte: »Wie bitte?«

»Thestrale! Du hast mir im Sommer davon erzählt, ich dachte ich wüsste nicht was das ist, aber das Wort kam mir bekannt vor. Und jetzt weiß ich wieder wieso ...« Langsam ließ sie seinen Arm los und drehte den Kopf wieder in die Richtung der pferdeähnlichen Wesen. Sie spürte seinen fragenden Blick auf sich ruhen.

»Ich kann sie sehen«, erklärte sie leise. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauchen, doch Mischa verstand jedes Wort.

Bevor er etwas erwidern konnte, hatte Fred ihnen schon seine Hände auf die Schultern gelegt und schob sie in die Richtung der nächsten Kutsche. Sally warf Mischa einen kurzen Blick zu und beide wussten, dass dieses Gespräch nur vorerst unterbrochen war. Zu gegebener Zeit würden sie es fortführen. Und wenn es so weit war, war Sally hoffentlich bereit über gewisse Dinge zu sprechen, ohne ihren Freund großartig anlügen zu müssen. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe und bekam nur vage mit, was sich in der Kutsche abspielte. Lee war mehr als beleidigt auf Charly, die zum Glück mit George, Simon und Jo in einer anderen Kutsche saß. Fred versuchte zwar auf Lee einzureden, doch das brachte nicht wirklich etwas. Eher im Gegenteil. Immer wieder tauschten Sally und Mischa kurze Blicke aus - es schien als würde auch er an etwas anderes denken, als an den mehr als lächerlichen Streit ihrer Freunde.
 

Einige Minuten später verabschiedeten sie sich voneinander. Sie hatten die Große Halle erreicht und mussten sich nun wieder an ihre Häusertische setzen. Sally folgte Fred, George und Lee nach rechts, während die Slytherins nach links gingen und Simon sie ein Stück begleitete. Ihre Tische lagen gleich nebeneinander. Der Hufflepuff verabschiedete sich von seinen Freunden und die vier Gryffindors suchten sich freie Plätze, mit guter Sicht nach vorne.

»Ich hoffe Mika kommt nach Gryffindor«, meinte George begeistert.

Er hatte wohl wirklich einen Narren an ihr gefressen. Sally grinste verhalten. Und Mika hatte schon geglaubt, dass Sallys Freunde sie nicht mögen würden. Blödsinn.

»Das wäre auf jeden Fall lustig. Ich denke deine kleine Freundin ist eine richtige Bereicherung für die Gruppe«, stimmte Fred seinem Bruder mit einem breiten Grinsen zu.

Belustigt verdrehte Sally die Augen. Klar, Mika würde jeden Blödsinn mitmachen - um das von ihr zu wissen, musste man sie wirklich nicht lange kennen.

Lees Laune war immer noch im Keller. Es wurde auch nicht besser, als Vicky Frobisher - ein Gryffindormädchen aus ihrem Jahrgang - an sie Gruppe herantrat und mit ihrem Zeigefinger fest über Lees Wange strich. Kichernd lief sie an das andere Ende des Tisches und berichtete wem auch immer, dass sie keine Farbe an den Fingern hatte.

»Dieses Biest«, murrte er und seinem finsteren Blick zufolge, der den Slytherintisch in Flammen gesetzt hätte, wenn man gewisse Gesetze außer Acht gelassen hätte, meinte er damit Charly und nicht Vicky.

Sally seufzte tief und legte ihre Hand auf seinem Unterarm.

»Ach komm schon. Ihr beide seid euch gegenseitig wirklich nichts schuldig geblieben bei eurem Schlagabtausch. Und du weißt ja wie es heißt: Der Klügere gibt nach.« Sie lächelte ihm aufmunternd zu und ihr war klar, dass dieser Kleinkrieg noch lange kein Ende hatte. Denn wenn sie ehrlich war: Weder Charly noch Lee war ›der Klügere‹.

Der Tumult in der Halle legte sich erst, als die großen Türen aufgingen und Professor McGonagall die neuen Erstklässler hereinführte. Sally streckte sich etwas um besser sehen zu können und war erleichtert, dass Mika sich Sergej in letzter Minute nicht wieder umgehängt hatte. Es wurde totenstill in der Halle und nach wenigen Momenten, öffnete sich ein Riss knapp oberhalb der Krempe des alten Hutes und er begann zu sein Lied zu singen. Es war ein anderes als letztes Jahr und Sally erinnerte sich nur zu gut an die Botschaft von damals. Ihre eigene Häusereinteilung war noch so präsent, als wäre es erst vor wenigen Tagen geschehen. Der Hut hatte ihr etwas ins Ohr gesagt, das sie nie vergessen würde.

»Keine Angst ... in dir wohnt ein Geheimnis, von dem du nicht willst, dass es andere erfahren. Dein Leben ist eine Mischung aus Realität und Maskerade. Sei vorsichtig und vergiss nicht wer du bist, was sich zu dem macht, das du bist.«

Sie war sich immer noch nicht ganz sicher, was das bedeuten sollte. Aber eines war ihr klar: Der Hut wusste wirklich alles. Egal was auf dem Pergament stand. Aber woher?

Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, hatte der Hut auch schon sein Lied beendet. Sally stimmte etwas halbherzig in das Klatschen und Jubeln mit ein. Sie hatte irgendwie gar nichts mitbekommen. Dann erhob Professor McGonagall auch schon das Wort und erklärte den Erstklässlern, was gleich passieren würde. Fred und George verrenkten sich beinahe die Köpfe und auch Lee schien sich inzwischen wieder beruhigt zu haben. Gespannt warteten sie darauf, dass die Auswahl beginnen würde und beobachteten die nervösen Erstklässler.

»Es kommt mir vor wie gestern, als wir dort standen«, flüsterte Lee in Sallys Ohr und sie nickte nur.

Ja, da war er nicht der einzige. Aber vermutlich aus anderen Gründen.

Wahnsinn, dass schon ein Jahr vergangen war.

»Bell, Katie« wurde die erste Gryffindor in diesem Jahr.

Tosender Applaus entbrannte am Gryffindortisch und Percy Weasley stand auf um die neu gewonnene Gryffindor höchstpersönlich zu begrüßen und ihr die Hand zu schütteln. Es folgten zwei Hufflepuffs, bevor »Chang, Cho« schließlich zur ersten Ravenclaw ernannt wurde. Die Tische übertrumpfen sich mit jedem neuen Häusermitglied mit ihrem Jubelgeschrei. Sally spürte schon die ersten Kopfschmerzen, als »Martinez, Diego« zu einem Slytherin wurde.

Die Erstklässler wurden immer weniger und je weiter sie im Alphabet nach unten kamen, desto nervöser wurde Sally. An Mikas Gesichtsausdruck erkannte sie, dass es ihr ähnlich ging. Gerne wäre sie ihrer Freundin zur Seite gestanden und hätte sie beruhigt. Als sie letztes Jahr da vorn gestanden war, hätte sie alles gegeben um jemanden zu haben, der ihr sagte, dass alles gut werden würde.

Unendlich lange Momente vergingen und dann endlich: »O´Brian, Mika.«

Sally schnappte nach Luft und klammerte sich an Lees Unterarm. Mika ging nach vorne. Sie war so blass, wie Sally sie noch nie gesehen hatte. Der Hut rutschte ihr über die Augen und es wurde totenstill in der Großen Halle. Zumindest fühlte es sich für Sally so an. Ihr Herz hämmerte fest gegen ihre Brust und sie fragte sich, was der Hut Mika gerade ins Ohr flüsterte. Eine unendlich lange Minute verging, bis sich der Riss nahe der Krempe wieder auftat und Mikas Haus verkündete.

»RAVENCLAW!«

Quidditch

Mit zittrigen Händen umklammerte Sally den Sauberwisch 7, den sie sich mit ihrer Schwester teilte. »Du kannst das. Du kannst das«, dachte sie angestrengt und versuchte ihren Herzschlag zu ignorieren.

Auf den Rängen hatten sich einige Menschen versammelt; der Großteil natürlich Gryffindors. Da es mehr als das halbe Team zu besetzen gab, waren alle sehr gespannt darauf, wie die Auswahlspiele ausgehen würden. Den meisten Platz nahm allerdings Hagrid ein, der mit einem großen Fernglas bewaffnet ganz oben saß und Sally begeistert zuwinkte. Sie winkte zurück und lächelte schwach. Er streckte seine Daumen hoch und grinste breit. Neben ihm saßen Nymphadora, Mika und Charly. Sie waren alle gekommen, um sie anzufeuern. Sallys Herz machte einen Salto. Mit dieser Unterstützung konnte sie es nur ins Team schaffen.

Neben Sally wollten auch ihre Klassenkolleginnen Alicia Spinnet und Angelina Johnson ins Team. Alicia erklärte ihrer Freundin gerade, dass sie es sicher ins Team schaffen würde, da sie schon ihr Leben lang flog, in den Ferien hart trainiert hatte und blablabla. Sally wandte sich ab, um nicht mehr zuhören zu müssen.

Es waren noch zwei ältere Gryffindormädchen da, die Jägerinnen werden wollten, doch Sally hatte nicht das Gefühl, dass sie es besonders ernst nahmen. Als der Hüter Oliver Wood nämlich in die Umkleide kam, kicherten sie wie wild geworden los und warfen sich verschwörerische Blicke zu. Sally ging zum Ausgang Richtung Quidditchfeld, wo gerade die Treiberauswahlen stattfanden. Sofort war ihr klar, dass keiner der anderen Bewerber eine Chance gegen die Weasley-Zwillinge hatte. Charlie Weasley, der Kapitän und Sucher der Mannschaft, schien vor Stolz zu platzen, als er wenig später verkündete, dass Fred und George Teil des Teams wurden.
 

Sally ging hinaus, während die Treiber und Charlie landeten. »Herzlichen Glückwunsch«, begrüßte sie die Zwillinge und strahlte sie an.

»Und du schaffst das auch noch, also gib Gas«, sagte George. Er streckte seine flache Hand in die Höhe und Sally schlug ein. Fred klopfte ihr auf die Schulter. »Genau, du schaffst das. Sonst müssen wir dich aus unserem Freundeskreis entfernen. Kein Druck also.« Er grinste breit und lachte dann.

»So Leute, alle auf die Besen, wir spielen ein richtiges Spiel. Sally, Angelina, Alicia, Sarah und Caroline es heißt jeder gegen jeden, und die, die meisten Tore schießen, kommen ins Team. So einfach ist das.« Charlie strahlte bis über beide Ohren. Er wirkte beinahe, als wäre der glücklichste Tag seines Lebens. »Oliver wird eine Partie Ringe verteidigen und das sollte auch die Richtung sein, in die ihr spielt. Ich werde um euch herumfliegen und mir eure Technik anschauen. So, das war’s auch schon wieder von mir.« Charlie nickte ihnen aufmunternd zu, setzte sich auf seinen Besen und stieß sich vom Boden ab.

Sarah und Caroline kicherten immer noch, als sie auf die Besen stiegen und Oliver Wood hinterherflogen. Alicia wiederholte immer wieder halblaut wie gut sie nicht war, während Angelina einen abfälligen Kommentar in Sallys Richtung abließ. Sally ignorierte sie aber nur und stieg stattdessen auf ihren eigenen Besen. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen, atmete einmal tief durch und stieß sich dann mit aller Kraft vom Boden ab.

Sofort fühlte sie sich leicht und frei. Sie hatte vergessen, wie sehr sie das Fliegen liebte. Sie drehte ein paar Kreise und einen Looping und winkte Fred oder George zu, der gerade auf ihre Höhe anstieg.

»Also, es kann losgehen!«, rief Charlie, steckte sich zwei Finger in den Mund und pfiff so laut, dass man es über das ganze Quidditchfeld hören konnte. Er warf den Quaffel weit in die Mitte des Spielfelds und Sally preschte vor. Sie fing ihn auf, bevor Sarah und Caroline überhaupt bereit waren wegzufliegen. Angelina war ihr dicht auf den Fersen und rief etwas, das Sally nicht verstand. Der Wind rauschte ihr in den Ohren und sie blendete ihre Umgebung völlig aus. Sie war in ihrem Element. Es kümmerte sie nicht, was eine Angelina oder eine Alicia sagten oder dachten. Sie musste auf sich schauen und sich beweisen.

Sally wich einem Klatscher aus, tauchte unter Alicia durch und schoss das erste Tor. Sie hörte Hagrid auf den Rängen laute Jubelrufe ausstoßen und wieder machte ihr Herz einen Salto vor Freude. Sie machte sich gut und sie war nicht die einzige, der es auffiel. Das pushte ihr Selbstbewusstsein so hoch, dass sie sich den Quaffel erneut unter den Nagel reißen und wieder ein Tor schießen konnte.

Der nächste Ball ging an Angelina. Auch sie versenkte zwei Tore hintereinander, bevor Sally erneut punkten konnte und dann an Alicia abgeben musste. Der Ball wechselte nur zwischen den dreien hin und her. Sally hatte keine Ahnung was mit Sarah und Caroline passiert war, aber das war ihr auch egal. Sie war wegen sich selbst hier und wollte ihr bestes geben.

Sally verlor den Ball so oft und schoss so viele Tore, dass sie irgendwann den Überblick verlor. Anfangs hatte sie noch mitgezählt, doch nach dem dritten Tor von Alicia hatte sie den Faden verloren. Sie konnte ihre Chancen überhaupt nicht einschätzen, als sie wieder auf dem Rasen landete. Ihre Wangen brannten und waren gerötet von der Kälte, doch Sally war sich sicher, dass sie darunter so weiß, wie die Kissen im Krankenflügel war. Sie wusste nicht, wie sie abgeliefert hatte und Charlies Miene war nicht besonders aufschlussreich, als er vor ihr landete. Er wartete darauf, dass Fred und George gemeinsam mit Oliver Wood die Klatscher und den Quaffel verstaut hatten, bevor er das Ergebnis verkündete.

Er strahlte sie der Reihe nach an, klatschte dann einmal in die Hände und sagte: »Die beiden neuen Jägerinnen sind Sally und Angelina, herzlichen Glückwunsch!«

Sally klappte der Mund auf. Hatte … hatte er gerade tatsächlich ihren Namen gesagt? Sie spürte, wie ihr jemand auf die Schulter klopfte, konnte aber gar nicht richtig reagieren. George neben ihr sprang auf und ab und jubelte, während Fred einen wilden Tanz aufführte. »Ich hab’s geschafft«, murmelte Sally. »Ich hab’s tatsächlich geschafft!« Sie fiel George um den Hals und hüpfte gemeinsam mit ihm auf und ab.

Sie spürte die hasserfüllten Blicke, die ihr ihre Klassenkolleginnen zuwarfen, doch es war ihr egal. Es war ihr sogar egal, dass Alicia einen Platz auf der Ersatzbank bekam und zu mindestens jedem zweiten Training kommen sollte. Es war ihr auch egal, dass die beiden älteren Gryffindors sich lautstark beschwerten, obwohl sie den Quaffel kein einziges Mal in den Händen gehalten hatte.

Sie hatte es geschafft.

Sally konnte es kaum glauben. Es war, als wäre ein Traum in Erfüllung gegangen.

Sie war im Quidditchteam.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein großes Danke geht an dieser Stelle an meine liebe abgemeldet, die mir erlaubt hat das Aufeinandertreffen der Slytherins mit Mika aus einem ihrer One-Shots zu paraphrasieren und teilweise zitieren. ♡ Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Prinzessin-Zelda
2016-12-28T12:16:29+00:00 28.12.2016 13:16
Hallo Zaje, deine Idee mit dem, das Harry eine Schwester hat ist interessant und du hast es sehr gut umgesetzt. Du schreibst gut, man kann es flüssig und ohne Probleme lesen :) Mach weiter so!

lg Zelda
Antwort von:  Zaje
29.12.2016 20:23
Hey! Dankeschön für deinen Kommentar, freut mich sehr, dass dir Idee und Umsetzung gefallen :D das spornt auf jeden Fall an :)

LG Zajé


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