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Wenn ich dich erreiche...

Romeo und Julian
von

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Wenn ich dich erreiche...

Romeo und Julia.

Das sind die Namen von mir und meiner Schwester. Wir sind Zwillinge. Und seid ich denken kann, werden wir deswegen aufgezogen. Von wegen Liebespaar und so, obwohl das gesetzlich ja gar nicht erlaubt ist. Wie auch immer...

Sie findet diese Namensgebung völlig bekloppt und ich schätze, dass sie damit sogar recht hat. Ich bin nämlich der selben Meinung, aber ich glaube, das ist so ziemlich das Einzige, was wir gemeinsam haben. Außer unserem Geburtstag natürlich.
 

Unsere Eltern,insbesondere unsere Mutter war schon in ihrer Schulzeit so fasziniert von Shakespeares "Romeo und Julia", dass sie beschloss ihre Kinder mal so zu nennen. Da kamen ihr Zwillige natürlich gerade recht.Völlig bescheuert! Hätte sie statt des Schauspielclubs mal lieber was Anderes belegt...dann hätten wir jetzt nicht diese bekloppten Namen...und unser Vater hatte das einfach hingenommen...

Mama fand es jedenfalls sehr romantisch, wie sie es mal betitelte, als meine Schwester sie mal danach fragte, warum sie uns so genannt haben.

Julia, lässt sich übrigens überwiegend nur "July" nennen, weil sie ihren Namen so ätzend findet. Dabei hat sie ja noch Glück gehabt, weil ihr Name ein Allerweltsname ist. Ich glaube ihre viertbeste Freundin oder so und eine ehemalige Klassenkameradin, heißen auch Julia...aber Romeo...bleibt eben Romeo...Der Typ, der vor einem Balkon steht und irgendwelche peinlichen Liebesschwüre zu seiner Angebeteten hoch ruft und wie es die Ironie des Schicksals so will, leben wir in einem großen Haus, dass natürlich direkt an unseren Zimmern jeweils einen Balkon hat. Im ersten Stock. Meiner geht zum Vorgarten raus. Direkt daneben wachsen Rosen-ranken...ja fast Märchenhaft sollte man meinen. Oder aber total zum Kotzen!
 

Jedes verdammte Jahr hoffe ich, dass sie nach dem Winter eingehen und nicht wieder blühen, aber meine Mom setzt so viel Liebe daran, dass sie einfach Jahr für Jahr wieder blühen und wenn sie tatsächlich mal am Ende sind werden einfach neue gepflanzt, die mich aufs Neue in Verzweiflung stürzen lassen...da könnte man sich fragen, warum sie ausgerechnet neben MEINEM Balkon wachsen müssen? Das macht dieses scheiß "Romeo und Julia-Klischee", nämlich nicht besser.

Mama meinte dann, dass sie im Vorgarten eben besser zur Geltung kommen, weil ein Vorgarten das Aushängeschild eines jeden Einfamilienhauses sei.

Ich habe sogar schon meine Schwester gefragt, ob sie mit mir das Zimmer tauscht, aber vergeblich. Dabei wollte sie bis vor drei Jahren noch unbedingt mein Zimmer haben, weil es einen halben Quadratmeter größer und verwinkelter geschnitten ist.Damals, als wir hier eingezogen sind, haben wir darum gespielt. Ich habe eine Münze in die Luft geworfen und auf Zahl gewettet, sie auf Kopf. Ich habe gewonnen und damit auch das Zimmer. Hätte ich mich mal bloß nicht darauf eingelassen, sondern ihr einfach das Zimmer gegeben. Ich sturer Esel! Nun habe ich den Salat. Ja wohl!
 

"Romeo? Hey Romeo! Hörst du mir überhaut zu?", schimpft July,die mir heute total auf die Nerven geht."Nein...tue ich nicht, falls du es schon gemerkt hast..", murre ich. Mein Film ist eindeutig interessanter. "Ohhh, Romeo! Wieso bist du denn schon wieder so schlecht drauf? Bist du mal wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden oder was? Du sollst mir doch nur sagen, ob ich lieber das rote, oder das weiße Top nehmen soll.", ich antworte ihr, ohne sie anzusehen, da ich die beiden Tops schon mal an ihr gesehen habe,"Ist mir ja sowas von egal. Davon mal abgesehen, finde ich sie beide schrecklich...beantwortet das deine Frage?", murre ich weiter und stopfe mir ein paar Chips in den Mund. July schüttelt jetzt bestimmt den Kopf und bläst die Wangen auf. Da bin ich mir ziemlich sicher. Und jetzt wird sie sicher wütend werden,"Du bist sooo gemein! Mama! Romeo ist gemein zu mir!", ruft sie meiner Mutter zu, die wahrscheinlich gerade an meiner offenen Zimmertüre vorbei kommt. Jetzt erbarme ich mich, mich auf meinem Bürodrehstuhl umzudrehen. Tatsächlich steht sie an der Zimmertür mit dem Wäschekorb in den den Händen. July steht daneben mit beiden Tops in den Händen. Meine Mutter lächelt sanft. So wie sie es meisten tut. "Na, na nun streitet euch doch nicht, so viel. Schließlich seid ihr Geschwister, ihr solltet euch vertragen.", beleert sie uns.Ich nehme das zum Anlass kurz triumphierend zu grinsen, "Und Romeo, Julia hat schon recht. Sei doch etwas netter zu ihr.", ergänzt sie noch und dann ist Julia dran mit grinsen. Na, die stecken doch beide unter einer Decke..."Übrigens Kinder, habt ihr noch Wäsche, die gewaschen werden muss? Das wäre ein günstiger Zeitpunkt. Ich mache gleich die Waschmaschine an.", meint sie und führt dann ihren Weg fort, gefolgt von July, "Julia, du solltest das weiße anziehen. Das passt sehr gut zu deiner blauen Jeans.", "Oh Mama, du bist die Beste."

Eine meiner Augenbrauen zieht sich hoch.

Hätte ich das nun gesagt, wäre ich wohl ihr Held, aber da habe ich nicht wirklich Bedarf...Da sieht mans mal wieder, wie austauschbar man ist.

Das Dreamteam hat sich mal wieder gefunden, denke ich mir wieder zusammen. Kopfschüttelnd stehe ich auf und sammle meine Wäsche zusammen, die querbeet in meinem Zimmer zerstreut ist.Ja, Ordnung war noch nie meine Stärke. Aufräumen ist immer so mühselig. Meine Mutter macht mich deswegen, manchmal schon halb wahnsinnig und meine Schwester zieht mich deswegen auch gerne auf. Da soll man mal meinen, wir seien Zwillinge.Dann verkörpern wir aber nicht das typische Bild von Zwillingen, die sich immer verstehen, den selben Geschmack haben und so...bei uns ist das in keinem Fall so! Zum Beispiel isst July gerne Gemüse, was ich hasse wie die Pest und sie ist sehr sportlich und achtet extrem auf ihre Figur, während ich gerne alles esse was ungesund ist. Sport finde ich ätzend! Trotzdem halte ich irgendwie meine Figur. July meint immer, dass sich das ändern wird, wenn ich mal älter werde. Das mag ja alles sein, aber ich lebe doch im Hier und Jetzt, nicht irgendwann anders.
 

Trotzdem hat man es als Zwilling nicht leicht. Selbst, wenn man wie wir zweieiig ist, wird man doch immer mit einander verglichen. Dabei sind wir zwei völlig verschiedene Individuen, eigene Persönlichkeiten, die ihre ganz eigenen Interessen und Fähigkeiten haben. Selbst, wenn wir eineiig wären und uns gleichen würden wie ein Ei dem Anderen, würde das nichts daran ändern, dass wir doch zwei unterschiedliche Menschen sind.
 

*
 

"Jetzt hau endlich ab und belästige jemand anderen!", zetere ich, während ich durch das Schulgebäude laufe, um meinen lästigen Verfolger abzuwimmeln, der sich schon mehr als einmal als äußerst hartnäckig erwiesen hat. Julian, der männliche Namensvetter meiner Schwester. Das allein macht mir schon Angst.Er ist eine Nervensäge, dessen Hartnäckigkeit ich schon fast wieder verdrängt habe. Da hat man mal ein Wochenende seine Ruhe, fängt es danach gleich wieder an. Ich kann mir nicht erklären warum, doch aus irgendeinem Grund hat er sein Interesse an mir entdeckt. Sonst habe ich es immer geschafft, seine aufmerksamkeits erweckenden Versuche, gepflegt zu ignorieren. Doch in letzter Zeit nehmen seine Kontaktaufnahme versuche ein ganz neues Maß an Unverschämtheit an!

Seid einem halben Jahr läuft er mir nun schon nach, seid er in meine Klasse gekommen ist und neuerdings verfolgt er mich schon bis nach Hause. Stalking nennt man das!
 

"Waas? Aber ich wollte dich doch nur fragen, ob du mal Lust hast mit mir ne Runde zu zocken und Pizza zu essen. Was ist denn schon dabei?", jammert Julian-Nervensäge."Ich hab dir schon oft genug gesagt, dass ich keine Lust darauf habe, also nerv gefälligst jemand anders!", erwidere ich ruppig."Jetzt sei doch nicht so stur!",erwidert er.Genervt drehe ich mich zu ihm um."Wenn hier jemand stur ist, dann bist du das ja wohl! Hast du verstanden? Du bist hier der sture Esel! Ich hab keinen Nerv auf dich! Also hör auf mir nach zu laufen!",wettere ich weiter gegen an. Der Kerl hat echt nicht mehr alle Tassen im Schrank!

Leider hat mein Gezeter bis jetzt noch rein gar nichts gebracht.
 

Fünf Minuten später.

"Wieso läufst du mir immer noch nach!"

"Na ich muss doch in die gleiche Richtung. Schließlich haben wir gleich Unterricht!", erwidert er wahrheitsgemäß. Scheiße, das habe ich ja ganz vergessen. Das Schlimmste daran ist, dass wir bedauerlicher Weise auch noch neben einander sitzen und er sich bis heute vehement weigert sich wo anders hin zu setzen. Dabei gibt es mindestens drei Möglichkeiten, die noch frei wären. Trotzdem weicht er keinen Millimeter ab. Ich selbst, will allerdings auch nicht von diesem profitablen Platz weichen. Warum? Klare Sache. Ich sitze direkt neben Fenster und Heizung. Das bedeutet im Sommer schön luftig und im Winter warme Füße. Dazu noch ganz hinten, wo man am wenigsten genervt wird. Würde ich mich umsetzen bliebe mir eine sehr dürftige Auswahl. Ganz vorne am Lehrerpult, neben den ständig kichernden Weibern, neben den Klassennerds oder in mitten einiger Jungs, die einem unter dem Tisch immer Pornohefte verkaufen wollen. Wo sind wir hier eigentlich...im Kindergarten? Sehr lästig! So was interessiert mich kein Stück! Nein wirklich nicht!

Hier, an meinem Platze habe ich wenigstens meine Ruhe und werde nicht genervt. Sogar ein kleines Nickerchen ist manchmal drin, wenn wir einen dieser langweiligen Filme anschauen. Oder viel mehr. Das war drin, bevor Julian auftauchte. Der versucht nämlich immer mit mir über Dinge, die während des Films laufen zu diskutieren oder ähnliches. Seid er das macht ist es dahin mit der Ruhe, weil er dabei manchmal so auffällig ist, dass WIR ermahnt werden!

Das ich durch seine Schuld in seinen Blödsinn hineingezogen werde, scheint ihm gar nicht bewusst zu sein! Dieser unsensible Trottel!
 

Meine Schwester macht sich schon immer lustig über mich, wenn sie von diesen Geschichten, über ihre Freunde hört, die sich nicht nur über ihre Klasse, sondern auch über meine und andere Klassen ausweiten. Ja ihr Freundeskreis ist so groß, dass es fast beängstigend ist. Ich habe mal gehört dass man über nur 6 Menschen auf dieser Welt, mit allen anderen Menschen in Verbindung gebracht werden kann, oder so ähnlich. Verrückt! Bei mir kann ich mir das gar nicht vorstellen, da ich mich von anderen der menschlichen Spezies ja eher fernhalte. Das aus gutem Grund! Um mich vor Spinnern, wie Julian zu schützen. Der soll mir mal ganz bequem aus der Sonne gehen!
 

*
 

"Oh, das hättest du sehen müssen, wie dieser Julian unserem Romeo den Hof macht.", berichtet meine Schwester glucksend und meine Mutter ist nicht weniger angetan. "Wirklich? Sieht er denn gut aus?", will sie begeistert wissen. July macht kurz ein nachdenkliches Gesicht, dann aber nickt sie lächelnd. "Ja, sehr gut. Er passt ziemlich gut zu unserem düsteren Romeo.", kichert sie. Täusche ich mich, oder geht das in eine ganz seltsame Richtung?

"Meinst du? Das wäre in der Tat sehr schön.", erwidert meine Mutter."Es wäre einfach zu schön, wenn mal jemand käme der ihn ein wenig auflockern könnte. Da wäre es mir auch egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Hauptsache mein Junge ist glücklich.", schwärmt sie und ich habe das Gefühl, dass mir so langsam einfach alles aus dem Gesicht fällt.

Sag mal gehts noch?! Kann es sein, dass die Beiden einfach so über meinen Kopf hinweg über eine mögliche Beziehung mit einem TYPEN reden?

"Leute...ich bin anwesend, falls ihr das schon vergessen habt."

Darauf hin reagieren die Beiden jeweils mit einem Lächeln, das irgendwie synchron und auch irgendwie unheimlich ist. Wo zum Teufel, bin ich da nur rein geraten?

"Oh, das habe ich ganz vergessen."

"Ja mein Liebling, entschuldige. Diese Thematik hat uns so berauscht, dass wir gar nicht anders konnten.", entschuldigt sich meine Mutter.

Berauscht? Wovon? Was zum Teufel haben die geraucht?!

Entsetzt ziehe eine Augenbraue hoch.

Knurrend kaue ich auf meiner Unterlippe herum.

"Jetzt hört schon auf mit diesem Unsinn! Das ist überhaupt nicht Lustig!", demonstriere ich lautstark und verlasse den Raum, um mir meine Schuhe anzuziehen. Ich habe beschlossen spazieren zu gehen, da ich es hier einfach nicht mehr aushalte!

Meine Mutter kommt hinterher. "Ach Schatz jetzt sei doch nicht beleidigt! Das war doch nicht böse gemeint.",versucht sie mich zu besänftigen.

"Ich bin nicht beleidigt, ich bin verärgert! Es war gedankenlos! Mich einfach wie nen Schwulen dazu stellen!", nicht das ich was gegen Homosexualität hätte oder so. Nein! Von mir aus soll jeder so leben wie er es für richtig hält, aber mich sollen sie da bitte raushalten!

"Aber Schatz...", schmollt sie, "Und ob du beleidigt bist...aber wenn du schon mal unterwegs bist, kannst du auch gleich noch was vom Supermarkt mitbringen.", also langsam hackt es...

Zur Belustigung meiner Schwester bringen alle Widerworte nichts. Promt drückt meine Mutter mir lächelnd eine Einkaufsliste und ihren rosa-roten Einkaufskorb in die Hände und schiebt mich nach draußen. Peinlicher geht es schon fast nicht mehr!

Da motiert meine Idee von einem entspannenden Spaziergang wohl oder übel zu einem Spießrutenlauf...wie sich feststellt.

Von allen Seiten werde ich angeglotzt und hier und da höre ich Kommentare wie, "Schwuchtel", "Ist das eine Tunte?"...

Wütend drehe ich mich um.

"HEY! Noch nie nen Typen mit nem rosaroten Einkaufskorb gesehen oder was?!", murre ich laut und die Stimmen verstummen und die Gesichter wenden sich ab und tun so, als hätten sie mich gar nicht bemerkt.Jetzt weiß ich wieder warum ich Menschen nicht mag! Eine aufdringliche, nervige Spezies!
 

Missmutig setze ich meinen Weg fort und gelange schließlich zur Einkaufsstraße. Hier gibt es jede Menge Geschäfte. Von Supermärkten bis hin zu Schuh- und Bekleidungsgeschäften, Bäckerläden und sogar einen Laden der nur Schals verkauft. Ganz zu schweigen von dem ständigen Gerüchen, die sich hier sammeln und einen fast wahnsinnig machen und zum kaufen verführen wollen. Von leckerem Fast-Food nämlich. Döner gibt es hier gefühlt an jeder zweiten Ecke. Ich glaube meine Schwester ist der einzige Mensch in meinem Alter den ich kenne, der diesem Wahnsinn widerstehen kann. Die kauft sich nicht mal Popcorn, wenn sie ins Kino geht. Das Einzige was sie schwach werden lässt sind Klamotten. Denn sie hat den Hang dazu alles zu kaufen, was ihr auch nur fünf Sekunden gefällt. Ihr Kleiderschrank platzt fast aus allen Nähten und es ist natürlich auch fatal für ihren Geldbeutel. Ich will nicht wissen wie oft sie mich schon mit ihrem süßen, bittenden Gesicht versucht hat zu überreden ihr etwas von meinem eisern angesparten Taschengeld zu leihen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Meistens habe allerdings ich das Nachsehen. Das ist nicht unbedingt ermutigend, oder etwas worauf ich sonderlich stolz bin. Es zeigt mir immerhin in regelmäßigen Abständen meine Inkonsequenz auf und manchmal glaube ich sogar fast an einer Art Schwester komplex zu leiden.
 

Ich erreiche den Supermarkt in dem meine Mutter fast immer einkauft. Schon seid unserer Kindheit. Egal um welches Produkt es sich handelt, wenn man sie fragen würde wo es ist könnte sie den Weg genauesten beschreiben und sogar die Höhe des Regals nennen. Ich hingegen irre hier immer noch ziellos durch die Regale auf der Suche nach den Lebensmitteln, die meine Mutter aufgeschrieben hat, obwohl ich das schon einige Male gemacht habe.

Wenn mich eines nervt. Dann einkaufen!

Schlecht gelaunt schiebe ich daher den Einkaufswagen vor mich her und starre noch schlechter gelaunt durch die Regale auf der Suche nach den gesuchten Produkten. Meine Mundwinkel zucken angewidert als ich so Dinge wie "Tofu" oder "Brockolie und Rosenkohl" lese. Ich hasse Tofu! Und von Kohl muss ich k...jedenfalls ist es ziemlich eklig. Da hat bestimmt July ihre Finger mit im Spiel. Den Zutaten nach will sie wohl wieder mal ihren voll abgefahren Brokolie- und Rosenkohlauflauf machen. Würg...wie kann man seinen Mitmenschen so etwas antun?

Wärend ich den Einkaufszettel im Gehen angewidert anstarre bemerke ich die Person nicht, die im Gang stehen bleibt und promt fahre ich in ihn hinein.

Ich höre nur ein Stolpern und werde aus meinen Gedanken gerissen. Als sich mein Blick auf die Person richtet gleitet mir beinahe alles aus dem Gesicht.

"Du..!", sage ich entsetzt.

"Romeo!", antwortet Julian und scheint sich ziemlich zu freuen, obwohl ich ihn gerade fast umgefahren habe. Daran scheint er sich aber nicht zu stören, sondern strahlt mich an.

"Julian, hast du dich entschieden was du möchtest?", sein Blick wird auf ein Mädchen mit hellbraunen offenen Haaren gelenkt, dessen Haare nur an den Seiten mit Spangen befestigt sind. Sie schiebt einen Einkaufswagen mit einigen Lebensmitteln vor sich her, die verdächtig nach Party aussehen und... Irgendwoher kenne ich dieses Mädchen...

"Rome! Da bist du ja.", Julian hebt die Hand mit einem Lächeln und hält ihr dann zwei Konservendosen vor die Nase.

"Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Pfirsich oder Mandarinen? Was meinst du ist besser?", will er kindlich wissen und sie sieht die Konserven nachdenklich an und fällt kurz darauf eine Entscheidung. "Wir können doch beides nehmen. Schmeckt zusammen nicht verkehrt"

Julians Augen fangen an zu leuchten. So wie es aussieht ist er mit dieser Entscheidung mehr als zufrieden.

Währenddessen versuche ich mich in dieser tollkühnen Entscheidungsphase zu verdünnisieren, da ich es nicht für nötig halte ihm dabei zuzusehen. Nachher kommt die Nervensäge noch auf komische Gedanken! Auch wenn ich mir später das Gemecker meiner Mutter anhören muss, dass ich den Einkauf nicht gänzlich beendet habe.
 

"Hey! Stehen geblieben!", höre ich dann Julians Stimme und zucke augenblicklich zusammen, fühle mich sogar ein bisschen ertappt. Aber wobei nur? Langsam drehe ich mich zu dem grinsenden Julian um. "Du willst doch nicht ohne deinen Einkaufswagen gehen."

Er deutet mit dem Finger auf meinen einsamen Einkaufswagen, den ich bei meinem Fluchtversuch beinahe zurückgelassen habe. Wie war das noch...Entteerungen sind nun mal nötig, wenn man überleben will...oder so ähnlich.

Ich bringe nur ein mageres, "Äh..", heraus.

Rome kichert etwas höhnisch. "Und vor allem nicht ohne diese süße Einkaufstasche. Die Farbe steht dir übrigens sehr gut Romeo."

Stimmt, das ist diese Tussi, die ihre Mitmenschen verhöhnt, ohne das es ihr jemand krumm nimmt. Julians ewiges Anhängsel.

Ich finde das allerdings gar nicht witzig!

Schnaubend, miesepeterig gehe ich auf die Beiden zu und begebe mich zu meinem Einkaufswagen, um ihn an ihnen vorbei zu schieben. Nicht aber, ohne einen letzten Angriff meines Stolkers.

Er hält mich am Arm fest, was mir unwillkürlich einen seltsamen Schauer durch den Körper jagt. Ich schlucke, das ist mir irgendwie unheimlich.

"Warte...ich feiere am Freitag Abend eine kleine Party. Komm doch auch!", teilt er mir mit.

So schnell wie ich meine Fassung verloren habe, so erlange ich sie wieder und antworte mit meiner Standardantwort.

"Nein!", dann entziehe ich ihm meinen Arm und gehe Stur den Gang entlang. "Hast du etwa schon was anderes vor? Jetzt sag schon!", will er hartnäckig wissen.

"Geht dich nichts an!", erwidere ich. Mein Weg führt mich direkt zur Kasse bis zu der er mich verfolgt. "Dann besteht also die Chance, dass du vielleicht doch Zeit hast."

"Julian? Kannst du deinen Plausch auf später verschieben? Wir sind noch nicht fertig mit einkaufen!",tönt Romeas belustigte Mädchenstimme durch den Laden.

Julian seufzt genervt. "Ja, ja, ich komm ja schon!", murrt er. "Dann bis morgen in der Schule! Dann frage ich dich einfach noch mal!", beharrt er hartnäckig.

Ich sehe düsteren Aussichten entgegen.

Hört das denn nie auf?
 

Die Antwort lautet. Nein.

Wie konnte ich mir so eine Frage überhaupt stellen?

Alle Fluchtversuche, die ich in den darauf folgenden Tagen unternommen habe, waren die reinste Zeitverschwendung. Julian findet mich einfach überall, egal wo ich mich verstecke. Seine Fragen zu Freitag , ob ich seine Einladung annehme, laufen auf Dauerschleife, wie ein schlecht gewähltes Radioprogramm.

So langsam aber sicher wird es echt kriminell!

Auch, weil July mich täglich damit aufzieht und ihr schadenfrohes Grinsen, ihr mittlerweile maßgeblich ins Gesicht gemeißelt ist.
 

Am Freitag, schlägt mein ganz persönlicher Stolker, dem Fass den Boden aus. Im wahrsten Sinne des Wortes!

Nach der Schule bin ich ihm nur knapp entkommen, dafür muss ich wohl mit den Konsequenzen leben.

Am liebsten will ich vor Scharm im Boden versinken, als meine Schwester in mein Zimmer stürmt und mich herzlichst kichernd bittet, aus dem Fenster zu sehen.

"Na los! Das musst du dir ansehen Bruderherz!", meint sie nur und schiebt mich direkt zum Balkonfenster, um es rasch zu öffnen.

Ich muss nicht lange warten.

Unten steht Julian mit einem Schild auf dem steht: Komm unbedingt zu meiner Party! Als mein Freund!

Bitte was?!

Ich muss schon sagen, dass sind ganz schön große Buchstaben! Mit denen macht er sich UND mich zum Affen. Denn so wie er damit vor meinem Balkon rumspringt, erweckt das die Aufmerksamkeit der halben Nachbarschaft. Und was meint er mit Freund???

Oh mein Gott..! Nicht doch!

Zu allem Überfluss scheint ihn mein entsetztes Gesicht auch nicht im Geringsten zu stören! Ganz im Gegenteil, er winkt mir viel zu gut gelaunt zu. Damit nicht genug. Er fängt auch noch an nach mir zu rufen. Dieser gestörte...!

"Romeo! Romeo! Da bist du ja! Ich muss dir was wichtiges sagen!", ruft er so laut zu mir hoch, dass ich es gar nicht mehr überhören kann!

Unwillkürlich laufe ich knallrot an vor lauter Peinlichkeit.Ich sollte mich verstecken! Wo ist nur das Erdloch, wenn man es mal braucht!? Verdammte Scheiße!

Viele Fragen schießen quer durch meinen Kopf...

Wieso wollte ich nur unbedingt dieses Zimmer haben?

Warum blühen diese verdammten Rosenranken gerade so unverschämt farbenfroh, an der Mauer neben meinem Balkon entlang?

Und warum zum Teufel, springt dieser durchgeknallte Idiot mit diesem Plakat durch diesen verfluchten Vorgarten!?

Knurrend umgreife ich das Geländer meines Balkons, um ihm meine Meinung zu offenbaren.

"Lass mich endlich in Ruhe! Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Weißt du eigentlich wie mega peinlich das ist, was du hier abziehst? Wir sind schon der Mittelpunkt der Straße!", schreie ich ihn an.

Leider lässt sich der Verrückte nicht davon beeindrucken.

Was verdammt noch mal, was läuft nur falsch bei dem?

Ich weiß, da ist irgendwo son System-Error oder so.

Wenn ich noch ein paar Sekunden zu lange hier rumstehe,bekommt er sicher noch mehr so seltsame Ideen.

"Und wenn schon! Ich pfeif drauf was andere denken! Wie wäre es, wenn du mich rein lässt, dann ist es vielleicht nicht mehr ganz so peinlich.", meint er breit grinsend.

Damit bekundet er mir wohl, dass er sich nicht eher verziehen wird, bevor ich ihn rein lasse und mir seine dämlichen Ideen anhöre.

Ich schnaufe, als meine Schwester neben mir auftaucht und ihm fröhlich zuwinkt. "Hey, Julian! Komm zur Tür, ich lass dich rein! Mein Bruder hört sich nur zu gern an was du zu sagen hast!"

Alles was ich tun kann ist, wortlos da zustehen und an das Wort, Verrat, zu denken!

Stecken die beiden etwa unter einer Decke? Zuzutrauen wäre es ihnen.

"Danke Julia!", ruft der Verrückte seiner Namensvetterin zu. Ich kann gerade noch, "July! Das wagst du nicht!", rufen, als sie auch schon verschwunden ist und plötzlich geht alles schneller als ich gucken kann.
 

Ich kann gerade noch meine neugierige Schwester aus dem Zimmer verbannen und die Tür verschließen, als Julien, es sich bereits auf meinem Bürostuhl bequem macht.

Unverschämtheit! Kaum das man ihm den Rücken zudreht, richtet er sich auch schon häuslich ein.

Mit verschränkten Armen vor der Brust stehe ich nun vor ihm und werfe ihm bitterböse Blicke zu. Ich glaube, dass ich damit versuche eine eventuell, plötzlich eintreffende Herzattacke zu verhindern, da mein Herz rast wie sonst was.

Das ist sicher die innere Wut...oder was weiß ich.

"Ist schön dein Zimmer.", durchbricht er die Stille.Ich gebe nur irgendwelche brummigen Geräusche von mir.

Komm zu Punkt!- Denke ich mir in jenem Moment, als der eben noch so selbstbewusste Spinner vor mir plötzlich tief durchatmet und sogar schlucken muss.

Was geht denn jetzt ab?

"Und? Was wolltest du mir so dringendes sagen?"

Bitte lieber Gott lass es nicht das sein, was ich vermute!-bete ich.

Leider vergebens...

Schnell findet er zu seinem Julian-Spinner-hat nicht mehr alle Tassen im Schrank-Modus zurück und spricht aus, was ihm auf der Seele brennt.

"Ich bin in dich verknallt! Und ich möchte, dass du mein Freund wirst!"

Obwohl ich eine Ahnung hatte, bin ich irgendwie geflasht.

"Das kann nicht dein ernst sein! Wieso solltest du dich ausgerechnet in mich verlieben?", reagiere ich ungläubig. Ja, wieso sollte er? Ich tue doch so überhaupt nichts, was mich liebenswert macht.

Mein Gegenüber legt den Kopf schief und schaut mich eine Weile einfach nur an.

Dann grinst er wieder, "Tja, das wusste ich auch erst nicht. Um ehrlich zu sein, war es mir bis vor kurzem nicht einmal wirklich bewusst.Ich weiß nur, das du mir in der Schule sofort aufgefallen bist! Hab die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie es wohl wäre mit dir befreundet zu sein.", teilt er mir mit.

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben.

"Aber Freundschaft, ist doch etwas ganz anderes, als eine Beziehung!", nörgle ich mit pochenden Herzen und im Grunde habe ich auch gar kein Interesse an einer solchen Freundschaft, geschweige denn an einer Beziehung.Zumindest habe ich noch nie über so etwas nachgedacht.

"Ja, schon. Ich hab's ja selbst nicht gecheckt,bis Rome mir erzählte, das sich fast unsere ganzen Gespräche nur noch um dich drehen und ich permanent von dir schwärme, obwohl du mich nicht gerade liebenswert behandelst.Sie kann zwar manchmal ziemlich nervig sein, aber sie kennt mich besser als jeder andere.", stellt er nüchtern fest, ohne dabei auch nur eine Miene zu verziehen. Soll den einer verstehen...

"Tja und da habe ich fest gestellt, das mich das überhaupt nicht juckt. Ganz im Gegenteil! Ich finde es total süß, wenn du dich aufregst und versuchst dich vor mir zu verstecken.", meint er schelmisch grinsend.

Mir fehlen die Worte...ist er etwa masochistisch veranlagt?

Das wird ja immer verrückter!

Genau!

Verrückt! Er muss einfach verrückt sein! Erst diese durchgeknallte Schildaktion und dann dieses Liebesgeständnis...das ist einfach zu viel!

Mir bleibt nichts anderes übrig, als kurz inne zu halten und erst mal Luft zu holen.

Dann verschränke ich die Arme vor der Brust und versuche so cool wie nur irgend möglich zu bleiben.

"Und was ist, wenn ich deine Gefühle nicht erwidern kann? Dann war diese ganze peinliche Aktion umsonst!", halte ich ihm standhaft vor Augen. Aber auch das schreckt ihn nicht ab.

Nein! So wie es aussieht beflügelt es ihn eher etwas noch verrückteres zu tun.

Er nimmt es zum Anlass einfach auf zustehen, mich an meiner Hüfte an sich zu ziehen und auf den Mund zu küssen.

Das schockt mich so sehr, das ich erst gar nicht in der Lage bin mich zu wehren.

Stattdessen geht so ein Strom durch meinen Körper und ich fühle wie meine Wangen ganz heiß werden, mein Herz rast...

Ich brauche eine gefühlte Ewigkeit bis ich aus meiner Schock starre erwache,ihm in sein strahlend, grinsendes Gesicht blicke und ihn mit meinen Händen versuche auf Abstand halten, was ihn nicht daran hindert mich nur noch fester an sich zu drücken.

Ganz zu schweigen von diesen Peinlichkeiten, die er mir ins Ohr flüstert und die Situation nicht gerade besser machen...

"Na das ist doch klar! Ich versuche es so lange, bis du mir sagen kannst, das du mich liebst!"
 

Okay jetzt ist es amtlich! Er ist wirklich verrückt...und vielleicht sogar...ein klitzekleines bisschen... liebenswert...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leser!

Der Titel heißt:
"Wenn ich dich erreiche..."
Ich finde, das der Titel im Allgemeinen ganz gut getroffen ist, auch wenn es wohl eher indirekt Anklang findet, da sich dieser Satz keineswegs in die Geschichte selbst verirrt hat, aber wenn man genau ließt, kann man sich vorstellen, wie er sich zwischen den Zeilen wieder findet.
Diese Geschichte ist nicht so typisch wie das was ich sonst so schreibe.
Ich schreibe sonst eher dramatischere Sachen mit viel mehr Romantik und bleibe auch selten so nüchtern.
Ich glaube, dass ich den Hauptcharakter Romeo ziemlich schwierig gestaltet habe und den zweiten Hauptcharakter Julian vielleicht etwas ZU verrückt und aufdringlich. Romeo ist so manifestiert in seiner Denkweise, das er bis zum Schluss ziemlich stur bleibt, wenngleich sich seine Raue Schale doch etwas öffnet und auch Julian zeigt einen Moment lang seine Schwäche. Ich finde Schwächen, machen uns Menschen, erst menschlich...und auch, wenn diese Story vielleicht nicht das Ende hat, das sich der eine oder Andere gewünscht hat, finde ich es gut so.. da sich dieses Ende eher zum Aspekt einer Kurzgeschichte eignet, als ein völlig geschlossenes.
So bleibt es meinen Lesern überlassen wie sich die Geschichte weiterspinnen lässt...

Ich hoffe ihr hattet viel Spaß dabei!

LG Middy<3 Komplett anzeigen

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