Zum Inhalt der Seite

Er sieht mich nicht

HP-Weihnachtswichteln auf Fanfiction.de
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo lieber Leser,
schön, dass du hier her gefunden hast!
Mit diesem kleinen Weihnachts-OS läute ich jetzt schon einen Tag vorher die
Feiertage 2015 ein. Ich hoffe, es gefällt :)
Über Rückmeldung und Anregungen freue ich mich sehr,
viel Spaß beim Lesen,

Nubes Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Weihnachtsmorgen

Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, den Blick strickt auf die Pflastersteine vor sich gerichtet. Er wollte nichts von dem ganzen Trubel, dem bescheuerten Glockengebimmel und der dämlichen Heiterkeit um ihn herum wissen. Der Wind trug immer wieder Fetzen bekannter Weihnachtslieder durch die Luft und aus den Schaufenstern der Geschäfte sprang einem die gold-silberne, schreiende Feiertagsdekoration beinahe ins Gesicht. Verächtlich schnaubte er auf. Diese ganzen rotbäckigen, übermäßig gut gelaunten Idioten, die an diesem Morgen noch herum eilten, um die allerletzten Geschenke zu kaufen, gingen ihm tierisch auf die Nerven. Percy Weasley hatte beschlossen, dass Weihnachten dieses Jahr ausfiel und dabei würde es bleiben. Es gab verdammt nochmal nichts zu feiern. In den Fuchsbau würde er schließlich sowieso nicht gehen. Penelope hatte ihn vor vier Wochen verlassen.  Er hatte heute also niemanden, zu dem er gehen konnte. Daran änderte auch die weiße Schneedecke nichts, die sich gestern über die sonst eher dreckige Londoner Innenstadt gesenkt und ihr ein märchenhaft idyllisches Aussehen verliehen hatte. Es war alles perfekt. Percy hätte kotzen können.

 

Während er seinen trüben Gedanken nachhing, hatte er unbewusst bereits sein Ziel erreicht. Vor ihm erstreckte sich das schäbige, alte Kaufhausgebäude. Über dem Haupteingang waren die Buchstaben des Namens Reinig & Tunkunter schon so sehr verblasst, dass man viel Phantasie brauchte, um es noch lesen zu können. Nachdem er sich vorsichtig umgesehen hatte, sprach er leise die kaputte Schaufensterpuppe an und stand nur Sekundenbruchteile später in der Eingangshalle von St. Mungos, wo reger Betrieb herrschte. Überall huschten Heiler in ihren limonengrünen Umhängen herum. Viele Besucher und Familienangehörige hatten sich zu dieser frühen Stunde noch nicht eingefunden, es war schließlich erst zehn Uhr morgens. Spätestens am Nachmittag würde es auch hier von Menschen in bester Laune und wahrscheinlich mit Bergen von Geschenken für ihre kranken Angehörigen bepackt nur so wimmeln. Die Konfrontation mit so viel Weihnachtsfreude wollte Percy unbedingt vermeiden, das fehlte ihm heute noch. Aber Katie zuliebe war er trotzdem aus dem Haus gegangen. Er wollte nicht, dass Katie, die einzige, auf die er sich noch verlassen konnte, die ihm ohne Einschränkung und immer beistand, heute alleine war. Auch wenn er Weihnachten für sich gestrichen hatte, wusste er doch, wie sehr sie es liebte. Ihre Eltern waren geschäftlich in Asien unterwegs und konnten sie deshalb erst morgen besuchen. Sie würde den Weihnachtsabend deswegen alleine verbringen müssen. So wie er.

 

Damals war Percy erstaunt gewesen, als ihn die stille kleine Katie Bell, die nie zuvor das Wort an ihn gerichtet hatte, eines Tages in einem verlassenen Gang im 3. Stock angesprochen hatte, als er gerade einen seiner Kontrollgänge als Vertrauensschüler absolvierte.  Schüchtern hatte sie ihn nach einigem Gestotter gefragt, ob er ihr Nachhilfe in Verwandlung geben würde, da sie von seinen Brüdern gehört habe, dass er einer der besten seines Jahrganges sei. Damals war sie gerade im zweiten Jahr gewesen und er bereits in seinem fünften. Als ihr verantwortlicher Vertrauensschüler konnte er natürlich nicht ablehnen.

Die nervige Pflicht war mit der Zeit mehr und mehr zu einer Herzensangelegenheit für Percy geworden. Zunächst war Katie sehr schüchtern und ehrfurchtsvoll gewesen, aber bald war sie aufgetaut und ihr sonniges Gemüt war zum Vorschein gekommen. Ihr Talent, Geschichten, nicht selten die neuesten Streiche seiner Brüder Fred und George, äußerst komisch und fesselnd zu erzählen und mit Gestik und Mimik zu unterstreichen, brachte ihn mehr als einmal zum Lachen. Percy mochte dieses stille, aber so herzliche und fröhliche Mädchen und hatte sie bald in sein Herz geschlossen. Ihr positives Wesen und ihre damals noch kindliche Art hatten ihm gut getan und tauten ihn etwas auf, standen sie doch im absolutem Gegenteil zu seinem eigenen Charakter. Bald war sie wie eine kleine Schwester für ihn geworden.

Als Katie älter geworden war, hatte sich ihr Rollenverhältnis verändert. Die Nachhilfestunden waren nicht mehr nötig gewesen, aber ihre ungleiche Freundschaft war geblieben. Irgendwann hatte er erstaunt feststellen müssen, dass nun Katie diejenige war, die Ratschläge ersteilte und er derjenige, der sie darum bat. Zum Beispiel, was seine Beziehung zu Penelope betraf. Katie war schließlich ein Mädchen und wusste über solche Dinge besser Bescheid.  Die komplexen Denk- und Verhaltensweisen einer Frau waren schon damals und blieben auch heute für Percy immer ein Rätsel.

 

Katie hatte ihm auch in den letzten schwierigen Monaten die Treue gehalten. Er wusste wohl, dass ihr der  selbstverschuldete Bruch mit seiner Familie im Herzen weh tat, denn sie war schließlich auch mit seinen Brüdern befreundet. Aber sie machte ihm keine Vorwürfe, zumindest sprach sie es nicht aus und das rechnete er ihr hoch an. Und dann war dieser schreckliche Unfall passiert. Fast vier Wochen hatte es gedauert, bis sie wieder aus der Ohnmacht aufgewacht war und seitdem erholte sie sich nur langsam. Percy hatte sich geschworen, dass er demjenigen, der ihr die verfluchte Halskette angedreht hatte, persönlich den Hals umdrehen würde, wenn man denn endlich wissen würde, wer es gewesen war. Den faden Beigeschmack, dass er selbst erst eine ganze Woche nach ihrer Einlieferung nach St. Mungo davon erfahren hatte, weil er ja keinen Kontakt mehr zu seiner Familie und den alten Freunden hatte, hatte er damals zu verdrängen versucht, was ihm bis jetzt nur leidlich gelang.

Seit Katie aufgewacht war, besuchte er sie regelmäßig. Sie machte Fortschritte, aber das Krankenhaus verlassen können würde sie wohl erst in einigen Wochen.

 

Da er Katies Zimmernummer bereits kannte, machte er sich ohne Umweg zur Rezeption in Richtung des vierten Stockes auf, wo sich die Station für Fluchschäden befand. Auf dem Weg grübelte er immer noch vor sich hin, so dass er unvorbereitet zusammenzuckte, als er aus Katies Zimmer Stimmen hörte. Bevor er reagieren konnte, wurde die Tür geöffnet und ein lachender Oliver Wood stand in der Tür, der sich gerade seinen Wintermantel anzog. Wie immer sah er blendend und wie das blühende Leben aus. Das genaue Gegenteil von Percy eben, dessen müde Augenringe und blasse Haut sich nicht mal mehr mit Magie beschönigen ließen.

 

„Natürlich Katie, keine Ursache. Lass es dir schmecken. Ich hoffe, ich schaffe es nach den Feiertagen, vorbei zu schauen. Halt die Ohren steif.“

 

Percy stand stocksteif und mit weit aufgerissenen Augen im Gang. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Womit hatte er neben diesem schrecklichen Weihnachtsmist jetzt auch noch einen offenbar bestens gelaunten Oliver Wood verdient?

Oliver drehte sich jetzt um und trat auf den Gang hinaus. Als er Percy erblickte, wurde sein Blick weniger herzlich und sein Ton eher förmlich, als er mit einem knappen Nicken und einem „Weasley“ an Percy vorbeiging, der ein ebenso knappes „Wood“ erwiderte, und auf das Treppenhaus zusteuerte.

 

Percy seufzte, jetzt noch niedergeschlagener als  zuvor und betrat Katies Krankenlager. Sie hatte es sich mittlerweile gemütlich gemacht, immerhin war sie ja nun schon seit fast drei Monaten hier. Ein paar Pflanzen standen im Raum, alle zurzeit geschmückt mit magischen Lichtern. Sie hatte einen Adventskranz auf ihren Tisch gestellt, an dem heute alle vier Kerzen brannten und an den Fenstern klebten rote Strohsterne. Auf dem Nachttisch standen einige Bilder, von denen eines sie lachend mit Alicia zur Rechten und Angelina zur Linken zeigte, alle drei in ihren dreckbespritzen Quidditchumhängen. Über ihrem Bett hing eine rot-goldene Kordel mit 24 Säckchen daran. Die Zwillinge hatten ihr diesen Adventskalender mit lauter Kleinigkeiten aus ihrem Laden geschenkt. Der Gedanke an seine Brüder verstärkte das flaue Gefühl in Percys Magen noch mehr.

 

Er seufzte noch einmal und suchte missmutig nach einem Hacken für seine Jacke. Als er endlich einen an der Wand neben Katies Bett gefunden hatte, wendete er sich ihr zu und setze ein Lächeln für sie auf. Er umarmte sie zur Begrüßung und zog das kleine Päckchen mit der silbernen Schleife, welches er vor dem Schnee in seiner Tasche geschützt hatte, hervor. Katie saß auf ihrer Bettdecke im Schneidersitz und sah ziemlich müde aus, aber ansonsten schien es ihr heute ganz gut zu gehen. Sie hatte gute und schlechtere Tage, Percy hatte bereits beides erlebt. Ihre Augen glitzerten und sie lachte, als sie das Geschenk entgegennahm.

 

„Oh danke, Perce! Das ist lieb von dir. Ich freue mich wirklich sehr, dass du doch noch gekommen bist.“

 

Percy winkte ab und warte gespannt, was sie sagen würde. Er hatte ihr etwas zurückgeben wollen und sich den Kopf zerbrochen, was er ihr schenken sollte. Sonst gab es ja auch niemandem, dem er etwas hätte schenken können… Die Konzertkarten für die Weird Sisters, die er für Penelope besorgt hatte, hatte er bereits einem Arbeitskollegen geschenkt. Er wäre sowieso nur ihr zuliebe dorthin gegangen. Das war ja jetzt nicht mehr nötig.

 

Katie war immer für ihn da gewesen, in all der einsamen Zeit der vergangenen Monate. Er wollte ihr irgendwie zeigen, wie dankbar er ihr dafür war. Also hatte er ihr ein Armband gekauft, für das er einen filigranen Anhänger hatte anfertigen lassen, der eine jagende Löwin darstellte. Diese bewegte sich munter frei auf dem ganzen Armband, schnurrte oder aber fauchte den Betrachter auch ab und zu an, je nachdem. Eine Kämpferin, genau wie Katie selbst. Außerdem hatte er eher schlecht als recht versucht, Plätzchen zu backen. Seine Küche hatte ausgesehen wie nach einem Blitzeinschlag. Backen war definitiv nicht Percys Fachgebiet, aber das Ergebnis schmeckte ganz passabel, so dass er es doch noch als halbwegs anständigen Erfolg bewerten konnte. Von diesen hatte er ihr auch einige mitgebracht, stellte sie jetzt auf dem Tisch ab und setzte sich zu ihr aufs Bett.

 

„Und, was sagst du dazu? Gefällt es dir?“

 

Katie hatte inzwischen das Schächtelchen ausgepackt und bestaunte das Armband, bevor sie sich vergnügt zu Percy hinüber beugte, ihn flüchtig auf die Wange küsste und sich freudestrahlend bedankte.

Dieses Lachen war den Aufwand wert gewesen, es wärmte sein schweres Herz ein wenig auf. Percy musste nun selbst grinsen. Wie immer reichte Katies bloße Anwesenheit, um ihn aufzuheitern. Er war jetzt froh, dass er gekommen war.

 

„Du bist der beste, Perce! Danke, wirklich, es ist toll. Und ich sehe, gebacken hast du auch? Das ist zu viel der Ehre!“

 

Sie grinste breit und er streckte ihr lachend die Zunge heraus.

 

„Ich kann mir vorstellen, wie deine Küche ausgesehen haben muss. Erst bringt mir Oliver Stollen vorbei, jetzt du die Plätzchen. Das ist wirklich ein Weihnachtsmorgen, wie er sein soll.“

 

Oliver… schon wieder Oliver Wood. Schlagartig wurde Percy wieder unruhig, stand auf und fuhr sich fahrig durch die Haare. Katie bemerkte den Stimmungsumschwung natürlich sofort und seufzte. Sie kannte ihn besser als er sich selbst, ihr konnte er nichts vormachen. Umso höher rechnete er ihr an, dass sie ihn nicht direkt darauf ansprach. Sie klopfte wieder neben sich aufs Bett und fragte ihn unverfänglich nach der Arbeit und nach ein paar Kollegen, die sie auch kannte. Sie erzählte ihm von einem Weihnachtsmann, der am Abend zuvor die jungen Patienten auf der Kinderstation beschert hatte, was wohl ein großer Spaß gewesen war und noch so einige andere Anekdoten aus den letzten beiden Wochen; unter anderem von einem anderen Patienten, bei dem der Versuch, sich selbst in einen großen Lebkuchenmann zu verwandeln, reichlich schief gelaufen war. Während sie davon erzählte, standen ihr vor Lachen die Tränen in den Augen. Percy freute sich, sie so vergnügt zu sehen. Es tat ihm selbst gut.

Schließlich stand er auf und ging hinaus in die Cafeteria, um ihnen beiden eine Tasse Kaffee zu holen, denn Katie wollte nun unbedingt die Plätzchen probieren. Als er wiederkam, war sie bereits aus dem Bett aufgestanden und langsam zu dem kleinen Tisch gelaufen. Heute war tatsächlich ein sehr guter Tag.

Als sie sich nun gegenüber saßen, musterte ihn Katie eine Weile, bevor sie die Plätzchen probierte und ihn überschwänglich dafür lobte, wenn auch mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Percy versuchte, entrüstet zu wirken, schaffte es aber nicht wirklich und streckte ihr nun seinerseits halbherzig die Zunge heraus.

 

„Jaja, ärgere mich nur, du Meisterbäckerin, zeig erstmal, dass du es besser kannst. Aber jetzt Spaß beiseite, wie geht es dir? Fühlst du dich besser?“

Er sah Katie besorgt an, aber sie winkte lächelnd ab.

 

„Du brauchst dir echt keine Sorgen machen, es wird schon wieder. Es geht so langsam vorwärts, wie du siehst habe ich die Deko doch ganz ordentlich hinbekommen und das fast ohne Hilfe. Fred und George waren hier und haben mir diese Lichter mitgebracht und vom Weihnachtsgeschäft im Laden erzählt. Muss unglaublich viel los sein, sie mussten dann auch gleich wieder los. Bei ihnen Zuhause herrscht auch das übliche Weihnachtschaos, also alles wie immer, haben sie erzählt. Ron versteckt sich vor seiner Lavender im Fuchsbau und ist offenbar ziemlich froh, sie für ein paar Tage los zu sein. Ginny dagegen muss übel gelaunt sein, weil ihre Beziehung mit Dean Thomas nicht so gut läuft. Angie war auch die Woche hier, hat über die anstrengende Ausbildung zur Aurorin und den Vorweihnachtsstress gejammert und über Alicias neue Liaison gelästert, denn die will uns nicht verraten wer es ist, mit dem sie neuerdings ausgeht. Du siehst, ich bin bespaßt genug, zwar nur der übliche Wahnsinn, aber wenigstens ist mir dann nicht langweilig. Ah, und ich hab die Astronomie als neues Hobby für mich entdeckt.“

 

Wie immer hatte Katie es wieder geschickt hinbekommen, ihm genau jene Fragen, die ihm am meisten auf der Seele brannten, wie beiläufig und im Plauderton zu beantworten. Natürlich wusste sie, dass er wissen wollte, wie es seiner Familie ging, auch wenn sein Stolz ihm nicht erlaubte, sie nach ihnen zu fragen. Noch so etwas, für das er ihr unendlich dankbar war. Er wusste tief in seinem Inneren, dass er einfach nur zu feige war. Aber er schaffte es einfach nicht, über seinen Schatten zu springen und sich das einzugestehen. Er konnte nicht zurück, dafür war es schon zu spät.

Um das unangenehme Thema zu wechseln, griff er ihre letzte Bemerkung auf und schaute sie mit gerunzelter Stirn und einem ungläubigen Lächelnd an.

 

„Du trittst also neuerdings in Trelawneys Fußstapfen?“

 

Sie lachte und zeigte auf das Teleskop, das in einer Ecke des Raums stand.

 

„Nicht ganz, mein Lieber. Astronomie, nicht Astrologie… Ich kann so oft nicht richtig schlafen, dass ich genug Zeit habe, um den Winterhimmel zu studieren. Immerhin finde ich mittlerweile fast spielend leicht Orion und Perseus, am Rest arbeite ich noch.“

 

Katie sah, dass sein Blick nun schon zum zweiten Mal zu dem schick verpackten Christstollen wanderte, der auf ihrem Nachttisch stand. Sie zog eine Augenbraue hoch und natürlich wusste sie, wohin er einmal mehr mit seinen Gedanken abgeschweift war. Jetzt zeigte sie weniger Erbarmen als noch vor zwei Stunden, als Percy gekommen war und grinste amüsiert in seine Richtung.

 

„Vielleicht würde es dir allerdings wirklich eher helfen, wenn ich dir auf Trelawney-Art erkläre, dass ich aufgrund des Winkels, in dem Jupiter heute im 12. Haus steht, und dem starken Einfluss des Mars absolut garantiert voraus sagen kann, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, um sich mal über einige Dinge klar zu werden. Und mit Dinge meine ich Gefühle.“

 

Percy fühlte sich ertappt und schaute schuldbewusst zu Boden.

 

„Ach Perce, immer wieder dieses leidige Thema? Wann wirst du dir endlich den Gefallen tun und sprichst Oliver einfach mal an? Wir wissen beide, warum Penelope mit dir Schluss gemacht hat. Und ich kann es ihr nicht verdenken. Dir kann man echt nicht mehr helfen. Oliver beißt nicht.“

 

Percy stand auf und ging jetzt ruhelos im Zimmer umher, ein Zeichen, dass er innerlich sehr erregt war. Er suchte augenscheinlich nach Worten, setzte auch immer wieder an, etwas zu sagen, fand sie aber nicht und verstummte gleich wieder. Katie beobachtete ihn einige Zeit, dann seufzte sie und schüttelte den Kopf.

 

„Meine Güte, setz dich wieder hin, du hast ja Hummeln in Hintern, Percy Weasley. Das macht mich ganz nervös, wenn du so im Kreis rennst.“

 

Er seufzte und nahm wieder ihr gegenüber Platz.

 

„Er sieht mich doch gar nicht, Katie. Warum sollte er auch, er lebt in einer ganz anderen Welt als ich. Ich bin ein Versager. Schau mich doch an, ich sehe schlimmer aus als ein siebzigjähriger Greis mit diesen Schatten unter den Augen. Denk ja nicht, ich wüsste das nicht. Die Arbeit frisst mich auf, sogar morgen habe ich einen Termin mit dem Minister. Meine Familie redet kein Wort mehr mit mir. Ich bin ein Nichts… Und Wood... Oliver… er ist so perfekt! Attraktiv, gutaussehend, immer im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Kein Wunder, ganz England kennt ihn und das zu Recht. Hast du dir schon mal seine gestählten Muskeln angesehen? Die müssen trainieren wie die Verrückten bei Puddlemere United. Ich… ich hab doch nie und nimmer eine Chance. Und überhaupt, er ist ständig von so vielen hübschen Hexen umgeben, willst du mir ernsthaft erzählen er nähme keine von denen mit ins Hotel? Und Alicia gibt es ja auch noch, er war schon in der Schule immer verrückt nach ihr, das wusste jeder…“

 

Percy hatte sich für seinen Charakter ungewöhnlich heftig in Rage geredet und wäre er heute nicht sowieso schon so unsagbar deprimiert und überarbeitet gewesen, diese Worte wären ihm niemals über die Lippen gekommen, auch nicht vor Katie. Seine Nerven lagen blank, das sprach aus jeder Geste und jedem Wort. Aber es war nötig, dass Percy sich endlich bewusst wurde, wie die Dinge lagen, fand Katie. Und deswegen hatte sie ihn mit der Nase darauf gestoßen, auch wenn er ihr Leid tat. Dafür waren Freunde eben da. Sie wollte ihn beruhigen und streckte ihre Hand nach ihm aus, aber er redete bereits weiter, während er sich die Haare so sehr raufte, dass Katie erschrocken zurückzuckte.

 

„Es hat keinen Sinn, Katie. Ich hab auch nichts Besseres verdient. Lass uns bitte über etwas anderes reden. Heute ist Weihnachten, ich will dir nicht deinen Lieblingsfeiertag mit meiner Laune verderben.“

 

Jetzt sah er erschöpft aus. Katie sah ihn an und tätschelte beruhigend seine Hand. Ihm gut zu zureden schien sie nicht weiter zu bringen. Um die Situation zu durchbrechen, bat sie ihn, noch zwei Tassen Kaffee zu holen, damit er sich sammeln konnte. Sie ging zurück in ihr Bett, zu langes Sitzen strengte sie noch ziemlich an und seufzte. Sie machte sich Sorgen um ihren „großen Bruder“, aber es war im Moment sehr schwer, an ihn heranzukommen. Besonders schwierig war es allerdings, von ihrem Krankenlager aus zu helfen, denn ihr Aktionsradius war leider immer noch stark eingeschränkt. Sie hoffte, dass sie es trotzdem etwas tun konnte.

 

Als Percy wieder kam, lächelte sie ihm zu und verwickelte ihn in ein unverfängliches Gespräch über einen kürzlich in der Presse viel diskutierten Einfuhrskandal über nicht eingehaltene Normen der Mindestwanddicke importierter Kupferkessel und schon bald echauffierte er sich so leidenschaftlich über die schlampigen ausländischen Qualitätskontrollen, dass er fast wie der alte Percy erschien, den sie von früher kannte.

Über ihrem Gespräch war es schon dämmrig geworden, was in diesen dunklen Wintermonaten stets schon am frühen Nachmittag der Fall war. Als Katie auf die Uhr schaute, stellte sie erstaunt fest, dass es beinahe 16 Uhr war.

 

„Oh, schon so spät. Dann werden wohl bald Angie und Alicia auf der Matte stehen. Sie wollten bis um vier hier sein, bevor sie bei ihren Familien aufkreuzen müssen.“

 

Percy wirkte auf einen Schlag wieder beunruhigt. Angelina Johnson war die Beinahe-Freundin seines Bruders Fred und er wollte ihr ungern über den Weg laufen, weswegen er schnell aufstand und Anstalten machte, sich zu verabschieden.

 

„Dann wird ich wohl mal losgehen, Katie. Du hast dann ja wieder Gesellschaft und ich möchte eure Mädelsrunde nicht stören. Ich komme wieder, sobald die Arbeit es zulässt, ok?“

 

Katie wollte schon widersprechen, verstand dann aber, warum er so überhastet gehen wollte und verkniff sich, was sie sagen wollte. Sie hatte ihn heute wegen Oliver schon genug drangsaliert. Sie umarmte ihn zum Abschied und sah ihm dabei zu, wie er sich in Schal und Mütze wickelte. Die Temperaturen lagen jetzt deutlich unter 0°C und es musste eisig draußen sein.

Percy ging in Richtung des Flurs und griff nach der Türklinke, als Katies Stimme ihn noch einmal zurückschauen ließ.

 

„Frohe Weihnachten, Perce. Trotz allem. Halt die Ohren steif.“

 

Er lächelte ihr zu, wenn er auch den traurigen Ausdruck in den Augen nicht ganz verbergen konnte.

 

„Frohe Weihnachten, Katie.“

 

Damit verließ er das Zimmer und er hatte kaum die Türe geschlossen, als Katie begann, ein paar Worte auf ein Stück Pergament zu kritzeln. Sie öffnete das Fenster, pfiff einmal leise und band ihrem auf dem Fenstersims landenden Waldkauz die Nachricht ans Bein. Sie strich ihm kurz über den Kopf und steckte ihm ein Plätzchen in den Schnabel.

 

„Tut mir leid, Odin, dass ich dich bei diesem Wetter losschicken muss. Aber wenn ich nicht aus diesem Zimmer raus kann, musst du eben heute den Weihnachtsengel spielen.“

 

Der Kauz zwickte sie kurz sanft in den Finger, breitete seine Schwingen aus und war innerhalb von Sekunden im dämmrigen Nachmittagshimmel verschwunden.

 

________________________________________________

Percy schoss die Augen und ließ sich vom eisigen Abendwind die Haare zerzausen, obwohl er eigentlich sowieso schon entsetzlich fror. Es erzeugte eine angenehme Leere in seinem Kopf, so als ob der Wind alle seine Sorgen einfach forttragen würde. So weit oben über dem Boden war der Lärm der Großstadt nicht mehr zu hören. Er kam immer hier her, wenn er nachdenken wollte. Wenn er einen klaren Kopf bekommen musste. Hier, ganz oben auf dem Turm über dem Haupteingang der altehrwürdigen Westminster Abbey, würde ihn niemand stören. Hierher verirrten sich nur sehr selten ein paar Handwerker, wenn etwas restauriert werden musste. Der Aufstieg war nur über komplizierte, uralte Treppenwirrung zwischen den Mauern möglich, weswegen dies wirklich nur im Notfall geschah. Und da heute Weihnachten war, hatten die Menschen sowieso alle besseres vor. Die Christmette würde auch nicht vor Mitternacht stattfinden.

 

Eine Weile lang stand Percy nur still da und rührte sich nicht, als er auf einmal das Gefühl hatte, nicht mehr alleine zu sein. Das konnte doch nicht sein… diesen Platz kannte niemand außer ihm selbst. Er erschrak, als er leise Schritte vernahm, die näher kamen. Jemand trat neben ihn und lehnte sich genau wie er auf die Steinmauer. Wie Percy blickte er geradeaus über das Lichtermeer von London. Als er die Stimme erkannte, erstarrte Percy und er stöhnte innerlich auf. Musste dieser Tag denn wirklich noch schlimmer werden? Warum war er hier? Ausgerechnet er…

 

„Dachte ich mir doch, dass ich dich hier finde, Percy. Es blieben ja nicht mehr viele Alternativen übrig.“

 

Jetzt war er vollendends verwirrt und drehte den Kopf langsam nach rechts. Es dauerte einige Sekunden, bis er die Sprache wiederfand, die Oliver Wood nutzte, um seinen Blick weiter zufrieden über das abendliche London schweifen zu lassen. Da stand er, einfach so, in einem eleganten schwarzen Wollmantel, Lederhandschuhen und einem dicken, blauen Wollschal, augenscheinlich völlig entspannt, als wäre es das normalste auf der Welt, am 24. Dezember auf dem Dach einer alten Kirche in der Kälte zu stehen.

 

Percys Gehirn arbeitete daran, einen sinnvollen Satz zu formulieren. Was hatte das alles zu bedeuten?

 

„Wood.. ich meine, Oliver…was hast du… warum bist du… ähh… du hast mich ges… woher wusstest du, dass ich hier sein würde?“

 

Oliver lachte leise und sah Percy jetzt vergnügt ins Gesicht.

 

„Katie wusste es natürlich, wer sonst.“

 

Er drehte den Kopf wieder nach vorne und schwieg, während Percy ihn immer noch anstarrte. Sein Verstand konnte sich immer noch keinen Reim auf das alles machen.

Schließlich seufzte Oliver, zog sich seine Handschuhe aus rieb die Hände kurz aneinander, um sie etwas zu wärmen.

 

„Wirklich wunderschön, diese Aussicht. Ich kann verstehen, dass du gerne her kommst. Auch wenn es ganz schön zieht hier oben.“

 

Während er sich wieder zu Percy drehte, hatte er seinen Zauberstab gezogen und schwang ihn kurz beiläufig in einer flüssigen Bewegung.

Percy blickte über sich, als er ein Knistern vernahm. Erstaunt beobachtete er, wie sich langsam dichtes Pflanzenwerk über den ganzen steinernen Bogen des Mauerwerks ausbreitete und Blätter und kleine weiße Beerenfrüchte aus den Ästchen herausbrachen. Olivers Stimme holte ihn in die Realität zurück, sodass er den Kopf wieder in dessen Richtung drehte, noch immer völlig überfordert mit der Situation.

 

„Weißt du Percy, niemand sollte am Weihnachtsabend alleine sein, finde ich. Es ist ein Fest der Freude und es wäre wirklich schade, wenn du ihn in dieser Eiseskälte hier oben mit Grübeln verbringst. “ 

 

Damit beugte er sich zur Seite, die Hände noch immer gegen die Kälte in den Taschen und berührte sanft, aber bestimmt für einen kurzen Moment Percys eiskalte Lippen mit seinen. Dann sah er ihn an, lächelte verschmitzt und zwinkerte ihm zu.

 

„Fröhliche Weihnachten, Percy.“

 

Mit diesen Worten drehte er sich um und seine Schritte verklangen in der Dunkelheit des alten Gemäuers. Percy starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Blätter und Äste, die sich jetzt über den ganzen Fensterbogen erstreckten. Sein Gehirn brauchte eine Weile, bis sie diese zuordnen konnte.

 

Es waren Misteln.

 

____

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück