Zum Inhalt der Seite

Eine Keksdose voller Worte

Projekt 'Buchzitate'
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Summary: 
Fünf Tage nach der Schlacht sind viele der DA – Mitglieder und ihre Freunde am Grimmauldplatz untergekommen. Plötzlich taucht nicht nur Molly Weasley auf, sondern auch Draco Malfoy. Vorbei ist es mit der Ruhe im fürnehmen und gar alten Haus der Blacks …
Genre: Schmerz/Trost Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Oneshot ~ Traumata ~ Molly Weasley

Man hat immer eine Wahl, nur treffen manche Leute die falsche.* (‚Du bist nie allein‘ von Nicholas Sparks)
 

Leise Gespräche und das Klappern von Geschirr erfüllten den Küchenraum des Hauses am Grimmauldplatz Nummer 12 mit Leben. Kerzen aus buntem Wachs steckten in den Wandhalterungen und sorgten für ein warmes Licht. Irgendjemand hatte all seine Kreativität walten und die Wände in den vier Hausfarben von Hogwarts erstrahlen lassen. Über der steinernen Spüle saßen Adler und Dachs einträchtig an einem schimmernden, von feinem Pinselstrich gezeichneten See, während oberhalb eines Regales der Löwe verspielt damit beschäftigt war, den Schwanz der Schlange zu erreichen, die mit spöttischem Gesichtsausdruck auf dem Ast der friedlichen peitschenden Weide lag.

Ein köstlich frischer Duft nach einem leichten Sommergericht hing in der Luft und die Stimmung schien gelöst – wenn auch nicht freudig ausgelassen. 

Harry und Ginny saßen nebeneinander an der Stirnseite der langen Tafel auf einer hölzernen Bank. Er hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt und lauschte den vielstimmigen Gesprächen, die um ihn herum durcheinander schwirrten. Er war angenehm satt und entspannt und spürte einen Frieden in sich, der … Harry zuckte zusammen, als die streitlustige Stimme von Ginnys Mutter schrill und vollkommen unerwartet durch den Raum hallte.

„Ronald und Ginevra Weasley! Was denkt ihr Euch eigentlich, was ihr hier tut?“

Erschrockenes Klirren ertönte, als Löffel in Teller fielen. 

Ron, der schlafend mit dem Kopf in Hermines Schoß auf der Bank gelegen hatte, fiel mit einem dumpfen Aufprall zu Boden, als diese hastig aufsprang.

Padma Patil stieß einen Schrei aus, während Seamus auf die Sitzbank gesprungen war, den Zauberstab in Kampfhaltung.

„Expelliarmus!“, rief Harry umsichtig und Seamus Stab, dessen Spitze gerade zu Glühen begonnen hatte, um einen raschen Fluch auszuführen, flog hoch in die Luft und landete in Harrys Hand.

Harry verließ seinen Platz und ging auf den keuchenden Seamus zu, legte diesem die Hand auf die Schulter und drückte ihn zurück in eine sitzende Position. „Hey, alles klar?“ Harry musterte seinen Mitschüler forschend und nahm seine Hand erst von dessen Schulter, als dieser nickte.

„Was soll das hier werden? Ein Auffanglager für gestrandete Hogwartsschüler?“, keifte Molly Weasley erneut, während sie noch immer mit in die Seiten gestemmten Fäusten vor dem Kamin stand und die Jugendlichen grimmig anfunkelte.

„Mrs. Weasley. Sie können doch nicht hier rein platzen und anfangen zu schreien“, sagte Harry und konnte den leisen Unmut nicht aus seiner Stimme verbannen.

„Mum, echt mal!“, begann nun Ginny, die sich mit gequältem Ausdruck im Gesicht an die Arbeitsplatte lehnte. „Vielleicht kannst du es dir nicht vorstellen, aber es sind gerade Mal fünf Tage vergangen, seit der Schlacht. Die Meisten von uns stehen noch etwas unter Strom!“

„Kannst froh sein, dass Seamus dich nicht in die Luft gesprengt hat, Mum. Was' n los?“, kam es mürrisch von Ron, der sich die Augen rieb und müde aus der Wäsche guckte.

„Was los ist?“, fauchte Molly, nun in gemäßigterer Lautstärke. „Ich will euch sagen, was los ist. Meine Kinder kommen nicht nach Hause. Und das, obwohl dieses der einzige Ort sein sollte, an dem sie ...“

„Mum, du weißt doch, dass wir hier sind. Wir sind doch nicht hierher gegangen ohne ein Wort, oder was?“ Ron sah Hilfe suchend zu seiner Schwester und zuckte die Schultern.

„Und was ist mit Euch anderen? Was sagen Eure Eltern dazu, dass ihr die Gesellschaft eurer Familien verweigert“, wandte Mrs. Weasley sich nun an die anderen jungen Hexen und Zauberer, die am Tisch saßen.

Ron machte eine vage Handbewegung und deutete den anderen den Raum zu verlassen, was diese sich nicht zweimal sagen ließen.

Harry räusperte sich, als sich die Tür knarrend hinter dem Letzten geschlossen hatte. „Mrs. Weasley … Molly! Von einigen sind die Eltern noch nicht wieder im Land – sie hätten ja in Hogwarts bleiben können, aber dort … Wie sollte dort irgendjemand Ruhe finden? Professor McGonagall weiß doch Bescheid und von den Lehrern sieht immer mal einer hier vorbei. Die Eltern sind informiert und von …“, er senkte die Stimme zu einem verhaltenen Flüstern, „... von Dennis, Susan und Cho sind die Eltern durch die Todesser verschleppt worden. Man weiß noch nichts.“

„Aber das ist doch kein Zustand! Ihr könnt Euch doch hier nicht rotten, wie verlassene Straßenhunde!“

„Sind wir denn etwas anderes?“, fragte Harry mit leiser, aber provozierender Stimme.

Ron gähnte herzhaft. „Godric, Mum. Ich war die ganze Nacht mit Charlie, Percy und den Auroren unterwegs, um ...“

„Du?“, brauste Molly erneut auf, was Ron tadelnde Blicke von Hermine, Ginny und Harry einbrachte – er machte eine hilflose Handbewegung und ließ Mollys Zurechtweisung stoisch über sich ergehen.

„Mum, können wir vielleicht hochgehen, in eines der anderen Zimmer und bei Kaffee und Keksen in Ruhe sprechen, ich denke nicht ...“

Hinter ihnen loderten die Kaminflammen grün empor und nur Sekunden später trat Draco Malfoy, einen Rucksack geschultert, in die Küche und schaute sich neugierig um. Gerade als Harry ihn begrüßen wollte, stieß eine herumwirbelnde Molly diesen jedoch beiseite. Bevor einer von ihnen auch nur den Zauberstab hätte ziehen können, jagte ein roter Lichtstrahl auf Draco zu und traf ihn mit Wucht. Es riss den Slytherin von den Füßen und er prallte hart gegen die steinerne Kamineinfassung, bevor er reglos zu Boden ging.

Hermine und Ginny schrien leise auf, während Harry und Ron auf den am Boden liegenden Blonden zu stürzten.

„Mum! Hast du gerade ... du hast doch nicht wirklich einen Stupor auf einen von uns ...“

„EINEN VON EUCH? Habt Ihr Euch an Severus Snapes Verwechslungstränken vergriffen? Draco Malfoy ist ein Todesser! Liest denn keiner von Euch die Tageszeitung?“

Ginny rollte mit den Augen. „Nein, tun wir nicht!“, entgegnete sie scharfzüngig.

Mit einem leisen Stöhnen versuchte der Blondschopf sich aufzurichten und verharrte auf allen Vieren. „Bei Salazar ... habe ich deine Einladung missverstanden, Potter? Oder gilt ... gilt das als Zeichen deiner ... Gastfreundschaft.“

Harry wirkte zerknirscht. „Scheiß Timing, Malfoy.“

„Bist du ok?“, wollte Ron wissen, der eine gewisse räumliche Distanz zu Malfoy trotz allem vorzog.

„Mum, hast du vollkommen den Verstand verloren?“, keifte Ginny nun ungehalten und ging nun ihrerseits neben Malfoy in die Hocke. „Kannst du aufstehen?“

„Vermutlich ...“, presste Draco hervor und ließ sich von Harry und Ginny auf die Beine ziehen.

„Eigentlich bin ich nicht so eine Memme, aber meine Rippen sind noch nicht wieder ganz verheilt und … Wow, Mrs. Weasley – eine solche Energie hätte ich hinter Ihren Flüchen nicht erwartet.“ Er versuchte sich in einem schmalen Lächeln.

Molly Weasley kam mit grimmigem Gesichtsausdruck näher und funkelte den Blondschopf finster an. „Damit hat Ihre Tante Bella auch nicht gerechnet, Mr. Malfoy. Sie hat es mit Ihrem Leben bezahlt, mich zu unterschätzen!“

Draco schluckte und stützte sich ein wenig schwerer auf Harry. „Das waren Sie?“

„Ein Problem damit, Mr. Malfoy? Ich würde es nämlich jederzeit noch einmal tun, wenn ein solches Gesindel meiner Familie zu nahe kommt. Und Sie sind meiner Familie gerade sehr nah!“

Harry und Ginny tauschten irritierte Blicke. Was war denn nur in Molly gefahren?

Ron hatte seiner Mutter einen Arm um die Schultern gelegt und zog sie sanft mit sich. „Mum, komm! Hermine wird uns sicher einen Kaffee … Tee - ich meine Tee – kochen und dann reden wir in Ruhe.“

„Vielleicht sollte irgendjemand gucken, ob irgendwo etwas vom Trunk des Friedens aufzutreiben ist ...“, murmelte Ginny, sodass nur Harry und Draco sie hören konnten.

Aus Mollys Miene war der kämpferische Ausdruck gewichen, zurück blieb ein kummervoller Blick, der niemandem entging. Ginny presste die Lippen aufeinander und deutete Harry, dass sie Ron und ihrer Mum folgen würde, während Hermine mit zitternden Händen den Teekessel füllte und auf den Herd stellte.

„Es ist wegen Fred, oder?“, fragte sie leise in den Raum hinein.

Harry brummte lediglich einen mürrischen Laut. Die vergangenen Tage waren unendlich kräftezehrend gewesen. Die Trauer der anderen, ihre Traumata und die Ungewissheit über den Verbleib von Freunden und Verwandten, all das ließ sie kaum zur Ruhe kommen. Im Ministerium ging es drunter und drüber, sodass es für die jungen Kämpfer kaum eine Regelung gab. Es gab keine offiziellen Zufluchtsorte, keine Hilfe – niemanden der für irgendetwas zuständig war. Das gesamte System der Zaubererwelt war zusammengebrochen und einzig die noch immer umherziehenden Horden an ehemaligen Greifern und Todessern, galt es zu schnappen. Die Gefahren waren noch nicht vorbei. Das Haus am Grimmauldplatz war groß genug, um wenigstens die Mitglieder der DA und die engsten Freunde sicher unterzubringen. Da Severus Snape ja scheinbar doch Dumbledores Mann gewesen war und Yaxley während der Schlacht gefallen, galt das ehemalige Anwesen der Blacks als sicher.

Harry half Draco auf einen Stuhl und musterte ihn forschend. „Na, geht’s wieder?“

Der Blonde nickte, doch seine Miene verriet eine andere Wahrheit. 

„Hmmm ...“, machte Harry nachdenklich, „egal, Malfoy, klär das halt mit Zabini. Ich kann dir eh nicht helfen.“

„Gibt es echt was, das nicht in deiner Macht liegt, Erlöser?“, stichelte Draco gepresst, bekam jedoch allmählich wieder Farbe ins Gesicht. „Danke, Potter. Ich bin echt froh, dass ich nicht im Manor bleiben muss. Und danke auch dafür, dass ihr euch für mich eingesetzt habt, wegen ...“

Der Dunkelhaarige unterbrach ihn mit einer Handbewegung und nickte nur knapp. „Kein Ding. Ist sicher nicht einfach im Moment. Aber es hat einen Grund, warum du herkommen solltest. Es geht um Blaise.“

Dracos Kopf schnellte hoch und er fixierte den anderen alarmiert. „Was ist mit ihm?“

Harry ließ sich auf einen Stuhl fallen und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Als er eine Hand auf der Schulter spürte schaute er auf. Hermine stellte zwei dampfende Teetassen zwischen die beiden Erzrivalen und räusperte sich kurz. „Es geht um Anthony. Er ist … Nach der Schlacht hatten die Beiden bei Anthonys Eltern unterkommen wollen. Als sie dort ankamen … Todesser haben die Familie überfallen. Sie haben … Die Familie wurde gefoltert und ... Sie haben alle getötet“, berichtete Hermine stockend.

Draco schluckte schwer und schloss für einen Augenblick die Augen. „Alle?“, krächzte er mit rauer Stimme.

„Ja, auch Anthonys kleine Schwestern“, knurrte Harry und verließ seinen Platz, um in der Küche auf und ab zu gehen, wie er es häufiger tat. Hilflose, zornige Ohnmacht ergriff immer häufiger von ihm Besitz. Dabei taten sie alles, um den Frieden wieder herzustellen. Im Schnellverfahren hatte man sie einige Tests absolvieren lassen, um ihre Tauglichkeit zu überprüfen – insbesondere auf emotionaler Ebene. Und so hatten Ron, Harry und Neville die Erlaubnis erhalten, die Auroren bei dem Kampf gegen die letzten verbliebenen Anhänger Voldemorts zu unterstützen. 

Und dennoch. Während ihrer Suche nach den Horkruxen hatten die Freunde fernab von all dem Schrecken gelebt. Die Isolation hat ihnen viele Grausamkeiten erspart, die sie nun umso härter trafen. Harry hatte die Hände auf die steinerne Arbeitsplatte gestützt und ließ den Kopf hängen. Er war froh, um die regelmäßigen Kontakte zu Kingsley, Professor McGonagall und den anderen noch verbliebenen Professoren von Hogwarts, doch ihm fehlte ein Mentor. Jemand, der ihm half die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und wie so oft, traf ihn die Trauer um Remus, Sirius und all die anderen wie ein Fausthieb. Ohne weitere Worte zu verlieren, stieß er sich von der rauen Oberfläche ab und verließ das Zimmer.

Draco presste Daumen und Zeigefinger gegen seine Nasenwurzel. Dann räusperte er sich und schaute auf. „Wieviel habt ihr schon von den vergangenen Wochen … Monaten erfahren?“

„Genug, um zu wissen, dass es das Richtige war, dich während der Schlacht nicht einfach umbringen zu lassen“, entgegnete Hermine mit leiser Stimme. „Du hast dem Orden wichtige Informationen beschafft, ja?“

Er zuckte mit den Schultern. „Viel war es nicht …“

„Es konnten einige Übergriffe verhindert werden. Und – du hast deine Slytherin-Leute mit Verwechslungszaubern belegt, sodass die Bestrafungen anderer Mitschüler milder ausfiel.“

Draco zuckte mit den Schultern. „Es war nicht richtig.“ Er machte eine ausladende Handbewegung. „Alles, meine ich. Ich hatte vor einigen Stunden ein gutes Gespräch mit meiner Mutter. Beim … beim ersten Mal, als Vater in unserem Alter war und das Dunkle Mal erhalten hat, da war es anders. Es ging ...“

„Es ging immer um Rassenunterschiede, Malfoy! Das ist Schwachsinn, was du sagst! Es ging immer darum, dass reinblütige Zauberer glauben, besser zu sein als andere!“, fauchte Hermine ungehalten.

Er nickte. „Ja, natürlich waren die Beweggründe für all das rassistischer Natur. Ich widerspreche dir nicht, Granger! Und ich sage nicht, dass meine Eltern keine sehr egoistischen Gründe hatten, sich dem Dunklen Lord anzuschließen. Doch dieses Mal ging es nicht mehr um den Blutstatus allein. Es ging nur noch um die Demonstration seiner Macht. Es gab keine Privilegien mehr. Er hat meinen Vater gemolken wie eine Kuh, als es nichts mehr gab, was Vater für ihn hätte tun können, musste er als Zielscheibe für allerlei Erniedrigungen und Demütigungen herhalten ...“

„Mir kommen die Tränen, Malfoy! Muss ich mir das anhören?“, knurrte Hermine ungehalten und funkelte ihn zornig an. „Wenn Voldemort von deinem Vater verlangt hätte, ihm drei kleine Mädchen – nehmen wir Anthonys Schwestern als Beispiel – zu bringen, damit er sie foltern kann, um an irgendwelche Informationen zu gelangen… Dann hätte dein Vater sich geweigert?“ Sie lachte hämisch auf. „Im Leben nicht! Er hätte es getan – weil er und alle anderen nur an ihrem eigenen Status Quo interessiert waren.“

Draco schnaubte abfällig. „Es ging nicht mehr um irgendwelche Allüren, Granger. Es ging ums Überleben.“

Hermine zog die Augenbraue hoch. „Ja – darum ging es, Malfoy! Ums nackte Überleben. Hätte dein Vater sich geweigert Voldemort zu unterstützen, hätte er ihm die Stirn geboten, dann ...“

„Dann hätte es niemandem geholfen – jedenfalls nicht in den letzten Jahren. Bei der geringsten Verweigerung hätte der Dunkle Lord Vater mit meinem Tod oder dem meiner Mutter bestraft.“

Hermine hatte die Fäuste in die Seiten gestemmt. „Harry ist allein in den Wald gelaufen, in der Absicht für Euch alle zu sterben. Und du erzählst mir von den Leiden des Lucius Malfoy?“ Sie schüttelte den Kopf und ärgerte sich über ihre Unfähigkeit die Tränen zurückzuhalten. Für einen momentlang verbarg sie ihr Gesicht in den Händen. Dann atmete sie tief ein und suchte den Blick des blonden Überläufers. „Niemand kann von dir verlangen deine Eltern für ihre Taten zu verurteilen, Draco. Und … und in ein paar Jahren würde ich dieses Gespräch gerne noch einmal mit dir führen. Heute ist es dafür noch zu früh. Ich bin zu wütend. Hab zu … zu viele Freunde an diese Sache verloren.“ Sie wandte sich ab, stockte, ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, als hätte sie vergessen, was als nächstes zu tun war. Doch dann fing sie sich. „Ok, ich … ich zeige dir wo Blaise Zimmer ist. “

Langsam stemmte Malfoy sich von seinem Platz auf. „Wo ist Anthony? Was ist denn mit Blaise?“

„Anthony ist weg. Er hat zwei Tage hier verbracht – gestern Morgen war er fort. Keiner weiß wo er ist. Blaise ist ziemlich am Boden. Er wollte dich, Daphne und Astoria sehen. Die Beiden sind schon bei ihm.“

Dracos Kopf schnellte herum. „Astoria ist hier?“

Hermine musterte ihn überrascht. „Ja, ist sie.“
 

„Sprich mit uns, Mum! Was ist los mit dir?“ Ron hatte sich vorgebeugt und schaute seine Mutter forschend an, während Ginny auf der Armlehne von Mollys Sessel saß und einen Arm um die Schultern ihrer Mutter gelegt hatte.

„Es geht dir nicht gut, was, Mum?“, flüsterte sie leise und legte ihre Wange an Mollys Schulter.

„Keiner von Euch ist mehr da ...“, wisperte sie mit beinahe tonloser Stimme. „Niemand möchte mehr nach Hause kommen. Dabei … Dabei waren wir doch alle solange fort. Euer Dad repariert … er … ich weiß gar nicht genau, was er macht. Wir haben uns gestritten, weil … Nur weil ich gekocht habe. Für uns alle. Ich habe den Tisch gedeckt für uns. Neun Gedecke.“

„Oh, Mum ...“ Ginny liefen stumme Tränen über die Wangen.

„Und da hat euer Vater mich angeschrien, ob ich verrückt sei … Arthur hat nie geschrien – noch nie. Und ja ... vielleicht werde ich ja verrückt. In dem leeren, stillen Haus.“

Wortlos ... sprachlos, hatte Ron die Hände seiner Mutter ergriffen, während Ginny sie fest in ihre Arme zog. „Es tut mir so leid, Mum. Wir haben nichts davon gewusst. Es tut mir so leid.“

Sie schwiegen eine lange Zeit. „Was ist mit Dad?“, durchbrach Rons raue Stimme die Stille.

Molly versuchte sich an einem zuversichtlichen Lächeln. „Es wird ihm bald wieder gut gehen. Es ist nur so … wir haben als Eltern ziemlich versagt. Wir haben … haben Freds Tod nicht verhindern können.“ 

Ginny holte tief Luft. „Mum, ihr dürft Euch daran nicht die Schuld geben.“

Molly lachte zittrig auf. „Nein, das weiß ich. Wir haben unseren Kampf gekämpft. Aber als es darauf ankam, waren wir an falscher Stelle. Und vielleicht hätten wir, wie viele andere auch, einfach untertauchen und die Sache aussitzen sollen.“

Ron schüttelte den Kopf. „Nein, Mum. Das … das wären dann nicht wir gewesen. Wir stecken nicht den Kopf in den Sand, wenn es brenzlig wird. Und wir wussten, dass so etwas passieren kann. Nur … ich habe immer gedacht, dass es eher mich … also, weil ich immer an Harrys Seite war. Und so … es wäre ok gewesen, wenn ich … aber … aber keiner … keiner von Euch“, presste er tränenerstickt hervor und ließ sich bereitwillig von Mutter und Schwester in die Arme ziehen.

Liebevoll strich Molly ihrem jüngsten Sohn durch die Haare. „Ich bin so stolz auf euch alle.“

„Und wir auf euch. Dich und Dad“, entgegnete Ginny mit einem schiefen Grinsen.

„Wisst ihr, wo Eure Brüder sind? Bill und Fleur sind im Shell Cottage. Fleur kommt jeden Tag durch den Kamin, um nach dem Rechten zu sehen. Das liebe Mädchen. Aber Charlie, Percy und George? Sind sie hier?“

Ron wischte sich über die Augen und nickte.

„Ja, Mum“, kam es allerdings von Ginny. „Charlie und Percy teilen sich ein Zimmer unterm Dach. Die Beiden und Ron waren heute Nacht unterwegs. Sie schlafen. Und George ist mit Angelina, Katie und Lee bei Alicia untergekommen.“

Ron schaute auf – der Blick ungewohnt bekümmert. „Wir sind in Kontakt, Mum. Wir lassen ihn nicht aus den Augen. Aber ich glaube, George kann das hier alles gerade nicht. Bei Lee und den anderen ist er gut aufgehoben.“

Molly stierte für einen Moment stumm auf einen Punkt am Boden vor sich. Dann seufzte sie leise. „Also gut. Aber ihr … was ist mit Euch. Könnt ihr nicht nach Hause kommen?“

Ginny und Ron tauschten unbehagliche Blicke. „Mum … hier haben wir was zu tun und … und auch immer einen zum Reden oder so.“ Erst jetzt fiel es Ron auf, dass der Gedanke an den leblosen Fuchsbau ihm Unbehagen bereitete, und er verstand was seine Mutter umtrieb. 

Ginny schien es genauso zu gehen, denn schließlich machte sie einen vernünftigen Vorschlag. „Aber vielleicht könntest du hier her zu uns kommen? Nur tagsüber und dann, wenn Dad dich nicht braucht. Aber … wir könnten hier echt Hilfe gebrauchen.“

Ron nickte beipflichtend und entlockte seiner Mum damit ein erstes echtes Lächeln. „Also gut. Wenn ihr mich hier haben wollt ...“
 

„Daphne und Blaise haben die ganze Nacht nach Anthony gesucht. Aber sobald er aufwacht wird er sicher heilfroh sein, wenn er hört, dass du hier bist.“

Draco und Astoria saßen auf der Treppe und unterhielten sich flüsternd, um das Porträt der alten Mrs. Black nicht zu wecken. Sie waren nah aneinander gerückt und hielten sich an den Händen.

„Geht es dir gut, Draco?“, fragte Astoria irgendwann, als ihr Freund nur geistesabwesend schwieg.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich … keine Ahnung. Ich … Ich wüsste gerne, wohin ich gehöre. Wenn ich im Haus meiner Eltern bin, dann habe ich das Gefühl am falschen Ort zu sein und hier ... hier geht es mir genauso“, gestand der Slytherin mit leiser Stimme. „Ich … Crabbe ist gestorben, bei dem Versuch Potter zu töten. Ich würde gern … gern um ihn trauern. Ich kenne ihn seit – solange ich lebe, glaube ich. Und nun ist er tot und ich habe das Gefühl, dass es nicht richtig wäre, deswegen traurig zu sein. Ich will auch nicht, dass mein Vater bis an sein Lebensende in Askaban einsitzt, obwohl es eigentlich die richtige Strafe wäre, für einen Todesser seines Ranges. Und ich …“

Astoria hatte eine Hand an seine Wange gelegt und einen Finger an seine Lippen. „Psst. Dann gehen wir ab sofort davon aus, dass ich so was wie die Schweiz bin – Astoria-Island. Neutrales Territorium. Und du bist hier, in meinem Hoheitsgebiet ein ganz normaler Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten, die so dazugehören. Beginnen wir ganz banal. Hier auf dieser kleinen Insel sind Grübeleien verpönt. Auch die Frage nach dem 'Wer bin ich?' ist irrelevant. Du bist! Und zwar am besten dicht bei mir. Das ist als Lebensgrundlage absolut ausreichend anzusehen. Also?“

Er schmunzelte schief. „Also gut. Und wie sehen meine Pflichten aus.“

„Rechte und Pflichten sind nicht trennscharf abzugrenzen. Es ist deine Pflicht mich anzulächeln und regelmäßig zu küssen. Dein Recht ist im Prinzip dasselbe.“

„Ok, wenn du denkst, dass küssen hilft – sollten wir es ausprobieren.“ Gerade, als er seine Lippen auf die ihren legte, erklang ein leises Räuspern hinter ihnen.

Als sie aufblickten, sahen sie Molly Weasley mit Ron und Ginny einige Stufen entfernt stehen.

„Es beruhigt mich zusehen, dass es ihnen wieder besser geht, Draco. Es tut mir leid, dass ich sie  angegriffen habe.“

Draco nickte ihr zu und versuchte sich an einem schmalen Lächeln. „Schon gut, Mrs. Weasley. Kann jedem mal passieren.“

Ron gluckste amüsiert. „Kann jedem mal passieren? Echt jetzt?“

Ginny boxte ihm in die Rippen. „Halt die Klappe!“

Molly musterte den blonden Slytherin forschend, bevor sie sagte: „Ich habe gerade von meiner Tochter gehört, welches Ihre Rolle gewesen war, in den vergangenen Monaten in Hogwarts. Das war unfassbar mutig von Ihnen, Draco! Sie haben es eindrucksvoll bewiesen: Man hat immer eine Wahl, nur treffen manche Leute die falsche*.“

„Danke, Mrs. Weasley.“ Der blonde Zauberer war überrascht von diesen Worten, und vielleicht, war er hier doch am richtigen Ort.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück