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TMNT - Schicksal?

von

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Komm, lach wieder!

Aus Raphaels Sicht:
 

Liebevoll drücke ich ihr nun einen sanften Kuss auf die Stirn, bis ich Bernadette mit einem schnellen Ruck hochhebe und sie nun wieder wie in eine Braut in meinen Armen liegt. Zunächst überrascht von meinem plötzlichen Handeln schaut sie mich mit großen Augen an und fragt mich erstaunt: „Was hast du jetzt schon wieder vor?“ So leicht werde ich ihr es aber nicht machen. Schließlich soll es eine kleine Überraschung werden und ein bisschen Spannung schadet ihr in Moment nicht. Dann kommt Bernadette zumindest mal auf andere Gedanken und lässt sich von dieser Schnepfe nicht weiter unterkriegen. „Das wirst du schon sehen. Lass dich einfach überraschen.“, antworte ich einfach nur grinsend und klettere schon mit ihr aus dem Fenster, ohne auch nur auf einen Kommentar von ihr zu warten. Mit schnellen Schritten und geschickten Sprüngen, eile ich mit meiner Liebsten von Dach zu Dach. Bernadette hat sich in der Zwischenzeit wieder in meinem Armen bequem gemacht und schmiegt ihren Kopf gegen meine Brust. Ich spüre förmlich, wie sehr sie meine Nähe geniest. Auch wenn sie vermutlich mit ihren Gedanken noch woanders ist, aber das wird sich bald ändern. Denn das, was ich mit ihr vorhabe, wird sie wiederaufbauen. Daran besteht für mich keinen Zweifel. Allein schon nach den vielen Nächten, in denen ich sie hauptsächlich nur in ihrem Zimmer besucht habe, hat Bernadette einen Tapetenwechsel bitternötig und auch das, was bald kommen wird, wird sie bald wieder zum Lachen bringen.

Siegessicher, dass mein Plan aufgehen wird, folge ich weiter meinen Weg und kann nach einiger Zeit schon das Ziel von weitem sehen: der Central Park. Eine riesiger, künstlich angelegter Stadtpark, der inmitten der Metropole angelegt wurde. Als meine Brüder und ich noch Kinder waren, hatte Donnie mir mal erzählt, dass dies alles hier mal ein Sumpfgebiet war. Irgendwie war das für mich kaum vorstellbar, da doch nichts darauf hindeutete. Ich glaubte sogar, dass er sich das damals nur ausgedacht hatte, damit er einfach nur etwas zu erzählen hatte. Doch ob das stimmt, oder nicht, war mir nie wirklich wichtig. Ich hatte ohnehin schon meine eigene Meinung dazu gebildet und die hält auch heute noch an. Allein die Landschaft ist es, weswegen ich mit Bernadette hierherkomme. Vermutlich war sie schon mal hier, aber bestimmt hat sie noch nicht alles von dem Park gesehen, was mir recht wäre. Kaum, dass wir die Nähe des Parks erreicht haben, bitte ich Bernadette die Augen zu schließen. „Also langsam machst du mich echt neugierig Raphael.“, meint sie dazu und schaut mich dabei etwas skeptisch an. „Vertrau mir einfach.“, ist das Einzige, was ich dazu erwidere. Schließlich tut sie es einfach achselzuckend, auch wenn ich mir sicher bin, dass ihr nicht so ganz wohl bei der Sache ist.

So mache ich mich lächelnd wieder auf dem Weg und betrete wenig später den Central Park. Ich muss aber noch eine Weile laufen, bis ich dann endlich den Ort erreicht habe, nach dem ich gesucht habe. Das Gelände erstreckt sich über mehrere Kilometer. Für die Bewohner von New York gibt es hier viel zu sehen und ich spreche hier nicht von den unzähligen Bäumen. Neben einem Zoo und den Gebieten für Sportaktivitäten oder Picknicks, gibt es hier einen kleinen Teich, welcher sich der Turtle Pond nennt. Wenn ich nicht wüsste, dass einige meiner Artgenossen dort hausen, könnte man fast schon glauben, die Menschen hätten den hier für meine Brüder und mich angelegt. Direkt an diesem kreuzen sich mehrere Dinge, sowie auch der Belvedere Castle. Eine alte Burg im mittelalterlichen Stil ist genau das, was ich Bernadette zeigen wollte. Das Gebäude befindet sich auf einer Anhöhe aus Gestein und ist auch deswegen das zweitgrößte Gebäude in diesem Park. Geschickt laufe ich auf den Felsen entlang und klettere schließlich auf der Mauer hoch, bis ich den höchstmöglichsten Teil, der von außen betretbar ist, erreicht habe. Diesmal war die Kletteraktion etwas schwieriger, weswegen ich Bernadette bat, sich an mir festzuhalten. Natürlich wurde ihre Neugier größer und sie wollte sogar schon die Augen öffnen, aber ich konnte sie noch rechtzeitig erwischen und meinte: „Nicht die Überraschung verderben.“ „Weißt du, dass du manchmal echt fies sein kannst.“, war natürlich gleich ihre Antwort darauf, aber ich schmunzelte nur.

Endlich habe ich den einen Turm erreicht und setze nun Bernadette vorsichtig ab. Für mich ist das schon amüsant, wie sehr sich meine Freundin das alles gefallen lässt, obwohl sie ständig den Drang verspürt, ihrer Neugier freien Lauf zu lassen. Auch wenn sie bis jetzt nichts gesagt hat, merkt man ihr das an und sie ist ständig in Versuchung, ihre Lider zu öffnen, was sie aber dann wieder brav seinlässt. Dass sie einfach mitspielt, ist einfach unbezahlbar und dafür liebe ich sie auch, aber ich sollte sie nicht zu sehr auf die Folter spannen.
 

Aus Bernadettes Sicht:
 

Ohne einen blassen Schimmer zu haben, was Raphael mit mir vorhat, schiebt er mich hin und her. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind und was wir eigentlich hier machen. Eigentlich habe keine Lust auf irgendwelche Scherze, oder Überraschungen. Die letzte „Sensation“, die ich mir heute bereits in der Schule antun musste, hat mir gereicht. Ich habe daher keinen Nerv für weitere solcher Aktionen. Doch Raphael besteht darauf: „Sei nicht so ungeduldig.“ „Du hast gut reden. Immerhin bin ich es ja, die von dir wie eine Marionette herumgeschubst wird.“, nörgle ich, bis mein Freund dann doch mit meiner momentanen Position zufrieden zu sein scheint: „Lass dich einfach überraschen. … Also gut, du kannst die Augen nun aufmachen.“ „Was hast du dir jetzt schon wieder einfallen lassen? …“, ist das Erste, was ich mein Freund frage, während ich seiner Bitte nachkomme. Doch kaum habe ich meine Frage gestellt, schon halte im nächsten Augenblick inne. Staunend sehe ich von dem Platz herab, an dem er mich gebracht hat und erblicke eine wunderschöne Landschaft mit einem großen Teich. Wo in aller Welt sind wir? Es unbeschreiblich schön hier. Als ich dann um mich herumsehe, merke ich, dass ich mich auf einer Burg befinde. Ein Licht geht bei mir auf. Denn kann es tatsächlich sein, dass das hier das Belvedere Castle ist? Ich habe schon einiges davon gehört und im Internet sogar Bilder davon gesehen.

Ich war aber noch nie in diesem Teil des Central Parks, weswegen mich meine Umgebung umso mehr fasziniert. So stütze ich meine Hände bei den Zinnen ab und schweife weiterhin meinen Blick umher. Es ist einfach wunderschön hier und obwohl es Nacht ist, spenden die vielen Laternen des Parks genügend Licht, sodass man hier einiges erkennen kann. Vielleicht aber ist es genau das, was die Umgebung umso faszinierender macht. Es wirkt beinahe schon mystisch. Als wäre ich inmitten eines Märchens aufgewacht, welches nun zu erkunden gilt. So viele Wege kreuzen hier. Wie in „Alice in Wunderland“ ziehen sie ihre Bahnen und laden einem ein, ihnen zu folgen. Es ist kaum vorstellbar, dass Raphael und ich uns eigentlich inmitten der Metropole befinden. Der sonst so lärmende Verkehr ist hier kaum hörbar. Als wäre in die weite Ferne gewandert, damit alles andere hier in der Nacht zu Ruhe kommt und seine eigene Welt offenbart. Es ist so friedlich hier und je genauer ich alles betrachte, desto mehr Details fallen mir auf. Egal ob es die Glühwürmchen sind, die am Teichrand umherschwirren und ihre Tänze vollziehen, oder ob es die Bäume sind, welche sich sanft beim leichten Wind hin und her bewegen. Es ist einfach eine romantische Atmosphäre und durch das ich mit meinem Liebsten auf einer Burg stehe, macht es die Sache umso schöner.

„Du steckst voller Überraschungen. Weißt du das?“, sage ich schließlich zu ihm und lehne mich genüsslich an ihm an, als er sich mir von hinten nähert. Ich spüre schon, wie er einen Arm um mich legt. Seine Wärme, die er ausstrahlt, ist etwas, was ich kaum beschreiben kann. In seiner Nähe fühle ich mich einfach geborgen und selbst wenn er einfach nur dasteht, ist es, als wenn ich mich bei ihm einfach fallen lassen könnte. Er würde stets da sein und mich auffangen. Raphael hat so eine liebevolle Seite an sich, was man sich von außen hin gar nicht vorstellen kann. Besonders, wenn er sich bei seiner Familie aufhält, zeigt er den starken, eher groben und sarkastischen Kämpfer, der sich von niemandem etwas so leicht sagen lässt. Auch seine Dickköpfigkeit und seine Wutausbrüche können ihn manchmal zum Verhängnis werden, aber dann ist er wieder so fürsorglich und einfühlsam, sodass man fast glauben könnte, er wäre eine völlig andere Person. Unterschiedlicher geht es kaum noch und doch liebe ich ihn dafür. So stimmt der Spruch, der besagt: Beurteile ein Buch nie nach seinem Einband. Es steckt einfach mehr dahinter und das gilt auch für meinen lieben Raphael. Allein mit dieser Geste macht er mir eine große Freude, obgleich er mich einfach nur an einem anderen Ort gebracht hat, aber es hat geholfen. Ich fühle mich leichter und genieße jeden Augenblick davon.

Eine Weile stehen wir noch so da, bis ich aber meinen Blick zu ihn wende und mit meinen Händen an seinem Kopftuch ziehe, dessen Enden links und rechts an seinem Kopf herunterhängen. Wortlos versteht der große, grüne Kerl, was ich von ihm will und beugt sich dabei wortlos etwas runter, bis ich ihm einen sanften Kuss auf die Lippen drücke. Er wiederum erwidert dies und legt seine Arme dabei dichter um mich, während wir uns immer noch küssen. Es ist einfach so berauschend. An meinem ganzen Körper fühle ich dieses Prickeln auf meiner Haut. Es gleicht schon fast einer Gänsehaut, die aber einen romantischen Zweck erfüllt. Jede einzelne zarte Berührung von meinem Liebsten lässt eine Art angenehmen Schauer über meinen Rücken laufen, welcher für mich Freiheit und Geborgenheit in einem symbolisiert. Ich kann mir nicht erklären, warum ich das so empfinde und würde man das logisch betrachten, klingt es eher irrational und auch ironisch. Es ist einfach ein eigenes Gefühl, das kaum zu beschreiben ist und doch ist es etwas, was ich niemals mehr missen möchte, egal was auch noch kommen mag. In meinem ganzen Leben war ich noch nie so glücklich wie jetzt. In seiner Nähe bin ich nicht mehr allein. Raphael ist einfach wie ein Fels in der Brandung, der nicht so leicht nachgibt und sich auch nicht scheut, seine Meinung zu sagen. Auch wenn das manchmal in die falsche Richtung gehen kann, aber er hatte schon von Anfang an etwas an sich, was mein Vertrauen zu ihm nur bestärkt hat.

Wenn ich so zurückdenke, fühlte ich das bereits, bevor ich auch nur wusste wer und was er war. Allein seine Stimme, die ich aus diesem Schatten wahrnahm, war ganz anders. Sie klang damals so stark, als könnte man ihn ohne Bedenken vertrauen, weil er es ehrlich mit einem meint. Könnte ich meinem damaligen „Ich“ mitteilen, dass sich aus diesem „blinden“ Vertrauen etwas entwickeln würde, was mehr in die Tiefe geht, so würde sie mir es niemals glauben. Allein schon die Tatsache, dass die Liebe für mich nichts weiter war, die man höchstens in der eigenen Familie wahrlich fühlen kann, spricht schon für sich und doch wurde ich eines Besseren belehrt. Ich habe es geschafft, zu jemandem eine Bindung aufzubauen, der mich so liebt, wie ich nun mal bin. Früher hätte ich es nicht mal für möglich gehalten, dass sowas wirklich funktionieren würde. Ich bin und war noch nie ein Mauerblümchen. Ich konnte schon damals mit den Jungs quatschen, ohne dabei schüchtern zu werden, oder gar rot anzulaufen und das war noch so, als meine Welt noch in Ordnung war. Bei meinen damaligen Freundinnen war es nicht selten der Fall, dass selbst das ein Thema bei unseren Gesprächen war. Wir malten uns aus, wie es wohl wäre, würde eine von uns einen festen Freund haben. Jetzt weiß ich es, wie es ist und es ist einfach nur schön. Ich möchte es mir gar nicht anders vorstellen.

Allerdings habe ich mir gerade selbst wieder ein Bein gestellt. Ich habe an diese Schlampen gedacht, die sich für viele Jahre als meine Freundinnen ausgegeben haben und nun, wo ich gerade noch so glücklich gewesen bin, kann ich dieses verdammte Bild nicht mehr aus meinen Kopf verbannen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich sie. Alle zusammen, selbst die Jungs, stehen nun als Gruppe vor mir. Wie sie lachen und fröhlich sind und es ist noch nicht einmal lange her, da war ich noch ein Teil von ihnen. Damals glaubte ich, wir wären ein zusammengeschweißtes Band, was niemand zerstören könnte. Doch wo stehe ich jetzt? Allein haben sie mich gelassen, lachen gehässig über mich und tun sogar so, als hätte es mich in dieser Clique nie gegeben. Als wäre ich ein Eindringling, welche alles und jeden zerstört, würde man sich mit mir abgeben. Allein dieses Gefühl schnürt meine Kehle zu und ich wünschte mir, ich hätte meine Gedanken niemals darauf gelenkt. Doch nun ist es zu spät. Die Schule, meine Probleme, alles erwacht wieder in mir. Ich kann nicht anders, als daran zu denken. So sehr ich mir auch wünsche, es einfach aus meinem Gedächtnis verbannen zu können. Warum kann es nicht einfach schön bleiben, wenn ich mich mal gut fühle? Warum muss mir sowas überhaupt wiederfahren?

Am liebsten wäre es mir, ich könnte Raphael an meiner Seite haben, wenn ich dieses verfluchte Gebäude wieder betrete. Nur in diesem Fall wäre es mir lieber, mein Liebster wäre ein Mensch und kein Mutant. Dann könnte er mich begleiten und mir helfen, das Ganze besser zu überstehen. Doch Tagsüber bin ich allein. Er kann nicht bei mir sein, so sehr ich mir das auch wünschen würde. Dabei würde ich mich in seiner Nähe wohler fühlen. Egal ob ich mich dabei durch dieses Irrenhaus durchschlagen müsste, oder ob ich eine direkte Konfrontation mit dieser Bitch ertragen müsste. Ich wäre nicht allein und vielleicht wäre manches sogar anders. Wer weiß, vielleicht wäre ich für andere dann nicht so eine große Zielscheibe. Warum denke ich das nur? Klar wäre das super, aber ich kann doch meinen Freund nicht einfach als „Bodyguard“ abstempeln. Für mich ist er weit mehr, als nur ein Fels in der Brandung, der „nur“ gebraucht wird, sollte man seine „Dienste“ beanspruchen. Ich fühle mich schlecht und komme mir sogar egoistisch vor. Da zeigt mir mein Freund, wie sehr er mich liebt und dass er zu mir steht und dann kommt mir sowas in den Sinn. Ich schäme mich einfach für diese Gedanken. Das Einzige, was ich zum Glück nicht getan habe, ist, dass ich das auch noch laut ausgesprochen habe. Denn dann würde ich erst recht in den Boden versinken. Ich kann Raphael schließlich nicht meine Probleme aufbürden. Er hat ja mit der Sache überhaupt nicht zu tun. Im Grunde geht es nur mich und Lucinda etwas an. Auch wenn sie immer ihre Gefolgsleute um sich geschart hat und ich stets alleine vor dem Haufen Ignoranten stehe.

Ohne, dass es mir wirklich bewusst gewesen ist, habe ich mich, während ich so sehr in meine Gedanken versunken war, von seiner Umarmung gelöst. Anstatt diesen Frieden in mir aufrecht zu erhalten, habe ich es geschafft, dass mich wieder Angst, Wut und diese Kälte an mir emporkriechen. Dass Raphael mir eigentlich vorhin eine Freude gemacht hat, ist bereits wieder in den Hintergrund verschwunden. Allerdings kann ich nicht mehr lange über meine missliche Lage nachgrübeln. Denn ein schwerer Seufzer von meinem Freund holt mich wieder heraus und lässt mich zu ihm raufsehen. „Denkst du gerade wieder an die Schule?“, fragt er mich wenige Sekunden später und seine Stimme hat dabei solch einen besorgten Unterton. Als kenne er bereits in die Antwort. Am liebsten hätte ich darauf erwidert, dass alles in Ordnung sei und das hätte ich auch noch mit einem Lächeln untermalt. Allerdings ist nichts in Ordnung und ich kann es ihm auch nicht vormachen. Nicht nur, dass ich ohnehin keine Kraft mehr für dieses Schauspiel hätte, ich will ihn einfach nicht anlügen. „Ja, tut mir leid, dass ich die Stimmung vermiese, aber ich kann das nicht einfach so vergessen.“, entschuldige ich mich und verschränke dabei beschämt die Arme. Ich kann ihn dabei nicht einmal in die Augen. Es ist einfach zu viel passiert und es macht mir Angst. Mit dem „normalen“ Mobbing bin ich bis jetzt auch irgendwie klargekommen. Irgendwie habe ich mich zurechtgefunden, auch wenn es Tage gab, an denen ich mich gerne verkrochen hätte.

Doch je mehr Zeit verstrich, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich das langsam nicht mehr aushalten werde und diese Drohungen belasten mich ebenfalls. Dieses Gefühl, von allen anderen isoliert zu sein und niemanden in der Schule zu haben, der einem genau in solch einer Situation unterstützt oder zumindest zuhört, macht mich langsam krank. In Grunde weiß ich, dass ich mich damit nicht alleine durschlagen muss. Ich habe immerhin Raphael und seine Familie, die mir den Rücken stärken, aber in der High-School selbst bin ich auf mich selbst gestellt. Da ist niemand, der zumindest hinter mir steht und mir unter die Arme greift. Ich weiß nicht, was mir heute mehr Angst gemacht hat. Der aufgebrochene Spind, oder die Tatsache, dass weder die Lehrer, noch der Direktor selbst einen Kehricht für mich scheren. Dabei komme ich mir vor wie der letzte Dreck und hätte ich Raphael nicht, so wäre ich irgendwann mal nicht aus meinem Zimmer gekommen. Vielleicht hätte ich sogar mehr gemacht. „Komm, jetzt lach mal wieder. So kenne ich dich ja gar nicht.“, meint er auf einmal. Vermutlich war ich jetzt wieder zu sehr in meinen Gedanken vertieft, sodass ich gar nicht mitbekommen habe, wie sehr mein Freund mich besorgt angesehen hat. Ihm scheint jetzt auch der Trübsal allmählich auf die Nerven zu gehen, denn schon nimmt er mich bei den Schultern und fordert mich auf, nicht mehr daran zu denken. Es ist aber leichter gesagt als getan. Das kann man nicht einfach so vergessen, doch er erwidert nur darauf: „Dann sehen wir mal zu, ob wir das nicht irgendwie ändern können.“

Verwirrt schaue ich ihn an. Wie meint er das und was hat er jetzt schon wieder vor? Doch ehe ich etwas sagen kann, liege ich schon wieder in seinen Armen und wir verlassen die Burg. Geschickt springt er hinunter und landet sicher auf seinen Füßen. Wie macht er das immer? Allein schon der Höhe wegen hätte ich mich persönlich nie getraut, aber ihm sieht das so einfach aus, als würde er nicht groß darüber nachdenken. Ich weiß, dass Raphael dafür ausgebildet ist und sogar mehr draufhat, als was ich bis jetzt bei ihm sehen konnte und trotzdem ist es für mich immer wieder erstaunlich, was er so kann. Nachdem wir unten angelangt sind, setzt er mich überraschender Weise nicht wieder ab, sondern läuft mit mir weiter, als wenn der Teufel hinter ihm her wäre. „Raphael, wo willst du mit mir hin?“, frage ich ihn verwirrt, doch er murmelt nur irgendetwas vor sich hin, was ich überhaupt nicht verstehen kann. Also manchmal ist mir der Kerl echt ein Rätsel und meine Fragen lösen sich auch nicht auf, als er endlich stehen bleibt. Ich schaue mich um und merke, dass wir uns in mitten eines offenen Theaters befinden. Vermutlich ist es das Delacorte Theater. Es hat auf jeden Fall einen griechischen Scharm und ist auch demnach für Auftritte im Freien konstruiert worden. Ich verstehe aber nur nicht, was wir hier sollen. Zuerst die Burg und dann ein Theater, will er etwa mit mir sämtliche Sehenswürdigkeiten durchgehen, damit ich mal meinen Kopf freibekomme?

Kaum, dass ich mich das gefragt habe, geht mein Freund nun näher auf die Bühne zu und setzt mich auch dort ab. Gleich darauf macht er eine Kehrtwende, marschiert einfach auf die andere Seite und macht es sich in der ersten Reihe der Sitze bequem. Stumm schaut zu mir und ich frage mich, was er jetzt von mir will und warum wir hier sind. „Raphael, was soll das? Was machen wir hier und was soll ich bitte auf der Bühne?“, will ich von ihm wissen und wäre am liebsten sogar schon von der Plattform wieder heruntergesprungen, als Raphael mich etwas energisch aufhält und meint: „Hey, jetzt bleib doch. Es hat schon alles seinen Sinn.“ „Und welchen bitte? Ich komm mir hier vor, wie der Depp von Dienst. Kannst du mich mal bitte aufklären, was ich hier oben soll?“, erwidere ich und werde allmählich sauer. Ich komme mir momentan einfach nur bescheuert vor, während er dort dahockt und mich beobachtet, aber nach kurzer Zeit erfahre ich den Grund dafür: „Kannst du es dir nicht denken? Du sollst deinen Frust rauslassen und das genau hier und jetzt.“ „Bitte was?! Das kann doch nicht dein Ernst sein und was soll ich außerdem deiner Meinung nach jetzt tun, vielleicht schreien oder was?“, kommt es schon sarkastisch aus meinen Mund, aber im Gegensatz zu meiner Erwartung, nickt er darauf. Verwirrt und skeptisch zugleich schaue ich ihn einfach nur an. Das kann er doch jetzt nicht wirklich von mir erwarten, das ist doch sinnlos! Nicht nur das, ich kann doch nicht einfach mitten im Central Park schreien.

„Und da sagt noch einer, ich wäre stur. … Komm schon Bernadette, lass alles raus und vergiss einmal, was du sollst und was nicht. Hier ist kein Mensch da, den das stören könnte oder auch nur auffallen würde. Wir sind Kilometerweit von denen entfernt und nachts treibt sich ohnehin keine Sau durch diese Gegend. Also schrei dir einfach mal deinen Frust aus deiner Seele. Glaub mir, du wirst dich danach besser fühlen.“, nörgelt er schließlich, versucht mir aber damit einen Ruck zu geben. Ich seufze und schüttle genervt den Kopf. Ich sehe einfach nicht ein, was das bezwecken soll. Mir geht es scheiße, na und? Da hilft auch kein Schreien, auch wenn sich mein Freund das einbildet. Raphael wird allerdings nicht eher Ruhe geben, bis ich es einfach gemacht habe. Irgendwie komme ich mir komisch vor und mein Verstand, oder wohl eher meine Vernunft schimpft in mir die ganze Zeit, dass das vollkommen schwachsinnig ist. Raphael durchbohrt mich aber schon fast mit seinem Blick, weswegen ich noch kurz die Augen rolle und schließlich doch tief Luft hole. Was man nicht alles machen muss! Kaum dass sich genug Sauerstoff in meine Lungenflügel angesammelt hat, kneife ich meine Augen fest zusammen und schreie so laut ich nur kann. Es ist für mich fast schon ohrenbetäubend, wie schrill meine Stimme sein kann. Wie muss es sich dann für jemand anderes anhören?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder, der das hört, glaubt, ich würde in massiven Schwierigkeiten stecken. Wobei das gar nicht einmal so weit hergeholt wäre, wenn man das von der Schule her betrachten würde. So presse ich meinen Schrei so sehr aus mir heraus, sodass ich glaube, ich könnte in jeden Augenblick zerspringen. Mein gesamter Körper bebt, während meine Hände zu Fäusten geballt sind und meine Stimmbänder überstrapaziert werden. Doch zum Glück hält das Ganze nicht lange an und sämtliche Luft ist aus meinem Körper gedrungen. Keuchend atme ich mehrere Male tief durch und schaue dann wieder zu Raphael, der in der Zwischenzeit seine Hände gegen seinen Kopf gedrückt hat, ehe er wieder aufsteht und schließlich mit einigen Schritten auf mich zugeht. „Na, war das so schlimm?“, fragt er mich, während ich immer noch mit Durchatmen beschäftigt bin. Als ich daraufhin den Kopf schüttle, will er schon von mir wissen, wie ich mich jetzt fühle. Überlegend horche ich mich hinein und seltsamer Weise habe ich den Eindruck, dass es mir jetzt etwas besser geht. Der Druck in mir hat etwas nachgelassen und ich fühle mich etwas freier und sogar leichter. „Ich glaube … besser.“, antworte ich ihm, bin aber immer noch irritiert. So ganz kann ich immer noch nicht nachvollziehen, was das sollte und warum ich mich jetzt so seltsam fühle.

Raphael dagegen ist zufrieden. Schmunzelnd nimmt er mich schließlich in seine Arme, hebt mich dabei etwas hoch und wirbelt mich kurz in der Luft. Vermutlich will er diesen „Sieg“ mit mir feiern, auch wenn mir noch nicht so wirklich danach ist. Dafür bin ich einfach viel zu sehr kaputt. Raphael aber amüsiert sich und dreht weiter seine Kreise mit mir. Doch plötzlich scheint er kurz eine falsche Bewegung gemacht zu haben, denn schon stolpert er über seine eigenen Füße und kippt mir gemeinsam nach hinten. So schnell haben wir beide nicht schauen können und schon landen wir auf dem harten Betonboden. Wobei hauptsächlich Raphael, mit dem Panzer voraus, nach hinten geknallt ist, während ich nun auf seinem Bauch liege und ihn zunächst überrascht und leicht geschockt anstarre. „Alles ok?“, fragt er mich schon leicht hysterisch, doch ich fange einfach an zu lachen. Sein verdutztes Gesicht ist einfach zu komisch und ich kann mich einfach nicht halten. Ich muss einfach lachen und ich werde dabei immer lauter, weil mein Freund auch noch weiterhin diese „Grimasse“ zieht und zu seinem Pech überhaupt nicht rafft, was in mich gefahren ist. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was ihm gerade durch den Kopf geht, aber mein Lachen scheint ansteckend zu sein. Denn nun stimmt er auch mit ein. Als wäre das geplant gewesen und das war es mit Sicherheit nicht.

Trotzdem, ich genieße es in vollen Zügen. Allein dieses befreiende Gefühl, was ich mit Raphael erleben darf, ist einfach herrlich und ich danke dem Herrgott, dass er mir diesen albernen Kerl geschickt hat. Was würde ich nur ohne ihn machen? Vermutlich wäre ich schon lange in Selbstmitleid versunken und hätte niemals die Liebe meines Lebens erfahren dürfen. Ich wäre weiterhin stumm meinen Weg gegangen und vielleicht wäre ich sogar davon abgekommen. Umso mehr bin ich dafür dankbar, dass ich Raphael habe und ich hoffe, er weiß das auch. Allmählich beruhigen wir uns beide wieder. Unser Lachen wird immer mehr zu einem Kichern, bis es schließlich ganz verstummt und wir uns einfach nur grinsend ansehen. Noch immer liegen wir so da, wie wir gefallen sind, aber nach weiteren gefühlten Minuten, scheint es meinen Freund nun allmählich zu reichen. „Wollen wir nicht mal langsam aufstehen? Der Boden ist nicht gerade angenehm.“, schlägt er mir vor, doch ich so schnell lasse ich ihn nicht mehr wiederaufrichten. Grinsend schüttle nur leicht den Kopf und drücke sogleich meinen Zeigefinger auf seine Lippen, weil er darauf was erwidern will. „So leicht kommst du mir nicht davon.“, flüstere ich kichernd und leicht verführerisch, bis ich dann meinen Finger wieder wegnehme und ihn zärtlich küsse.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Mad-Dental-Nurse
2016-02-21T21:31:43+00:00 21.02.2016 22:31
Also da kann man richtig neidisch werden. Ich will auch *heul*
Raph ist ein echter Goldschatz...Was für eine Mühe er sich gibt...
Die Schlussscene hört sich vielversprechend an *kicher*
Antwort von:  Pamuya_
21.02.2016 22:38
Tja, in der Liebe tut man alles, damit es dem anderen gut geht. Auch wenn man dabei ein bisschen grübeln und in die Trickkiste greifen muss, aber manchmal kommen die besten Sachen eher spontan und immerhin Raphael hat ja sein Ziel erreicht: Bernadette lacht wieder. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
22.02.2016 06:50
Ich bin nur froh, dass Bernadette auf ihn gealndet ist und nicht umgekehrt. Denn sonst wäre sie platt
Antwort von:  Pamuya_
22.02.2016 08:54
^^ stimmt
Antwort von:  Pamuya_
22.02.2016 08:55
Zum Glück ist er nach hinten gefallen, aber ich glaube selbst wenn er nach vorne gefallen wäre, hätte er aus reine Reaktion darauf geachtet, dass sie zumindst seitlich fallen. Also dass er mit er mit dem Arm voraus aufknallt.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
22.02.2016 17:01
ja ein glück


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