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West Coast

von

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Unsicherheit & Hingabe

Ryous Sicht:

Durch ein sehr starkes Übelkeitsgefühl wachte ich erneut in dieser Nacht auf. Mein Kopf tat weh, mein Magen machte seltsame Geräusche und ich hatte das Bedürfnis, zu erbrechen. Meine Stirn schwitzte leicht und ich war weit davon entfernt, mich nicht beklagen zu können. Mir war heiß und kalt gleichzeitig, konnte mich nicht entscheiden, mit oder ohne Decke zu liegen.
 

Mir wurde schwindelig, als ich aufstand, um ins Bad zu gehen. Ich musste mich sehr bemühen, gerade zu gehen. Vor dem Badezimmerspiegel betrachtete ich mein bleiches Gesicht und bemerkte, dass man stark sah, dass ich schwitzte. Mit einem Tuch wischte ich mir meine Stirn ab und versuchte, tief durchzuatmen. Alles drehte sich. Ich beugte mich runter zur Kloschüssel und versuchte, zu erbrechen. Nach drei kläglichen Versuchen wurde mir klar, dass das Nichts werden würde. Bei mir war der Würgereflex nicht stark genug.
 

Ratlos war ich nun im Bad und sah mich um, ob es einen Behälter gab, den ich neben das Bett legen könnte. Es schienen nur Handtücher im Kasten zu sein, als ich ihn öffnete. In den kleinen Vitrinen über dem Waschbecken waren nur Pflege- und Hygieneprodukte und auf der Waschmaschine lagen nur die Kleidungsstücke, die Seto und ich vor dem Duschen ausgezogen hatten. Ich betrachtete mein schwarzes Hemd, das schon sehr ausgelaugt war. Es machte mich etwas traurig, doch das war in diesem Moment nicht das Problem.
 

Die Sachen rochen noch nach Algen und dem Salzwasser und sahen sehr mitgenommen aus. Die Oberfläche der Waschmaschine war schon komplett überschwemmt, weil wir die Kleidung nicht auswrangen. Damals blieb uns keine Zeit - wir wollten einfach nur unter die Dusche und die Erinnerungen wegspülen.
 

Da ich im Bad nichts Derartiges, wie einen großen Behälter, fand, ging ich in die Küche und setzte dort meine Suche fort. Unten angekommen, wurde mir wieder schwindelig und ich griff den nächstbesten Halt, was die Lehne eines Sessels war. Mir wurde schwarz vor Augen, knickte etwas ein und schmiss somit den Stuhl um. Ein lautes, dumpfes Geräusch war zu hören. Sofort darauf hörte ich Schritte auf den Treppen.
 

“Ryou, ist dir was passiert?”, Seto war total verschlafen, seine Stimme war aber kräftig und stabil. Mit seiner üblichen, eleganten Körperhaltung schritt er die Treppen hinunter. “Mir ist so schlecht und ich glaube, ich muss mich übergeben. Aber ich finde keinen Behälter…”, ich kniete am Boden und rieb mir die Augen. Der Dunkelhaarige hockte sich zu mir hinunter und begutachtete mich. Er legte seine Hand auf meine Stirn und meinte, dass sie ganz heiß sei. Er half mir auf und trug mich auf Händen zurück ins Schlafzimmer. Ich fühlte mich so kostbar.
 

Seto legte mich ins Bett, deckte mich zu und holte mir dann einen größeren Behälter aus der Küche, den er links von mir am Boden plazierte, bevor er mir vorsichtig ein Thermometer in zwischen die Lippen schob. Einige Sekunden später zog er es raus; “Achtunddreißig Komma Fünf - du hast Fieber, Kleiner”. Er nannte mich ‘Kleiner’... aber Mai war doch seine Kleine, oder nicht? Erst jetzt fiel es mir auf; ich schien nun auf dem selben Level zu sein, wie Mai. Nach nicht einmal zwei Tagen hatte ich es geschafft, ihm dermaßen wichtig zu werden. Fragte sich nur, ob er meine Gefühle erwiderte. Bitte geh’ nicht, Seto. Geh’ nie wieder.
 

Mit geschlossenen Augen lag ich da und konnte mich nur schwer auf meine Umgebung konzentrieren. Seto strich mir sanft durchs Haar und holte mir danach einen nassen Waschlappen, den er mir auf die Stirn legte. Die kühlende Wirkung tat gut. Seto brachte mich letztendlich noch eine große Flasche Wasser, bevor er sich zu mir unter die Decke legte. Meine Wangen glühten förmlich und mein Magen schien sich selbst zu eliminieren. Mir war heiß unter der Decke, aber gleichzeitig war ein leichter Frost zu spüren. Es machte mich wahnsinnig.
 

“Bin ich dein Kleiner?”, fragte ich mit einem Lächeln im Gesicht, meine Augen waren immer noch geschlossen. “Du bist mein Kleiner”, bestätigte er und küsste meine Wange. “Wie soll ich mit Fieber meinen Urlaub genießen?”, hinterfragte ich plötzlich, da mir in den Sinn kam, dass Seto in der Früh wahrscheinlich arbeiten gehen musste. Zwar war mir nicht bekannt, was genau er tat, aber er musste sehr beschäftigt sein. “Dein Vater hat manchmal Schichtdienst. Du bleibst bei mir, bis du wieder gesund bist”, er war zu mir gedreht und streichelte meinen Hals.
 

Seine Worte beruhigten mich. Ich brauchte mich nicht davor fürchten, Nachts alleine im Bett zu liegen, ohne wen, der sich um mich kümmert, während ich krank war. Seto hatte Recht; Dad hatte ein- bis zweimal die Woche Schichtdienst. Die beiden kannten sich anscheinend sehr gut. So gut, dass es Dad Nichts ausmachte, dass ich hier untergebracht war. Sogar im Gegenteil - ich erinnerte mich an seine Worte “Seto steht auf feminine Männer. Ich sollte ihn dir mal vorstellen. Vielleicht heute Abend?”. Ich begann, zu grinsen, als mir auffiel, dass Dad mich mit solch einem attraktiven Mann verkuppeln wollte.
 

“Wieso grinst du denn so?”, fragte Seto. “Beobachtest du mich?”, konterte ich und öffnete die Augen. Blaue Augen waren auf mich gerichtet und blitzten mir entgegen. Sie waren eher ein sehr kaltes blau, das an Kälte und Distanz erinnerte. Hinter dem frostigen Blau verbarg sich eine mysteriöse Seele, die mir noch nicht ganz bekannt war. Das Unbekannte in ihm war das, was er von außen ausstrahlte. Diese Hülle, die ihn so unerreichbar und taff wirken ließ, konnte man nicht übersehen. Oder überfühlen.
 

Ich hatte das Gefühl, dass er erst unnahbar wirken will, bevor er sich wem öffnet. Er will zeigen, dass er unabhängig ist und gut alleine zurecht kommt. Dass er alles auf eigene Faust regeln kann und auf niemanden angewiesen ist. Aber dann, wenn er merkt, er hat dich ganz gern, öffnet sich plötzlich etwas in ihm. Auf einmal hat er dich im Arm, beschützt dich vor dem Ungewissen und möchte nur, dass es dir gut geht. Warum es bei mir so schnell ging, konnte ich nicht ganz erklären. Ich wusste nicht, ob er tatsächlich was fühlte oder ob er es nur aus Zivilcourage getan hat. Dieser Mann war ein Rätsel. Ein Rätsel mit blauen Augen.
 

“Ja, ich beobachte dich. Du bist nämlich wunderschön”, behauptete Seto mit einem verträumten Blick, der mit einem Mal wieder verschwunden war und man sah wieder die dicke Fassade, die das Innere seiner Gefühle nicht mehr so transparent erscheinen ließ. “Du bist auch wunderschön”, schmeichelte ich ihm zurück und errötete an meinen wegen dem Fieber bereits rötlichen Wangen. Ich wich seinem Blick aus und begann, zu schmunzeln. Seto war so verdammt faszinierend.
 

Doch egal, wie schön dieser Moment gerade war - ich machte mir Sorgen. Ich hatte Angst, zu wenig Zeit mit Dad verbringen zu können. Ich wusste nicht, wann ich wieder körperlich gesund werden würde. Die Tage, an denen ich krank sein würde, wären verlorene Urlaubstage. Verschwendete Urlaubstage. Mühsame Urlaubstage. Und mein psychischer Zustand? Selbst, wenn ich mich körperlich auskurieren sollte, könnte ich nicht raus, da ich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch dieses Trauma haben würde. Alleine das Rauschen der Wellen machte mir Angst, wie sollte ich dann wieder an die Küste gehen oder erneut die Stadt besuchen? Ich wäre die ganze Zeit zuhause gefangen, wegen der Furcht, draußen zu sterben. Was für ein Happy end konnte ich mir schon erwarten.
 

“Ich hab’ so Angst vor dem Wasser und davor, nicht genügend Zeit mit meinem Vater während meines Aufenthaltes hier zu verbringen”, gestand ich und knitterte die Decke nervös. Meinem Kopf ging es inzwischen etwas besser, doch das Übelkeitsgefühl war noch nicht verschwunden. Ich spürte, wie ich am gesamten Körper schwitzte, was mir recht unangenehm war.
 

“Du brauchst keine Angst haben, mein Kleiner”, Seto küsste meine Stirn und nahm mich in den Arm. Er merkte, dass ich schwitzte, doch es machte ihm Nichts aus. Er drückte mich an sich und ließ lange Zeit nicht los. Ich spürte seinen Herzschlag, seinen Atem und seinen Willen, mir Geborgenheit zu verschaffen. Schwer atmend drückte ich meinen Kopf gegen seine Brust und sog den dezenten Duft von Patchouli ein. Ich spürte, wie seine Bauchmuskeln sich gegen meine Brust pressten und musste innerlich kurz zucken. Er hatte ein Sixpack…
 

Durch die Körperwärme wurde mir augenblicklich noch übler, und ich stieß mich mit einem Ruck sofort weg von Seto. Reflexartig drehte sich mein Körper um und ich übergab mich in den großen Behälter. Noch ein paar Sekunden war ich spuckend über dem Gefäß gebeugt, bis mich der Scham überkam. Kaum traute ich mich, Seto wieder anzusehen. Dieser stand auf und ging aus dem Zimmer. So ein Mist, ich hab’ ihn weggeekelt…
 

Er ließ die Türe offen. Die Atmosphäre in dem Zimmer ohne Seto zerbrach etwas in mir. Plötzlich fühlte ich mich wieder so schutzlos und ausgeliefert, jederzeit angreifbar. Wie ein Lämmchen unter tausend Löwen.
 

“Setz’ dich auf, Kleiner”, hörte ich von Seto, der unerwartet wieder im Zimmer erschien. Er wischte mir die Lippen ab und gab mir ein Glas Wasser, damit ich mir den Mundbereich ausspülen konnte. Das Wasser warf ich in den Behälter aus, den Seto mitnahm, um ihn im Bad auszuwaschen um ihn mir daraufhin wieder hinzustellen.
 

“Du bist meins und ich werde die ganze Nacht wach bleiben, um auf dich aufzupassen, wenn es sein muss”, Seto blickte mir tief in die Augen, die Fassade war verschwunden.
 

Seto’s Sicht:

Wo war ich denn nun schon wieder gelandet, verdammt? Ich blickte um mich herum, doch es war Nichts zu sehen, außer diese lange Straße*. Keine Häuser, keine Autos, Nichts. Einige Male drehte ich mich um meine eigene Achse, um sicher zu gehen, dass ich mich nicht versehen hatte. Es war komplett still und menschenleer, wie ausgestorben, dieser Ort.
 

“Hallo?”, fragte ich in strengem Ton in eine Richtung. Mein Wort hallte nur und schien niemanden erreicht zu haben. “Hallo?”, versuchte ich es erneut, wieder ohne Erfolg. Mir blieb nichts Anderes übrig, als die Strecke zu gehen und auf einen Menschen zu hoffen, der mir sagen konnte, wo ich war und wie ich wieder nach Hause fand. Mein Motorrad war auch nirgendwo zu sehen, obwohl ich längere Strecken nie ohne meine Maschine zurücklege.
 

Misstrauisch und stets angriffsbereit schritt ich den langen Weg entlang. Vielleicht war ich irgendwelchen Idioten direkt in die Falle getappt. Vielleicht hat mir irgendwer K.O. Tropfen verabreicht und mich hierher gebracht, um mich daraufhin auszurauben. Zahlreiche Theorien stauten sich in meinem Kopf, welche ich ein paar Schritte später wiederum aussortierte. Es blieb keine Zeit für Ablenkung. Ich musste so schnell, wie möglich, an eine Informationsquelle kommen.
 

“Na, ganz toll, ich halluziniere”, murrte ich, als sich die Straße vor meinen Augen in zwei Teile spaltete - eine Gabelung* entstand. Wie lange war ich schon hier, sodass mein Gehirn Fehlsignale an meine Augen leitete? Welchen Weg hätte ich denn nehmen sollen? Verunsichert stand ich da, fragte mich, ob einer der Wege mich in noch ein schlimmeres Kaff führen würde. “Schlimmer kann’s doch nicht mehr werden”, ich entschied mich für rechts und setzte meinen gezwungenen Spaziergang fort.
 

“Seto”, ertönte es plötzlich hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und erblickte einen Vorhang. Der Weg zurück war durch einen Vorhang* gänzlich versperrt und eine Silhouette war dahinter. Sie wiederholte meinen Namen, worauf ich die Stimme zu hundert Prozent wieder erkannte; es war Ryou. “Ryou, was machst du hier und wie bekomme ich dich wieder da raus?”, war meine Frage, während ich zusah, wie er mit seinen Händen an der Barriere herumfuhr, wie ein Pantomime.
 

“Wieso hast du mich hier reingesteckt?”, fragte Ryou traurig und suchte nach einer Möglichkeit, herauszukommen. Ich verstand nicht, was er meinte - immerhin war er da schon drinnen, als ich mich umgedreht hatte. “Du musst mich hier rauslassen”, Ryou klang sehr verzweifelt und enttäuscht von mir. Obwohl ich meine Schuld daran nicht finden konnte, verletzte es mich.
 

Ich ging viele Meter zurück, um Anlauf zu nehmen und rannte gegen den Vorhang. Zu meiner Überraschung prallte ich dagegen und hörte ein dumpfes Geräusch. Meine Augen öffneten sich schlagartig und das Geschehnis stellte sich als komischer Traum heraus. Zu meiner Überraschung lag ich jedoch alleine da - das Geräusch des Aufpralls musste wohl von der Küche gekommen sein.
 

Schnell stand ich auf und machte mich auf den Weg aus dem Zimmer. “Ryou, ist dir was passiert?”, trotz meiner Schläfrigkeit klang meine Stimme kräftig und stabil. Mit meiner üblichen eleganten Körperhaltung schritt ich die Treppe hinunter. Ryou kniete am Boden; “Mir ist so schlecht und ich glaube, ich muss mich übergeben. Aber ich finde keinen Behälter…”. Der Kleine rieb sich die Augen. Vorsichtig hockte ich mich auf seine Höhe und begutachtete Ryou. Ich legte meine Hand auf seine Stirn und bemerkte, dass sie ganz heiß war. Mit meinen starken Armen half ich dem Weißhaarigen, aufzukommen und trug ihn auf Händen zurück ins Schlafzimmer.
 

Liebevoll legte ich ihn ins Bett, deckte ihn zu und holte ihm dann einen größeren Behälter aus der Küche, den ich dann links von Ryou am Boden platzierte, bevor ich ihm dann langsam ein Thermometer, das ich ebenfalls mitbrachte, zwischen die Lippen schob. Einige Sekunden später zog ich es heraus; “Achtunddreißig Komma Fünf - du hast Fieber, Kleiner”. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ihn nicht mehr nur in Gedanken so nannte, sondern auch so ansprach. Ich wusste nicht, ob das etwas Gutes war. Ich wusste nicht, ob ich mich da gerade in die richtige Person verliebte und ob es überhaupt für mich ratsam war, mich jemals wieder in irgendwen zu verlieben. Doch die Signale wurden gesendet und Ryou hat es bemerkt. Es war zu spät, um sich herauszureden.
 

Mit geschlossenen Augen lag Ryou da und atmete etwas schneller, als gewöhnlich. Ich strich ihm sanft durchs Haar und brachte ihm danach einen nassen Waschlappen, den ich ihm auf die Stirn legte. Daraufhin bekam er noch eine große Flasche Wasser von mir, bevor ich mich zu ihm unter die Decke kuschelte. Er sah echt nicht gut aus und auch die Wangen glühten. Die Sorge in mir wuchs. Er war einfach psychisch so zerbrechlich, es würde eine lange Zeit brauchen, sodass er darüber hinwegkommt.
 

“Bin ich dein Kleiner?”, fragte Ryou mit einem Lächeln im Gesicht, die Augen immer noch geschlossen. Es gab nun keine Rückzieher mehr, Seto. Du hast ihn so genannt und hast ihn auch so im Gedächtnis. “Du bist mein Kleiner”, bestätigte ich und küsste seine Wange. “Wie soll ich mit Fieber meinen Urlaub genießen?”, hinterfragte er plötzlich und änderte somit das Thema. “Dein Vater hat manchmal Schichtdienst. Du bleibst bei mir, bis du wieder gesund bist”, ich war zu ihm gedreht und streichelte ihm den Hals. Mein Verlangen hatte gewonnen.
 

Mich zu verschließen und Gefühle zu unterdrücken brachte nur Schweiß und Kummer und ich merkte, dass sich alles in mir dagegen streubte, dass ich meine Empfindungen verdrängte. Es war mir schon egal, wie das ganze hier enden würde; in diesem Moment wollte ich einfach nur meine unendliche Sehnsucht stillen. Genauer gesagt, wollte ich das schon seit meiner letzten zerbrochenen Beziehung, aber ich ließ niemanden an mich heran. Ich wies alle ab, vorallem Mai. Keiner sollte auf die Idee kommen, in mir ein Verlangen auszulösen, das ich dann nicht mehr kontrollieren kann. Doch Ryou brachte meine Mauern geschickt zum Ruckeln.
 

Ich sah in Ryous schönes Gesicht und bemerkte, dass er lächelte. “Wieso grinst du so?”, meine Stimme klang warm. “Beobachtest du mich?”, konterte er und öffnete die Augen. Das schöne Braun blitzte mir entgegen und ließ mich leicht frösteln. Sie strahlten so viel Ehrlichkeit und Reinheit aus. Ihn umgab diese Hülle aus Unschuld, die man nicht übersehen konnte. Oder überfühlen. Ganz heimlich fragte ich mich, ob sich dahinter eine Seite versteckte, die niemand erwarten konnte, was ich jedoch nicht glaubte. Meiner Beobachtung nach waren sensible Männer nie Arschlöcher.
 

Ich habe mir vorhin eingeredet, dass Ryou überhaupt Nichts für mich wäre, da er so überempfindlich war. Es waren diese sanften Gesichtszüge, der schmale Körper und die helle Stimme. Dies alles zusammen repräsentierte den perfekten Gegensatz von mir. Seine lieblichen braunen Augen waren meinen eiskalten, blauen Augen ergeben. Er wäre von meiner Dominanz viel zu hilflos ausgesetzt. Mein strenger Ton würde ihm so unangenehm sein. Ryous Augen würden täglich wassern, weil ich ganz schön rücksichtslos klingen konnte. Er würde seelisch noch mehr zu Grunde gehen, als ohnehin schon.
 

“Ja, ich beobachte dich. Du bist nämlich wunderschön”, behauptete ich mit einem verträumten Blick, der reflexartig mit einem Mal wieder verschwand und meinen eisigen Blick preisgab. In mir schloss sich automatisch etwas, weil sich zu viel öffnete. Ich wusste nicht, ob ich nun wollte, dass es geschlossen bleibt, oder dass es sich gänzlich öffnete. “Du bist auch wunderschön”, schmeichelte mir Ryou zurück und errötete leicht an seinen wegen dem Fieber bereits roten Wangen. Er sah weg und begann, zu schmunzeln.
 

Er sah so unglaublich süß und begehrenswert aus, und mit einem Mal änderte ich meine Meinung; Ich wollte ihn um jeden Preis. Er war zwar überempfindlich, aber genau deswegen wollte ich ihn doch so sehr. Unsere Persönlichkeiten würden sich auf jeden Fall beißen, aber wenn ich ihn dafür lieben und beschützen durfte, wäre es mir den Aufwand, einfühlsamer zu werden, wert. Ich würde auf Warnsignale in seinen Augen und in der Stimme achten, um sicherzugehen, dass es ihm gut ging. Ich war gerade dabei, mich zu verlieben. Und wenn es wer war, der sensibel war, musste ich mich gefälligst zusammenreißen und Acht auf ihn geben. Ich würde alles daran setzen, seine Sensibilität zu berücksichtigen und ihn nie im Stich zu lassen.
 

“Ich hab’ so Angst vor dem Wasser und davor, nicht genügend Zeit mit meinem Vater während meines Aufenthaltes hier zu verbringen”, gestand er und knitterte die Decke nervös. Ryou wirkte sehr angespannt und besorgt. Mein Kleiner machte sich so viele Gedanken.
 

“Du brauchst keine Angst haben, mein Kleiner”, ich küsste seine Stirn und nahm ihn in den Arm. Er schwitzte wegen dem Fieber, doch es machte mir Nichts aus. Ich drückte ihn an mich und ließ ihn lange Zeit nicht los. Sein Herzschlag ging etwas schneller, sei es wegen der Temperatur oder wegen Verliebtheit. Schwer atmend drückte er seinen Kopf gegen meine Brust und ich sog den dezenten Duft von Äpfeln und Zimt ein. Sein zierlicher Körper war das Schönste überhaupt. Wie er wohl nackt aussah...
 

Mit einem Ruck stieß er mich jedoch weg. Reflexartig drehte er sich um und übergab sich in den großen Behälter. Noch ein paar Sekunden war er spuckend über dem Gefäß gebeugt, bis es vorbei war. Sofort stieg ich vom Bett und ging in die Küche hinunter. Dort nahm ich ein Glas, das ich mit Wasser füllte und ein Feuchttuch. Nach dem Erbrechen musste es Ryou sicher etwas besser gehen.
 

Ich beeilte mich, weil ich wusste, dass Ryou sich schutzlos ohne mich fühlte. “Setz’ dich auf, Kleiner”, sagte ich mit einem bemüht sorgvollem Ton. Ich wischte ihm die Lippen ab und gab ihm das Glas Wasser, damit er sich den Mundbereich ausspülen konnte. Das Wasser warf er in den Behälter aus, worauf ich diesen ins Bad nahm, um ihn auszuwaschen und daraufhin wieder hinstellte.
 

“Du bist meins und ich werde die ganze Nacht wach bleiben, um auf dich aufzupassen, wenn es sein muss”, ich blickte Ryou tief in die Augen. Ich öffnete mich.
 

*Traumsymbol Weg, Straße: Straßen oder Wege erscheinen im Traum als Symbole des Lebenswegs. Kreuzungen und Weggabelungen signalisieren notwendige Entscheidungen.
 

*Traumsymbol Vorhang: Etwas soll verborgen werden. Oft ist dieses Traumbild aber auch Symbol für Vorsicht, Unsicherheit, Täuschung oder Isolisation. Wichtig ist vorallem, was der Vorhang verbirgt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe einen neuen PC bekommen und konnte deshalb lange nicht schreiben. Wie hat euch das Kapitel gefallen?(: Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Veri
2015-12-02T22:16:00+00:00 02.12.2015 23:16
Es hat mir seeeeeeehr gut gefallen :3


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