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Der goldene Käfig

von

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Erinnerung an eine glückliche Kindheit?

Noch immer saß die junge Vampirin am Fenster und schaute nachdenklich nach draußen. Ihr prunkvolles Zimmer, das sich in dem Anwesen des Senatsoberhauptes Asato Ichijo befand, bewohnte sie nun schon seit mehr als zehn Jahren, doch nicht ein einziges Mal während dieser langen Zeitspanne, hatte sie das Gefühl gehabt, sich zu Hause zu fühlen. Besuch blieb meistens aus. Sie hatte keine wirklichen Freunde und das Gefühl von wahrer Zuneigung und Vertrauen waren ihr somit völlig fremd. Die Familienumstände waren tragisch - die Familie zerissen. Allein ihr Vater kam an machen Tagen vorbei, jedoch sehr selten und die Stimmung war bei diesen Treffen meist bedrückend, denn auch er fand keine Ruhe, da er nicht bereit war mit der Vergangenheit abzuschließen. Das Gefühl von der beängstigenden Einsamkeit begleitete sie seit ihrer Kindheit. Die Erinnerungen nahmen ihr jeden Tag die Luft zum Atmen, denn sie konnte nicht vergessen, was für schreckliche Dinge sie mitansehen musste und dass es genau diese Dinge waren, die sie innerlich auffraßen.
 

Ihren Kopf hatte sie vorsichtig an die kalte Fensterscheibe gelehnt und führte nun ihre linke Hand zu ihrer Brust, wo sich ihr laut schlagendes Herz befand. Mit den Fingerkuppen strich sie behutsam von oben nach unten über ihre weiche Haut und zuckte bei dieser Berührung leicht zusammen, als sie an ein kleines metalles Schmuckstück fasste. Es war ein silbernes Medaillon, welches sie nach einem kurzen Moment von ihrem Hals nahm und in ihre Hände legte. Mit dem Fingernagel öffnete sie behutsam das glänzende Amulett, in welchem sich ein bereits leicht verblasstes Foto einer erwachsenen Frau befand.
 


 

Sichtwechsel – Mina:
 

Ich strich liebevoll und mit einer ganz leichten Berührung über das verblasste Bild, da ich große Angst hatte, ich könnte dieses für mich so wertvolle Erinnerungsstück beschädigen. Denn das hätte ich mir niemals verzeihen können und so gab ich stets darauf Acht, ihm keinen einzigen Kratzer oder ähnliches hinzuzufügen. Ich hielt es so vorsichtig in meinen Händen, als ob es jeden Moment zerbrechen könnte.
 

Meine liebe Mutter, wenn du nur wüsstest wie sehr mir deine Stimme fehlt, dein wundervoller Geruch, und auch deine immer zu liebevolle und verständnisvolle Art, die mir in jeder Sekunde meines Lebens Schutz und Geborgenheit versprochen hatten. Wenn du mich ansahst, blieb die Welt um mich herum stehen und ich verlor jegliches Zeitgefühl. Du warst wie die Sonne, die den Himmel mit ihrer unendlichen Wärme erfüllte und schließlich sanft in mein Herz drang, dabei all meine Sorgen vergessen ließen. Ich, deine Tochter Mina Himitsu, kann es mir einfach nicht verzeihen, denn in der Nacht deines Todes stand ich wie erstarrt da und konnte nicht einmal meine Gedanken ordnen, noch irgendeinen Teil meines Körpers bewegen. Ich stand einfach nur da, sah dich an und war nicht in der Lage dir zu helfen... Meine geliebte Familie, die ich so sehr vermisse, gibt es nicht mehr, aber ich kann mich noch ganz genau an alles erinnern.
 

Mein Vater, Seishirō Himitsu ist ein starker Reinblüter, dessen Ahnenlinie weit zurückreicht. Eines Tages begegnete er einer liebevollen und wunderschönen jungen Frau, deren Blick ihn gleich in den Bann zog. Ihre strahlend blauen Augen glichen dem wundervollen Himmel und ihr langes, glänzend braunes Haar flog spielend im Wind. Sie saß alleine unter einem prachtvollen blühenden Kirschbaum und schrieb etwas in ein kleines schwarzes Buch. Mein Vater konnte ihr nicht widerstehen und so setzte er sich, während gerade die Sonne unterging, zu der Frau. Da meine Mutter ein Mensch war, verzauberte ihr Duft meinen Vater vom ersten Moment an. Er beschrieb sie immer als stets lächelnde und fürsorgliche Person, die vor allem künstlerisch sehr begabt war. Sie war sehr erfreut, als sich der fremde Mann zu ihr setzte und schien von der Erscheinung des mächtigen Reinblüters sehr angezogen zu sein, denn sie lächelte ihn den ganzen Abend lang an. Meine Mutter, Tamiko Matsuyuki, schrieb schon seit sie ein kleines Mädchen war Gedichte, doch an diesem Tag wollte es ihr nicht so recht gelingen. Meine Eltern unterhielten sich eine lange Zeit und lernten sich näher kennen.
 

Das erste Treffen der beiden erzählte mir meine Mutter früher sehr oft und lächlte dabei die ganze Zeit, sodass ich deutlich spüren konnte, wie glücklich sie war und wie sehr sie meinen Vater liebte. An diesem folgenreichen Tag entfielen meiner Mutter die richtigen Worte und so half ihr mein Vater das Gedicht zu schreiben. Ich werde es niemals vergessen, denn immer wenn ich traurig war oder auch manchmal wenn ich zu Bett ging, flüsterte sie es mir leise ins Ohr:
 

Der Kirschbaum blüht, ich sitze da im Stillen,

Die Blüte sinkt und mag die Lippen füllen,

Auch sinkt der Mond schon in der Erde Schoß

Und schien so munter, schien so rot und groß;

Die Sterne blinken zweifelhaft im Blauen

Und leiden's nicht, sie weiter anzuschauen.

(''Der Kirschbaum blüht'', Achim von Arnim)
 

Diese Worte beruhigten mich immer wieder auf eine neue Weise, wenn ich sie zuhören bekam. Umso mehr schmerzt es mich, ihren Worten, die sie mit ihrer warmherzigen Stimme hervorbrachte, nie wieder lauschen zu können...
 

Nach einiger Zeit heirateten meine Eltern, obwohl die Beziehung meines Vaters zu einem Menschen nicht gerne gesehen, jedoch akzeptiert wurde, da er ein hohes Ansehen genoss. Ich bin mir sicher, dass es für ihn nicht immer einfach war, dem verführerischem Duft meiner Mutter zu widerstehen, doch biss er sie kein einziges Mal, denn er wollte ihr die Leiden ersparen, auch wenn es bedeutete, dass ihre Liebe eines Tages enden würde. Meine Mutter akzeptierte diese Entscheidung und beide waren fest entschlossen allen zu beweisen, dass eine Beziehung zwischen Mensch und Vampir auch ohne blutbefleckte Taten funktionieren konnte.
 

Bald wurde meine Mutter zum ersten Mal schwanger und mein großer Bruder Satoshi kam auf die Welt. Normalerweise dauert die Schwangerschaft bei Vampiren etwa zwei bis fünf Jahre, doch da meine Mutter ein Mensch war, wurde die Zeit auf eineinhalb Jahre gekürzt. Dann, einige Jahren später, erblickte auch ich die Welt, die ich zu diesem Zeitpunkt so sehr liebte. Meine Familie war für mich das wichtigste auf der Welt. Keinen einzigen Tag wollte ich ohne sie sein und besonders zu meiner Mutter hatte ich ein sehr inniges Verhältnis. Sie brachte mir alles über ihre Welt bei, während ich zeitgleich meine eigene Welt genauer beobachtete, denn obwohl sie ein Mensch war, setzte sich die lange und mächtige Ahnenlinie meines Vater durch und so wurde ich als Edelblutvampir geboren. Für gewöhnlich besitzen solche Vampire große Kräfte, doch ich selbst blieb ein unerklärlicher Sonderfall.
 

Mein Bruder Satoshi konnte hingegen schon sehr früh einige Vampirfähigkeiten anwenden und entdeckte schließlich mit gerade einmal fünf Jahren seine einzigartige Gabe. Es war ihm möglich, eine Illusion zu erschaffen, die man nur sehr schwer von der Realität unterscheiden konnte.
 

Ich war damals verdammt neidisch auf ihn und konnte nicht verstehen, warum ich selbst keine einzige Fähigkeit besaß. Stattdessen brachte mir das Erbgut meiner Mutter nur Probleme, denn obwohl mich eine mächtige und geheimnisvolle Aura, die ich von meinem Vater geerbt hatte, umgibt, begleitet mich auch ein auffälliger Duft, der auf mein teilweise menschliches Blut zurückzuführen ist. Dadurch gab es in meiner Vergangenheit einige unglückliche Zwischenfälle, denn mein Blut machte es für die Vampire in meiner Umgebung schwer dem starken und zugleich herrlich verführerischem Duft zu widerstehen.
 

Mit der Zeit verwandelte sich die Eifersucht auf meinen Bruder in eine große Bewunderung. Ich wünschte mir nichts mehr, als eines Tages eine ganauso starke und einzigartige Gabe wie er zu besitzen.
 

Als mir allerdings schlagartig bewusst wurde, welche Fähigkeit ich besaß, hätte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als dass sie für immer verschwindet. Denn sie brachte mir kein einziges Mal Glück, stattdessen umso mehr Probleme, sodass ich schließlich in diesen goldenen Käfig gesperrt wurde. Er ist sicherlich schön anzusehen, doch lässt sich die Tatsache nicht leugnen, dass es immer noch ein Käfig ist, der mich hier festhält – mir die Freiheit nimmt. Diese Einsamkeit und die unüberbrückbare Trauer zerreissen mich innerlich und ich verliere langsam jeglichen Lebenswillen, wenn ich weiterhin wie ein Vogel eingesperrt bleibe, ohne die Möglichkeit meine Flügel auszubreiten und die Welt mit all meinen Sinnen auszukosten.



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