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Bruderliebe

von

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Ein Jahr später nach Jadens Verschwinden, als die Sehnsucht überhandnahm, sprang Darian endlich über seinen Schatten und fing an, seinen Bruder auf eigene Faust zu suchen. Er hatte es satt, sich so hängen zu lassen, vom Alkohol ganz zu schweigen. Er ging dabei akribisch vor und begann zuallererst bei Susan, von der er wusste, dass sich Jaden telefonisch bei ihr als Letztes gemeldet hatte. Als er bei ihr unangekündigt klingelte, war ihre Haltung ihm gegenüber kühl, distanziert und ablehnend. Konnte man ihr das verübeln?

„Hallo Susan.“

„Verschwinde.“ Kein Gruß, nichts. Als sie die Tür vor ihm verschließen wollte, ging Darian in die Offensive und stellte den Fuß dazwischen, sah sie ernst dabei an.

„Warte, ich muss dir etwas erzählen“, sprach er weiter, und als von ihr keine Gegenwehr kam, nahm er den Fuß von der Tür weg.

„Da bin ich aber gespannt.“

„Darf ich reinkommen?“, bat er sie eindringlich. Er wollte keinen Rückzieher machen, auch wenn alles in ihm danach schrie, musste er bei ihr anfangen. Wo sonst könnte er mit der Suche starten?

Susan schaute Darian genauer an. Betrachtete sein Gesicht. Er hatte abgenommen. Seine blonden Haare wirkten nicht mehr so glänzend, wie früher. Genau genommen wirkte er auf sie sehr niedergeschlagen. Sie gab sich einen Ruck und bat ihn schließlich herein.

Sie waren inzwischen in ihrem Wohnzimmer, hatten auf ihrer Couch Platz genommen und Susan hatte Kräutertee und etwas Prinzengebäck auf einen kleinen Beistelltisch gestellt. Auch wenn Stefanie und Susan schon lange befreundet waren, kannte Darian die Wohnung nicht. Ihre Wohnung war zwar klein, zwei Zimmer, aber gemütlich im japanischen Stil eingerichtet. Aber all diese Eindrücke rückten in den Hintergrund. Darian konnte nichts anrühren, als Susan einen kleinen Teller mit Keksen vor ihn hinstellte. Er starrte auf die süße Knabberei, hatte dabei einen Kloß im Magen. Nach Essen war ihm nicht wirklich zumute.

„Trink doch wenigstens etwas vom Tee, den habe ich ganz frisch aufgebrüht“, bat sie ihn dennoch höflich, als sie merkte, dass er nichts anrührte.

Er schüttelte nur den Kopf. „Nein danke!“ Seine Hände waren ineinander gefaltet.

Auch wenn Susan die Höflichkeitsform wahrte, war sie sauer auf ihn. Erstens wegen seiner gescheiterten Ehe, Stefanie hatte sich seitdem von ihr zurückgezogen, was sie bedauerte und zweitens wegen seines Bruders.

Sie vermisste Jaden schmerzlich, war sie insgeheim immer in ihn verliebt gewesen, doch wusste sie um ihre Chance. Aus irgendeinem Grund ahnte sie, dass genau Letzteres der Grund für seinen Besuch war – Jaden!

„Es geht um deinen Bruder, nicht wahr?“ Sie versuchte, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. Vielleicht wusste Darian inzwischen, wo er steckte. Nach dem Telefonat von Jaden war sie oft gewillt gewesen, Darian gründlich den Kopf zu waschen, aber dadurch, dass sie so sauer nach dem Telefongespräch war, hatte sie es unterlassen und sich geschworen, selbst neu anzufangen.

„Ja“, sagte Darian nur, was sich in ihren Ohren ziemlich traurig anhörte.

„Weißt du, wo er steckt?“ Ihre Augen waren groß und fragend auf Jadens Bruder gerichtet, sie hatte den Keks, den sie eigentlich essen wollte, halb zwischen ihren Fingern zerkrümelt.

Darian sah sie schon beinahe verklärt an, dann schüttelte er deutlich den Kopf. „Nein, was meinst du, warum ich hier bin?“ Da wusste er, er suchte an der verkehrten Stelle. Dennoch bewahrte er Haltung, er war hier, hatte mit dem Thema angefangen, nun sollte er es auch zu Ende bringen.

„In der Hütte, da ist doch was passiert? Verdammt, Jaden war so komisch danach.“ Susan war total aufgelöst und hatte Darian, der ganz in seinen Gedanken versunken war, damit überrascht.

Er zuckte, schlichtete. „Ich erzähle es dir, okay“

Sie gab sich vorerst ruhig und sah ihn aufmerksam und mit wachen Augen an.

Darian räusperte sich, fühlte sich in seiner Haut nicht unbedingt wohl, dann fing er mit seiner Erzählung an. Aber auch hier ließ er die Details, wie gemein er zum Schluss zu Jaden war, aus.

„Wie konntest du nur?“ Susan war aufgesprungen und wanderte auf und ab. Sie war aufgebracht.

So war das also, darum war Jaden abgehauen. Sie hatte also Recht behalten. Verdammt!

Als Darian sich dafür entschuldigte, sie ansah und Tränen in den Augen hatte, brach bei ihr das Eis. Sie schüttelte bedauernd ihren Kopf.

„Oh, Darian. Weißt du eigentlich, wie lange Jaden dich schon liebt? Und du hast ihm das angetan“, platzte sie heraus. Ab da wusste Darian, dass sie von Anfang an von Jadens Homosexualität wusste.

„Woher?“, fragte er dennoch. In seinem Kopf summte es.

„Woher? Du kannst Fragen stellen, ich war seine Alibifreundin. Er lag mir mit dir immer in den Ohren. Warum wohl, war ich so dafür, dass ihr beide endlich mal alleine für Euch sein konntet? Eine Wanderung schien mir die ideale Lösung.“ Ihre Stimme wurde leiser. „Jaden ist so sensibel. Wie konntest du nur?“

„Ich hatte nicht die leiseste Ahnung“, versuchte er sich herauszureden. „Ich hatte doch Stefanie?“, kam die schwache Ausrede und sie war schwach.

„Ja, die hattest du, man sieht ja, was jetzt dabei herausgekommen ist.“

Er versuchte sich zu verteidigen. „Jaden war stets in sich gekehrt. Dann seine Klamotten, die Art wie er herumlief.“ Das Gespräch verlief verkehrt, denn sie schnaufte verächtlich.

„Spielt das eine Rolle? Er ist abgehauen und hat mich einfach sitzen gelassen. Unsere Freundschaft wegen dir gekündigt – wegen dir, Darian!“ Man hörte nicht nur den Zorn aus ihrer Stimme heraus, nein, man sah ihr die Wut auch an. Ihre Stirn lag in Falten, die Lippen waren fest aufeinandergepresst, sodass sie weiß wurden und das Gesicht war gerötet.

Er senkte den Blick. Nach so einer langen Zeit und alles brach auf, als wäre er erst gestern mit Jaden in dieser Hütte gewesen.

„Ich war zudem sehr gemein zu ihm.“ Darian erzählte aber nicht, wie gemein er wirklich gewesen war, die Feigheit siegte auch hier, sogar Stefanie hatte er nicht alles erzählt. Er schämte sich. „Wenn ich es doch nur ungeschehen machen könnte.“ Er saß wie ein Häufchen Elend da und hatte den  weiterhin Blick gesenkt.

Da bekam Susan Mitleid. „Du siehst nicht gut aus ... die Scheidung, etwa?“ Sie hatte das Thema gewechselt, wobei das nicht stimmte. War doch alles miteinander verwoben.

„Es wäre mit uns nicht gut gegangen. Jetzt hat Stefanie die Chance, neu anzufangen und das hat sie ja“, erklärte er im ruhigen Ton. Er nahm sich nun doch einen Keks, knabberte aber eher lustlos daran und legte ihn schließlich auf den Teller vor sich.

Er atmete tief durch, besann sich auf das Wesentliche, warum er gekommen war. „Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?“ Er sah sie aus seinen grünen Augen an.

„Du meinst es ernst, nicht?“

„Ich möchte wissen, wo er ist, das ist alles und ob es ihm gut geht.“ Ja, mehr wollte er nicht, oder?

„Ich habe keine Ahnung, als ich ihn danach fragte, machte er dicht“, gab sie bedauerlicherweise zu.

Die Aussage erstickte jede Hoffnung, ihn jemals zu finden, war es doch nur ein einziger Anruf gewesen, der unikale Anhaltspunkt, den er überhaupt hatte. „Wir könnten doch die Telefongesellschaft anrufen und fragen, woher der Anruf kam?“, kam ihm eine spontane Idee.

„Es war eine unterdrückte Nummer und selbst wenn, Jaden will nicht gefunden werden. Wenn es dir leidtut, dann respektiere seine Entscheidung, ich muss es auch. Ob es mir gefällt oder nicht, er lebt nun sein Leben.“ Susans Worte waren tief zu ihm vorgedrungen, klangen aber traurig und endgültig, brachte ihn aber zu einem Entschluss.

Sie hatte recht, man sollte loslassen. Wenn Jaden gewollt hätte, wäre er zurückgekommen. Darian trank dann doch seinen Tee und aß den Rest Keks auf. Dann verabschiedete er sich von ihr – nicht im Bösen. Doch glücklich sahen beide nicht aus.

Susan sah ihm hinter der Gardinenscheibe nachdenklich hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war.

Wenn doch Jaden nur gewusst hätte, was Darian wirklich für ihn fühlte, dachte sie traurig. Darian hatte sich zwar nicht geoutet, doch spürte sie, dass er seinen Bruder liebte und selbst nicht genau über seine Gefühle Bescheid wusste. Noch nicht! Sie seufzte. Konnte sie etwas ändern? Nein, es war nicht mehr ihre Sache, doch war ihr Kopf voller Gedanken um ihren ehemaligen Freund.

Susan lag abends in ihrem Bett noch lange wach, und grübelte über das Gespräch zwischen Darian und ihr. Obwohl heute ihr neuer Freund vorbei kommen wollte, hatte sie sich nicht wohlgefühlt und ihm abgesagt.

 

Darian hingegen beschloss nach Susans Besuch, sein Leben weiter zu leben. Egal wie. Nur keine Lügen mehr schwor er sich.

 

 

 

©Randy D. Avies 2012



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Veri
2015-08-26T15:05:52+00:00 26.08.2015 17:05
Ok jetzt tut er mir echt leid :(
Oh man :(
Antwort von:  randydavies
27.08.2015 04:18
Ja! :(


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