Zum Inhalt der Seite

Lonely Star

[ Reiji x Aine ]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Never...

Am nächsten Morgen machte sich Reiji früh auf zum Studio. Es war weniger, dass er es der Arbeit wegen musste, als dass er zu dieser schweren Zeit eine Umgebung bevorzugte, in der er nicht allein war und so weniger Gelegenheit zum Nachdenken hatte. Die Einsamkeit tat ihm nicht gut und so versuchte er, sie so gut es ging zu vermeiden.

Sein Lied war zwar endlich aufgenommen und wartete nur noch darauf zum ersten Mal im Radio gespielt zu werden, aber da war immerhin noch die Arbeit mit Quartet Night. Jeder hatte angefangen Solosongs aufzunehmen, so blieben die Lieder ihrer Band leider auf der Strecke. Etwas, was nicht sonderlich von Vorteil war, wenn sie mit einem neuen Album auf Tournee gehen wollten und davon bisher noch nicht einmal die Hälfte fertig war. Gedanken, die Reiji noch vor dem Aufstehen hatte.
 

Im Studio traf er direkt auf Ai, der oft der Erste war, wenn der Band noch Aufnahmen oder Termine bevorstanden. Doch zu Reijis Überraschung war er nicht allein, sondern in Begleitung des Professors, welchen er seit Aines Tod vielleicht erst ein- oder zweimal wiedergesehen hatte. Er wusste, dass dieser Ai gebaut hatte und beide deswegen im sehr engen Bezug zueinander standen, doch abgesehen davon hatte er wenig mit dem Professor zu schaffen.

„Johooo~! Morgen, ihr beiden“, meinte Reiji fröhlich und winkte ihnen zu, als er den Raum betrat. Wie gedacht, waren weder Ranmaru noch Camus anwesend. Das Schweigen des Professors ließ ihn verstummen. Der ernste Blick des Professors ruhte auf ihm und teilte ihm bereits mit, dass etwas vorgefallen sein musste.

„Reiji“, sprach Ai ihn an. Ohne weitere Worte schob er ihm seinen Laptop entgegen.

„Ne, AiAi? Was ist denn los?“, wollte Reiji wissen und blickte fragend auf den Bildschirm. Dort waren einige Fenster geöffnet, jedoch verwies Ai gleich auf einen Artikel mit unterschiedlichen Informationen zu Ai und Aine, den Reiji lesen sollte. Die Daten hatten sich über die Jahre hinweg angesammelt; Daten, die während Aines Koma aufgezeichnet worden waren und in Verbindung mit Ais Lieder standen. Etwas, das Ai haben wollte, um sich selbst zu beweisen, dass er nicht Aine war. Zumindest war es das, was Reiji des Öfteren von Ai mitbekommen hatte.

„Ich versteh‘ nicht ganz … was mir das sagen soll“, gestand Reiji, nachdem er sich alles durchgelesen hatte. Vielleicht mochten die beiden verstehen, was da stand, aber er nicht. Er war kein Wissenschaftler und erst recht kein Roboter.

„Kotobuki Reiji“, fing der Professor an und trat dabei einen Schritt nach vorn. „Ich dachte, es wäre nun langsam an der Zeit, dass auch du es erfährst. Auch wenn Ai sich ziemlich quer gestellt hat.“

Er bot Reiji an, sich zu setzen, was dieser verweigerte. Sein bemühtes Lächeln machte deutlich, dass er auf der Stelle wissen wollte, was hier los war, weswegen der Professor zu sprechen begann: „Es geht um Aine. Er lebt noch… allerdings befand er sich die letzten Jahre in einem sehr kritischen Zustand und ich musste ihn in ein künstliches Koma setzen.“

Reiji entwichen jegliche Gesichtszüge. Sein Lächeln erstarb, während sein Blick ungläubig zwischen Ai und dem Professor hin und her wechselte. Entweder hatte er sich gerade verhört oder er war Teil eines ganz dummen Spiels, ohne sich dessen bewusst zu sein.

„Wir … ich dachte, es wäre besser, wenn du es nicht erfährst. Schließlich wusste ich nicht, ob er je wieder aufwachen würde. Doch seit ein paar Tagen, ist er … tatsächlich wieder wach.“

Ai verhielt sich ruhig im Hintergrund. Seine Finger vergruben sich in die Lehne des Stuhls, als der Professor die Fakten vor Reiji ausbreitete. Doch er sagte nichts und beobachtete die Szene, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

„Ich weiß, vielleicht glaubst du mir nicht und ich kann dir auch nicht erlauben, ihn jetzt schon zu sehen. Aber ich dachte, du solltest es wissen“, endete der Professor.

„Aine ist … am Leben? Er lebt?“, entkam es Reiji nur langsam. Die Hintergründe waren ihm im Augenblick egal. Er hatte aufgehört zu denken, nachdem diese Nachricht zu ihm durchgedrungen war „Hakase? Wie geht es ihm? Hat er nach mir gefragt? Wann kann ich ihn sehen?“ In seinem Schwall aus Fragen war er nach vorn getreten und klammerte beinah flehentlich an dem weißen Kittel des Professors. Kleine Tränen standen ihm in den Augenwinkeln, als er von unten zu dem größeren Mann hinaufblickte

„Ihm geht es den Umständen entsprechend. Er ist gerade erst aufgewacht, nach fast acht Jahren. Noch kann er nicht mal sprechen. Er versucht es, aber er tut sich wirklich schwer mit allem.“ Natürlich hatte Aine versucht nach Reiji zu fragen, doch das verschwieg der Professor absichtlich. Noch wusste er nicht, wie schnell und ob sich Aine überhaupt wieder vollständig regenerierte. Der Professor pausierte für einen Moment, als wägte er ab, welche Informationen er noch preisgab. „Was Ai anbelangt, so halte ich es für sicherer, wenn Aine fürs Erste nichts über ihn erfährt. Es wäre ein zu großer Schock für ihn. Möglich, dass er bereits von ihm weiß, doch für den Fall, dass nicht, wäre das Risiko zu hoch. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich noch nicht ganz abschätzen, welche Konsequenzen es für Aines Gesundheit haben könnte, wenn er sich in diesem instabilen Zustand aufregt“, schloss er. Ai wusste einiges von Aine, aber ob es umgekehrt genauso war, konnte er noch nicht sagen. Es würde wirklich noch lange Zeit dauern.

„AiAi …? Aber wieso kann ich Aine denn nicht sehen?“ Reiji wollte nicht so einfach aufgeben. Aus seinen Worten wie aus seinem Blick drang die Verzweiflung, die ihn niederzuringen versuchte. All die Jahre hatte er in dem Glauben gestanden, dass sein bester Freund tot sei, und nun erfuhr er aus heiterem Himmel, dass er noch lebte. War es da nicht normal, dass er unter Schock stand?

„Reiji!“, mischte sich Ai plötzlich ein und klappte seinen Laptop hörbar zu. „Vielleicht erinnert er sich an gar nichts mehr.“

Seine Worte bewegten Reiji dazu, von dem Professor abzulassen und den Blick betroffen zu Boden zu senken.

„Vielleicht … will er mich sowieso nicht sehen“, flüsterte er vor sich hin. „Vielleicht ist er mir ja auch immer noch böse, dass ich mich damals nicht gemeldet habe …“ Kurz wischte er sich über die feuchten Augen, ehe er den Kopf wieder hob und ein undefinierbares Lächeln auflegte. Er wollte vor den anderen keine Schwäche zeigen, doch stark zu bleiben, fiel ihm so schwer wie nie zuvor. Gestern hatte er noch von Aine Abschied genommen, und jetzt …? Jetzt wusste Reiji zwar, dass die ganze Trauer teilweise umsonst war, andererseits könnte es sein, dass Aine ihn nun hasste. Sagen würde ihm das vermutlich keiner, vielleicht nicht einmal Aine selbst.

Obwohl er Aine nun wirklich nicht als solchen Menschen einschätzte, hätte er genauso wenig erwartet, dass er sich umbringen wollte. Aine war ein sehr lebhafter Mensch, er war immer gut gelaunt, war für seine Freunde da und hätte alles für sie getan. Eben das, was Reiji nun auch tat.

„Ich muss jetzt leider gehen, mich um Aine kümmern. Reiji, vielleicht solltest du Kei kontaktieren. Er kann dir bestimmte auch einiges erklären.“ Der Professor wandte sich noch einmal an Reiji, ehe er sich mit einem Kopfnicken von ihm verabschiedete und sich aus dem Raum entfernte.

„Kei?“ Reiji verstand die Welt nicht mehr. Sollte das heißen, er war bei Aine gewesen? Kei durfte und er nicht?

Reglos verharrte Reiji in seiner Position. Ein Bild, das man nicht oft zu sehen bekam, was dazu führte, dass auch Ai sich nicht zu rühren wagte. Er hatte erst jüngst gelernt, was menschliche Gefühle waren, wusste sie aber noch nicht im Ganzen zu deuten und wie er mit ihnen umzugehen hatte. Die Verbindung, welche er mit Aine gehabt hatte, war in solchen Angelegenheiten oft hilfreich gewesen, doch seit dieser aufgewacht war, hatte er keinen Zugriff mehr darauf. Das erschwerte ihm Situationen wie diese ungemein.

„Ne, AiAi“, durchbrach Reiji die Stille zwischen ihnen, seine Stimme klang noch leicht brüchig, „ich muss mal eben an die frische Luft. Tut mir leid, dass du das mit ansehen musstest.“

Auf seinem Weg zur Tür trat Reiji an den Freund heran. Obwohl dieser nichts sagte, spielte Reiji ein tapferes Lächeln auf die Lippen und legte ihm tröstlich eine Hand auf die Schulter. „Ich kann dir ansehen, was du denkst“, sagte er leise und fing Ais fragenden Blick auf. „Aber keine Sorge, ich verwechsle euch beide nicht. AiAi wird immer AiAi bleiben und Aine ist Aine. Denk bitte daran, ja?“ Er schenkte ihm noch ein aufrichtiges Lächeln, dann drehte er sich herum und ließ Ai in dem kleinen Raum zurück.
 

Ai hatte sich nicht gerührt, hatte keinen Ton von sich gegeben und versuchte sich solche Gedanken auch nicht anmerken zu lassen. Natürlich hatte er Angst, dass Hakase später keinen Gebrauch mehr für ihn hatte. Dieser versicherte ihm jedoch bereits, dass er nun ebenfalls ein Teil seiner Familie war. Auch wenn Aine wach war, würde Ai dazu gehören. Dies beinhaltete jedoch nicht Quartet Night und er hatte schon mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet, als Reiji von Aine erfuhr, jedoch nicht, dass Reiji fast seine Gedanken las. Ai würde er selbst bleiben und auch ein Teil von … Quartet Night? Zumindest ließen Reijis Worte darauf schließen und so selten es war, bewegten sich Ais Mundwinkel ein Stück nach oben, nachdem er alleine im Raum stand und Reiji noch hinterher blickte. Die Frage war nur, ob Reiji auch bei Quartet Night bleiben würde oder ob dieser doch wieder zusammen mit Aine etwas aufziehen wollte? Vielleicht sogar mit den beiden anderen? Immerhin konnte Ai deutlich spüren, dass Aine ziemlich starke Gefühle gegenüber Reiji hatte, die er nie nachvollziehen konnte. Er selbst zumindest fühlte gar nichts, wenn er diesen ansah oder in seiner Nähe war. Das was vorher war, waren alles nur Gefühle, die ab und an von Aine durchschienen. Ai selbst hatte ganz andere Interessen…
 

Auf dem Weg nach draußen begegnete Reiji Ranmaru und Camus, die schon wieder über irgendetwas diskutierten und sich gegenseitig beleidigten. Etwas Alltägliches. Das Einzige, was hier nicht ins Bild passte, war, dass Reiji keinen Ton von sich gab, als er an ihnen vorbeiging. Ganz, als bemerkte er sie nicht einmal. Sie ließen sich nicht davon stören und fanden erst im Studio, in welchem sich noch immer Ai aufhielt, zu einem kurzen Ende ihrer Diskussionen.

Es war Ais seltsamer Anblick, der Camus nach einem Moment der eingekehrten Stille einen verächtlichen Laut entlockte. Ohne ein weiteres Wort begab er sich an eine Ecke des Tisches, wo er sich sogleich an die Arbeit machte um ein paar Textzeilen zu schreiben. Ranmaru hingegen verweilte noch bei der Tür, von wo aus er Ai auffällig musterte. Er zögerte einen Moment, dann zog er sich einen Stuhl an Ais Seite heran und ihn selbst auf einen freien Platz neben sich.

„Was habt ihr zwei getrieben? Du lächelst blöd und Reiji hat uns nicht mal gesehen?“, wollte er wissen.
 

Natürlich hatte Reiji die beiden wahrgenommen, doch er wollte jetzt nicht mit ihnen reden. Klar, sonst war er immer derjenige, der sich überall einmischte und mit Ai zusammen versuchte, die beiden auseinander zu bekommen, damit sie sich nicht noch irgendwann an den Hals sprangen. Im Moment allerdings war ihm überhaupt nicht danach.

Draußen hatte sich Reiji neben dem Eingang an die Hauswand gelehnt und eine Zigarette angezündet. Normalerweise war nicht er, sondern Ranmaru derjenige, der einem Kettenraucher Konkurrenz machte. Erst seit geraumer Zeit griff auch er gelegentlich nach einer Kippe, um sich irgendwie zu beruhigen. Immer wieder waren die Gedanken an Aine der Grund dafür, wie jetzt auch. Ironie, denn sicher würde er es überhaupt nicht gutheißen, wenn er davon wüsste. Aber was soll’s, er würde es sowieso nie erfahren und selbst wenn, dann hasste er ihn auch so schon. Reiji lächelte bitter bei diesem Gedanken.

Er holte sein Handy heraus und überlegte kurz, ob er Kei wirklich anrufen sollte. Diese Erwägung lockte ihm ein schweres Seufzen hervor. Entschieden steckte er das kleine Ding wieder in seine Hosentasche, um anschließend an seiner Zigarette zu ziehen.

Die ganzen Informationen, die gerade auf ihn eingestürzt waren, musste er erst einmal verarbeiten. Wenn er genauer darüber nachdachte, dann passte alles zusammen: Aine war wach, Reiji erfuhr erst im letzten Moment davon, durfte ihn aber nicht sehen, Kei hingegen schon. Bei ihm war es offenbar kein Problem gewesen, also welchen Grund sollte es geben, dass er nicht zu Aine durfte? Es war wohl doch so, wie er es sich immer gedacht hatte.

Er stieß ein langes Seufzen aus und ließ den Kopf gegen den harten, kalten Stein in seinem Rücken sinken. Es war untypisch für ihn, solch negative Gedanken zu hegen und gleich noch so viele davon. Das fiel ihm selbst auf, doch für seine sonst so positive Art war hier einfach kein Platz. Indem er über all diese Dinge nachdachte, blies er den Rauch gen Himmel und beobachtete die wenigen weißen Wolken, die ihren Weg sorglos in ihm unbekannte Weiten fortsetzten.

„Rauchen ist ungesund und macht die Stimme kratzig“, hörte er plötzlich Ranmaru von der Seite, der tonlos neben ihm aufgetaucht war. Ehe Reiji sich versah, hatte er ihm einfach die Zigarette aus der Hand genommen und zog selbst genüsslich daran.

„Haha, sagt grad der Richtige“, erwiderte er. Ein kurzer, prüfender Blick auf den Freund ließ ihn schmunzeln. Ihm stand das Rauchen sowieso besser.

„Ich bin‘s gewohnt und bei meiner Stimme steh‘n die Mädels doch drauf.“ Unberührt zuckte Ranmaru mit den Schultern, nahm sich der restlichen Zigarette an und lehnte sich lässig neben Reiji.

„Ai hat mir erzählt, was passiert ist“, teilte er ihm mit.

„Oh.“

„Ich hoffe, du hast nicht vor, Quartet Night zu verlassen.“ Es war eine Drohung, welche er offen ließ. „Ai glaubt nämlich, dass du uns für Aine sitzen lässt“, fügte er hinzu und strich sich durch die Haare. „Auch wenn du Idiot glaubst, dass er dich hasst.“

Natürlich hatte Ai Ranmaru alles erzählt, auch das was er gefühlt hatte, während er noch diese gewisse Bindung mit Aine hatte. Für Ranmaru war der Fall klar, für Ai war es nur verwirrend und Reiji wusste es einfach nicht. Doch ihm so etwas auf die Nase zu binden, das wäre doch viel zu einfach gewesen.

„RanRan …“ Reiji sah ihn aus großen Augen an. „Versuchst du mich etwa aufzumuntern?“

„Che. Mir ist doch egal, was du machst.“

„AiAi braucht sich keine Sorgen zu machen. Ich hab‘ ihm schon gesagt, dass er nicht ersetzt wird. Und ich habe auch nicht vor, Quartet Night zu verlassen, selbst wenn … ich Aine wiedersehen könnte. Ihr seid mir mindestens genauso wichtig“, erklärte Reiji mit einem Seufzen.

„Ich glaube dennoch, dass Aine etwas … anderes für dich ist“, presste sich Ranmaru nur schwer über die Lippen, wobei er die Zigarette von sich schnipste.

„Ran …“ Er blinzelte überrascht. „Danke“, fügte er schnell hinzu und zeigte ein Lächeln.

„Was auch immer. Ich bin wieder drin. Ai sieht so aus, als würde er ‘ne Beschäftigung brauchen. Solltest du vielleicht auch mal in Betracht ziehen.“

Damit ging Ranmaru wieder nach drinnen, dicht gefolgt von Reiji.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück