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Down Hill 3: Crisis

von

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Lagebesprechung

Rhyme hatte es geschafft, unter einem Vorwand aus Efrafa zu gelangen und in die untere Ebene nach Core City zu gelangen, näher gesagt in das dortige Viertel Pardarail, dem sichersten und zugleich luxuriösesten Wohnort in Core City, wo nur Häftlinge von Rang und Namen lebten. Oder eben auch jene Leute, die sich als besonders treu und nützlich erwiesen für den Shutcall der Hauptstadt erwiesen hatten. Hier wohnten auch Kaonashi, Horace und Clockwise, aber auch deren Verbündete Nine und Eleven und auch Fiver und Sezru. Wer hier in Pardarail lebte, der hatte ein gutes Leben, denn hier gab es sogar Einzelduschen, sehr gemütliche und große Zimmer, Fernseher und sogar kleine Küchen mit Kühlschränken und Waschmaschinen. Zwar sprach niemand in Down Hill von Zellen, sondern von „Wohnungen“, aber die Zellen in Pardarail konnte man wirklich als kleine Wohnungen bezeichnen. Warum ausgerechnet dieser Teil von Down Hill so luxuriös ausgestattet war, darüber ließ sich nur spekulieren. Vermutlich kamen damals Straftäter hierhin, die aus gutem Hause stammten und es sich leisten konnten, etwas besser untergebracht zu werden als zum Beispiel die Schwerverbrecher im Asylum. Pardarail war unter den Häftlingen heiß begehrt und jeder war darauf erpicht, dort einzuziehen. Allein schon deshalb, weil die Türen einbruchsicher waren und man zudem ein eigenes Bad hatte. Nirgendwo sonst in Down Hill gab es solche Zellen. Es gab aber noch andere Gebiete in Core City. Abash war ein etwas einfacher gehaltenes Wohnviertel und hatte denselben Wohnstandard wie in Efrafa oder in der Festung Helena. Dort hatte man Gemeinschaftsduschen und musste sich auch die Waschmaschinen mit anderen teilen. Hallion war ein eher heruntergekommenes Viertel, wo sich auch die ganzen Generatoren, Heizungs- und Belüftungsanlagen befanden und wo hauptsächlich gearbeitet wurde. Außerdem lebten dort jene Insassen, die weder die Macht noch den Einfluss besaßen, um in Abash oder Pardarail zu leben. Meist waren es die Sittiche oder 170er, die zum größten Abschaum von Down Hill zählten und noch nicht Big Daddy zum Opfer gefallen waren, dem „Boss“ von Gomorrha. Er war kein Shutcall wie Kaonashi, hatte aber trotzdem Macht und Einfluss und da Kaonashi mit dem Vergnügungsviertel von Down Hill nichts zu tun haben wollte, hatte er Big Daddy am Leben gelassen und mit ihm die Vereinbarung getroffen, dass sie eine Art Kooperation eingehen: Kaonashi ließ ihn seinen Job machen und Big Daddy machte keinen Ärger. So konnte die Ordnung in Core City gewahrt werden. Neben dem Rotlichtviertel und den drei Wohngebieten, die quasi nach Klassen eingeteilt waren, gab es noch das Zentrum, wo auch der Marktplatz lag und damit sämtliche „Geschäfte“. Rhyme bahnte sich seinen Weg durch das Gedränge und erreichte etwas später als geplant Pardarail und klopfte an die Zellentür. Langsam wurde diese geöffnet und Clockwise stand im Türrahmen. Dieser strahlte übers ganze Gesicht und umarmte ihn fast schon stürmisch. „Mensch Rhyme, das ist ja mal eine Überraschung. Damit hätte ich ja jetzt gar nicht gerechnet.“ Clockwise streckte sich ein wenig zu ihm empor und küsste ihn zur Begrüßung, dann führte er ihn in die Wohnung. „Na du scheinst ja das blühende Leben zu sein“, bemerkte Rhyme mit einem Schmunzeln und setzte sich auf die kleine Couch, während Clockwise einen Kaffee vorbereitete. In diesem Gefängnis zählte Kaffee zu einem sehr beliebten Luxusartikel. „Ist alles soweit in Ordnung hier?“ „Zum Glück ja. Kao hatte ja wieder einen Schub gehabt, aber der ist inzwischen wieder abgeklungen. Er muss sich nur erst mal wieder davon erholen und Horace ist auch total am Ende, weil er vor Sorge kaum ein Auge zugekriegt hat. Es sah aber zum Glück schlimmer aus als es war und er meckert inzwischen wieder rum, weil er es hasst, untätig im Bett zu liegen.“ Ja, das sah Kaonashi wirklich ähnlich. „Und wie geht es dir? Kann es sein, dass du abgenommen hast? Du siehst etwas blass aus und dünn bist du auch geworden.“ „Ach weißt du…“ Clockwise seufzte, denn er wusste, dass er Rhyme nicht an der Nase herumführen konnte. Darum war es besser, von Anfang an ehrlich zu sein. „Ich mach mir halt Sorgen um dich. Du begibst dich in Gefahr und lässt dich von diesem Dreckskerl so quälen und ich? Ich sitz hier herum und kann nichts tun, weil ich kein M.O. bin so wie du und Kaonashi.“

„Es ist nicht nur deswegen. Kaonashi braucht dich. Keiner von uns weiß, wann der nächste Schub kommen wird und dann musst du bei ihm sein. Und was ist mit Horace, wenn ihm etwas passieren sollte? Ich bin dann nicht da und ich bin kein studierter Mediziner wie du. Meine Kenntnisse reichen höchstens zur Krankenpflege, aber mehr auch nicht.“ „Ich weiß“, seufzte Clockwise und reichte Rhyme seine Tasse Kaffee. „Aber was nützt es mir, wenn ich euch nicht beschützen kann?“

„Weil es nicht deine Aufgabe ist. Und du siehst deine Aufgaben dort, wo andere sie haben. Kaonashi und ich, wir sind beide M.O.s, deshalb ist es unsere Aufgabe, diese kleine Gruppe zu beschützen. Kaonashi ist unser Anführer, ich werde ihn dabei unterstützen und Kao hat Horace, der ihm beisteht. Und du… eigentlich hast du doch die allerwichtigste Aufgabe von uns allen. Denn du stellst sicher, dass Kaonashi in der Lage ist, uns weiterhin beschützen zu können. Also darfst du doch mit Fug und Recht behaupten, dass du nach ihm das wichtigste Mitglied im Team bist.“ Clockwise schmunzelte und trank seinen Kaffee. „Dir fällt auch immer ein Argument ein, mit dem du mich überzeugen kannst, was? Wo nimmst du nur diese Stärke her?“ „Weil du sie mir gibst“, erklärte Rhyme und nahm seine Hand. „Weißt du, als ich alleine war und auf der Suche nach mir selbst war, da ist mir klar geworden, dass du der Grund bist, der mich weiterhoffen lässt. Ich habe damals durch die Helmstedters wirklich alles verloren. Meine Brüder, mein Leben, meinen Lebenswillen und selbst den größten Teil meines Körpers haben sie mir genommen und inzwischen bin ich kaum noch ein Mensch mehr. Mein Körper ist unnatürlich geworden und es gibt keinerlei Hoffnung, dass es je wieder so wird wie früher. Ich bin dazu verdammt, für immer in diesem Körper zu bleiben. Und das hat mich oft vor die Frage gestellt, warum ich noch lebe und was mein Daseinszweck ist. Was bin ich denn, wenn ich kein Mensch mehr bin? Und das machte es mir leichter, Kaonashis Gefühle zu verstehen. Manchmal stand ich kurz davor, zusammenzubrechen und einfach aufzugeben. Immerhin hatte ich keine Familie, keinen Ort zu dem ich zurückkehren kann. Aber dann erinnerte ich mich wieder an diesen einen Tag, als wir uns kennen gelernt haben. Als du dich heimlich ins Labor geschlichen und mit mir gesprochen hast. Weißt du noch, was du zu mir gesagt hast?“ Clockwise dachte zurück und lächelte. „Ja… ich hab dich gefragt, ob du vielleicht ein Engel bist wegen deiner weißen Haare und deiner Augen. Aber weißt du, was das Seltsame ist? Ich habe dich immer Rhyme genannt, schon damals. Wer hat dir diesen Namen eigentlich gegeben?“

„Das war Dr. Helmstedter. Er wollte mir einen neuen Namen geben, damit ich wohl offiziell zu seinem Besitz werde. Und da ich nach und nach mein menschliches Selbst verlor, da schien mir mein richtiger Name nicht mehr länger angebracht zu sein. Denn mein richtiger Name ist der meines menschlichen Ichs.“

„Aber du bist nicht irgendein Besitz.“

„Ganz Recht…“ Sie wandten sich zur Tür und sahen, dass Kaonashi gerade hereinkam. Er wirkte noch ein wenig angeschlagen, aber zumindest konnte er wieder laufen und das war ein gutes Zeichen. Dennoch stand Clockwise auf und rief fast schon mit strengem Ton „Was machst du denn wieder für Sachen? Du solltest im Bett liegen bleiben und dich schonen, okay? Dein Körper ist noch völlig entkräftet.“ „Es geht mir gut, klar? Ich wollte nur fragen, ob du vielleicht noch etwas Milch hast.“ „Aber trink mir nicht schon wieder aus der Tüte, ja? Was gutes Benehmen betrifft, hast du so einiges nachzuholen, mein Lieber.“ Während Kaonashi Platz nahm, ging Clockwise zum Kühlschrank und holte die Milch raus, dazu noch einen der Aluminiumbecher und stellte beides auf den Tisch, dazu kramte er noch die Kalium- und Siliziumpräparate heraus und gab sie seinem maskierten Freund. Dieser fragte irritiert „Wieso soll ich die schon wieder nehmen?“

„Weil du nach einem solchen Schub eine große Menge an Calcium, Silizium, Kalium und Vitamin K brauchst. Aus diesem Grund bekommst du die nächsten Tage drei Mal deine Präparate und zusätzlich gibt es eine Vitamin K Diät für dich, damit sich dein Körper erholen kann. Ich hab Horace eine Einkaufsliste zusammengestellt und so gibt es die nächsten Tage Grünkohl für dich.“ „Ich hasse dich…“, knurrte Kaonashi und schluckte die Tabletten. „Ums Verrecken fresse ich das Zeug nicht.“ „Doch, das tust du“, erwiderte Clockwise streng. „Grünkohl ist sehr reichhaltig an Vitamin K und wenn du nicht noch irgendwelche Nachwirkungen haben willst, dann wirst du dich an meine Verordnung halten. Vergiss nicht, dass ich für deine medizinische Betreuung verantwortlich bin und wenn du dich so anstellen willst, kann ich ja gerne Horace holen. Mal sehen, was der dazu sagen wird.“ Zwar sah man unter der Maske nichts, aber man merkte schon, dass es Kaonashi überhaupt nicht passte, dass man ihm Vorschriften machte. Meist folgte dann ein wütendes „Du kannst mich mal“ oder „Verreck doch“, aber sie wussten, dass er das überhaupt nicht so meinte. Aber er konnte in der Hinsicht sein Temperament kaum zügeln. Und wie erwartet kam ein leises „Verdammtes Ärztepack“, aber damit beließ es Kaonashi und schluckte seine Präparate und trank seine Milch aus. „Also wo waren wir stehen geblieben?“

„Schon in Ordnung“, meinte Rhyme nur und wollte das Thema beenden, aber da spielte Clockwise nicht mit. „Rhyme hat von seiner Identitätskrise erzählt.“ „Ach ja“, rief Kaonashi und schüttete noch etwas Milch in seinen Becher. „Was das betrifft, da habe ich auch mal darüber nachgedacht. Und da habe ich mir die Frage gestellt, wer denn wohl menschlicher ist: eine Maschine mit der Seele eines Menschen oder ein Mensch mit der Seele einer Maschine. Im Grunde kommt es doch nicht auf die Hülle, sondern auf den Kern an und du bist weitaus menschlicher als jeder Mensch, den ich kenne, Rhyme. Die Einzigen, die womöglich anders von dir denken, sind du selbst und Helmstedter. Um meinen Namensverwandten zu zitieren: Nun, wenn er mich auch täuscht, so ist es also unzweifelhaft, dass ich bin. Er täusche mich, so viel er kann. Niemals wird er jedoch fertig bringen, dass ich nichts bin, solange ich denke, dass ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich nun alles mehr als genug hin und her erwogen habe, schließlich zu der Feststellung, dass dieser Satz: „Ich bin, ich existiere“, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist. Ich denke, also bin ich, denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, zu dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht besteht. Darum ist diese Erkenntnis von allen die erste und sicherste, die bei der Philosphie über Leben, Tod, Existenz, Nichtexistenz, Menschlichkeit und allen anderen Werten hervortritt. Und selbst wenn ich mich täuschen sollte, so bin ich. Denn wer nicht ist, kann sich nicht täuschen. Demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Und weil ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein täuschen, da es doch gewiss ist, dass ich bin, gerade wenn ich mich täusche?“

„Okay, jetzt komme ich nicht mehr mit“, meldete sich Clockwise und trank seinen Kaffee weiter. „Was das Philosophieren betrifft, bist du der Weltmeister schlechthin, Kao. Aber ich kapier dieses ganze Hin und Her einfach nicht.“

„Es ist doch einfach“, erklärte der Maskierte. „Unser Denken allein bestätigt bereits unsere Existenz und solange Rhymes Geist frei ist um aus freiem Willen zu lieben, zu hassen und zu denken, ist er ein Mensch. Und was mit seinem Körper ist, spielt dabei keine Rolle.“ „Ich kapier es trotzdem nicht, was du da gerade geschwafelt hast. Ich bin Schauspieler mit Medizinstudium und kein Philosoph.“ Doch Rhyme lächelte und seine Stimmung schien sich auch sehr gebessert zu haben. „Ich verstehe schon die Botschaft. Wobei aber ein Paradoxon darin verborgen liegt.“

„Und welches?“

„Wenn ich weiß, dass ich nicht existiere, muss ich doch gleichzeitig meine Existenz anerkennen.“

„Die ganze Philosophie ist ein einziges Paradoxon“, meinte Kaonashi nur und fügte noch hinzu „Mein Lieblingsparadoxon ist immer noch das Allmachtsparadoxon: Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht heben kann? Lässt sich doch wunderbar an Helmstedter anwenden. Kann der Kerl einen Übermenschen erschaffen, den er vollständig beherrschen kann?“

„Wohl eher nicht“, meinte Clockwise und lachte. „Wir wissen ja, was das mit Umbra geworden ist. Und euch hat er ja auch nicht unter Kontrolle kriegen können. Und lange kann er mit seinem Treiben ja auch nicht weitermachen. Aber jetzt sag mal Rhyme… Wie lautet eigentlich dein richtiger Name? Dann muss ich beim Sex nicht wenigstens den Namen laut rausschreien, den dieser Mistkerl dir gegeben hat.“ „Oh erzählt mir alle Details“, kommentierte Kaonashi ironisch und trank den Rest der Milch aus. Rhyme zögerte noch einen Moment und war sich nicht ganz sicher, ob er es wirklich sagen sollte. Unsicher wanderte sein Blick zu dem maskierten 27-jährigen, so als wolle er diesen stumm nach dessen Erlaubnis fragen. Doch als von diesem nichts kam, ging er davon aus, dass es in Ordnung sei. „Mein richtiger Name ist…“ Und hier beugte er sich zu Clockwise vor und flüsterte ihm diesen ins Ohr. Und dieser musste schmunzeln, als er den Namen hörte. „Schon witzig“, meinte er schließlich. „Jetzt haben wir einen Schriftsteller, einen Mathematiker und einen Philosophen. Tja… dann wäre ich wohl der Einzige, der sich nicht sonderlich mit seinem Namen rühmen kann.“

„Du kannst deinen Namen ja ändern lassen. Das ist auch kein Problem“, schlug Kaonashi vor. „Dann könntest du vielleicht den Nachnamen eines Politikers oder Künstlers annehmen.“

„Da könnte ich tatsächlich was haben. Meine Mutter war Französin und hatte einen Namen, der auch zu einem berühmten Künstler gehört.“

„Passt doch perfekt“, rief Rhyme begeistert. „Dann hätten wir einen Künstler, einen Philosophen, einen Mathematiker und einen Schriftsteller.“

„So viel Kultur kriegt man nicht mal in einer Ausstellung zusammen“, scherzte Clockwise und mit einem lauten Lachen stimmten Kaonashi und Rhyme zu. Schließlich aber kam Rhyme auf den Grund seines Besuchs zu sprechen. „Ich habe Neuigkeiten aus Efrafa. Wie es aussieht, ist Mello mit dem Umbra-Gen infiziert worden und nun wird sich offenbar besprochen, ob man ihn töten soll oder nicht. Schlimmstenfalls wird er an Umbras Stelle für die Experimente herhalten müssen.“ „Was?“ rief Clockwise fassungslos. „Das können die doch nicht ernsthaft vorhaben! Das ist… das ist…“ Er wandte sich an Kaonashi. „Kao, wir müssen etwas tun. Wir können doch nicht zulassen, dass Hinrich auch noch an ihn herumexperimentiert und Mello dabei noch draufgeht. Das überlebt er nicht! Wir müssen los und ihn rausholen.“ „Bleib mal auf dem Teppich“, rief der Maskierte und verschränkte nachdenklich die Arme. „Einfach nach Efrafa zu spazieren ist glatter Selbstmord. Zuerst einmal wissen wir ja noch nicht, ob sie ihm tatsächlich etwas antun wollen. Und wenn es wirklich so dringend wäre, hätte Rhyme es doch direkt schon gesagt. Oder irre ich mich?“

„Nun, Helmstedter hat einige Untersuchungen durchgeführt“, erklärte der Weißhaarige. „Allerdings braucht er noch eine Weile, um eine entsprechende Diagnose zu treffen, ob Mellos Blut verwertbar ist und ob sie ihn auch wirklich töten werden.“ Wieder dachte Kaonashi nach, um die ganze Situation abzuwägen und eine richtige Entscheidung zu treffen. Dann schließlich nach einer Weile des nachdenklichen Schweigens murmelte er „Matt ist zwar so einiges zuzutrauen und er tanzt nach Helmstedters Pfeife, aber so kaltherzig ist nicht mal er, als dass er allen Ernstes zulassen würde, dass seine große Liebe auf dem Seziertisch landet. Aber gut, dass du uns diese Nachricht mitteilst, Rhyme. In dem Fall müssen wir unbedingt aktiv werden. Sobald ich die Gelegenheit habe, werde ich die Blutproben und die Unterlagen, die Helmstedter bis dahin zusammengetragen hat, vernichten. Wir müssen weitere Umbra-Experimente so weit wie möglich hinauszögern und verhindern, dass er noch so ein Monster erschafft und er wieder wahllos an den Insassen herumexperimentiert.“ „Und warum ausgerechnet du und nicht ich?“ fragte Rhyme verwundert. „Weil sein Verdacht automatisch auf dich fallen würde“, erklärte Kaonashi. „Es ist jetzt absolut wichtig, dass deine Rolle geheim bleibt und niemand Verdacht schöpft. Und wenn ich entdeckt werde, wird man denken, ich versuche mir Umbras Fähigkeiten anzueignen. Außerdem kann ich wohl schlecht Clockwise und Horace mit dieser Aufgabe betrauen. Wenn Christine mit ihrer Einheit aufkreuzt und das Feuer eröffnet, sind die beiden tot und das kann und will ich nicht verantworten. Also werde ich gehen. Ich werde mich dann über die Luftschächte absetzen, die benutzt sowieso kaum jemand und deshalb werde ich gleich Sezru fragen, ob er mir da behilflich ist. Ich glaube, für Fiver wäre das ein wenig zu gefährlich. Der Junge ist immerhin erst 17 Jahre alt und sowieso noch etwas angeschlagen nach seiner Krankheit. Auf jeden Fall müssen wir die Proben vernichten, bevor Helmstedter dazu kommt, ihre einzelnen Bestandteile zu analysieren und auf die Weise an die Formel für das Umbra-Gen kommt.“

„Heißt also, wir sabotieren fürs Erste Helmstedters weitere Forschungen.“

„Genau“, bestätigte Kaonashi und nickte. „Somit gewinnen wir Zeit und stellen sicher, dass es nicht noch einen zweiten Umbra geben wird.“

„Und was ist, wenn diese Sabotage Mellos Leben in Gefahr bringt?“ fragte Clockwise besorgt. „Sollen wir ihn als notwendiges Opfer sehen, oder wie stellst du dir das vor?“

„Sollte es dazu kommen, dass Helmstedter sein Blut nicht direkt verwerten kann, dann ist er schon mal aus dem Schneider. Mehr als sein Blut entnehmen und es zu untersuchen kann er ja nicht und ich glaube, Matt wird dann auch nicht zulassen, dass der Doktor Mello zu seinem Versuchskaninchen macht und ihn auseinander nimmt. Ich werde mich aber trotzdem sicherheitshalber noch mit Horace besprechen und hören, wie er die Sache einschätzt. Sollte ich mit meiner Annahme falsch liegen, werde ich mir schon noch etwas einfallen lassen. Wir sind immerhin nicht Efrafa. Auch wenn es riskant sein wird, aber ich werde sicher nicht zulassen, dass irgendjemand für diese kranken Experimente draufgehen wird. Und wenn es eben bedeutet, dass wir Mello aus Efrafa rausholen und ihn verstecken.“

„Und wie stellst du dir das vor?“

„Core City ist mein Gebiet und so dumm ist Matt nicht, dass er sich mit mir anlegt. Mag sein, dass er die größere Armee hat, aber Core City ist die Hauptstadt von Down Hill und wenn Efrafa uns den Krieg erklären sollte, werden noch genügend andere Gruppen nicht mit Begeisterung reagieren. Immerhin haben wir Geschäftsbeziehungen zu Songan und Konngara und sogar zur Festung Helena. Außerdem würde auch das Cohan-Duo alles andere als begeistert sein, wenn sie noch arbeitslos werden. Efrafa hätte damit binnen kürzester Zeit den Rest von Down Hill gegen sich und das können sie nie und nimmer riskieren. Also haben wir durchaus Chancen, dass Mello hier unterkommen kann, sollte Matt wider Erwarten seinen Tod beschließen. Aber erst einmal sollten wir das Ergebnis abwarten, bevor wir unnötig die Pferde scheu machen.“

„Okay, dann gebe ich gleich Horace Bescheid“, meldete sich Clockwise. „Rhyme geht wieder zurück und du legst dich wieder hin, bevor du noch umkippst. Was das betrifft, bist du sowieso schon immer viel zu rücksichtslos gewesen, was deinen Körper angeht.“

„Ach hör doch auf“, gab Kaonashi genervt zurück. „Natürlich passe ich auf!“

„Zumindest ein bisschen, aber deine Präparate darf ich dir auch jedes Mal hinterherschmeißen, weil du nie selber daran denkst. Und Horace hält dir doch auch jedes Mal eine Standpauke deswegen.“

„Ist ja gut, Prinzesschen. Ich hab’s kapiert. Ich geh mich dann noch ein wenig ausruhen, bevor ich mich an die Arbeit mache.“ Damit erhob sich Kaonashi und verließ die kleine „Wohnung“. Clockwise atmete geräuschvoll aus und schüttelte den Kopf. Dieser Idiot war doch echt unverbesserlich in mancherlei Hinsicht. Schließlich aber wandte er sich Rhyme zu. „Kommst du bald wieder vorbei, damit wir uns wieder einen schönen romantischen Abend machen können?“ „Natürlich“, versprach Rhyme und nahm ihn zum Abschied in den Arm. „Und wenn das alles hier vorbei ist, dann holen wir jede verlorene Sekunde nach. Wer weiß… vielleicht machen wir mal eine Reise, nach Wien zum Beispiel.“

„Horace würde vor Neid platzen, wenn er das hört.“ Clockwise lachte und erwiderte die Umarmung. Manchmal war es für sie beide sehr schwer in dieser Situation und vor allem die Tatsache, dass Rhyme auf der Seite des Feindes stand und manchmal tagelang nicht nach Pardarail kommen konnte, stellte ihre Beziehung immer wieder auf harte Proben. Aber sie waren beide fest entschlossen, dennoch füreinander da zu sein und an ihren Plänen festzuhalten, die sie für ihre Zeit nach Down Hill hatten. Manchmal waren diese Pläne genau das, was sie durchhalten ließ und die ihnen Kraft gaben. Mit einem leidenschaftlichen und intensiven Kuss nahmen sie schließlich voneinander Abschied und so ging auch Rhyme. Damit war Clockwise allein und er überlegte, was er nun tun sollte. Dann aber entschied er sich, mal nach Sezru und Fiver zu sehen. Immerhin hatte Fiver gerade erst eine leichte Bronchitis überstanden und auch wenn sich Sezru aufopfernd um ihn kümmerte, wollte Clockwise lieber selber noch mal nach dem Rechten sehen. Zwar war er kein offizieller Medic, aber hier in Core City kümmerte er sich trotzdem um die Kranken. Außerdem wollte er lieber nicht zulassen, dass seine Patienten noch an die Falschen gerieten. Zwar war er in erster Linie Schauspieler und eher gegen seinen Willen Mediziner geworden, aber er hielt dennoch an diesem Ärztekodex fest und kümmerte sich sehr um seine Patienten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  San-Jul
2015-05-05T04:36:55+00:00 05.05.2015 06:36
Wow, der plan hört sich gut an. Irgendwie hab ich voll angst, dass Mello was schlimmeres passiert.


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