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Harry Potter, the Real Story

die Geschichte beginnt
von

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Ein unerwarteter Besuch

»Ich bin fertig.«

»Gut, und das nächste Mal überlegst du dir vielleicht vorher, ob du etwas anstellst.«

Diese schmierige Stimme, ließ Sally nur die Augen verdrehen.

Mr. Filch überließ Sally sich selbst und verschwand aus dem Pokalzimmer. Mit zusammengezogenen Augenbrauen warf sie ihm einen bösen Blick hinterher, bevor sie sich abwandte und in die andere Richtung verschwand. Es war schon spät und draußen war es dunkel. Man merkte deutlich, dass die Tage immer kürzer wurden. Mit schnellen Schritten marschierte die Gryffindor Richtung Gemeinschaftsraum.

»Hey, warte!«

Sally fuhr erschrocken herum und konnte einen Weasleyzwilling in dem dunklen Gang ausmachen. Die Schwarzhaarige blieb stehen. »Na auch gerade fertig geworden?«, fragte Fred als er neben ihr zum Stehen kam. Augenverdrehend meinte sie: »Ja. Filch hat mich die Ehrenmedaille von Mr. Tom Riddle, die ihm für besondere Dienste um die Schule verliehen wurde, mindestens fünf Mal polieren lassen.« Kopfschüttelnd grummelte sie irgendetwas vor sich hin und setzte gemeinsam mit ihrem Klassenkollegen den Weg fort. »Wie war's bei dir?« Der Rotschopf seufzte theatralisch. »Auch nicht gerade besser. McGonagall hat mich irgendwelche grausigen kleinen Tierchen sortieren lassen, die Professor Kettleburn für Pflege magischer Geschöpfe braucht. Aber nicht um sie zu untersuchen, sondern um sie an größere, grausige Tierchen zu verfüttern. Keine Ahnung wieso ich sie sortieren sollte, aber bitte. Eines dieser Mistviecher hat mich gebissen, aber McGonagall hat mir nur lieblos ein Pflaster gegeben anstatt mich in den Krankenflügel zu schicken. Schau mal.« Fred hielt ihr seinen rechten Zeigefinger vor die Nase, der ganz angeschwollen und etwas grün war. Sally verzog das Gesicht. »Das solltest du dir vielleicht ansehen lassen.« Er zuckte nur mit den Schultern und legte ihr grinsend einen Arm um die Schulter. »Aber ich muss sagen, es hat sich trotzdem gelohnt.«

Ja, da hatte er recht. Es hatte sich wirklich gelohnt!
 

Percy war nur mit einem Handtuch und Socken bekleidet durch den Gemeinschaftsraum gelaufen und hatte wild herumgefuchtelt und herumgeschrieen. Vom Jungenschlafsaal der Drittklässler war ein übler Gestank in den Gemeinschaftsraum gedrungen und Sally und Lee waren in einer Ecke gesessen und hatten geheult vor Lachen. Sie hätten beinahe versäumt, dass sie ihre beißenden Frisbees abschossen. Percy war schreiend nach draußen gelaufen und hatte sich in der Toilette im 7. Stock versteckt, bis Professor McGonagall die Party unterbrochen hatte, weil sie Percys Klamotten draußen liegen gesehen hatte. Sie hatte Sally, Lee, Fred und George jeweils 20 Punkte abgezogen und jeden zu einer Strafarbeit verdonnert. Auch wenn sich Sally sicher war, dass sie ein Zucken um die Mundwinkel ihrer Hauslehrerin gesehen hatte, war diese ziemlich wütend gewesen. Obwohl wütend wahrscheinlich nicht mal eine angemessene Bezeichnung gewesen war.

Die 80 verlorenen Punkte für Gryffindor waren dem ganzen Haus so gut wie egal, denn der Anblick des schreienden Weasleys hatte alle amüsiert. Charly hatte sich noch Tage später darüber beschwert, dass sie nicht dabei gewesen war, während Simon und Micha nicht aufhören konnten über diese brillante Idee zu schwärmen. Sally war begeistert, dass sie nun alle irgendwie sowas wie Freunde waren, auch wenn Charly nicht so begeistert gewesen war, dass sie nun mit vier Gryffindors durch die Gegend lief. Aber sie hatte sich wohl ziemlich schnell daran gewöhnt - denn eigentlich konnte die Rothaarige sowieso nichts dagegen tun.

Weihnachten rückte immer näher und die Hauslehrer hatten in ihren jeweiligen Häusern eine Liste ausgehängt, in der sich alle Schüler eintragen konnten, die über Weihnachten in Hogwarts blieben. Die Weasleyzwillinge, Lee, und Micha hatten sich sofort eingetragen, doch Sally zögerte noch etwas. Sie wusste noch nicht ob sie nach Hause fahren sollte oder nicht und würde mit ihrer Schwester erstmal darüber sprechen. Charly hatte noch keine Entscheidung getroffen und Simon und seine Schwester würden auch nach Hause fahren.

»Hey, Dora!« Sally kam gerade aus Zauberkunst und hatte einen rosafärbigen Haarschopf gesehen, und das konnte nur Nymphadora sein. Sie eilte ihrer Schwester hinterher, welche am Ende des Flurs auf sie wartete. »Na? Habt ihr wieder mal die Klamotten von irgendwem versteckt?« Die Ältere grinste breit und Sally verdrehte nur belustigt die Augen. »Haha … aber was anderes - ich weiß nicht ob ich Weihnachten hier bleiben soll oder nicht.« Sie verzog das Gesicht und ging mit ihrer Schwester hinunter Richtung Große Halle zum Mittagessen. »Also ich kann dir nur so viel sagen: Weihnachten in Hogwarts ist toll. Aber Mum freut sich auch, wenn du nach Hause kommst. Du hast ja noch etwas Zeit, überleg es dir und sag mir dann Bescheid, denn ich weiß es ehrlich gesagt auch noch nicht«, gab Dora lachend zu. Sally ging hinüber zum Gryffindortisch, setzte sich zwischen die Zwillinge und verfiel in Schweigen. Es war eine schwierige Entscheidung - die meisten ihrer Freunde blieben hier und hatten sicher unheimlichen Spaß. Und was wenn sie nach den Ferien nicht mehr mit ihr befreundet sein möchten? Das wäre auch ziemlich doof … Andererseits hatte sie ihre Eltern schon lange nicht mehr gesehen und sie hatte ihnen so viel zu erzählen. Und mit Mika könnte sie sich auch wieder treffen. Es war zum Haare raufen.
 

Doch schon am nächsten Tag wurde der jungen Gryffindor die Entscheidung abgenommen. Als beim Frühstück die Posteulen hereingeflogen kamen, steuerte eine schöne Schleiereule auf Sally zu und ließ sich vor ihrer Müslischüssel nieder. Sofort erkannte sie die Handschrift ihrer Mutter auf dem Umschlag und schnell band sie den Brief los. Die Eule stibitzte sich etwas von Sallys Müsli, doch das bekam diese schon gar nicht mehr mit. Ihre Mutter würde ihr sicher helfen können bei ihrer Entscheidung! Sally überflog den Brief und eine ihrer Augenbrauen wanderte nach oben.
 

Liebe Sally,
 

Bald ist Weihnachten und ich kann mir denken, dass Professor McGonagall bereits die Listen ausgehängt hat. Ich weiß, dass du liebend gerne in Hogwarts bleiben und mit deinen Freunden etwas unternehmen würdest und ich wäre dir auch nicht böse, ich hoffe du weißt das. Allerdings haben dein Vater und ich gerade sehr gute Neuigkeiten erhalten und wir erwarten um Weihnachten Besuch von einer Person, die dich gerne kennenlernen würde. Wir würden uns also alle freuen, wenn du und auch Nymphadora nach Hause kommen würdet. Schickt mir eure Antworten eulenwendend.
 

Ich hab euch lieb,

Mama
 

Etwas verwirrt starrte sie auf das Stück Pergament. Wer in Gottes Namen wollte sie denn bitte kennenlernen? Und die größere Frage war: Wollte sie diesen Jemand auch kennenlernen? Ehrlich gesagt bezweifelte sie es. Wie mechanisch stand sie auf und ging hinüber zum Hufflepufftisch. Sie hatte ihre Schwester schnell gefunden und ohne ein großes Wort hielt sie ihr den Brief unter die Nase. Nymphadora schien genauso verwirrt zu sein wie sie, meinte aber: »Na dann werden wir nach Hause fahren, oder?« Sally zuckte mit den Schultern und nickte langsam. »Ja, ich denke schon.« »Gut, ich muss ohnehin hoch zur Eulerei, ich schicke Mum ne Antwort.«
 

Die Tage bis zu den Ferien wurden immer weniger und schon bald hatten sie den letzten Schultag erreicht. Im Unterricht passte niemand mehr auf und die Lehrer gaben den kläglichen Versuch um die Aufmerksamkeit der Schüler zu ringen, schlussendlich doch auf. In ihrer letzten Stunde Zauberkunst spielte Sally mit Fred eine Runde Zauberschnippschnapp. »Und du fährst heute nach Hause?« »Ja. Keine Ahnung aber Mum meinte, dass wir Besuch bekommen. Was weiß ich. Charly fährt auch nach Hause, oder?« Fred nickte nur. Die Mason hatte so lange überlegt, bis die Listen abeghängt worden waren. Und dann hatte sie gemeint, dass sie ohnehin nach Hause fahren wollte. »Wieso fahren du und George eigentlich nicht?« »Mum hat uns nach der Sache mit Percy einen Heuler geschickt und gesagt sie dreht uns den Hals um, wenn sie uns das nächste Mal sieht. Wir hoffen einfach, dass sie es bis zum Jahresende vergessen hat. Außerdem besuchen unsere Eltern, Ron und Ginny unseren Bruder Charlie in Rumänien«, erklärte Fred und im nächsten Moment explodierten die Karten und flogen quer durchs Klassenzimmer. Eine Karte landete auf dem erschrocken wirkenden Professor Flitwick, der auf seinem Bücherstapel stand und irgendwelche Geschichten erzählte.

Im ganzen Schloss war die Aufregung zu spüren. Alle freuten sich auf die lang ersehnten Ferien, Schüler wie auch Lehrer. Sally hatte ihren Koffer noch vor dem Mittagessen gepackt und beobachtete nun, mit vor Nervosität zappelnden Füßen, wie George und Lee Zauberschach spielten. Fred versuchte unterdessen eines der beißenden Frisbees so zu verzaubern, dass es zwischen den Beißgeräuschen Weihnachtslieder trällerte. Als es schließlich zwei Uhr wurde, sprang Sally wie von der Tarantel gestochen auf und lief nach oben in den Schlafsaal um ihren Koffer nach unten zu tragen. Angelina Johnson, Alicia Spinnet, Sophie Martin und Vicky Frobisher fuhren ebenso nach Hause und hatten ihre Koffer bereits zum Mittagessen nach unten getragen. Sally hievte den schweren Koffer nach unten und lief dann noch einmal nach oben um sich ihren dicken Winterumhang umzuwerfen. Sie hatte überlegt den Eulenkäfig ebenso mitzunehmen, doch Oliver würde ohnehin entweder unterwegs sein oder in der Eulerei bleiben. Und sonst würde er es ohne seinen Käfig auch überleben, davon war sie überzeugt.

»Sollen wir helfen?«, fragte George breit grinsend und lehnte sich lässig an den Koffer als Sally wieder in den Gemeinschaftsraum trat. »Das wäre durchaus äußerst nett Mr. Weasley.« Sally strahlte die beiden Rothaarigen an, als diese jeder ein Ende von dem Koffer ergriffen und Richtung Porträtloch spazierten. Lee, der gerade noch sein Zauberschachspiel weggeräumt hatte, rief quer durch den Gemeinschaftsraum: »Hey, wartet auf mich!« Sally blieb stehen und wandte sich zu dem Jordan um, der einen Slalom der elegantesten Klasse hinlegte um den nicht allzu großen Raum zu durchqueren.

In der Eingangshalle warteten bereits Charly, Simon und Michail auf sie. Nicht weit weg stand Simons Schwester Emily mit ihren beiden Freundinnen Catriona Callahan und Marlena Ebdon, die wohl auch beide nach Hause fahren würden. Neben den drei Mädchen stand ein etwas größerer Junge an seinen Koffer gelehnt und starrte Löcher in die Luft. Sally erkannte ihn als einen Zweitklässler aus Gryffindor, mit dem sie allerdings noch nie ein Wort gewechselt hatte. Und seinen Namen kannte sie auch nicht, weshalb sie sich fragte was er hier tat und ob er sich vielleicht verirrt hatte. »Dann fahren wir also nach Hause«, begrüßte Charly die Gryffindors grinsend. »Sieht so aus«, stimmte Sally ihr zu. Inzwischen freute sie sich schon auf daheim. Auf ihre Eltern … auf ihre Katze Klio … auf Mika und Sergej. »Na dann sehen wir uns wohl nach den Ferien«, meinte die Slytherin an die Jungs gewandt und umarmte sie kurzerhand der Reihe nach. Nur allzu gerne hätte Sally ein Foto von dieser Situation geschossen, denn vor allem Micha sah aus, als wäre er am liebsten wo anders. Mit einem mehr als breiten Grinsen, begnügte sich die Gryffindor damit einmal in die Runde zu winken und ein »Frohe Weihnachten und schöne Ferien!« zu rufen. Gemeinsam mit ihren beiden Freunden, Emily und deren Freunde, wanderte Sally nach draußen, wo es bitterkalt war. Eine große Gruppe an Schülern war bereits vor dem Schloss versammelt und wartete wohl auf irgendetwas. Sally nutzte den Moment um sich ihren Schal um den Hals zu wickeln, die Mütze tief ins Gesicht zu ziehen und in ihre Handschuhe zu schlüpfen. Charly und Simon taten es ihr gleich. Die Gryffindor musste lachen, als sie sich zu den beiden umwandte. Beide waren so vermummelt, dass man nur mehr die Augen ausmachen konnte - Charly in Slytheringrün und Simon in Hufflepuffgelb. Es war ein doch sehr groteskes Bild um mal ehrlich zu sein. Gerade wollte Sally etwas sagen, als ihre Schwester breit grinsend auf sie zu kam. »Na wen haben wir denn da?« Sie umarmte Sally kurz und kramte dann in ihrer Umhangtasche. »Stellt euch mal zusammen«, forderte Dora auf, was die drei nur einen fragenden Blick tauschen ließ. »Mum hat mir vor zwei Wochen meine Kamera nachgeschickt und ich hab bisher immer vergessen ein Foto von euch Dreien zu machen«, erklärte sie dann auf die nicht gestellte Frage. Sally, Simon und Charly rückten zusammen und blickten in die Kamera. Ein breites Lächeln lag auf Sallys Gesicht, obwohl man das ja eigentlich gar nicht sah, nachdem sie ihren Schal so weit hochgezogen hatte. Sie hoffte einfach mal, dass sie nicht allzu sehr wie ein Chinese aussehen würde…

Es dauerte nicht lange, bis mehrere Kutschen angefahren kamen. Als Sally sich danach umdrehte um Charly und Simon zu folgen, hielt sie jedoch abrupt inne. »Was zum…?« Vor jeder Kutsche waren zwei … ja was waren es? Eine sehr seltsame Art Pferde, wie Sally fand. Sie hatten Flügel, waren groß und hatten eine schwarze, ledrige Haut. Etwas zaghaft machte Sally ein paar Schritte nach vorne nachdem Charly nach ihr gerufen hatte, doch diesen Tieren galt im Moment ihre ganze Aufmerksamkeit. Die schwarze Haut spannte sich so über den Körper, dass Sally jeden einzelnen Knochen hätte zählen können. »Das sind Thestrale«, murmelte ihr Nymphadoras Stimme ins Ohr und sie schrak zusammen. Sally wandte sich fragend zu ihrer Schwester um, die in irgendeine Richtung blickte, aber nur nicht auf die Pferde. »Aber … aber wieso … Charly und Simon?« Die beiden saßen bereits in der Kutsche und machten keine Anstalten sich die faszinierenden Tiere anzusehen. »Wieso interessiert die das nicht?« Sally hatte noch nie in ihrem Leben solche Tiere gesehen und verstand nicht, wieso man nicht inne hielt und sie sich ansah. Und Charly und Simon schienen inzwischen schon ziemlich ungeduldig zu sein, denn Charly trommelte schon zum vierten Mal gegen die Scheibe. Nymphadora schob Sally vor sich her und half ihr den Koffer in die Kutsche zu hieven, bevor sie selbst mit ihrem Koffer einstieg. Immer noch etwas verwirrt sah Sally zu ihrer Schwester hinüber. »Die beiden können sie nicht sehen. Und ich übrigens auch nicht.« »Was können wir nicht sehen?«, platzte Charly sogleich heraus. »Die Thestrale.« »Die bitte was?« Charly sah Dora verständnislos an und hob fragend die Augenbrauen.

Nymphadora sah in die fragenden Gesichter und grinste schließlich. »Glaubt ihr etwa die Kutschen fahren von selbst?« Charly und Simon warfen sich einen kurzen Blick zu und der Hufflepuff meinte schließlich kleinlaut: »Eigentlich hatten wir das schon geglaubt…« Sally war immer noch verwirrt. Wieso konnten Charly, Simon und anscheinend Nymphadora die Tiere nicht sehen und sie schon? Ihre Schwester schien ihre Gedanken zu lesen, denn schon sprach sie weiter: »Man kann einen Thestral nur sehen, wenn man jemanden sterben gesehen hat.«

Bumm.

Wie eine Bombe hatte dieser Satz eingeschlagen.

Sally spürte Charlys und Simons Blicke auf sich, doch sie reagierte nicht, sah immer noch in Doras heute haselnussbraunen Augen.

Die Stille war zum Zerreißen gespannt und ein mehr als ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Sie hatte jemanden sterben gesehen. Natürlich. »Mein Eltern«, sagte sie leise und Dora nickte langsam.
 

Die restliche Fahrt mit der Kutsche war sehr unangenehm gewesen. Simon und Dora hatten sich über Quidditch unterhalten, Charly hatte ihren Kater gestreichelt und Sally hatte immer wieder nachdenkliche Blicke nach draußen auf die Thestrale geworfen. Ob es an Hogwarts viele Schüler gab, die sie sehen konnten? Als die Kutschen schließlich am Bahnhof Hogsmeade anhielten, hatte es draußen zu schneien begonnen. Zu viert hatten sie es schließlich irgendwie geschafft die schweren Schrankkoffer nach draußen zu hieven. Der Hogwartsexpress stand bereits im Bahnhof und weißer Rauch stieg aus der Lok. Nymphadora half den drei Erstklässlern die Koffer in den Zug und in einem freien Abteil auf die Gepäckablage zu hieven. Während sich Sally, Simon und Charly hinsetzten, die Schuhe auszogen und die Füße hochlegten, verabschiedete sich Nymphadora um nach ihren Freunden zu suchen. Es war komisch wieder im Hogwartsexpress zu sitzen. Wieder mit Simon in einem Abteil - nur dieses Mal war auch Charly dabei. Und wie auch bei ihrer letzten Reise mit dem Zug, hatte Simon keine Ahnung wo seine Schwester hingekommen war. Emily hatte mit ihren beiden Freundinnen und dem Jungen von vorhin eine Kutsche genommen und war viel früher am Bahnhof gewesen.

»Wie schön, dass wir endlich Ferien haben«, meinte Charly und seufzte erleichtert auf. Sally nickte zustimmend. Ja, es war schon eine ziemliche Erleichterung. Auch wenn ihr das Schuljahr - vor allem die letzten paar Wochen - ziemlichen Spaß gemacht hatten. Simon überredete Sally schließlich dazu mit ihm Zauberschach zu spielen. Charly rief immer wieder irgendwelche Anweisungen dazwischen um ihr zu helfen, doch Sally machte genau das Gegenteil, was ihr mehr tote Bauern einbrachte als bei sonst einem Spiel gegen Simon. »Hättest du halt mal auf mich gehört«, meinte Charly, als die beiden das Spiel wegräumten und Simon breit grinste. »Also ich find's gut, wenn du immer genau das machst, von dem Charly sagt, dass du es nicht machen sollst. Zieh nicht so ein Gesicht«, versuchte er sie aufzuheitern, konnte sich allerdings ein lautes Lachen nicht verkneifen. »Ich hasse euch«, murrte Sally, stimmte aber bald in das Lachen Simons ein. »Ich weiß, Sal. Ich spendier dir dafür 'nen Schokofrosch«, versprach der Hufflepuff. »Oh bekomm ich auch einen?«, fragte Charly und ihre Augen glitzerten vor Begeisterung als Simon nickte.

Als die alte Dame mit dem Servierwagen ihre Abteiltür öffnete, kauften die drei Erstklässler so gut wie alle Schokofrösche, die es noch gab. Vorsorgend, wie Simon war, kaufte er für sich und seine beiden Freundinnen jeweils eine Kürbispastete, damit sie sich nicht nur von Schokolade ernährten. Die restliche Zugfahrt verging so schnell, dass es den Dreien so vorkam, als wären sie erst eine halbe Stunde unterwegs. Charly hatte vorgeschlagen über jedem in ihrem Jahrgang ein Gerücht zu erfinden - auch wenn Sally und Simon zuerst nicht sehr begeistert davon gewesen waren, so hatten sie sich schnell überreden lassen. Die drei hatten selten so gelacht und alle drei hatten ziemliche Bauchschmerzen vor Lachen - was natürlich nicht annähernd von der vielen Schokolade kam.

»Wisst ihr, ihr werdet mir irgendwie fehlen«, meinte Charly als sie nach draußen blickte. Es war stockdunkel und sie würden London wohl bald erreichen. »Was heißt hier ›irgendwie‹?«, gab Simon gespielt beleidigt zurück. Charly streckte ihm die Zunge entgegen. »Nein, ich meine das ernst. Ich hätte mir nicht gedacht, dass … « Es fiel ihr sichtlich schwer ihre Gedanken in Worte zu fassen. Sally warf Simon einen kurzen Blick zu, doch keiner der beiden sagte etwas. » … naja, dass ich so gute Freunde finde«, beendet Charly ihren Satz schließlich kleinlaut. »Aaaaawww!«, riefen Sally und Simon gleichzeitig aus, standen auf, setzten sich jeweils links und rechts von Charly hin und umarmten sie gleichzeitig. »Was ist denn hier los?«, fragte eine belustigte Stimme von der Abteiltür her. Die drei wandten sich zu Nymphadora um und Charly meinte schließlich: »Na die bringen mich um, wonach sieht´s denn aus?« Nymphadora lachte auf. »Ich hab nichts gesehen, sollte jemand fragen. Aber ihr solltet euch langsam fertig machen, wir sind gleich da.« Und mit diesen Worten ließ sie die drei wieder alleine. Simon stand auf und streckte sich durch. »Freu ich mich schon auf mein Bett.« Er schlüpfte in seinen dicken Winterumhang, band sich den Schal um Hals und Mund und zog seine Mütze tief ins Gesicht. Die beiden Mädchen taten es ihm gleich und so warteten die drei Freunde nur mehr darauf, dass der Zug anhielt.

»Vielleicht können wir uns ja mal treffen?«, schlug Simon schließlich vor, als der Zug immer langsamer wurde. Sally sah zwischen den beiden hin und her und grinste. »Find ich eine gute Idee, ehrlich gesagt. Charly?« Die Rothaarige wiegte den Kopf kurz hin und her, als müsste sie überlegen, ob sie überhaupt noch einen freien Termin für ihre Freunde hätte - dann lachte sie leise und meinte: »Natürlich, machen wir das. Ich dachte schon ihr würdet nie fragen.« Sie zwinkerte und stieg dann auf die Bank um die Koffer von der Gepäckablage zu holen. Sally und Simon nahmen die drei Koffer und den Katzenkäfig entgegen. Nachdem Charly ihren Kater eingesperrt hatte, schleiften die drei ihre schweren Schrankkoffer hinaus in den Gang, der schon überfüllt mit aufgeregt quasselnden Schülern war. Es dauerte eine ganze Weile, bis die drei es schafften sich hinaus auf den Bahnsteig zu kämpfen. Und noch länger dauerte es einen Platz zu finden, auf dem nicht eine Horde Menschen standen. In einer Ecke entdeckten sie schließlich Simons Schwester Emily, die sich noch mit Marlena Ebdon unterhielt. Die drei kamen neben den beiden Mädchen zum Stehen und erst jetzt wandten sich zwei Erwachsene zu ihnen um, die ganz offensichtlich die Eltern der Carters waren. Simon stellte Sally und Charly seinen Eltern vor und die beiden wurden herzlichst begrüßt und sofort eingeladen in den Ferien mal vorbeizukommen. Sally und Charly umarmten Simon zum Abschied und wünschten der Familie noch Fröhliche Weihnachten, als sie sich verabschiedeten und das Gleis 9 3/4 verließen.

Der Bahnsteig wurde immer leerer und jetzt erst entdeckte Sally ihre Eltern und ihre Schwester, die bereits auf die beiden Mädchen zukamen. »Mum! Dad!« Sally ließ ihren Koffer stehen und lief auf ihre Eltern zu. Sie umarmte die beiden fest und strahlte übers ganze Gesicht. Erst jetzt merkte sie, wie sehr sie die beiden vermisst hatte. »Hallo, Liebes. Alles gut bei dir? Wir haben dich vermisst.« Ihr Vater drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte sie liebevoll an. »Ich hab euch auch vermisst.« Andromeda drückte ihre Schulter kurz und meinte dann: »Komm, es ist schon spät. Wir sollten nach Hause fahren.« Sally nickte und wandte sich um, um ihren Koffer zu holen, der immer noch neben Charly stand. Inzwischen war niemand mehr auf dem Bahnsteig, außer der Familie Tonks und Charly. Sally ging hinüber zu ihrer Freundin, die sie künstlich anlächelte. »Tja, ich schätze, sie haben mich wieder mal vergessen.« Charly zuckte teilnahmslos mit den Schultern, doch Sally hörte den traurig enttäuschten Unterton in ihrer Stimme. Die Schwarzhaarige biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. »Na los, fahr nach Hause. Deine Eltern warten schon. Irgendwann wird schon jemand kommen«, versuchte Charly ihre Freundin zu beschwichtigen, doch Sally schüttelte nur den Kopf. »Nein, ich kann dich schlecht hier alleine stehen lassen. Sonst stellst du nur irgendeinen Blödsinn an.« Die Slytherin lachte. »Ich bin ja nicht du. Vergiss es, Sal. Ich werd einfach mit dem nächsten Zug nach Oxford fahren, und die Sache ist gegessen.« Doch sie beide wussten, dass die Sache nicht gegessen war - Charly hatte erstens kein Muggelgeld und zweitens fuhren um diese Zeit bestimmt keine Züge mehr nach Oxford.

»Du kannst mit uns mitkommen, wenn du magst.«

Die freundliche Stimme von Sallys Mutter mischte sich in das Gespräch mit ein. Andromeda hatte die letzten paar Worte gehört und sie würde auf keinen Fall eine Elfjährige alleine auf einem Bahnhof in London stehen lassen. Das war so gar nicht ihre Art. »D … das würden Sie wirklich?« Charly hatte es kurzzeitig die Sprache verschlagen - ihre Stimme zitterte und Tränen glänzten in ihren Augen. »Natürlich. Wir schicken deinen Eltern eine kurze Nachricht, wenn wir zu Hause sind. Du kannst im Gästezimmer schlafen und sie können dich jederzeit abholen kommen. Und wenn sie nicht kommen, oder du nicht nach Hause willst, kannst du auch bei uns bleiben.« Andromeda lächelte der Rothaarigen aufmunternd zu und Sally strahlte ihre Mutter an, bevor sie aufgeregt in die Hände klatschte. »Gut, dann ist das beschlossene Sache!« Begeistert wandte sie sich wieder zu Charly um, die etwas überfordert mit der Situation schien. »Das ist … wirklich sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.« Die Röte stieg ihr ins Gesicht und ihre Wangen hatten nun beinahe die gleiche Farbe, wie ihre Haare. »Kein Problem. Charly, richtig? Nun kommt aber jetzt, ihr friert bestimmt.« Schnell wischte Charly sich die Tränen aus den Augenwinkeln und zog ihren Koffer hinter sich her nach draußen. »Und was ist mit Mire?«, flüsterte sie Sally nervös zu. So ganz schien die Mason wohl noch nicht überzeugt zu sein. »Darf der bei euch rumlaufen?« Sally schenkte ihr ein Lächeln und meinte beruhigend: »Natürlich. Wir haben auch eine Katze - die beiden verstehen sich sicher prächtig.« Die Gryffindor konnte förmlich hören, wie Charly ein Stein vom Herzen fiel.
 

»Mädchen aufstehen! Frühstück ist fertig!«

An diesem Morgen fielen keine Sonnenstrahlen durch Sallys Vorhänge. Draußen schneite es seit Stunden ununterbrochen. Es war zwar bereits Mittag, doch das ganze Haus war bis vor einer halben Stunde noch im Tiefschlaf versunken gewesen. Andromeda hatte für Sally, Charly und Nymphadora in der Nacht noch eine heiße Schokolade gemacht - kein Wunder also, dass die drei Mädchen nicht so schnell daran gedacht hatten schlafen zu gehen.

Mit einem Seufzen raffte sich Sally auf und schlüpfte in eine bequeme Hose und ein T-Shirt. Während dem Hinausgehen zog sie sich ihren Pullover über den Kopf und wäre beinahe in die geschlossene Tür hinein gelaufen. Etwas übermütig riss die Gryffindor die Tür auf und stand eine verwirrt wirkenden Charly gegenüber. »Guten Morgen«, flötete Sally vergnügt und umarmte Charly zur Begrüßung. Es war irgendwie komisch Charly hier zu wissen. Andererseits war Sally aber auch mehr als erleichtert, dass sie wirklich wusste wo ihre Freundin war - immerhin wusste niemand ob und wann ihre Eltern aufgetaucht wären. Die beiden Freundinnen gingen hinunter zum Frühstück - im ersten Stock stieß eine verschlafene Nymphadora zu ihnen und begleitete sie nach unten.

Schon im Flur roch es köstlich nach frischen Croissants und frisch gekochtem Tee. Als die drei das Esszimmer betraten, staunte Sally nicht schlecht. Ihre Mutter hatte sich mal wieder selbst übertroffen. Der Tisch war reichlich gedeckt, mit allem was das Herz begehrte. Das Bücherregal, das über der Bank hing, zierten einige Girlanden, an denen kleine, glitzernde Schneebälle hingen. Aus dem Radio, das Andromeda auch sehr weihnachtlich dekoriert hatte, schallten wohl sämtliche Weihnachtslieder, die es auf der Welt gab, und durchfluteten das ganze Haus mit Weihnachtsstimmung.

Nachdem Sally und Charly ungefähr eine Stunde mit Essen verbracht hatten, zogen sie sich einen Skianzug an und gingen nach draußen um einen Schneemann zu bauen. Da Sally und Nymphadora nie die gleichen Maße gehabt hatten - sehr zum Leidwesen ihrer Mutter - hatte Andromeda den alten Skianzug von Dora für Charly bereit gestellt. Er war ihr zwar etwas zu groß, erfüllte aber seinen Zweck. Es schneite immer noch, doch nicht mehr ganz so heftig wie in der Nacht. »Haben sich deine Eltern schon gemeldet?«, fragte Sally vorsichtig, als sie gerade dabei war Charly zu zeigen, wie man die Kugel am besten durch den Schnee rollte. Ihre Freundin hatte wirklich noch nie einen Schneemann gebaut! Wo gab es denn so etwas… Sally richtete sich auf und legte den Kopf schief. Die Slytherin war schon die ganze Zeit so still, was Sally von ihr überhaupt nicht gewohnt war. »Jaaa…«, gab sie langsam zurück, wich Sallys Blick aus und kratzte sich etwas Schnee von den Handschuhen. »Mein Dad ist auf Geschäftsreise - wieder einmal - und er hatte vergessen mir Bescheid zu geben oder meinen Onkel zu informieren. Der ist inzwischen irgendwo in Südfrankreich.« Charly verdrehte die Augen, sah Sally aber immer noch nicht direkt an. »Und meine Mum hat nur gesagt, dass ich mich anständig benehmen soll, damit sie sich nicht schämen muss. Und anscheinend ist sie heute Morgen nach Thailand gereist - sie meinte sie brauchte mal etwas Freizeit und Abstand.« Charlys Worte waren leise, doch Sally verstand jedes Wort. Der Anblick, wie die sonst so toughe Charlotte Mason da stand, an ihren Handschuhen herumzupfte und versuchte die dicken Tränen zu verbergen, die ihr über die Wangen kullerten, trieb Sally selbst die Tränen in die Augen. Mit zwei schnellen Schritten hatte sie ihre Freundin erreicht und zog sie fest in die Arme. »Das tut mir so leid, Charly.« Sally wusste eigentlich nichts über Charlys Familie, da sie nicht gerne darüber sprach. Sie wusste nur, dass ihr Vater für Gringotts arbeitete, viel unterwegs war und sehr viel Geld verdiente, das ihre Mutter nur zu gerne ausgab. Und was sie auch wusste war, dass Charlys bisher einziger Freund der Hauself Dibo gewesen war. »Das muss es dir nicht. Ich bin selbst Schuld, dass ich mir Hoffnungen gemacht habe, dass es dieses Jahr anders werden könnte. Ich hätte einfach in Hogwarts bleiben sollen …« Charly hob den Kopf und lächelte gezwungen. »Danke, dass ich hier bleiben darf. Das ist wirklich sehr nett von euch.« Die Slytherin schlang die Arme um ihre beste Freundin und weinte sich an ihrer Schulter aus. Sie hatte nie jemanden gehabt, dem sie ihre Gefühle anvertrauen konnte. Niemanden bei dem sie sich hätte ausweinen können. Keine Freundin, mit der sie über die Schuhe der Nachbarin lästern konnte. Nur ein dumme Mutter, die glaubte sie wäre die Königin der Welt und das hart verdiente Geld ihres Mannes ausgab. Charly verabscheute diese Frau abgrundtief und sie war wohl mit ein Grund, wieso Charly so war wie sie eben war.

Eine ganze Weile standen die beiden so da, bis Charlys Tränen versiegelt waren. »Kannst du mir noch mal zeigen, wie das mit der Kugel geht?«, fragte Charly und löste sich von Sally. Diese wischte sich erst mal die getrockneten Tränen von den Wangen und nickte dann. »Natürlich. Es ist gar nicht so schwer.« Und als wäre nichts geschehen begannen die beiden Mädchen große Kugeln durch den Garten zu rollen. Im Endeffekt hatten sie so viele Kugeln herumliegen, dass sie vier Schneemänner bauen konnten. »Schau mal. Das ist dein Dad, das ist deine Mum, das ist Tonks und das bist du«, lachte Charly und deutete zum Schluss auf den kleinsten und schiefsten Schneemann. »Haha. Und das bist du«, gab Sally lachend zurück und bewarf sie mit einem Schneeball. Das ließ Charly allerdings nicht sehr lange auf sich sitzen und schon begann eine der wildesten Schneeballschlachten, die Sally je erlebt hatte. Nachdem sie sich eine geschlagene Stunde mit Schnee beworfen hatten, sah der Garten aus wie ein Schlachtfeld, der Andromeda-Schneemann hatte keinen Kopf mehr und Sally und Charly lagen schwer atmend und mit hochroten Wangen im Schnee. Als Nymphadora die beiden nach drinnen rief war es bereits sechs Uhr abends. Andromeda hatte den beiden Schneehasen zwei dampfende Tassen mit heißer Schokolade auf den Wohnzimmertisch gestellt. In jeweils eine flauschige Kuscheldecke gewickelt und mit einer Tasse heißer Schokolade in den Händen saßen die beiden Mädchen auf der Couch und unterhielten sich gerade angeregt darüber, was die Weasleyzwillinge, Lee und Micha wohl gerade machen würden. »Ich bin mir sicher, dass sie euren Gemeinschaftsraum in Brand gesetzt haben«, sinnierte Charly gerade lachend vor sich hin, als Andromeda und Ted zu ihnen stießen.

»Na ihr zwei, seid ihr wieder halbwegs aufgetaut?«, fragte Sallys Vater belustigt und setzte sich ihnen gegenüber auf einen Sessel. Sally stellte ihre leere Tasse auf den Tisch und setzte sich etwas auf, was Charly ihr gleich tat. »Halbwegs. Aber ich glaub eine heiße Schokolade würde uns helfen vollständig aufzutauen«, meinte Sally unschuldig, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. Ted lachte laut und meinte: »Na, da lässt sich bestimmt etwas machen. Aber etwas Anderes. Deine Mutter hat dir bereits in dem Brief gesagt, dass wir Besuch bekommen. Keine Sorge, Charly, du bleibst natürlich hier«, fügte er sogleich freundlich hinzu, als Charly sich aufgerichtet und ihre Augen panisch geweitet hatte. Als würde ihr jemand eine riesige Last von den Schultern nehmen, sackte sie wieder in sich zusammen, nippte an ihrer Tasse und lauschte weiter dem Gespräch. »Was dein Dad sagen will ist, dass unser Besuch jetzt schon da ist. Eigentlich wollte er erst morgen Abend kommen, aber egal. Und Remus würde dich wirklich gerne kennenlernen«, erklärte ihre Mutter und lächelte. Im selben Moment betrat ein Mann das Wohnzimmer, der schäbiger nicht aussehen könnte. Hätte Sally nicht schnell kombiniert, hätte sie womöglich laut los geschrien, weil sie gedacht hätte ein Obdachloser würde bei ihnen einbrechen. »Sally, Charly, das ist Remus Lupin. Wir lassen euch jetzt mal alleine, ihr habt bestimmt einiges zu besprechen.« Und mit diesen Worten schnappte sich ihre Mutter die beiden leeren Tassen um sie nachzufüllen und verließ mit Ted das Wohnzimmer. Sally war sich zwar ziemlich sicher, dass sie mit diesem komischen Typen nicht ›einiges zu besprechen‹ hatte, aber gut. Charly sah auch nicht gerade begeistert aus, dass sie in so eine wirre Situation hinein geworfen wurde. »Ich ähm … geh Dora suchen und frag sie ob sie mit mir eine Runde Zauberschach spielt«, meinte Charly und stand samt Kuscheldecke auf um auf schnellstem Wege aus dem Raum zu flüchten. Mit einem lauten Krachen fiel die Tür hinter ihr zu und keine Sekunde später waren ihre polternden Schritte auf der Treppe zu hören. Na toll und Sally ließ man hier alleine, mit diesem Verrückten? Was, wenn er ein Verbrecher war?

Sally besah sich den Mann, der gerade seinen Reiseumhang auszog, einmal etwas genauer. Sein Gesicht sah noch sehr jung aus, doch man merkte, dass er schon einiges erlebt hatte. Dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab, als hätte er mehrere Tage nicht geschlafen. Seine Wangen waren etwas eingefallen und in seinem Haar konnte man schon erste graue Strähnchen entdecken. Was war diesem Mann bloß widerfahren, dass er so aussah? Ein Verbrecher war er wohl ganz offensichtlich nicht …

»Du bist also Sally.«

Seine Stimme war rau, beinahe so als hätte er sie seit mehreren Wochen nicht mehr benutzt. Sally schreckte aus ihren Gedanken hoch und bemerkte erst jetzt, dass sich der Unbekannte ihr gegenüber gesetzt hatte und sie wohl schon eine Weile lang musterte. Schnell senkte sie den Blick und wurde rot. Ein leises Lachen kam von der anderen Seite des Tisches. »Jetzt siehst du genauso aus wie deine Mutter, wenn dein Vater etwas Dummes gesagt hatte.« Überrascht hob Sally den Kopf und zog die Decke enger um sich, als sie das liebevolle Lächeln auf seinen Lippen sah. »Sie kannten meine Eltern?« Er nickte nur und lächelte weiter. »Wer sind Sie?«, fragte Sally barscher als sie eigentlich wollte. Der Mann richtete sich etwas auf und begann schließlich zu reden.

»Ich bin Remus Lupin. Und wie es sich ganz gut trifft auch dein Patenonkel.« Dieser Satz sorgte dafür, dass Sally der Mund aufklappte. Doch bevor sie etwas sagen konnte, fuhr er auch schon fort. »Es tut mir unendlich leid, dass ich deine letzten Geburtstage, Weihnachten, Ostern und all das verpasst habe, Sally. Aber ich brauchte Abstand.« Sein Blick verriet ihr, dass es ihm wirklich leid tat. Doch so ganz verstand sie immer noch nicht. Erst vor wenigen Monaten hatte sie erfahren, dass sie eigentlich nicht die war, die sie immer geglaubt hatte zu sein und jetzt stand ein Verbrecher Mann vor der Tür, der behauptete ihr Patenonkel zu sein? War sie hier in einer der Reality-Shows gelandet, die ihr Vater so gerne sah? Remus schien zu merken, dass sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen. »Schon okay. Ich kann verstehen, dass dich die Nachricht sehr überrumpelt. Aber ich erkläre dir alles in Ruhe, okay?« Sally nickte langsam, stellte aber noch eine Frage, bevor Remus mit seinen Erzählungen begann. »Und wissen Sie … ähm … dass ich …?« Die Frage war irgendwie dämlich - erstens weil es keine Frage war und zweitens hatte er doch vorhin schon gesagt, dass er ihre Eltern kannte. »Ja, das weiß ich. Und du kannst ruhig Du zu mir sagen«, erwiderte er lächelnd und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

Sally wickelte die Decke noch enger um sich und lauschte gebannt der Geschichte ihres Patenonkels. Er war einer der besten Freunde von Sallys Vater James gewesen. Sie waren vier Freunde gewesen, die sich selbst die Rumtreiber nannten und jeder von ihnen hatte seinen eigenen Spitznamen. Tatze, Wurmschwanz, Krone - ihr Vater und Moony - ihr Patenonkel. Als Sally fragte, wie sie zu diesen außergewöhnlichen Spitznamen kamen, zögerte Remus etwas, erzählte ihr aber schließlich die Wahrheit. Aha. Ihr Patenonkel war also ein Werwolf. Die Frage war nur, war das jetzt besser oder schlechter als ein Verbrecher?

»Deine Eltern begannen sich in unserem letzten Jahr in Hogwarts zu verabreden. Keine Ahnung wie James das geschafft hat«, lachte Remus. Über früher zu reden, schien ihn zu verwandeln - seine Wangen hatten eine etwas gesündere Farbe als noch vor einer halben Stunde und seine Augen leuchteten. Er erzählte von ihrer Hochzeit, die kurz vor ihrer Geburt stattfand und von der ewig langen Diskussion, wer ihr Patenonkel werden würde. James hatte seine beiden engsten Freunde schließlich auserwählt um sich dieser Ehre anzunehmen. Sirius und Remus. Peter hatte nie wirklich Ambitionen gezeigt, dass er diesen wichtigen Posten antreten wollte, denn er hatte es kaum geschafft die kleine Sally unbeaufsichtigt länger als eine Minute zu halten. »Aber wo ist dieser Sirius dann? Kommt der auch noch?«, fragte Sally und freute sich, dass sie vielleicht noch mehr Geschichten von ihren Eltern hören würde. Remus´ Miene verfinsterte sich etwas und er meinte nur: »Dazu komme ich gleich.«

Als Harry dann zwei Jahre später zur Welt kam, wurde Sirius erneut Patenonkel. Die Potters hatten sich verstecken müssen und die vier Freunde bekamen sich kaum noch zu Gesicht. Remus erzählte, dass Sirius der Geheimniswahrer für ihre Eltern gewesen war. Man konnte ihren Aufenthaltsort also nur ausfindig machen, wenn Sirius es jemandem erzählt hätte. Und das hatte er auch. Er hatte ihre Eltern an den schlimmsten Zauberer in der Geschichte der schlimmen Zauberer verraten. In der Nacht als Lily und James starben, war Sirius zu Voldemort gegangen und hatte ihm den Aufenthaltsort verraten. Und als sie und Voldemort schließlich tot waren, war Sirius selbst nach Godric´s Hollow gekommen um sein Werk zu vollenden und Harry und sie zu töten. Peter war aufgetaucht um Sirius aufzuhalten, doch dieser war wohl durch den Fall seines Helden so durch den Wind, dass er Peter und auch noch ein Dutzend Muggel in die Luft sprengte - das größte Stück, das man von Peter gefunden hatte, war ein Finger, den man seiner armen Mutter gebracht hatte.

Sirius hatte sich dafür einen lebenslänglichen Aufenthalt in Askaban eingehandelt. Peter wurde der Merlin-Orden erster Klasse anerkannt, der seiner Mutter überreicht wurde. Remus hatte den Tatort erst erreicht, als Hagrid Harry bereits zu seiner Tante und seinem Onkel und Mad-eye Sally zu der Familie Tonks gebracht hatte. »Von den vier Freunden, die ich also je gehabt hatte, waren zwei tot und einer ein Verräter und weggesperrt. Und euch beide hab ich nicht mehr zu Gesicht bekommen - ich wusste nicht einmal ob es euch gut ging und niemand wollte mich zu euch lassen. Dumbledore hatte damals gemeint, dass ich euch früh genug wieder zu Gesicht bekommen würde. Und jetzt, sieh mich an. Ich bin die letzten acht Jahre um die halbe Welt gereist und sehe dich erst jetzt wieder. Du siehst deiner Mutter wirklich sehr ähnlich, Sally.« Ein trauriges Lächeln lag auf seinen Lippen. Sally hatte es die Sprache verschlagen. Sie hatte diesen Mann für einen Obdachlosen, ja sogar für einen Verbrecher gehalten, dabei hatte er so viel durchgemacht! Er hatte seine besten Freunde verloren und hatte nichts dagegen tun können. Sally wusste gar nicht was sie sagen sollte. Das ganze verwirrte sie zusehends. »Ich würde dich gerne richtig kennenlernen. Ich habe dir alles erzählt was ich weiß und ich hoffe du bist mir nicht böse, dass ich dich die letzten acht Jahre im Stich gelassen habe. Ich habe einfach Zeit gebraucht um das alles zu verarbeiten.« Die Schwarzhaarige nagte an ihrer Unterlippe und nickte langsam. »Ja. Ich würde dich auch gerne kennenlernen«, gab sie schließlich leise zurück und lächelte schüchtern. Remus stand auf, umrundete den Tisch und setzte sich neben Sally. Er legte ihr einen Arm um die Schulter und drückte sie sanft an sich. »Danke, dass du mir diese Chance gibst.«
 

Ein leises Klopfen unterbrach das Gespräch der beiden und Andromeda streckte den Kopf zur Tür herein. »Das Abendessen ist fertig. Remus, du bleibst doch?« Remus stand auf, zog sich seinen Reiseumhang über und schüttelte dann den Kopf. »Danke, Andromeda. Aber ich hab noch ein bisschen was zu erledigen und ich denke Sally hat einiges über das sie nachdenken will.« Er lächelte ihr kurz zu, bevor er sich wieder an ihre Mutter wandte. »Aber ich komme morgen, versprochen«, sagte er schnell, bevor Andromeda etwas sagen konnte. Das schien ihr zu genügen, denn sie brachte ihn auch schon zur Haustür, wo sie sich von ihm verabschiedete.

Als Sally das Esszimmer betrat, saßen Charly, Dora und Ted bereits am Tisch. Sally setzte sich neben Charly, die sie aufmerksam musterte, aber nichts sagte. Die Gryffindor wusste wirklich nicht was sie von der ganzen Sache halten sollte. Und wieso hatten ihre Eltern ihr verschwiegen, dass sie einen … nein zwei Patenonkel hatte? Hatten sie es überhaupt gewusst? Das alles waren Fragen, auf die Sally unbedingt eine Antwort wissen wollte. Doch nicht mehr heute. Es war wirklich schon spät. Mehr als zwei Stunden hatte Remus gebraucht um ihr alles zu erzählen und als Sally das Besteck zur Seite legte, war es schon beinahe zweiundzwanzig Uhr. Sie hatte kaum etwas angerührt, doch Andromeda sagte heute ausnahmsweise nichts dazu.

Eine halbe Stunde später lagen alle gewaschen und umgezogen in ihren Betten und schliefen. Alle bis auf Sally. Die musterte die Decke über sich, als ob sie ihr Antworten liefern könnte. Doch sie und die Decke wussten beide, dass es nie so weit kommen würde. Sally wusste nicht, wie lange sie an die Decke starrte, doch irgendwann vernahm sie das leise Quietschen ihrer Tür und spürte, wie sich jemand neben sie legte.

Charly.

Die Slytherin legte einen Arm um Sally und drückte sie fest an sich. Sie drehte sich zu Charly und vergrub den Kopf in den roten Haaren, während Charly ihr sanft über den Rücken strich. Die Tränen konnte sie nicht mehr zurückhalten - jetzt war sie es, die eine Freundin mit einer starken Schulter brauchte.



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