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Down Hill 1: Arrival

Welcome to Hell
von

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Überraschender Besuch

Verdächtige Schritte hallten durch die Gänge des Down Hill Asylums und ließen den gefürchteten Eyeball Killer aufhorchen. Das waren definitiv nicht die Schritte von Scarecrow Jack. Nein, dass waren die Schritte einer ganz bestimmten Person. Auch das noch, dachte er sich und schnappte sich eines der Messer, die auf dem Tablett neben ihm auf dem Tisch bereitlagen. Der hat mir gerade noch gefehlt. Sofort ging er auf den Gang raus und tatsächlich entdeckte er nach einer Weile eine Gestalt mit brünetten Haaren und einer unheimlichen Maske. „Na sieh mal einer an“, bemerkte Sigma, lächelte kalt und kam direkt auf den Eindringling zu, der für ihn durchaus kein Unbekannter war. „Was führt dich denn in mein Territorium, Kaonashi? Wenn es um die Lieferungen geht, ich regle alles mit Big Daddy. Oder bist du hier um Ärger zu machen? In dem Fall…“

„Wenn du Ärger haben willst, ist das dein Problem“, entgegnete Kaonashi ruhig und vergrub die Hände in den Manteltaschen. „Ich hab gehört, du hast wieder einen Rookie eingesammelt. Er müsste knapp 23 bis 25 Jahre alt sein, blond und mit einer Brandnarbe im Gesicht. Sagt dir das was? Ich hab gesehen, wie er schnurstracks hergekommen ist.“

„Ach, willst du ihn kaufen? Tut mir leid, aber mein kleiner Bruder hat irgendwie Gefallen an seinem neuen Spielzeug entdeckt. Und ich kann es ihm ja wohl schlecht wegnehmen.“

„Du verhätschelst ihn zu sehr“, seufzte der Maskierte und schüttelte den Kopf. „Da ist es ja auch kein Wunder, dass er so besitzergreifend ist. Und ich dachte, ich hätte dir angeraten, mit dem neuen Spielzeug ein klein wenig vernünftiger umzugehen. Ansonsten ist es ja auch nur eine Frage der Zeit, bis das Hell’s Gate voll ist. Und gute Ware kriegt man ja auch nicht jeden Tag rein. Außerdem will ich den Rookie nicht kaufen. Als Pet taugt er doch sowieso nichts und ich glaube, das weißt du auch. Sonst hättest du ihn doch persönlich abgerichtet.“

„Wenn du ihn nicht kaufen willst, was willst du dann von ihm?“ fragte Sigma misstrauisch und fragte sich, was in Kaonashis Kopf wohl gerade vor sich ging, doch das ließ sich mit der Maske unmöglich sagen. Und gerade bei ihm war Vorsicht geboten. Insbesondere da er gerade Jackson nicht zur Hand hatte. „Ich will nur ein klein wenig mit ihm plaudern“, antwortete der Maskierte. Doch Sigma lachte nur trocken und meinte „Irgendwie kaufe ich dir das aber dummerweise nicht ab.“

„Dein Pech“, gab Kaonashi gleichgültig zurück und zuckte mit den Achseln.

Dieser Kerl, dachte Sigma und verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. Er hat nicht die geringste Angst vor mir und Jackson und dann nimmt er sich auch noch die Frechheit heraus, hier einfach so reinzuspazieren und das auch noch so selbstverständlich, als wäre das hier sein Territorium. Der hat sie ja nicht alle. Sigmas Hand umschloss das Messer in seiner Tasche. „Du hast Nerven, Kaonashi. Hier im Westblock bin immer noch ich der Shutcall und du hast hier nichts verloren. Das ist mein Gebiet und wer hier reinspaziert, der gehört mir, kapiert? Und wenn ich mit dir fertig bin, reiße ich dir Maske vom Gesicht und nehme mir deine Augen. Mal sehen was sie mir über dich verraten.“ „Nicht viel“, gab Kaonashi trocken zu. „Es sind die Augen eines Freaks. Nicht mehr und nicht weniger.“ „Dann umso passender für einen Freak wie mich, was?“ Und wie aufs Stichwort griff Sigma an. Er zog das Messer und ließ es auf Kaonashi niedersausen, doch anstatt, dass dieser auswich, hob er zur Abwehr einen Arm und fing den Schlag ab. Doch anstatt, dass die Klinge seine Haut durchschnitt und eine tiefe blutige Wunde riss, prallte sie einfach ab, als sie auf harten Widerstand stieß. Und das brachte ihn nun endgültig aus dem Konzept. Noch ehe er registrierte, was geschah, holte Kaonashi auch schon zum Gegenschlag aus und verpasste ihm einen Faustschlag ins Gesicht. Der Schlag hatte eine so immense Wucht, dass er Sigma von den Füßen riss und durch den Gang schleuderte. Der Eyeball Killer hatte eine gebrochene Nase und sah für einen kurzen Moment Sterne, dann aber kam er langsam wieder zu sich. „Verdammt noch mal… Was war das denn bitte? Hast du eine Rüstung unter deinen Klamotten?“

„Ich bin nur ein Freak, das ist alles“, erklärte Kaonashi und wandte sich ab. „Dieses Mal lasse ich es bei einem blauen Auge bei dir. Solltest du mich aber noch mal angreifen, dann breche ich dir beide Arme und werfe dich der hungrigen Meute zum Fraß vor. Dann können sie dich genauso schön auseinandernehmen wie deine Pets. Und wenn du deinen Pseudobruder auf mich hetzt, dann werde ich euch beide töten, nachdem ich euch jeden einzelnen Knochen gebrochen habe. Merk es dir also: leg dich nie wieder mit mir an, wenn du nicht sterben willst.“ Sigma presste eine Hand auf seine blutende Nase und funkelte Kaonashi hasserfüllt an. Was glaubte dieser Kerl, wer er eigentlich war? Seit er hier war, spielte er sich auf, als würde das ganze Gefängnis ihm gehören und trieb sich einfach in den Territorien der anderen Shutcalls herum. Und vor allem nahm er sich auch noch die Frechheit, sich mit den Cohans anzulegen. Jenen, die am längsten hier im Gefängnis waren und die deshalb einen gewissen Status innehatten, auch wenn sie Freaks waren. Aber kaum, dass dieser Kaonashi ins Gefängnis gekommen war, tötete dieser drei Shutcalls, die die Gebiete innerhalb von Core City kontrollierten und übernahm gleich die gesamte Ebene. Und dann trieb er sich wirklich überall herum, sogar im Westblock und nahm sich Freiheiten raus, zu denen sich niemand wagen würde. Insbesondere nicht, wenn er Sigma den Eyeball Killer kannte. „Mir ist es ja egal, was du hier mit den Rookies veranstaltest und ob du sie von deinem Cousin so lange durchnehmen lässt, bis sie verrecken oder sie als Pets verkaufst. Jeder verdient seine Kohle auf verschiedene Art und Weise und mich interessieren die Rookies auch überhaupt nicht. Mit denen kannst du machen was du willst. Aber wage es nicht noch mal, mich anzugreifen, hörst du? Beim nächsten Mal bringe ich dich definitiv um!“

„Was glaubst du eigentlich, mit wem du es zu tun hast?“ fragte Sigma wütend. „Du schneist hier einfach rein, bist gerade mal ein paar Jahre hier und spielst dich direkt so auf. Glaubst du allen Ernstes, ich lass mir das gefallen? Ich bin schon seit 21 Jahren hier und ich sag hier, wo es langgeht. Typen wie du haben absolut keinen Respekt vor anderen.“ Doch diese Worte interessierten Kaonashi nicht wirklich und er ging einfach. „Du bist hier nicht der einzige Shutcall in Down Hill. Und die Gesetze sind klar geregelt: der Stärkere bestimmt, wo es langgeht. Und Fakt ist: ich bin genauso ein Shutcall wie du und kein Rookie oder Freshman mehr. Ich bin stärker als du und ohne mich hättest du den Job nicht mehr in Core City. Also hör auf, mir auf die Nerven zu gehen und kümmere dich um deinen eigenen Kram.“ Damit ging Kaonashi und Sigma, der wusste, dass er unmöglich gegen diesen Kerl ankam, musste ihn wohl oder übel gehen lassen. Eines Tages, dachte er und wischte sich das Blut weg. Eines Tages würde er es diesem Bastard zeigen und ihm seine Augen rausnehmen. Dann würde er seine wertlosen Überreste einfach Jackson überlassen. Und wenn der keine Lust mehr auf ihn hatte, verkauften sie ihn, wenn er bis dahin noch nicht verreckt war, als Pet in Gomorrha. „Wir werden sehen, wer wen zuerst umbringen wird. Eines Tages werde ich mir deine Augen aneignen, da verlass dich drauf und dann gehörst du mir.“

„Das wird sich zeigen“, meinte Kaonashi nur noch. „Du bist doch sowieso nur zum Shutcall des Westblocks geworden, weil du der Einzige bist, der deinen Psychopathen von Cousin im Griff hat. Hättest du dein Schoßhündchen nicht, wärst du nicht wirklich zu dieser Position gekommen. Du vertraust auf Jacksons Stärke und seine bedingungslose Loyalität dir gegenüber, weil du für ihn wie ein großer Bruder bist. Aber ohne ihn bist du bei weitem nicht so stark wie du denkst. Und genau darin liegt dein Fehler. Denn ich brauche niemanden. Ich bin aus eigener Kraft Shutcall von Core City geworden und schaffe es auch allein, meinen Posten zu verteidigen, im Gegensatz zu dir.“ Mit diesen Worten ging Kaonashi wieder seiner Wege und ließ seinen Kontrahenten zurück. Am liebsten wäre Sigma ihm gefolgt und hätte ihn noch mal von hinten angegriffen, aber er war nicht dumm. Er wusste, dass er alleine keine Chance gegen diesen Kerl hatte. Wer auch immer Kaonashi hinter der Maske war, er war kein gewöhnlicher Gegner. Sigma war zwar ein eiskalter Killer und Sadist mit einer krankhaften Obsession für Augen, aber er war nicht so dumm, sich mit jemanden anzulegen, der ihn locker töten konnte. Er kannte seine Stärken und Schwächen genau und Kaonashi war jemand, mit dem er sich lieber nicht anlegen sollte. Immerhin hatte dieser sogar Scarecrow Jack, das unbesiegbare Monster aus dem Westblock, einfach in die Knie gezwungen. Kaonashi war ein Monster der anderen Art. Das wusste Sigma sofort. Aber eines Tages würde er auch Kaonashi in die Finger kriegen und ihm seine Augen nehmen. Er nahm sich immer das, was er wollte und niemand würde ihn daran hindern.
 

Wie lange er bewusstlos gewesen war, konnte er nicht sagen. Vielleicht ein paar Minuten, womöglich sogar Stunden. Doch selbst seine Gedanken waren wie gelähmt und er schaffte es nicht einmal aufzustehen. Wozu denn auch? Die Tür war abgeschlossen und er kam hier sowieso nicht raus. Und wenn er abhaute, würden sie Matt etwas antun. Was für eine beschissene Lage, dachte er sich und fühlte sich so müde und erschöpft. Sein Hals tat weh, sein Mund fühlte sich trocken an und ihm war schlecht. Was für einen erbärmlichen Anblick er doch gerade abgab. Er ekelte sich vor sich selbst und wünschte sich, er hätte wenigstens die Kraft zum Weiterkämpfen. Es musste doch irgendetwas geben, was er ausrichten konnte. Und wenn es nur ein wenig war… Es konnte doch nicht sein, dass er einfach so aufgab, nur weil so ein entstellter Freak ihn vergewaltigt hatte. Ach Mann, er schaffte es aber auch immer wieder, sich selbst in solch beschissene Situationen zu bringen. Egal ob innerhalb oder außerhalb des Gefängnisses. Nur standen die Chancen dieses Mal bei weitem schlechter als gedacht und er bezweifelte auch selbst, dass er hier jemals wieder rauskommen würde. Zumindest heute würde er überhaupt nichts mehr ausrichten können. Seine ganze Kraft war dahin, sein Körper fühlte sich so schwer wie Blei an und wirklich alles tat ihm weh. Und er war einfach nur noch müde und erschöpft. „Na da hat wohl jemand seine Einstandsparty gekriegt, wie ich sehe.“ Diese Stimme gehörte nicht zu Sigma oder Jackson. Dennoch kam sie Mello irgendwie bekannt vor. Er hob den Kopf und sah dann auch schon dieses bizarre Grinsen auf der Maske und erkannte sie sogleich wieder. Kaonashi stand auf der anderen Seite des Gitters und hob kurz die Hand zum Gruß. „Na da hast du ja noch mal Glück im Unglück gehabt, würde ich mal sagen. Für eine Einstandsparty sieht das ja noch recht überschaubar aus.“

„Willst du dich über mich lustig machen?“ fragte Mello gereizt und schaffte es mit unsäglicher Mühe, sich irgendwie aufzusetzen. Dennoch spürte er jeden einzelnen Knochen und die brennenden Schmerzen in seiner unteren Hälfte. „Nein, das war ernst gemeint“, erklärte Kaonashi. „Normalerweise fallen glatt vier bis fünf auf einmal über die Rookies her und das kann gerne mal den ganzen Tag dauern, bis die Meute endlich fertig ist. Manchmal kommt es zu massiven Knochenbrüchen und Todesfällen, je nachdem an wen man gerät. Und bei dir hat Jackson ja nicht mal seine Machete benutzt. Da sahen andere Opfer von ihm bei weitem schlimmer aus.“

„Soll ich ihm jetzt etwa noch dafür danken? Warum hast du mich nicht aufgehalten?“

„Wieso sollte ich?“ fragte der Maskierte und schien nicht sonderlich betroffen von dem Anblick zu sein, aber vermutlich kannte er so etwas schon zur Genüge, sodass es ihm nicht mehr wirklich nahe ging. Irgendwie schien er da schon recht abgestumpft zu sein. „Ich hab dir einen Rat gegeben und du hast die Entscheidung getroffen, meinen Rat zu ignorieren und trotzdem zu gehen. Also hast du auch die Konsequenzen zu tragen, die deine Entscheidung mit sich bringt. Aber ehrlich gesagt wundert es mich, dass du dich so dermaßen schnell von den beiden hier einsperren und durchnehmen lässt. Ich hab dir echt ein wenig mehr Kampfgeist zugetraut. Oder ist dir dein Leben etwa so egal geworden?“

„Was soll das werden? Willst du irgendwie Mitleid heucheln oder so? Darauf kann ich verzichten.“

„Was liegt an meinem Mitleid? Ist Mitleid nicht das Kreuz, an das der genagelt wird, der Menschen liebt? Nein, mein Mitleid ist keine Kreuzigung und Mitleid empfinde ich schon lange nicht mehr. Aber jetzt mal im Ernst, Junge: erklär mir mal, was dich dazu geritten hat, hier als Pet für Jackson zu enden.“

„Es ist wegen Matt“, erklärte Mello mit heiserer Stimme und als Kaonashi merkte, wie es um den 24-jährigen stand, holte er eine kleine Wasserflasche hervor und warf sie ihm durch das Gitter zu. Schnell öffnete Mello den Verschluss und trank. Es war wirklich eine Wohltat, als das kalte Wasser seine ausgetrocknete Kehle hinunterfloss und noch nie war er so dankbar wie in diesem Augenblick gewesen, etwas trinken zu können. Und wenn es nur Leitungswasser war. „Er ist in der Gewalt der beiden und Sigma hat damit gedroht, dass er ihm etwas antut, wenn ich seine Spielchen nicht mitspiele.“

„Und das hast du ihm einfach geglaubt?“

„Er hatte Matts Fliegerbrille. Dieselbe, die er seit Jahren trägt und die ich ihm damals geschenkt habe.“

„Aber persönlich gesehen hast du ihn nicht?“

„Nein. Sigma sagte, ich würde ihn sehen, wenn ich ihr Spiel mitspiele.“ Kaonashi seufzte und schlug sich eine Hand gegen die Stirn oder besser gesagt an die Stelle, wo sie war, da er nur gegen seine Maske schlug. „Daran merkt man echt, dass du noch nie im Knast gewesen bist. Du lässt dich echt ziemlich leicht verarschen, kann das sein?“ „Hätte ich denn zulassen sollen, dass sie ihm etwas antun?“

„Du hättest es darauf ankommen lassen sollen“, erklärte Kaonashi. „Was glaubst du wohl, wie oft diese Psychonummer hier abgespielt wird? Verdammt oft und wenn man nicht alles auf eine Karte setzt, dann wird dich der nächste Typ gleich wieder verarschen. Ach Mensch… Einst waren die Menschen Affen und auch jetzt scheint mir der Mensch mehr Affe zu sein als irgendein Affe. Selbst wenn es deine eigene Mutter wäre, da hättest du doch zumindest genug Verstand besitzen müssen, um dich zu fragen, ob der Kerl nicht vielleicht blufft. Na? Ist dir das nie in den Sinn gekommen?“

„Nein, weil ich mir Sorgen gemacht hab. Ich bin seit vier Jahren auf der Suche nach ihm gewesen und hab mit dem Schlimmsten gerechnet. Ich hab ja auch gemerkt, dass das eine total blöde Idee war.“

„Die dir ein paar Hämatome, vielleicht eine Prellung, eine Kopfwunde und Analfissuren eingebrockt hat. Schlimmstenfalls sogar innere Blutungen.“

„Was willst du eigentlich von mir? Hast du deinen Spaß, mich so zu sehen?“

„Jetzt krieg dich mal wieder ein. Für einen Rookie, der gerade erst mal einen Tag hier ist, bist du ganz schön vorlaut. Wenn du hier in Down Hill überleben willst, solltest du besser auf jene hören, die sich hier auskennen und wissen, wie der Hase läuft. Ansonsten ist es nur der Anfang deines Untergangs. Und Ratschläge von Leuten, die sich hier auskennen, sind mehr wert als Geld. Denn es sichert dir dein Überleben und hilft dir, weiterzukommen. Deshalb solltest du endlich mal dein Hirn einschalten und die Ratschläge anderer annehmen, wenn sie schon bereit sind, sie dir ohne eine Gegenleistung zu erteilen.“ Da Kaonashi offenbar helfen wollte, beruhigte sich Mello wieder ein wenig und trank noch einen Schluck Wasser, bevor er die Flasche wieder zurückgab. „Ist ja gut. Aber erklär mir mal bitte, was dieses ganze Rookie-Gequatsche soll.“

„Hier im Gefängnis gibt es eine Art eigene Sprache. Es gibt viele Arten von Insassen und sie haben meist eine bestimmte Bezeichnung. Als Rookies bezeichnet man jene, die noch ganz neu hier sind und von nichts eine Ahnung haben. Wenn sie erst mal eine Weile hier sind und schon ein paar Sachen kennen, nennt man sie Freshmen. Es gibt dann noch die 170er, die Sittiche, Ghosts und noch einige andere. Sigma zum Beispiel ist ein Shutcall, ein Häftlingsboss. Down Hill besteht aus mehreren Ebenen und diese Ebenen haben bestimmte Territorien, die von Gruppen kontrolliert werden. Einzige Ausnahme sind die oberste und unterste Ebene, die nicht bewohnt sind. Jede vorherrschende Gruppe hat einen Anführer und der ist der Shutcall. Sie haben die größte Macht und den stärksten Einfluss. Sigma betreibt meist in Core City Handel. Er krallt sich die Rookies, die hergebracht werden, richtet sie zusammen mit seinem Cousin ab, nachdem er ihnen die Augen entfernt hat und verkauft sie dann als Pets, also als Sexsklaven, die oft wie Haustiere gehalten werden. Das wäre so ungefähr dein Schicksal geworden, wenn Jackson nicht so ein Interesse an dir gehabt hätte. Es hätte durchaus schlimmer werden können.“

„Soll ich mich jetzt darüber freuen?“

„Du hast doch echt keine Vorstellung, was für Zustände in diesem Gefängnis herrschen. Vergewaltigungen, Schlägereien oder Morde stehen hier eben an der Tagesordnung, weil es seit 15 Jahren keine Wärter mehr gibt. Hier gilt also einzig und allein das Gesetz des Stärkeren und wenn du überleben willst, musst du schon zusehen, dass du Verbündete findest oder dich einer Gruppe anschließt. Als Einzelkämpfer hast du nur dann eine Chance, wenn du den nötigen Intellekt und die physische Stärke besitzt. Und was deinen Freund betrifft… den kenne ich sogar.“ Diese Nachricht gab Mello neue Energie und er horchte auf. Kaonashi wusste etwas über Matt? „Du kennst Matt? Wo ist er und wie geht es ihm? Ist er wirklich hier im Westblock?“ Kaonashi seufzte leise und kratzte sich am Hinterkopf. „Nun ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht für dich, was diesen Matt betrifft.“

„Was ist die schlechte?“

„Er war vor vier Jahren hier gewesen. Sigma hat also nicht gelogen, was die Tatsache betrifft, dass dein Freund mal hier ein Gefangener gewesen war.“

„Und was ist die gute Nachricht?“

„Matt hat es damals geschafft zu entkommen. Durch den selbstlosen Einsatz eines anderen Insassen gelang es ihm, aus dem Westblock rauszukommen und in Efrafa Schutz zu finden. Die meiste Zeit hält er sich dort auf. Also wenn du nicht gerade noch vorhast, wieder dein Glück zu versuchen und planlos durch die oberen Ebenen zu spazieren und wieder an den nächsten Psychopathen zu geraten, würde ich dir anraten, lieber erst nach Efrafa zu gehen. Frag dort entweder nach Rhyme, Morph oder Christine. Den dreien kannst du wirklich vertrauen. Wenn du zurück zum Point Zero willst, um von dort aus nach Efrafa I zu kommen, müsstest du bis zur ersten Trakttür geradeaus, dann nach links bis du am Büro vorbei kommst, zwei mal nach rechts bis du an der Zelle eines Typen vorbei kommst, der langes schwarzes Haar hat und nackt an einer Halsfessel angekettet ist. Wenn du an seiner Zelle vorbeikommst, musst du nach links und dann nur noch geradeaus. Dann bist du raus und kommst zum Point Zero zurück. Danach gehst zu zum Ostblock und dort ist glücklicherweise alles ausgeschildert.“

„Schön und gut“, murmelte Mello. „Nur wie komm ich bitte aus dieser Zelle raus? Und in meinem Zustand schaffe ich es kaum, vor den beiden abzuhauen.“

„Sigma hat gerade andere Sorgen und ich denke, das gibt dir einen guten Vorsprung. Damit eines klar ist: helfen werde ich dir nicht, aber ich gebe dir Werkzeug mit, damit du dir selbst helfen kannst. Ab jetzt liegt es ganz bei dir, was du daraus machst und wie viel dir an deinem Leben liegt. Ich bin ein Geländer am Strome: fasse mich, wer mich fassen kann! Eure Krücke aber bin ich nicht.“ Damit warf Kaonashi ihm etwas zu, das beim Aufprall auf dem Boden einen metallischen Klang erzeugte. Es war ein Schlüssel. Und höchstwahrscheinlich der Schlüssel zur Zellentür. Doch so ganz traute Mello dem Braten nicht. „Wieso tust du das für mich?“ „Tja, wer weiß…“, murmelte Kaonashi nur und zuckte mit den Achseln. „Vielleicht, weil hinter dieser Maske noch etwas anderes steckt als der Gedanke an Vergeltung. Letzten Endes ist es auch egal, wie weit ein Esel auch reiten mag, er wird nie als Pferd zurückkommen. Und du erinnerst mich da an jemanden, den ich vor langer Zeit gekannt und beinahe vergessen habe. So, dann bin ich auch mal weg. Ich wünsch dir viel Glück bei deinem Ausbruch. Und vergiss nicht: frag nach Rhyme, Christine oder Morph. Das sind die einzigen in Efrafa, die ich wirklich für vertrauenswürdig genug halte. Die Werkzeuge hast du nun, jetzt liegt es ganz bei dir, wie stark dein Wille ist, dass du deinen eigenen Körper überwinden kannst.“ Damit drehte sich Kaonashi um und ging davon. Mello sah ihm nach und war sich nicht ganz sicher, was das alles zu bedeuten hatte und warum dieser Kerl ihm eigentlich half. Und vor allem wusste er nicht so wirklich, wer er war. Er schien sich hier ziemlich gut auszukennen und zu wissen, wie der Hase lief. Wie lange er wohl schon in Down Hill war? Irgendwie wurde Mello nicht ganz schlau aus seinem Gerede, aber für ihn stand fest, dass Kaonashi keiner dieser durchgeknallten Irren wie Sigma war. Stattdessen schien er eher einen Hang zur Tiefsinnigkeit zu haben. Naja, er konnte sich ja noch später darum Gedanken machen. Jetzt erst mal war es wichtig, dass er so schnell wie möglich von hier abhaute, bevor diese beiden Psychopathen zurückkamen. Also biss Mello die Zähne zusammen und kämpfte sich auf die Beine. Es kostete ihn eine ungeheure Kraftanstrengung und Willenskraft. Die Schmerzen lähmten jede seiner Bewegungen und für einen Moment zweifelte er, dass er es wirklich schaffen würde. Doch dann kam ihm ein neuer Gedanke: Matt… Er wusste jetzt, dass Matt im Ostblock war und dass es ihm gut ging. Und allein dieser Gedanke, dass er ihn bald wiedersehen würde, erweckte in ihn neue Kräfte. Über seine Verletzungen konnte er sich noch später beklagen. Jetzt erst einmal galt es, hier rauszukommen und in den Ostblock zu gelangen. Dann war er hoffentlich erst mal in Sicherheit.



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