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An der trennenden Tür

von

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Du bist wichtiger

Klopf klopf klopf-klopf klopf.

„Elsa, es hat noch viel mehr geschneit heute Nacht! Willst du nicht doch einen Schneemann bauen?!“
 

Ich erstarre sofort in meiner Bewegung. Sie ist es wieder.

Jetzt ist es der dritte Tag in Folge, den sie zu mir kommt. Oder eher zu meinem Zimmer.
 

„Elsa?! Komm schon, es ist wirklich schön draußen!“

Vor ein paar Tagen hat es zum ersten Mal in diesem Winter geschneit.
 

Ich seufze. Die Feder in meiner Hand sinkt langsam auf den Schreibtisch, an dem ich sitze.

Ich wollte heute eigentlich in aller Ruhe lernen. Sonst kommt sie doch auch nicht so häufig her...

Und genau das beunruhigt mich. Es zerrt an meinen Nerven und fordert meine Kontrolle heraus.

Aber ja, sie mag den Schnee. Sonst würde sie ja nicht immer darin spielen wollen, oder? Warum genießt sie ihn nicht einfach allein?

Ich kneife meine Augen verärgert zu, hoffe, dass ich mich so nicht ablenken lasse. Als ich sie wieder öffne, fällt mein Blick auf das aufgeschlagene Buch über meinen Notizen. Die Struktur eines Königreiches.
 

„Elsa...?“ Noch höre ich eine kleine Resthoffnung in ihrer Stimme. Doch überwiegen tut der Anteil, der verkündet, dass ihr klar ist, dass ich nicht wirklich reagieren werde. Zumindest nicht so, dass sie es mitbekommt.

Ich höre ein dumpfes Geräusch von der Tür her, sie hat sich wohl mit ihrem Oberkörper dagegen gelehnt.

Dabei spüre ich, wie mein Herz ein wenig schneller zu schlagen beginnt. Warum?

Und warum kann sie nicht einfach wieder weggehen? So kann ich mich nicht weiter konzentrieren.

Leicht wütend sehe ich auf die aufgeschlagene Seite und suche die Zeile, bei der ich zuletzt war.

Doch irgendwie scheinen meine Gedanken bereits zu durcheinander zu sein, denn ich nehme rein gar nichts von dem Gelesenen auf.
 

„Bitte? Nur ein einziges Mal?“

Ein Stechen in meinem Herzen. Zeitgleich stehe ich ruckartig von meinem Stuhl auf, die Hände noch in Kontakt mit der Oberfläche des Tisches.

Warum kann sie nicht einfach weggehen?! Sie war doch nun schon gestern und vorgestern hier. Sie weiß doch, dass ich nicht herauskomme. Egal wie viele Tage sie auch hintereinander hierher kommen mag.

Warum versteht sie es nicht...?

„Elsa...?“

Warum versteht sie es nicht...?!
 

Eiskristalle bilden sich um meine Fäuste herum auf dem Holz.

Diese Handschuhe bringen gar nichts. Am Ende geht es doch immer hindurch...

Das leise Knacken holt mich momentan noch einmal aus meinen Gedanken heraus.

Ich schrecke kurz zusammen, habe ich mich seit Langem mal wieder zu diesen starken Emotionen hinreißen lassen.

Doch sie lässt mich nicht wieder zur Ruhe kommen.
 

„Sag doch bitte wenigstens etwas.“

Sei still.

„Nur ein Mal... Irgendwas.“

Hör auf.
 

Meine Hände sind in anfänglicher Verzweiflung an meinem Kopf. Ich will dich nicht hören, will nicht, dass du dort an meiner Tür stehst.

Denn in Wirklichkeit möchte ich doch genau das. Aber ich kann nicht... darf nicht...

Ohne dass ich darüber nachdenke, führen mich meine Beine zu dir.

Ganz automatisch gehe ich zur Tür. Wie eine Motte, die den Kampf gegen sich selber verloren hat und zu dem Licht fliegt, von dem sie nicht loskommt.

Ich weiß, dass es ein Fehler ist, dass ich das nicht machen sollte. Der Tag ist ab jetzt unbrauchbar, ich werde mich irgendwann in den Schlaf weinen.

Aber jetzt möchte ich dir für den Moment so nahe sein, wie es hier geht.
 

Jeder meiner Schritte ist von Eis gefolgt, doch das beachte ich nun nicht.

Ich bleibe direkt vor der Tür stehen, spontan doch etwas unsicher.

Zitternd heben sich meine Hände, berühren leicht das Holz, streichen sacht darüber.

„Anna...“, entweicht es mir leise. Doch ich bezweifle, dass du es hören könntest.

Warum verschwendest du eigentlich deine Zeit hier...?
 

„Es ist so schön draußen, weißt du? Als ich heute Morgen aufgestanden bin, konnte ich nicht anders, als gleich zum Fenster zu gehen und nach draußen zu sehen. Und ich hatte wirklich viel Lust, mit dir im Schnee zu spielen...“

Oh Anna... Bitte hör doch auf... Bitte... mach es dir selber doch nicht so schwer.
 

Von meinen Händen an der Tür ist inzwischen eine ganze Frostschicht über eben jene ausgebreitet. Auch wenn ich nicht so genau hinsehe, weiß ich durch das Knistern, dass sie sich noch weiter über die Wand zieht.

Scheinbar kann ich die Kontrolle noch weniger behalten als ohnehin schon, wenn du mehrere Tage in Folge hier bist.

Ein trauriges Lächeln schleicht sich in meine Züge, während ich meine Stirn vorsichtig an das eisüberzogene Holz lehne.
 

„Elsa...? Ich möchte so gerne rausgehen...“ Deine Stimme wird so sanft.

Warum machst du es dann nicht einfach?

Du kannst das doch viel eher als ich... Es gibt eigentlich keinen Grund, es dir zu verwehren.

Oder- Nein, deine Formulierung meint das mit Sicherheit nicht...

Mein Lächeln fällt, in meiner Brust zieht sich wieder etwas zusammen -
 

„Ich möchte so gerne rausgehen... mit dir.“

Nein. Hör schon auf!

„Vielleicht so wie früher? Da ging es doch auch!“

Hör doch auf!

„Bitte... allein macht es nicht so viel Spaß!“

Hör doch auf! Du machst es uns beiden doch nur schwer auf diese Art.
 

In meiner jetzt wütenden Positur bemerke ich auf einmal, dass der Frost nicht weiter kriecht. Nun fallen ganz kleine, vereinzelte Schneeflocken von der Decke, und die Temperatur dürfte gesunken sein. Nicht, dass ich das sehr stark merken würde. Aber die Atmosphäre hier im Raum hat sich verändert.
 

„Elsa...?!“

Oh nein, hast du etwa etwas mitbekommen? - Nein... Lass nur das Eis nicht durch die Tür gekommen sein... bitte...

Erschrocken trete ich einen Schritt von ihr weg.
 

„Elsa? Irgendetwas hat sich bei dir gerade verändert. Ist alles in Ordnung?“

Oh, wenn du doch nur wüsstest. Hier ist gar nichts in Ordnung. Oder... vielleicht ist Manches ja gewissermaßen zu sehr in Ordnung gehalten...

Aber warum machst du dir überhaupt Sorgen um mich, wenn ich dich jeden Tag und jedes Mal bloß ignoriere?

Ich durfte wenigstens deine Stimme heute hören, und auch wenn es wehtut, so freut es mich im Grunde doch. Ich sollte mich glücklich schätzen, dass du überhaupt an mich denkst und sogar noch hierher kommst.

Ich möchte ja so gerne mit dir zusammen sein.

Wirklich... Warum geht es nur nicht?!
 

Ich bemerke erst jetzt, dass ich währenddessen angefangen habe, zu weinen. Tränen fließen ungehalten meine Wangen herunter und ich schluchze leise. Warum habe ich das nicht verhindert...?

Ich hoffe nur, du hörst es nicht, doch ich kann nicht anders, als deinen Namen nochmals auszusprechen.

„Anna...!“

Nun ja, das Jammern war nicht zu überhören.
 

„Elsa?! Elsa, bitte sprich mit mir!“

Ohne darüber nachzudenken, strecke ich meine Arme aus, um doch wieder die Tür zu berühren. Und sofort lehne ich mich ganz dagegen, lasse meinen Gefühlen freien Lauf.

Natürlich dürftest du das jetzt ganz hören.

Aber das Einzige, was du sagst, ist: „Oh, Elsa...“

Und dann höre ich auch von dir ein leises Schniefen und sanfte Weingeräusche.
 

Warum kümmerst du dich überhaupt noch so um mich?

Warum weinst du meinetwegen?

Warum bist du nicht glücklich ohne mich?
 

Warum... müssen wir beide hier auf verschiedenen Seiten einer geschlossenen Tür stehen und an sie gelehnt... nur durch dieses Stück Holz getrennt... zusammen weinen...?

Es soll doch alles... nur zu deinem Besten sein...

Warum...? Warum weinst du dann? Verstehst du nicht?

Ich will dich nicht verletzen... Aber anscheinend tue ich es doch. Was soll ich denn nur machen?

Was ist denn schlimmer...? Wenn ich deinen Körper verletze, oder dein Inneres...?

- Nein. Ich darf es nicht tun.
 

Eine Zeit lang haben wir beide uns jetzt gerade nur unserem Betrübnis hingegeben.

Nachdem ich sicher bin, dass ich nicht direkt in neuen Tränen ausbreche, sobald ich rede, komme ich nicht umhin, dir einmal eine Frage zu stellen.

„Anna... Warum suchst du dir nicht einfach irgendjemand Anderes, mit dem du Spaß haben kannst?“
 

Man hört meiner Stimme noch deutlich die Traurigkeit an.

Deine hingegen klingt bei deiner Antwort stärker, stabiler... irgendwie... so sanft... nein, nicht nur, ich weiß nicht, wie man das beschreibt.

Vorher vernehme ich noch ein Geräusch von dem Holz, du scheinst dich zu bewegen.

Dann registriere ich deine Antwort:
 

„Weil du mir wichtiger bist, Elsa. Ganz einfach darum.“
 

Erstaunt öffnen sich meine Augen weiter. Irgendetwas Warmes spüre ich in meiner Brust. Was ist das nur?

Und wann haben denn die Schneeflocken aufgehört, zu fallen...?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Myralisia
2015-12-06T12:18:04+00:00 06.12.2015 13:18
Eine sehr schöne Darstellung der Gefühle füreinander. Du hast beide Charaktere sehr filmgetreu beschrieben und agieren lassen. Auch, wenn es immer etwas herzzerreißend ist, wenn man den dramatischen Teil zwischen denen aufgreift ;__;
Von: Platan
2015-04-10T01:46:54+00:00 10.04.2015 03:46
Das ist mal ein wirklich, wirklich schöner OS zu der Beziehung zwischen Anna und Elsa. ♥ Es hat mir sehr gut gefallen.
Du hast die Gefühle der beiden überzeugend dargestellt und rübergebracht, so dass man einfach mitfühlen musste, wenn man den Film schon mag. Ich habe jedenfalls richtig mitgefühlt und konnte den OS vor allem direkt perfekt mit dem Film verbinden, weil ich mir gut vorstellen kann, dass Elsa sich genau so gefühlt haben musste. Die Ich-Perspektive war hierfür natürlich passend gewählt.

> „Weil du mir wichtiger bist, Elsa. Ganz einfach darum.“
Ein richtig schöner Satz. Q___Q
Vor allem in Verbindung mit dem Schluss, der noch danach kam. Das warme Gefühl und das die Schneeflocken nicht mehr fallen ... ich bin begeistert davon. :3

Also ich finde den OS sehr gelungen. Danke für den emotionalen Ausflug (da ich den Film so sehr wegen der Geschwisterliebe mag, freut es mich sehr, dass du das hier thematisiert hast). Da bekomme ich glatt Lust, den Film wieder zu schauen. ♥


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