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Screen Time

-- Die andere Dimension --
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Two Ways - Zwei Wege

Kapitel 1: Two Ways - Zwei Wege
 

"Man kann sich wohl den Weg wählen,

aber nicht die Menschen, denen man begegnet."
 

von Arthur Schnitzler
 

14.02.2022 - 13:44 Uhr - Tokyo - Bezirk Toshima - Gakushūin-Universität - Fakultät für Geisteswissenschaften - Hörsaal 2
 

"Hoffnung! Hoffnung ist etwas nicht greifbares. Die wohl wichtigste Voraussetzung für Hoffnung ist die Kraft an etwas zu glauben. Jean Jaurès, ein französischer Historiker als auch Politiker sagte, "die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können." Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens viele Schicksalsschläge. Die Verarbeitung von Trauer kann nur dann geschehen, wenn man diesen Menschen Hoffnung gibt. Doch kommen wir auf die Voraussetzung von Hoffnung zurück. Der Glaube. Wie können wir den Glauben eines Menschen stärken? Stellen Sie sich vor, Sie verlieren den Menschen, der Ihnen am meisten etwas bedeutet. Keiner der jemals diesen Schmerz erlebt hat, kann diesen auch nur ansatzweise nachempfinden. Doch die Vorstellung ist etwas allgegenwärtiges. Es ist eine für jeden allzu bekannte Angst, die wir bei diesen Gedanken verspüren. In der Psychologie geht es für uns primär darum die Gedankengänge des Menschen zu verstehen. Verstehen wir diese, so hoffen wir, können wir Methoden finden, um den Glauben eines Menschen einerseits stärken zu können und wenn nötig auch wiederherstellen."
 

Ich hörte dem Dozenten nicht mehr zu. Es war nicht so, dass mich das Thema nicht interessierte. Viel mehr hatte ich das Gefühl nichts zu erfahren, was ich nicht ohnehin schon wusste. Der Schmerz des Verlustes. Hoffnung. Glauben. Man versuchte die Psyche eines Menschen nüchtern zu analysieren. Das ist Psychologie. Irgendwann muss ich den Grund vergessen haben, weshalb ich ausgerechnet dieses Fach gewählt hatte. Durch das Analysieren der Psyche eines Menschen diesen letztlich helfen zu können. Eine schöne Vorstellung. Ich wünschte, es wäre nur so leicht.
 

Es ist nicht so, dass ich den Dozenten, der da vorne stand, irgendwie kritisieren wollte. Schließlich gab er tatsächlich sein Bestes, um uns den Lernstoff beizubringen. Er machte seinen Job. Doch ich hatte das Gefühl, dass irgendwas fehlte.
 

Bevor ich das Studium anfing, dachte ich mir, es wäre interessant zu erfahren, wie man den Menschen helfen kann. Der Mensch lässt sich aber nicht so einfach helfen. Jeder Mensch ist anders. Deswegen so glaube ich, müsste man für jeden Mensch eine für ihn angepasste Therapie entwickeln. Die Psychologie geht meines Erachtens noch nicht weit genug. Zu sehr verallgemeinert man sie. Sicher es gibt Therapien für Kriegsopfer, für misshandelte Menschen oder auch Menschen, welche einfach zu viel Stress ausgesetzt sind. Während ich allerdings immer mehr das Gefühl bekomme, dass mit den aktuellen Methoden nicht allen Menschen geholfen werden kann, erscheint mir auch mein Denkschema durchaus selbstgefällig. Es erscheint unmöglich, jeden Menschen zu helfen. Oder ist das auch bloß eine Ausrede?
 

Ich spielte mit einen Kulli und blickte gedankenverloren auf meinen Notizblock. Ich hatte mir da aber nicht wirklich etwas notiert. Stattdessen hatte ich mir einen Fuchs dahingezeichnet. Er streckte die Zunge aus. Mir war langweilig.
 

Um mich herum saß niemand. Ich hatte mich ganz nach hinten in die letzte Reihe des Hörsaals gesetzt. Die Vorlesung wäre gleich sowieso vorbei. Und mein Jahrgang war sowieso etwas klein. Ich kannte meine Kommilitonen bzw. meine Mitschüler so gut wie kaum. Und ich wollte daran auch nichts ändern.
 

"Damit ist die heutige Vorlesung beendet. Bis nächste Woche lest euch bitte "Kapitel 6: Mitleid" durch. Nutzt eure freie Zeit gut!", schloss der Dozent seinen Vortrag ab.
 

Freie Zeit, was? Stimmt, wir haben heute Freitag. Schon wieder zwei freie Tage. Endlich konnte ich meinem Hobby wieder nachgehen. Früher habe ich das Wochenende gehasst. Das lag nicht daran, dass ich nicht Ruhe mochte. Nein, im Gegenteil ich liebe die Stille. Die Stille ist etwas äußerst wertvolles. Mit ihr schaffe ich es meine Gedanken zu ordnen. Doch so sehr ich sie auch mag, stundenlang nichts zu tun, wäre auch nichts für mich. Ich brauchte etwas zu tun. Natürlich etwas, das mich interessierte.
 

Ich hatte die Fakultät verlassen. Sollte ich jetzt schon nach Hause gehen? Ich brauchte erst mal was zu essen.
 

Langsam schlenderte ich durch die "Sugamo-Jizodori-Einkaufsstraße". Wie immer war sie sehr belebt. Was sollte ich mir bloß holen? Ich blieb vor einen kleinen Supermarkt stehen. Nach kurzer Überlegung betrat ich diesen.
 

In den Regalen befanden sich viele Artikel. Ich hatte mir zuvor einen Einkaufswagen geholt, da ich mir genug für die nächsten zwei Tage holen wollte. Doch ich konnte mich nicht so richtig entscheiden. Zuerst etwas zu essen. Ich griff mir 6 Packungen Fertig-Nudelsuppen und legte sie in den Wagen. Ob das reichen wird? Zu Hause hatte ich bestimmt noch etwas.
 

Zu Hause. Ja, so nannte ich meine kleine Wohnung. Ich war vor 2 Jahren nach Tokyo gekommen. Ich wohnte vorher in der Präfektur Fukouka auf der Insel Kyūshū, also quasi am anderen Ende Japans. Meine Mutter wollte immer, dass ich irgendwann nach Tokyo ziehe. Sie meinte, wenn ich etwas erreichen will, dann da, wo Leute aus der ganzen Welt kommen und auf Japan schauen. Tokyo, das Zentrum Japans, eine Weltstadt, so nannte man sie.
 

Was meine Mutter angeht, sie ist vor einiger Zeit verstorben. Sie verstarb ein Jahr, bevor ich nach Tokyo kam. Es war eine Krankheit, die sie dahingerafft hatte. Ich hab lange gebraucht, um ihren Tod zu verkraften. Doch irgendwann musste es ja weitergehen. Man sagt zwar, die Zeit heilt alle Wunden. Ich allerdings glaube, dass Menschen mit der Zeit den Tod eines geliebten Menschen lernen zu akzeptieren. Jedoch gelingt es nicht Jeden.
 

Mein Vater verstarb bereits, da war ich nicht einmal 2 Jahre alt. Lediglich durch alte Bilder weiß ich, wie er ausgesehen hat. Mein Mutter erzählte mir immer, als ich noch klein war, das er an einen Ort wäre, wo wir eines Tages auch hingehen würde. Irgendwann verstand ich dann auch, was das bedeutete.
 

Als ich 12 Jahre alt wurde, fragte ich schließlich meine Mutter, wie mein Vater denn gestorben war. Es war ein Raubüberfall gewesen. Mein Vater arbeitete manchmal bis spät abends. Er wurde letztlich vor unserer eigenen Haustür erschossen. Bis heute sind die näheren Umstände allerdings noch nicht geklärt. Meine Mutter war an dem Tag, wo sie es mir erzählt hatte, danach sehr verschlossen gewesen. Vielleicht war es bereits schon dieser Tag gewesen, an dem ich begann, die Welt zu hassen.
 

Der Mensch ist ohne Frage das Lebewesen auf der Erde, welches den meisten Einfluss auf die Umwelt nehmen kann. Doch er selbst ist leicht zerbrechlich und das innerlich, als auch äußerlich.
 

Ich hatte mir noch einige Flaschen Wasser und Eistee genommen, alle Sachen dann bezahlt und gerade eben den Laden verlassen. Es war erst 10 vor 3. Sollte ich schon nach Hause gehen? Ich könnte zumindest mal die Sachen dort ablegen.
 

Zwar ging ich im Bezirk Toshima zur Uni, wohnte aber selbst im Bezirk Kita. Ich musste also erst mal die Tōkyō Metro nehmen, um dorthin zu gelangen. Und das hieß einen gewissen Fußweg. Ich trug meine Tasche auf den Rücken und die eingekauften Sachen in einigen Tüten mit den Händen. Zwar war ich körperlich nicht gerade schwach, aber damit herumzulaufen war auf Dauer ermüdend.
 

Als ich nach Tokyo kam, war ich noch sehr aufgeregt. Die neue Stadt, das neue Umfeld und das Ungewisse damit verbunden. Wie würden die Menschen hier sein? Ich realisierte schnell, dass die Menschen in Tokyo leider insbesondere eins waren, nämlich verschlossen. Jeder schien immer nur an sich selbst zu denken. Im Nachhinein hätte ich mir das aber auch denken können. Die Menschen die nach Tokyo kamen und die, die hier schon immer gewohnt hatten, dachten lediglich daran Karriere zu machen. Mitleid, Nächstenliebe und Zusammenhalt. Alles schöne Werte. In der Weltstadt Tokyo allerdings, alles Dinge, die zwar immer wieder betont wurden, aber in Echt keine Rolle spielten.
 

Ich fand nach längerer Suche dann etwas, was mich interessierte. Capoeira, eine recht interessante Kampfsportart, wie ich finde. Die Mischung aus Kampf und Tanz. Ich fand sie faszinierend. Einmal die Woche ging ich zum Verein. Nebenbei ging ich hin und wieder früh morgens joggen. So hielt ich mich fit. Sport ist allgemein auch etwas ganz gutes, um ab und zu etwas abzuschalten und die Dinge um einen herum zu vergessen.
 

Kaum war ich am Bahnhof "Komagome" angekommen, schon kam die U-Bahn, die ich nehmen musste. Ich stieg in den Zug der "Namboku-Linie" ein und sah mich um. Es war voll. Kein Sitzplatz war mehr übrig. Ich blieb stehen.
 

Ich erblickte ich eine Gruppe von Mittelschülern. Sie trugen die typische Schuluniform. Es waren drei Jungs und ein Mädchen. Die Jungs trugen jeweils eine schwarze Hose und ein weißes Hemd. Darüber dann noch ein passend schwarzes Jackett, auf welchen das Schullogo abgedruckt war. Das Mädchen trug einen grauen mittellangen Rock und ein hell-braunes Oberteil mit einer roten Schleife. Nicht unüblich. Japan ist ein sehr traditionelles Land. Dazu gehörten nun mal auch Schuluniformen. Es gab allerdings durchaus auch Schulen, die auf so etwas verzichteten. Diese waren jedoch stark in der Minderheit. Auch in meiner Schulzeit musste ich stets eine Uniform tragen. Es hieß stets, die Etikette zu wahren. Um ehrlich zu sein, es war mir egal. Mit oder ohne Uniform, es änderte aus meiner Sicht nichts gravierendes. Jeder soll da denken, was er will. Ich denke, es gibt da wichtigere Dinge über die es zu sprechen galt.
 

Da wäre zum einen die immer weiter wachsende Arbeitslosigkeit in Japan. Zum Anderen verbunden mit dieser ebenso die wachsende "Hikikomori-Kultur". Menschen finden keine Arbeit und schließen sich schließlich Stück für Stück weiter zu Hause ein. Sie sind auf das Geld ihrer Eltern angewiesen. Der Druck, den die Gesellschaft auf den Menschen ausübt, ist ein Problem, welches nach wie vor nicht wirklich beachtet wird. Auch der Stress bei der Arbeit fällt immer weniger Menschen leicht. Der zahlenmäßige Anstieg von Leuten, die Suizid begehen, zeigt eigentlich deutlich genug, dass es diesen Land nicht so gut geht, wie oft behauptet wird.
 

Die Bahn hielt an. "Ōji" hieß die Station. Ich war schon im Bezirk "Kita". Ich musste allerdings noch zwei Stationen fahren. Eine menge Menschen stiegen aus. Es wurde leer. Ich setzte mich dann auf einen freigewordenen Platz. Meine Tasche legte ich rechts und die Tüten links von mir. Dann atmete ich tief ein und wieder aus. Die Bahn fuhr los.
 

Ich holte mein Handy raus. Dann steckte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren. Sie sahen aus wie zwei kleine Ohrstöpsel, da sie keinen Verbindungskabel besaßen. Über Bluetooth hörte ich mir dann Musik an. Es war ein verhältnismäßig altes Lied. "IN THE END" von der Band Linkin Park. Die Band gibt es jetzt schon seit mehr als 20 Jahren. Beim Lied gefiel mir insbesondere der Refrain sehr. Ich glaub, ich kann mit englischer Musik mehr anfangen, als mit japanischer, was nicht hieß, das ich nicht auch japanisch höre. Vielleicht war es auch das Unbekannte, das mich so anzog. Das Lied endete zeitgleich, wie der Zug anhielt. Über Lautsprecher wurde der Name der Haltestelle genannt: "Shimo". Ja, hier wohnte ich. Ich stand auf, nahm meine Sachen und stieg aus. Zu meiner Wohnung war es nur noch ein Katzensprung.
 

Ich ging am "Asukayama-Park" vorbei. Er ist einer der wenigen Sehenswürdigkeiten Kitas. Allgemein ist dieser Stadtbezirk eher durch die vielen Wohngebiete geprägt, die fast 80% des Bezirkes einnehmen. Ich kam oft hierher. Ein schöner Ort zum Entspannen, wie ich fand. Besonders im Frühling war es hier sehr schön, wenn die Kirschblütenbäume anfingen zu blühen. Doch jetzt war es noch etwas kalt und sie fingen erst langsam an zu blühen.
 

Ich stand schon vor meiner Wohnung. Naja, nicht ganz. Ich musste noch ein Paar Treppen hochgehen und dann noch ein kleines Stück an einigen anderen Wohnungen vorbei. Meine war die mit der Zimmernummer 202. Als ich dann vor meiner Wohnungstür stand, stellte ich erstmal die Sachen ab und holte meinen Schlüssel aus der Tasche. Dann öffnete ich dir Tür und betrat meine Bleibe.
 

Es war nicht besonders einfallsreich eingerichtet. Ich sprach vorhin über "Hikikomori", nicht wahr? Die Art und Weise wie ich lebte, unterschied sich nicht entscheidend von einen solchen Hikikomori. Der Unterschied bestand darin, dass ich studierte und mehr oder weniger Ziele im Leben verfolgte. Mein Großvater bezahlte allerdings für mich die Mietkosten und schickte mir wöchentlich Geld. Er war das einzige Familienmitglied, welches mir geblieben war. Ich stand tief in seiner Schuld. Das wusste ich nur allzu gut. Als ich ihm damals gesagt habe, das ich nach Tokyo ziehen wollte, hatte er ohne große Worte, mich in meiner Entscheidung unterstützt. Das Haus meiner Eltern habe ich in seine Obhut gegeben. Er sagte damals lediglich zu mir: "Ich werde mich um das Haus kümmern, bis zu dem Tag an dem du es wieder brauchst." Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, wo ich heute stehen würde, wenn er nicht gewesen wäre.
 

Ich versuchte meine Wohnung so ordentlich zu halten, wie es eben ging. Doch wer je allein gewohnt hat, weiß bestimmt, dass das alles andere als leicht ist. Für einen selbst ständig kochen zu müssen, die Wäsche zu waschen und all das Zeug. Ich hatte zwar nach dem Tod meiner Mutter auch einiges selbstständig machen müssen, doch war, wie vorhin erwähnt, mein Großvater für mich da und hatte mir die Hausarbeit damals etwas erleichtert.
 

Ich bin jetzt 21. Manchmal sehne ich mich zurück an die Schulzeit. Damals war vieles noch so unbeschwert für mich gewesen. Doch die Zeit bleibt weder stehen, noch lässt sie sich zurückdrehen. Das Leben geht stehts weiter.
 

Ich nahm einer der Nudelsuppen-Packungen und erwärmte sie mit der Mikrowelle. Mein Magen knurrte. Als es fertig war, nahm ich die Packung, öffnete sie und goss den Inhalt in eine Schüssel. Manche aßen die Nudelsuppe in der Packung. Ich mochte es allerdings so mehr. Ich verschlang das Essen schnell in mich hinein. Machte allerdings auch kurz Pause und schaltete meinen Laptop an, den ich aus der Tasche holte. Ich zog die Vorhänge zu und gab dann mein Passwort ein. Während ich hin und wieder etwas aß, las ich mich durch einige Foren durch. Ich ging auf eine News-Seite und sah mir die aktuellen Geschehnisse in der Welt an. "Präsident der Vereinigten Staaten beim Besuch in Südkorea" war unter anderen eine Schlagzeile. Ich überflog den Artikel leicht. Nichts interessantes. Ich glaubte gewiss nicht an alle Dinge, von denen in den Medien berichtet wurde. Jedoch wollte ich zumindest wissen, was in der Welt so vor sich ging.
 

Zuletzt ging ich dann noch auf meine E-Mail. Danach würde ich noch etwas rausgehen. Es war zu einer Routine geworden. Erst las ich ein paar Beiträge in Foren, in denen ich aktiv war, dann einige Nachrichten und zuletzt checkte ich meine E-Mail. Diese Routine bestimmte mein Leben. Ich würde dann, wenn ich später zu Hause war, meiner anderen "Leidenschaft" nachgehen. Abgesehen von Capoeira war sie etwas, was mich wirklich begeistert hatte. Da ich nicht nebenbei arbeiten gehe und mich so nur auf mein Studium konzentrieren musste, besaß ich eine Menge Freizeit. Bevor ich meine "Leidenschaft" gefunden hatte, führte ich ein recht langweiliges Leben. Es war schwer etwas interessantes zu finden. Mein Studium fand ich zwar anfangs noch recht interessant, doch am liebsten würde ich es jetzt wieder abbrechen. Ich tat das allerdings meinen Großvater zu Liebe nicht. Ich wollte nicht, dass er sich schon wieder um mich Sorgen machen musste.
 

Ich scrollte gelangweilt durch meine E-Mails. Nichts interessantes dabei. Ich wollte gerade meine Browser schließen, als mir eine E-Mail ins Auge sprang. Der Betreff lautete: "Neue Welt". Hat mir schon wieder irgendeine Sekte, irgendwas geschickt? Ich sollte wohl gar nicht erst hineinsehen. Doch meine Neugier überwältigte mich. Ich öffnete sie:
 

"Hallo,
 

ich habe lange gezögert, dir zu schreiben. Ich wusste nicht, wie du darauf reagieren würdest. Doch ich habe mich entschieden. Du sollst Teil meines Projektes werden.
 

Ich weiß, dass klingt alles sehr verwirrend, doch ich werde dich aufklären. Ich weiß, wer du bist und was du tust."
 

Ich hielt inne. Was meinte er? Sollte er etwa wissen, dass...? Nein, ausgeschlossen. Ich habe nie Spuren hinterlassen. Ich sollte aufhören das zu lesen. Wahrscheinlich geht es um etwas religiöses. Das ist bestimmt nur wieder einer dieser Tricks. Menschen, die etwas schreckliches begangen haben, besitzen stets die Angst, dass die Wahrheit über sie ans Licht kommt. Der Typ weiß nichts über mich. Er will mir nur Angst machen.
 

Ich wollte den Laptop schließen, doch brachte ich es nicht zu Ende. Ich las weiter:
 

"Du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe nicht vor, es jemanden zu erzählen. Ich will dich damit auch nicht erpressen. Mir geht es um etwas anderes.
 

Ich brauche dich.
 

Diese Welt ist eine Illusion. Die Menschen versuchen diese Illusion als eine Realität darzustellen, die sie nicht ist. Ich möchte den Menschen die Augen öffen. Du bist nicht der Einzige, den ich für dieses Projekt brauche. Ich habe bereits 3 Andere um Hilfe gebeten. Du bist der Letzte, der noch fehlt. Deine Fähigkeiten sind für dieses Projekt unerlässlich.
 

Du bist auf der Suche. Du suchst etwas, was dich interessiert und womit du deine Zeit vertreiben kannst. Ich kenne dieses Gefühl nur allzu gut. Ich biete dir etwas.

Verändere mit mir zusammen die WELT!
 

Wenn du dich entscheiden solltest mitzumachen, wirst du alles erhalten, was du benötigst. Du brauchst dir keine Sorgen mehr um Geld zu machen. Du wirst mehr haben, all du brauchen wirst und du musst nicht mehr deine dir geliebte Person weiterhin belasten. Dir bleibt allerdings natürlich auch die Wahl. Ich will dich zu nichts zwingen. Ich will dich lediglich zu etwas bewegen, was dein ganzes Leben von Grund auf verändern wird.
 

Die Entscheidung liegt bei dir. Ich erwarte deine Antwort.
 

Liar"
 

Ich weitete meine Augen. Zu viele Dinge schwirrten mir auf einmal durch den Kopf. Ich las noch einige Male die Mail komplett durch, bis ich dann realisiert habe, was da eigentlich stand.
 

"Liar". Ich kenne diesen Namen. Er ist ein Mythos. Er ist ein Hacker. Und nicht irgendeiner. Vielleicht der Beste auf der ganzen Welt. Man sagt, es gäbe kein Sicherheitssystem in der Welt, welches er nicht überwinden könnte. Allein sein Name hat schon für zahlreiche Schlagzeilen gesorgt. Manche meinen, er würde ein Mitglied von "Anonymous" sein. Andere meinen wiederum behaupten, er hätte diese Bewegung sogar ins Leben gerufen. Es gibt sogar welche, die denken, dass er gar nicht existiert. Letztlich blieb das Rätsel rund um das Pseudonym "Liar" erhalten. Und jetzt sollte eben dieser ihn anschreiben? Er meinte, er weiß, wer ich bin...
 

Ich atmete tief durch. Ob das nun wirklich "Liar" ist, oder jemand, der sich für diesen ausgibt, lässt sich nicht sagen. Das ist aber nicht das Entscheidende! Er weiß von der Unterstützung, die ich durch meinen Großvater bekomme. Dieser Bastard! Er konnte alles, was er braucht, um mich zu erpressen, in Erfahrung bringen. Zwar meinte er, dass er mir die Entscheidung lässt bei diesen seltsamen Projekt mitzumachen oder nicht. Doch es gibt keinen Grund für mich, ihn zu vertrauen. Obwohl...wenn er weiß, wer ich bin, hätte er mich längst den Behörden ausliefern können. Er müsste das nicht mal selbst tun. Er könnte meine Identität durch das Internet aufdecken. Und ich könnte nichts dagegen tun. Was wäre, wenn ich versuchen würde herauszufinden, wer er ist? Doch ich habe keinen Anhaltspunkt. Ich weiß noch nicht mal, ob er Japaner ist oder aus dem Ausland kommt. Einen Text in einer anderen Sprache zu verfassen, ist heutzutage nicht wirklich schwer. Während früher Übersetzungsprogramme noch sehr fehleranfällig waren, funktionieren sie mittlerweile fast perfekt.
 

Ich hab angefangen mich im Kreis zu drehen. "VERDAMMT!", schrie ich. Mich würde eh keiner hören. Die beiden Wohnungen neben mir stehen leer. Und man konnte auch nicht erwarten, dass diese demnächst besetzt sein würden. Mietwohnungen sind in Tokyo sehr teuer. Meine Gedanken schweifen ab. Vielleicht ist das besser so. Einfach nicht daran denken. Doch ich muss antworten. Vielleicht sagt er die Wahrheit. Vielleicht mach ich mir unnötig Sorgen.
 

"Argh! Es bringt nichts!", sprach ich mit mir selbst. Ich stand auf und nahm meine Schlüssel. Ich brauchte frische Luft. Vielleicht kam ich dann auf andere Gedanken. Ich zog mir meine schwarze Jacke drüber und ging raus.
 

Ich kann mich nicht erinnern, wie ich hergekommen war. Meine Beine hatten mich wohl unbewusst her getragen. Der Asukayama-Park. Ich hab es schon mal erwähnt, oder? Ich kam immer hierher, um zu entspannen und auf andere Gedanken zu kommen. Gerade jetzt war es genau das, was ich brauchte.
 

Der Park war menschenleer. Genauso wie die Kirschblütenbäume, welche nach wie vor so gut wie kahl waren. Im Gegensatz dazu standen meine Gedanken. Ich wusste nicht an was ich denken sollte. Das alles war viel zu viel.
 

Ich spürte, wie etwas leichtes auf meinen Kopf fiel. Ich griff mit der rechten Hand danach. Es war ein Kirschblütenblatt. Erschrocken schaute ich nach oben. Das konnte doch gar nicht sein. Der Baum blühte doch noch nicht mal richtig. Man sah an einigen Stellen zwar Knospen, aber...
 

Doch das Blatt hat mir geholfen. Mir ist jetzt klar, dass es nichts bringen wird, sich den Kopf so zu zerbrechen. Als ich damals mit meiner Leidenschaft anfing, schwor ich mir, dass selbst wenn ich geschnappt werde, ich es nicht bereuen werde. Sollte Liar tatsächlich wissen, wer ich bin und mich verraten, werde ich das akzeptieren müssen. Ehrlich gesagt, halte ich von seiner Idee, seinem "Projekt", wie er es nannte, nicht wirklich etwas. Er wollte die Welt verändern? Was für ein Schwachsinn. Die Welt verändert sich nicht. Zumindest nicht durch ein paar einfache Hacker.
 

Ja, ich bin ein Hacker. Das ist mein großes Geheimnis. Meine Leidenschaft. Der Grund, weshalb ich vielleicht in Schwierigkeiten stecke. Es fing an mit ein paar leichten Streichen auf einigen Webseiten an, bis es etwas ausartete und ich eine neue Identität annahm. "Fox" nannte ich mich. Ich kam schon ein paar Mal ins Fernsehen, nachdem ich die Webseiten einiger großer Firmen verunstalte. Ich hinterließ stets ein Symbol zurück. Einen Fuchs, daher der Name. Ein Fuchs, welcher die Zunge herausstreckte der den Großkonzern-Besitzern ihre eigene Unfähigkeit demonstrieren sollte. Was ich erreichen wollte? Nichts. Es ist lediglich ein Zeitvertreib oder sollte ich sagen, es war?
 

Ich blickte nochmal auf das Blütenblatt und schaute in den Himmel. Dann drehte ich mich um und ging zurück zu meiner Wohnung. Es wurde schon langsam dunkel. Wir hatten noch Winter und bei einem Blick auf die Uhr wurde das besonders deutlich: 18:22 Uhr.
 

Als ich meine Wohnung betrat, überkam mich ein komisches Gefühl. Einen Augenblick mal..."Liar" hat doch herausgefunden, dass ich Fox bin. Er wusste aber auch von meinen Großvater...das heißt doch, er weiß, wo ich wohne! Ich schloss die Tür hinter mir und wollte schnell zu meinen Laptop...
 

"Du bist also Fox, hm?"
 

Erschrocken erblickte ich vor mir eine Person. Es war eine junge Frau. Sie hatte...pinke Haare. Sie trug eine schwarze Hose und eine schwarze ärmellose Jacke. Die Jacke war halb geöffnet. Sie trug eine ebenso schwarze dünne Bluse darunter. Der Kragen der Jacke war vorne rot. Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, doch sie unterbrach mich:

"Du fragst dich sicher, wer ich bin, oder? Ich komme wegen "Liar"." Meine Augen weiteten sich etwas. Das Ganze wurde immer verwirrender. Sagte sie gerade, "Liar"?

"Er hat sich Sorgen gemacht, dass du ihn möglicherweise missverstehen könntest. "Liar" meint, dass was er dir geschrieben hat, wirklich ernst. Er hat nicht vor, dich zu irgendetwas zu zwingen. Doch er braucht dich. Eigentlich hat er mich hergeschickt, um zu verdeutlichen, dass er dich nicht erpressen will. Aber ich bin nicht nur deswegen hier."
 

Ich spannte mich merklich an. Was hatte sie vor? Ich wusste nicht mal, wer sie war. Ich antwortete ihr: "Und was willst du? Mich zwingen mitzumachen? Oder mich kaltstellen, weil ich dich gesehen habe?" Das Mädchen blickte zu Boden. Hatte ich etwa recht?
 

Allerdings sprach sie ruhig und leicht bedrückt: "Liar will die Welt verändern. Und ich glaube daran, dass er das schaffen kann. Nein, nicht er alleine. Wir können es schaffen. Wir brauchen deine Fähigkeiten! Wir brauchen dich." Sie schaute mir in die Augen. Ihre Augen. Sie waren Jade-Grün. Ich verlor mich in ihnen. Dann fragte sie mich: "Willst du deine Fähigkeiten einfach so verschwenden und vor dich weiter vegetieren? Lebe so weiter wie bisher oder hilf uns die Welt und auch dich zu verändern! Ich weiß, du kennst uns nicht und mich erst recht nicht." Sie machte eine Pause.
 

"Menschen vertrauen nun einmal nicht einfach so Fremden. Doch ich bitte dich, mir dein Vertrauen zu schenken. Du wirst es nicht bereuen!"
 

Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Vertrauen war und ist etwas mit dem man nicht spielen sollte. Es ist unbezahlbar. Und wenn einmal zerstört, nicht leicht wiederherzustellen. Dieses Mädchen verlangte von mir, ihr zu vertrauen. Das war unmöglich, doch...
 

"Einverstanden", sagte ich. Das Mädchen schaute mich überrascht an. Ich sprach weiter: "Doch ich werde dir nicht einfach mein Vertrauen schenken. Das ist unmöglich. So etwas kann man sich nur erarbeiten. Doch ich gebe dir und auch diesen Liar eine Chance." Ich wunderte mich über meine eigenen Worte. Wie konnte ich bloß zustimmen? Doch es wurde mir schnell bewusst, warum. Das Mädchen interessierte mich.
 

Ein Lächeln bildete sich auf dem Gesicht der jungen Frau. Dann erwiderte sie: "Kann ich dich bei deinen "echten Namen" nennen?" Ich sah sie verwirrt an und meinte: "Nur wenn ich deinen erfahren darf."
 

Sie kam langsam auf mich zu. Mein Herz fing an schneller zu schlagen. Sie blieb neben mir stehen und flüsterte mir zu: "Man nennt mich "Flower". Mein echter Name ist Sakura Haruno. Du kannst mich Sakura nennen." Ich sah zu ihr, dann blickte ich auf den Boden und schloss die Augen, meine Hände in den Hosentaschen: "Dann nenne du mich doch bitte auch beim Vornamen, Sakura. Du wirst den sicher kennen, wenn du schon hier einbrechen konntest." Ich hörte wie Sakura, die Tür öffnete. Wie ein Flüstern im Wind, vernahm ich noch ihre letzten Worte, bevor sie verschwand:
 

"Wir sehen uns wieder, Uzumaki Naruto..."
 

Kapitel 1 Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  jillianZ
2015-04-11T14:19:30+00:00 11.04.2015 16:19
Echt hammer bin gespannt wie es weiter geht. Lg
Von:  fahnm
2015-04-08T20:50:37+00:00 08.04.2015 22:50
Spitzen Kapitel


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