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Geheimnis

von

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Februar 1867
 

Es waren nur Sekunden, die Souji schneller war als er selbst. Entscheidende Sekunden.
 

Oh nein, nicht schon wieder.
 

Toshi verfluchte sich für seine Unachtsamkeit. Als Souji dann auch noch begann, sein Haiku von heute morgen laut vorzulesen und den Inhalt mit dem Tiefgang eines Dangos verglich, verlor er endgültig die Nerven. Egal, was alle anderen von ihm hielten, er wollte sein Buch zurück!
 

„Gib das zurück!“
 

Souji dachte gar nicht daran und hüpfte in sicheren Abstand lachend vor ihm auf und ab, streckte ihm das Buch immer wieder neckend hin, nur um es im letzten Moment wieder wegzuziehen.
 

Baka Souji...

Aber nicht nur Souji schien sich angesichts dieser lächerlichen Situation bestens zu amüsieren, sondern auch alle anderen Anwesenden. Allen voran die üblichen Verdächtigen, die im Laufe des letzten Jahrzehnts schon mehrmals Zeugen dieses dämlichen Spiels geworden waren, aber auch Chizuru lachte aus ganzem Herzen und selbst Saitou schien das ganze zumindest soweit lustig zu finden, dass sich um seine Mundwinkel die Andeutung eines Lächelns bildete.
 

Na gut...Toshi wollte ja kein Spielverderber sein und die gelöste Stimmung vermiesen. Aber Souji würde ihm das irgendwann büßen. Er sprang mit einem wütend Aufschrei auf Souji zu ( was begeistertes Gejohle von Heisuke und Shinpachi nach sich zog), achtete darauf nicht auf die restlichen Dango zu treten, doch wieder war Souji schneller und stürmte aus dem Zimmer, wobei er fast Chizuru über den Haufen rannte. Er wartete darauf das Toshi ihm folgte um dann wieder loszurennen, als Toshi mit seinen Fingerspitzen schon fast sein Buch berühren konnte.
 

„Sie sind viel zu langsam, Hijkata-san! Sie werden ihr Buch nie zurückbekommen!“ rief Souji übermütig, lief dann lachend die Engawa entlang und verschwand um die Ecke.
 

Toshi folgte ihm, doch auf dem langen Gang war nichts mehr von Souji zu sehen. Wütend begann er jede Shoji-Tür entlang der Engawa aufzureißen. Bei der vierten hatte er Glück.

Souji stand in der Mitte des Raumes und grinste ihn siegessicher an.

Oh dieses dämliche Grinsen. Da sie ihre Zuschauer hinter sich gelassen hatten, beschloss Toshi das Spiel zu beenden.

Er stürzte sich auf Souji, welcher wiederum versuchte auszuweichen und an ihm vorbei aus dem Zimmer zu kommen. Doch Toshi erwischte ihn am Arm, genau in diesem Moment wurde Souji von einem Hustenanfall heimgesucht und fiel mitsamt Toshi zu Boden. Das Haiku-Buch fiel achtlos zu Boden.
 

„Souji...“
 

Das Husten wollte nicht aufhören, Souji lag halb auf Toshis Oberkörper und rang nach Luft.

Toshi packte ihn und half ihm sich aufrecht hinzusetzen. Dieser verdammte Husten. Was Toshi die ganze Zeit befürchtet hatte, wurde ihm bestätigt als Souji plötzlich nach vorne kippte, sich gerade noch so mit den Händen abstützen konnte und zu würgen begann.

Den Schwall Blut, der sich aus seinem Mund ergoß, versuchte er so gut es ging mit dem Ärmel seines Kimonos aufzufangen. Nach ein paar Minuten war es vorbei. Nur Soujis schwerer Atem erfüllte den Raum.

Keiner von ihnen sagte etwas. Aus der Ferne drang das Lachen der anderen zu ihnen. Kalter Wind zog durch die geöffnete Shoji-Tür in den Raum, verdeckte den Geruch von frischem Blut und spielte mit den Seiten des nun vernachlässigten Buches.
 

„Bitte...bitte erzählen Sie Kondo-san nichts...“ bat Souji schließlich mit belegter Stimme.
 

Er konnte Hijikata-san nicht ins Gesicht sehen und drehte sich deswegen nicht zu ihm um sondern starrte auf den Tatami-Boden vor ihm, der mit kleinen roten Sprenkeln seines Blutes verunreinigt worden war. Er begann die Flecken mit dem noch sauberen Ärmel seines Haoris so gut es ging wegzuwischen.

Solange hatte er es geschafft die Zeichen seiner Krankheit zu verstecken. Jahre lang hatte er sich mit einer Ausrede nach der anderen herausgeredet. Das durfte nicht das Ende sein.
 

„Bitte, Hijikata-san...“ flehte er verzweifelt.
 

Wieder bekam er keine Antwort. Die Spannung in dem kleinen Raum war kaum zu ertragen. Schon öfters hatte er den Verdacht gehabt, Hijikata-san wüsste Bescheid. Er hatte manchmal einen siebten Sinn für Sachen, die man lieber vor ihm verborgen hielt. Einmal hatte Souji ihn früh Morgens auf dem Weg ins Bad angetroffen, der ganze Körper nass geschwitzt von einer besonders schlimmen Nacht, in der ihm abwechselnd eiskalt oder viel zu heiß gewesen war. Hijikata-san hatte ihn nur wortlos gemustert und war auf Soujis Erklärung – die zugegebener Maßen nicht sehr überzeugend gewesen war – überhaupt nicht eingegangen.
 

Das er sich jetzt so gar nicht überrascht zeigte, war Souji unheimlich. Hatte er etwa die ganze Zeit schon Bescheid gewusst? Oder hatte Matsumoto-Sensei etwas angedeutet? Oder Chizuru? Nein, das konnte nicht sein. Vielleicht lag es daran das schon Hijikata-sans Mutter und eine seiner Schwestern an der Schwindsucht gestorben waren.

Wie auch immer...er konnte nicht zulassen, das Hijikata-san sein Geheimnis verraten würde. Aber...er war in einer denkbar schlechten Position um seinen Willen durchzusetzen. Er konnte jetzt nur noch auf Hijikata-sans Verständnis für seine Situation hoffen und das er die Weitsicht hatte, welche Konsequenzen eine Enthüllung seiner Krankheit für ihn haben würde. Er hatte nichts anderes als das hier. Er wollte hier bleiben, nicht zurück nach Edo, zu seiner Familie oder sogar in ein Krankenhaus. Nein, Souji wollte hier bleiben. Um jeden Preis.
 

Allerdings hatte Hijikata-san auch immer das große Ganze im Blick. Er würde nicht zulassen das die Krankheit andere gefährden würde und wenn Souji daran zurück dachte was Hijikata-san bisher jedes mal für einen Aufstand gemacht, wenn er „erkältet“ gewesen war, standen seine Chancen denkbar schlecht.

Der letzte Fleck auf der Tatami-Matte wollte einfach nicht verschwinden. Er war nicht groß, und wen man nicht darauf achtete, fiel er vielleicht nicht weiter auf. Aber Souji wusste was es mit dem kleinen, dunkelroten Tupfer auf sich hatte, und Hijikata-san wusste es auch. Verzweifelt rieb er weiter mit seinen Ärmel über die Tatami, obwohl das Blut längst getrocknet war.
 

„Hijikata-san?“ fragte er nochmal vorsichtig.
 

Wieder bekam er keine Antwort. Souji schwankte zwischen Resignation und einem letzten Aufbäumen gegen das Unvermeidliche. Seine Unbehagen wuchs mit jedem Herzschlag, mit jeder Sekunde des Schweigens in dem kleinen Zimmer.

Der Fleck auf der Tatami schien höhnisch zu lachen über seinen absurden Versuch ihn zu vernichten. Souji begann noch stärker über ihn hinwegzuwischen.

Dann plötzlich wurde ihm bewusst woher das unangenehme Gefühl der Anspannung tatsächlich kam. Es kam nicht von Hijikata-san.
 

Sie waren nicht allein.
 

NEIN NEIN NEIN !
 

Mit klopfenden Herzen hielt Souji inne und blickte auf.

Der letzte Funken Hoffnung sein Geheimnis noch bewahren zu können, erlosch mit einem Wimpernschlag.
 

„Souji...“
 

Kondo-san stand draussen auf der Engawa, die Bestürzung und Traurigkeit in seinen Augen konnte Souji nur einige Sekunden ertragen, dann senkte er wieder den Kopf.
 

Der rote Fleck lachte immer noch.
 


 

Owari



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Ruki-Vocal122
2015-05-17T23:01:35+00:00 18.05.2015 01:01
Tolle Geschichte aber sehr traurig, vielleicht kann du ja noch eine fortsetzung machen ich ürde gern wissen wie Kondou weiter reagiert und die anderen.
Von:  HikariHodako
2015-05-01T19:26:08+00:00 01.05.2015 21:26
wow... gut geschrieben.
Wirklich... Okita hat mir sehr leid getan.
Sehr traurig... und das Hijikata so gar nichts sagt...krass.
Am besten finde ich den "lachenden" Blutfleck, ein tolles Gedankenspiel.
Liebe Grüße
Hikari

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