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Den Ärger wert

von

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Freizeit Poeten

Kaum zu glauben, dass der Sommer vorbei war und bald das neue Semester anfangen würde – Das zweite meines Studiums. Einerseits hatte ich die freie Zeit, sofern ich nicht im Café gearbeitet hatte, natürlich genossen, andererseits freute ich mich aber auch darauf, wieder loszulegen und meinem Traumberuf näher zu kommen.

Ein Wochenende hatte ich aber noch, und das wollte ich genießen. Heute zum Beispiel im Schwimmbad. Bewaffnet mit meiner Tasche verließ ich die Umkleiden auf der Suche nach den Leuten, mit denen ich verabredet war, und schlängelte mich durch die zahlreichen Besucher des Bades. Es herrschte einiger Trubel, Kinder stolperten mir vor die Füße, Eltern liefen hinterher, Bademeister riefen Teenager zur Ordnung und eine Mutter trug ihren fröhlich pinkelnden Sohn hastig in Richtung Toiletten. Wenig später entdeckte ich trotz der vielen Leute Sasuke auf einer Liege zwischen ein paar mir Unbekannten.

„Hi", begrüßte ich sie strahlend.

„Du bist spät dran“, sagte Sasuke, die nur kurz von ihrem Buch aufsah, um mich zur Kenntnis zu nehmen. Anstalten, ihre Freunde vorzustellen, machte sie nicht.

„Freundlich wie immer“, grinste ein Typ mit weißen Haaren, der aufstand und mir die Hand reichte. „Hi, ich bin Suigetsu. Das ist Karin.“ Er deutete auf eine Rothaarige in knappen, lilanem Bikini, dann auf einen Hünen neben ihr. „Und das ist Juugo.“

„Cool! Ich bin Naruto. Ich würd ja jetzt sagen, ich hab schon viel von euch gehört…“

„Haha, mach dir nichts draus. Wir haben von deiner Existenz mit den Worten: ´Es kommt noch jemand.`, überhaupt erst erfahren“, erzählte Suigetsu und dirigierte mich auf die Liege neben seiner. „Wir wussten nicht, dass Sasuke noch andere Freunde hat. Karin war schon ganz eifersüchtig.“

„Halt die Fresse“, zischte diese, wobei sie fast so rot wurde wie ihre Haarmähne und Sasuke einen Blick zuwarf. Als diese nicht aufsah, wandte sie sich enttäuscht ab.

Zum ersten Mal musterte ich Sasuke genauer. Sie trug schwarze Badeshorts für Männer und ein ebenfalls schwarzes Bikinioberteil, unter dem man sehen konnte, wie die Rippen sich unter ihrer blassen Haut abzeichneten. Irgendwie hatte ich das spontane Bedürfnis, ihr die Kekse anzubieten, die ich mitgebracht hatte.

„Sorry, dass ich spät dran bin“, griff ich ihre vorige Rüge wieder auf. „Im Café war die Hölle los.“ Sasuke nickte nur, ohne von ihrem Buch aufzusehen, auf dessen Einband ich jetzt einen Blick warf. ´Der Tod in Rom`, klang ja fröhlich.

„Und du bist Kellner?“, fragte Karin.

„Barista“, widersprach ich und grinste, als sie die Brauen hochzog. „Nein, ich helfe im Campus-Café aus an der Uni aus. Eigentlich studiere ich Sport- und Englischlehramt.“

„Ach so.“ Sie ließ einen wissenden Blick über mein Sixpack und die trainierten Arme gleiten. „Verstehe.“

„Und was macht ihr so?“

„Ich studiere mit Sasuke Chemie. Ab und zu Model ich aber auch.“

„Verstehe“, machte ich sie schmunzelnd nach. Das erklärte ihre gemachten Nägel, das glänzende Haar und die zugegebenermaßen umwerfende Figur. Sie war schlank und hatte trotzdem weibliche Kurven.

„Vergiss es, Mann“, warnte Suigetsu mich, als er meinen interessierten Blick bemerkte. „Die ist fest verankert am anderen Ufer.“

Karin bewarf ihn mit ihrer Wasserflasche. „Musst du das immer gleich jedem erzählen? Idiot!“

„Er merkt doch eh sofort, wie du Sasuke anschmachtest… AUA!“, protestierte er, als die Rothaarige ihm mit hochrotem Kopf in den Magen schlug.

„DU SCHMACHTEST SASUKE SELBER AN!“

„Ähm, ist doch nicht schlimm“, sagte ich mit beschwichtigend erhobenen Händen. „Jeder soll tun, was ihn glücklich macht, oder?“

„Außer, es macht ihn glücklich, ein Idiot zu sein“, fauchte Karin, die mit Suigetsu rangelte, um ihn zu schlagen. Sasuke und Juugo nahmen von dem Kleinkrieg kaum Notiz, also nahm ich an, das war normal für die beiden.

„Und was machst du?“, fragte ich Juugo, um das Thema zu wechseln.

„Ich studiere Ornithologie. Im Moment arbeite ich als Werksstudent im Staatsmuseum an einer Sonderausstellung.“

Ich sah ihn verwirrt an. „Äh, was?“

„Er ist Vogelkundler“, erklärte Sasuke, womit sie offenbarte, dass sie zuhörte.

Ungläubig starrte ich erst sie, dann ihren riesenhaften Freund an. „Was?!“, wiederholte ich, diesmal lauter.

Juugo zuckte die Schultern. „Vögel sind schöne Kreaturen. Und so… Frei.“

„Oh… Ok, aber ich dachte, du seist… Wrestler oder sowas“, gab ich verblüfft zu.

Er nickte, schwieg aber eigentümlich friedfertig. Ich unterhielt mich noch etwas mit ihm über seine Arbeit, aber es war noch anstrengender, mit Juugo zu sprechen als mit Sasuke, denn er sagte ungefragt tatsächlich gar nichts und gefragt nur möglichst wenig. Schließlich gab ich auf und wandte mich an Sasuke.

„Willst du schwimmen gehen?“

Ich hätte ja die anderen auch gefragt, aber Juguo hatte schon nein gesagt und Karin stritt immer noch mit Suigetsu. Eigentlich hatte ich gedacht, ich würde alleine gehen müssen, aber Sasuke legte ein Lesezeichen in ihr Buch und erhob sich. Ich steuerte die Lagune an, von der aus man in den beheizten Außenbereich gelangen konnte, Sasuke jedoch ging zielstrebig daran vorbei zum Sportbecken. Überrascht sah ich zu, wie sie sich kurz dehnte und dann direkt ins kühle Wasser stieg.

Jetzt kannten wir uns schon über vier Monate und hatten, vor allem seit Kyuubis Party, wirklich viel Zeit miteinander verbracht, aber manchmal überraschte ihr Verhalten mich immer noch. Das lag wohl auch daran, dass sie langsam offener im Umgang mit mir wurde während ich mich gerade an ihre Verschlossenheit gewöhnt hatte. Diese neue Offenheit hatte auch dazu geführt, dass sie sich nicht sofort völlig von mir zurückgezogen hatte, nachdem sie mir etwas so Gravierendes wie ihre Sterilität offenbart hatte. Zwar hatte sie sich geweigert, weiter darüber zu sprechen oder auch nur meine Entschuldigungen anzunehmen, aber immerhin weigerte sie sich auch nicht, mich zu sehen.

Inzwischen traf sie sich ab und zu mit mir und meinen Freunden und soweit ich wusste, schrieb sie sogar regelmäßig mit Neji. Zuerst war Tenten nicht begeistert davon gewesen, aber als ich ihr erklärte, dass Sasuke ein rein intellektuelles Interesse an ihrem Freund hatte, hatte sie sich beruhigt.

Ich seufzte, dann sprang ich ihr mit einem Hecht hinterher und ignorierte die bösen Blicke der anderen Schwimmer, deren Bahn ich kreuzte, als ich zu Sasuke aufschloss.

„Schwimmst du gerne?“, fragte ich und ging zum Rückenkraulen über, um sie ansehen zu können.

„Drei Mal die Woche, wenn möglich.“

„Krass. Aber in einem Verein bist du nicht?“

Sie drehte um und stieß sich kraftvoll vom Beckenrand ab, sodass sie etwas vor mir her schwamm. „Bis ich vierzehn war. Danach reichte die Zeit nicht mehr“, beantwortete sie die wohl abzusehende Frage im Voraus.

„Schule?“

„Ja. Außerdem musste ich zu der Zeit mehr im Haushalt machen, weil Itachi in der Firma unseres Vaters befördert worden war.“

Diesmal war ich vorsichtiger, was Itachi anging: „Dann war er aber noch ganz schön jung, oder?“

„Zwanzig. In der ersten Zeit hatte er… Viel Stress.“

„Und deine Mutter konnte den Haushalt nicht führen?“, fragte ich und sprang damit ins nächste Fettnäpfchen.

„Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben.“

„Oh Gott… Das tut mir leid, ich wusste nicht…“

„Ja – Und sonst weiß das auch niemand“, betonte sie mit einem Blick, der klar machte, dass das auch so bleiben sollte.

„Klar… Tut mir wirklich leid, Sasuke.“

Wir waren mehrere Bahnen geschwommen und jetzt wieder am Beckenrand. Sasuke hielt sich daran fest und zuckte die Schultern. „Ich kannte sie nicht.“

„Trotzdem. Ich kannte meine Eltern auch nicht, aber irgendwas fehlt doch immer, oder?“

Sie sah überrascht aus. „Du kennst deine Eltern nicht?“

„Nein, hab ich dir das gar nicht gesagt?“ Sie schüttelte den Kopf und ich überlegte, dass ich ihr zwar wohl gesagt hatte, dass ich bei meinen Großeltern lebte, aber nie, wieso. Inzwischen war sie mir auch so vertraut, dass ich wohl irgendwie davon ausgegangen war, dass sie es einfach wusste.

„Ich dachte, du wärst mit deinen Eltern zerstritten und seiest deswegen ausgezogen“, sagte Sasuke nachdenklich.

„Nein, leider nicht.“ Einen Streit hätte man aus der Welt schaffen können… „Sie sind gestorben, als ich noch ganz klein war. Mein Dad war Politiker und meine Mutter hat ihn zu einem Termin begleitet, zu dem sie fliegen mussten. Ich war bei meinen Großeltern, als das Flugzeug abgestürzt ist.“

Sasuke hatte mich während dieses auswendig gelernten Berichts nicht angesehen und auch, als ich fertig war, sagte sie eine Weile nichts. „Tut mir leid“, flüsterte sie schließlich und berührte flüchtig meine Hand.

Ich lächelte mechanisch, wie immer, wenn ich über meine Eltern sprach. Ich wollte kein Mitleid, das brachte sie auch nicht zurück. Außerdem war ich lange genug sauer auf sie gewesen; Inzwischen hatte ich ihnen verziehen, dass sie mich alleine gelassen hatten.

„Lässt sich nicht ändern, oder?“, fragte ich leichthin.

„Aber es fehlt etwas“, widerholte Sasuke, was ich zuvor gesagt hatte.

Ich sah auf die Hand, die sie eben berührt hatte. „Ja.“

Eine Weile trieben wir in stillem Einverständnis im Wasser, dann war hinter uns ein lautes Platschen und die empörten Schreie einiger Badegäste zu hören. Wir drehten uns um und sahen Suigetsu blitzschnell die Bahnen queren, um zu uns zu gelangen, wobei er einige andere Gäste über den Haufen schwamm. Am Beckenrand folgten ihm Juugo und Karin.

„Was turtelt ihr hier so zweisam?“, grinste er und drängelte sich zwischen uns.

„Wir sind geschwommen!“, verteidigte ich uns, als Sasuke nur die Augen verdrehte.

„Jaja, ich hab genau gesehen, wie ihr Händchengehalten habt.“

„WAAAS?!“, japste Karin, deren Blick ich entnahm, dass ich es mir jetzt mit ihr verscherzt hatte.

„S-So war das gar nicht…!“, versuchte ich, sie zu beruhigen, wobei ich Sasuke einen hilfesuchenden Blick zuwarf, aber die sah desinteressiert wo anders hin.

Ihre Freundin stemmte eine Hand in die Hüfte, mit der anderen deutete sie anklagend auf mich. "Tauchst hier auf und meinst, dich an Sasuke ranschmeißen zu können… Glaubst du echt, du wärst gut genug für sie?!“

„I-Ich…“

„Von wegen! Ich sag dir jetzt mal was…“

Und dann hielt sie mir eine zehnminütige Rede darüber, warum ich nicht mal Dreck zu Sasukes Füßen war. Das andere Mädchen selbst war in der Zeit ein paar Mal gemächlich durchs Becken geschwommen und Juugo hatte die Beine ins Wasser gehängt, sah aber aus dem Fenster und hörte offensichtlich nicht zu. Suigetsu dagegen schien sich köstlich zu amüsieren. Erst nach einer Ewigkeit unterbrach er Karin, indem er sich aus dem Wasser stemmte und sie lässig in den Pool stieß.

„Was zur…?!“, platzte sie heraus, als sie wieder an die Oberfläche kam, aber Suigetsu winkte nur ab.

„Halt die Luft an. Du langweilst. Na Jungs, wie wär´s mit einem Wettschwimmen?“

Unerwartet stand Juugo auf, wodurch er Suigetsu um mehr als eine Haupteslänge überragte. Der Hüne sah immer noch gelassen aus, als er sagte: „Sei netter zu Karin“, aber Suigetsus Mundwinkel zuckte alarmiert, als er lächelnd die Hände hob.

„Schon gut, Alter, kein Grund für Stress. War doch nur ein Witz!“

„Ist das so“, erwiderte Juugo, dann half er Karin aus dem Wasser, wofür er eigentlich nur eine Hand brauchte. Statt ihr stieg er in den Pool. „Ich wäre bei einem Wettschwimmen dabei.“

Suigetsu und ich warfen uns nach dieser beunruhigenden Szene schräge Blicke zu, aber Sasuke, die gerade zurückgekommen war, meinte: „Ich wäre auch dabei“, und ich vergaß jeden Vorbehalt.

„Ich mach auch mit!“

„Ts, glaubst du, du kannst mithalten, Blondie?“, fragte Suigetsu, der sich neben mir in Startposition begab. Karin wollte lieber Jiri sein und blieb außerhalb des Wassers.

„Soll das ein Witz sein?“, lachte ich und machte mich bereit.

Während Sasuke und Juugo sich in Position brachten, stellte Karin sich neben uns auf und hob den Arm. „Fertig?“ Als alle nickten, ließ sie die Hand herunter sausen wie eine Flagge. „Los!“

Ich war kaum losgeschwommen, als Suigetsu auch schon an mir vorbei rauschte. Baff sah ich ihm nach, dann zog ich mein eigenes Tempo an, aber es war hoffnungslos, ich konnte ihn nicht einholen. Juugo war wegen seiner schieren Größe zwar recht schnell, nahm das ganze aber wohl nicht so ernst und war bereits zurückgefallen. Anders sah es da mit Sasuke aus, die ein wenig vor mir lag, aber noch einzuholen war.

Als ich auf ihrer Höhe war, grinste ich sie an und legte nochmal einen Zahn zu, aber sie blieb nicht wie erwartet hinter mit zurück, sondern zog mit routinierter Konzentration durchs Wasser. Suigetsu war inzwischen am Beckenrand angekommen und drehte um. Sasuke und ich erreichten den Rand in genau demselben Moment. Wir sahen uns wortlos an, drehten um und preschten nebeneinander zurück. Die ersten paar Meter lag ich sogar vorne, was aber nur daran lag, dass ich größer war als Sasuke. Schon auf der Hälfte der Stecke hatte sie aufgeholt, dann zog sie an mir vorbei und berührte mit einer halben Körperlänge Vorsprung den Beckenrand.

„Sasuke ist zweite!“, rief Karin und klatschte begeistert.

„Nicht schlecht“, keuchte ich grinsend, als ich drei Sekunden später ankam.

Sasuke stemmte sich aus dem Wasser, sodass jeder Muskel in ihrem Rücken und ihren Armen zu sehen war. Sie sah hochmütig zu mir runter, machte „Hn“, Und schwang sich aus dem Becken. Ich schluckte; so sexy hatte ich sie wohl noch nie gefunden und ich war froh, dass das Wasser so kalt war, sonst hätte ich wohl ein Problem gehabt.

Suigetsu reichte dem gerade ankommenden Juugo die Hand und klopfte ihm auf die Schulter, als er dem Hünen überflüssiger Weise aus dem Wasser geholfen hatte. „Das ging schon mal besser, Mann! Du musst doch unserem Neuzugang zeigen, wo der Hammer hängt!“

„Das hast du ja schon gemacht. Du bist ja abgegangen wie Schmitz Katze“, sagte ich auf dem Weg zu unserem Platz beeindruckt.

Suigetsu grinste zufrieden. „Klar. Ist halt nicht jeder aus dem Schwimmteam ausgestiegen, nich, Sasuke?“

„Ach, daher kennt ihr euch?“, fragte ich neugierig.

„Die drei. Ich studiere wie gesagt Chemie“, erklärte Karin, die Sasuke aus dem Augenwinkel beim Abtrocknen zusah. „Wie auch immer. Nachdem ihr euer Testosteron rausgelassen habt, können wir in die Sauna gehen, oder?“, schlug sie dann vor.

„Ich bleibe“, entschied Sasuke, die gerade wieder ihr Buch zur Hand nahm.

Juugo folgte ihrem Beispiel und legte sich auf seine Liege. „Mir bekommt die Hitze nicht.“

„Eh? Mit diesem Affen geh ich nicht alleine!“, beschwerte Karin sich, womit sie wohl nur Suigetsu meinte, worüber ich mich aber trotzdem beschwerte.

Fasziniert beobachtete ich, wie einer nach dem anderen sich um Sasukes Liege sammelte. Ich hätte es nicht geglaubt, aber sie war, was diese Gruppe zusammenhielt. Sie war ihre Anführerin.

Es war interessant, Sasuke in einem Umfeld zu erleben, in dem sie sich zu Hause fühlte, denn dabei kam ihre autoritäre Seite bisweilen ganz schön zum Vorschein. Nicht, dass sie ihre Freunde herumkommandiert hätte, aber scheinbar bremste ihre bloße Anwesenheit Suigetsu und Karin ein wenig ein.

Wir verließen das Bad erst am frühen Abend. Ich war gerade dabei, meine Sachen in meine Sporttasche zu räumen, als Suigetsus Kabinentür aufflog und eine – Wie immer – Wütende Karin daraus hervor rauschte.

„Ich WEIß genau, dass du ihn hast, Suigetsu!“, keifte sie, wobei sie auf mich zu rauschte.

Ein wenig nervös sah ich mich nach einer Ausweichmöglichkeit um, aber da gab es keine, also musste ich mich mit dem roten Teufel auseinandersetzen, der sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor mir platzierte. „Oder hast DU meinen Make-Up-Koffer geklaut?!“, fragte sie und bohrte mir den langen Nagel in die Brust.

„Was…?“

„Gib zu, dass du ihn hast, Naruto“, meinte Sasuke, die bereits völlig bekleidet aus ihrer Kabine kam. Mit dem Zopf, den sie sich gebunden hatte, sah sie ihrem Bruder noch ähnlicher. „Ich weiß doch, wie gerne du dich schminkst.“

Ich lachte, aber Karin sah nicht amüsiert aus. „Können wir ernst bleiben und suchen? Das Teil war teuer.“

„Warum hast du überhaupt deine ganze Schminke mitgebracht?“, seufzte ich, als ich meine Tasche aus und nochmal einräumte, um zu suchen.

„Das ist keine ´Schminke`, sondern Make-up. Und ich habe es natürlich mitgebracht, um mich zu schminken“, erklärte Karin hochnäsig.

„Aber ist es dann nicht doch Schminke…?“, murmelte ich Sasuke zu, die gluckste und scheinbar nicht vorhatte, sich an der Suche zu beteiligen.

„Boa, ich kann mich hier nicht umziehen!“, bescherte Suigetsu sich gerade. „Man sieht immer meinen Schwanz unter der Tür baumeln.“

Ich bückte mich, um das zu prüfen. „Keine Sorge, man sieht nichts.“

„Alter, da können die Ladies Klimmzüge dran machen!“, protzte er munter weiter, worüber die beiden anwesenden Ladies die Augen verdrehten.

„Hm, und trotzdem ist Karin gerade zu mir gekommen, nachdem sie das gesehen hat“, erwiderte ich trocken. Sasuke schmunzelte, Karin sagte mehrmals, sie hätte „GAR NICHTS!“, gesehen oder sehen wollen und Suigetsu beschwerte sich, ließ es aber von da an sein mit den Penis-Sprüchen.

„Gehen wir?“, fragte Sasuke leicht genervt, als alle sich wieder ein wenig beruhigt hatten.

„Aber ich hab meinen Koffer noch nicht!“, beklagte Karin sich, die bestimmt zum dritten Mal alle Schränke durchsah.

„Und Juugo haben wir auch verloren“, fiel mir auf, doch das schien die drei übrigen Freunde nicht sonderlich zu kümmern. Nun, er konnte wohl auf sich selbst aufpassen.

Kaum war Suigetsu umgezogen und kam aus der Umkleide, als er auch schon von Karin überfallen wurde, die seinen Schrank und seine Tasche filzte. Mit verschränkten Armen sagte er mürrisch: „Vielleicht wurde das Teil einfach geklaut.“

„Aber ich hatte ihn doch extra in meinem Spind eingesperrt.“, sagte Karin niedergeschlagen, als sie zugeben musste, dass Suigetsu ihr Eigentum nicht bei sich hatte.

„Na, na, wir finden deinen Koffer schon, ok?“, versuchte ich, sie aufzumuntern. Ihre Augen waren ganz glasig und ich konnte Mädchen einfach nicht weinen sehen. „Wir fragen bei den Rettungsschwimmern und an der Rezeption, vielleicht hat ihn ja jemand abgegeben. Und wenn nicht, hast du das Teil vielleicht gar nicht mitgenommen?“

Ungläubig schniefte Karin, dann nickte sie langsam. „O-Ok.“

„Na also“, lächelte ich und wuschelte ihr durchs Haar.

Sasuke seufzte mit verschränkten Armen. „Na schön. Naruto, Suigetsu, ihr geht zu den Rettungsschwimmern. Karin und ich warten am Ausgang.“

Nach ein bisschen Gemosere stimmte auch Suigetsu diesem Plan zu, sodass wir uns wieder auf den Weg ins Schwimmbad machten. Unterwegs fragte ich: „Und wieso hast du das gemacht? Sie hätte fast geweint“, tadelte ich, sobald wir alleine waren.

„Ich weiß nicht, wovon du redest, Alter.“

Ich verdrehte die Augen – Das hatte ich mir wohl von Sasuke abgeschaut. „Sei wenigstens ehrlich, sonst sag ich es ihr.“

„Das würdest du nicht.“

„Lass es darauf ankommen“, lächelte ich, dann starrten wir uns einen Moment austestend an.

Schließlich wandte er sich grummelnd ab. „Spielverderber.“

„Also? Warum?“

„Hast du nicht gemerkt, was sie heute für ne Bitch war? Ich wette, das war wegen dir.“

Überrascht blinzelte ich ein paar Mal. „Wegen mir?“

„Na ja, und wegen Sasuke. Karin schwärmt ja ´heimlich` für sie.“ Suigetsu verdrehte die Augen und ich schmunzelte. „Jedenfalls verbringst du Zeit mit Sasuke, sie akzeptiert dich und alles. Das macht Karin wohl Angst. Aber das ist noch lange kein Grund, sich so aufzuführen.“

„Ne, da hast du Recht. Aber jetzt sollten wir den Koffer trotzdem zurückholen.“

„Nicht nötig“, sagte eine Stimme hinter uns, sodass wir uns überrascht umdrehten. Juugo stand vor uns und sah mit einem großen Koffer in der Hand aus wie ein Mafiosi. Er sah Suigetsu an. „Ich habe ihn hinter einer Topfpflanze gefunden… Ich hatte gesagt, du sollst netter zu Karin sein.“

„Haha, das war doch nur ein Scherz! Siehst du, ich wollte ihr Schminkzeug doch schon wieder holen!“, verteidigte sich der sichtlich nervöse Suigetsu.

Ich nahm dem Hünen vorsichtig das überdimensionale Schminktäschchen ab. „Jetzt ist es ja wieder da, also gehen wir einfach, ok? Die Mädels warten.“

Zu meiner Überraschung folgten mir beide kommentarlos durch die Duschen zu den Umkleiden. Während Juugo sich umzog, schrieb ich Sasuke, dass wir sowohl ihn als auch den Koffer gefunden hatten. Sie antwortete nicht, aber das war auch nicht nötig, denn kaum zehn Minuten später fanden wir uns am Ausgang wieder. Ich hob triumphierend das Schminkset in die Höhe und grinste. Damit, dass Karin auf mich zukommen und meine Wange küssen würde, hätte ich nicht gerechnet. Auch Juugo bekam ein Bussi und sie strahlte uns beide an.

„Danke!“, sagte sie und packte den Koffer in ihre Tasche.

„Kein Problem“, grinste ich gut gelaunt zurück. Das hatte sich doch schon mal gelohnt.

Nur Suigetsu schmollte. „Hey, und was ist mit mir?“

„Du kannst froh sein, dass du keine Ohrfeige bekommst“, fuhr ihn seine rothaarige Freundin an. „Ich weiß genau, dass du etwas damit zu tun hast.“

„Ach was, das hat irgendein Kind versteckt“, versuchte ich, Karin zu beruhigen.

Sie schnaubte nur und Sasuke nutzte die Gesprächspause, um nochmal einzuwerfen, dass sie gehen wollte. Alle stimmten dem Vorschlag zu, sodass wir uns auf den Weg zu den Parkplätzen machten.

„Soll ich dich echt nicht mit heim nehmen, Sasuke?“, griff Karin wohl ein Gespräch wieder auf, das die Frauen geführt hatten, als sie alleine waren.

„Ich nehme die Bahn“, lehnte Sasuke ab.

Karin seufzte enttäuscht. „Na gut… Dann bis Montag… Und wenn du dich nicht benimmst, schmeißt Juugo dich während der Fahrt raus!“, fauchte sie Suigetsu an, der es sich auf dem Rücksitz ihres Wagens bequem gemacht hatte.

„Ist ja gut. War nett, dich kennenzulernen, Blondie“, verabschiedete Suigetsu sich bei mir.

„Euch auch. Man sieht sich bestimmt bald mal wieder“, lächelte ich und winkte ihnen nach, als sie davon fuhren. „Interessante Leute“, meinte ich an Sasuke gewandt, als wir alleine waren.

Sie verdrehte die Augen. „Sag ruhig, dass sie Idioten sind. Wo hat Suigetsu ihren Koffer versteckt?“

Ich blinzelte, weil ich nicht erwartet hatte, dass sie das erraten hatte. Sie hatte so gleichgültig gewirkt… Andererseits kümmerte Sasuke sich selten um die Belange anderer Leute und Make-Up dürfte ihr vollkommen gleichgültig sein. „Im Schwimmbad hinter einer Pflanze. Juugo hat ihn gefunden.“

„Hn.“

„Karin und Suigetsu scheinen sich ja nicht sonderlich zu mögen“, bemerkte ich, während ich die Helme aus dem Topcase meines Motorrads nahm und Sasuke ungefragt einen davon reichte. Sie war mir stillschweigend zu der Maschine gefolgt und ich nahm einfach mal an, dass ich sie nach Hause bringen sollte, obwohl sie natürlich nicht gefragt hatte. Das tat sie nie, dafür war sie viel zu stolz. „Wundert mich, dass sie trotzdem was zusammen unternehmen.“

„Sie will Zeit mit mir verbringen und ihn kenne ich mein ganzes Leben lang. Irgendwann hat Karin wohl eingesehen, dass sie ihn nicht loswerden wird“, erzählte Sasuke schulterzuckend.

„Hast du eigentlich auch Freunde, die nicht auf dich stehen?“

Sasuke zog wegen meines Grinsens eine Braue hoch. „Sag du es mir.“

Schmunzelnd fuhr ich mir durch die Haare, ohne ihrem Blick auszuweichen. Diese Erwiderung war wohl zu erwarten gewesen… „Ja. Einen hast du“, log ich, weil das war, was sie hören wollte und obwohl wir es beide besser wussten. „Was machst du heute noch so?“

„Wohl nichts mehr“, ignorierte sie meinen plumpen Themenwechsel.

„Hast du Lust, noch mit zu mir zu kommen?“

„Und was machen wir bei dir dann?“

Ich stockte, weil ich vermutete, dass ihre Antwort von meinem Vorschlag abhing. Wenn ich ´nur rumhängen`, sagte, würde sie sicher ablehnen. „Uhm… Es ist schon recht spät. Vielleicht könnten wir was kochen?“

Obwohl ich sie schon oft vor ihrem Haus abgesetzt hatte, hatte sie mich noch nie reingebeten. Ich ging davon aus, dass sie mich von ihrer Familie fernhalten wollte. Bei mir war Sasuke bisher noch nie gewesen, weil wir fast immer etwas draußen machten oder in Kyuubis WG waren. Den Versuch, sie zu mir einzuladen, war es also wohl wert.

Und es lohnte sich, denn nach kurzem Zögern nickte sie und ich strahlte. „Cool! Meine Großeltern wollten dich schon lange mal kennenlernen.“

Sasuke nickte erneut und stieg hinter mir auf mein Motorrad, dann machten wir uns auf den dreißigminütigen Weg zu mir nach Hause. Ich war ein bisschen aufgeregt, als ich die Maschine in der Garage abstellte. Es war nicht das erste Mal, dass ich ein Mädchen nach Hause brachte, Tsunade und Jiraiya würden schon zurechtkommen. Viel nervöser machte mich die Frage, was Sasuke von unserem Haus und meiner Familie halten würde. Sie wartete geduldig, bis ich die Tür aufgesperrt hatte, dann sah sie sich in dem großen, offenen Wohnzimmer um, von dem aus man in die Wohnküche blicken konnte. Auch die Türen zum Schlafzimmer meiner Großeltern, zu deren zwei Arbeitszimmern und zum Badezimmer waren zu sehen. Von hier unten sah man nur die Fenster, die aus meinem Zimmer ins Wohnzimmer zeigten.

„Ähm, du kannst deine Jacke da aufhängen und dein Zeug einfach irgendwo abstellen“, bot ich aufgeregt an. Mein Gast zog die Brauen hoch, tat aber was ich gesagt hatte, als hätte sie meine Unruhe nicht bemerkt. „Ich bin wieder da!“, rief ich in der Zwischenzeit, da ich meine Familie noch nicht gesehen hatte.

„Wo warst du überhaupt?“, fragte Tsunade aus ihrem Büro. „Du hättest das Wochenende ruhig nutzen können, um dich auf das neue Semester vorzubereiten… Oh. Guten Abend“, unterbrach meine Großmutter ihre Belehrungen, als sie aus dem Zimmer kam und bemerkte, dass ich nicht alleine war.

„Guten Abend“, erwiderte Sasuke ein wenig steif.

„Tsunade, das ist Sasuke Uchiha. Du hast sie glaub ich auf Inos Ladeneröffnungsparty kennengelernt“, stellte ich vor.

„Ja, ich erinnere mich.“ Tsunade gab unserem Gast die Hand. „Nett, Sie wieder zu sehen.“

„Ja.“

„Ähm, wir wollten zusammen kochen“, erklärte ich, um die etwas seltsame Stimmung ein wenig abzuschwächen. „Oder gibt es schon Abendessen?“

„Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen. Was wollt ihr machen?“

„Uh…“ Ich warf Sasuke einen fragenden Blick zu, die amüsiert die Brauen hochzog.

„Du hast das doch vorgeschlagen. Ich dachte, du hättest einen Plan“, stichelte sie, doch dann half sie mir auf die Sprünge. „Spinatlasagne, vielleicht?“

„Oh, das klingt gut“, stimmte ich sofort zu. Ich liebte zwar Junkfood, aber gegen anständige Hausmannskost hatte ich rein gar nichts. „Was brauchen wir?“

Wir hatten zwar nicht alle Produkte, die Sasuke nannte, aber sie kannte das Rezept gut genug, um improvisieren zu können. Ich half vorrangig beim Schneiden, und auch auf diese Arbeit warf meine Küchenchefin immer mal wieder Kontrollblicke, nachdem ich ihr eine geviertelte Knoblauchzehe hatte unterjubeln wollen.

„Kochst du dann bei euch zu Hause auch?“, fragte ich später, als die Lasagne im Ofen war.

„Mein Vater und Itachi sind meist lange unterwegs und gehen oft in Restaurants“, antwortete Sasuke und nahm einen Schluck von dem Wasser, das ich ihr gereicht hatte.

Ich war versucht, sie mehr zu ihrer Familie zu fragen, hielt mich aber zurück. „Hm, dann verpassen sie was. Selbst schuld.“

Sasuke verdrehte nur die Augen. Weiter kamen wir aber auch nicht, denn da gesellte Tsunade sich wieder zu uns, die weiter gearbeitet hatte, während wir kochten.

„Alles in Ordnung? Hat er nicht versucht, das Haus abzufackeln?“

„Oma…“

„Nein. Er wollte eher Vampire vertreiben“, erwiderte Sasuke schmunzelnd.

„Oh man, das werde ich nicht mehr los, oder?“, stöhnte ich, nachdem ich Tsunade die Geschichte von dem unzureichend zerkleinerten Knoblauch erläutert hatte.

„Ich denke nicht, nein“, stimmte meine Großmutter zu. An Sasuke gewandt meinte sie: „Er war schon immer so faul, was das Kochen angeht. Als Teenager hat er eine Zeit lang nur diese Instantnudelsuppe gegessen, wenn ich nicht gekocht habe.“

„Diese Ramen, die er immer noch ständig isst?“

Tsunade sah empört von Sasuke zu mir. „Naruto, du wirst als Sportlehrer Vorbild für die gesunde Lebensweise deiner Schüler sein. Du kannst nicht so einen Müll essen!“

Ich verdrehte die Augen, weil wir diese Diskussion schon tausend Mal geführt hatten. „Jaa, den Kleinen sag ich, sie sollen sich am besten nur von Karottensticks ernähren. Aber ich bin gesund, mit oder ohne Ramen, oder? Du schleifst mich doch regelmäßig zu sämtlichen Routineuntersuchungen.“

„Vorsorge…“

„Ist besser als jede OP; ich weiß, ich weiß. Es ist ja nicht so, als würde ich nur Müll essen. Schau, heute gibt es Gemüselasagne!“

„Ja, weil Sasuke hier ist“, bemerkte Tsunade scharfsinnig. Sie hätte sicher noch einiges dazu zu sagen gehabt, wenn in dem Moment nicht ihr Mann nach Hause gekommen wäre.

Jiraiya gesellte sich zu uns und drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn, dann musterte er neugierig unseren Gast. „Guten Abend. Jiraiya mein Name.“

„Opa, das ist Sasuke. Du hast sie auf Inos Eröffnungsfeier kennengelernt“, erklärte ich seufzend. „Du weißt schon, sie ist etwas später mit ihrem Bruder gekommen.“

„Oh… Oooh!“, machte der Schriftsteller mit etwas zu überraschtem Blick, als ihm klar wurde, wen ich meinte.

In ihrem normalen Aufzug hatte er sie gar nicht erkannt, was mich wunderte. So anders sah sie doch gar nicht aus… Oder? Immerhin hatte ich Sasuke in ihrer Abendgarderobe auch erst auf den zweiten Blick erkannt, und ich kannte sie besser als mein Großvater. Ich musste wohl zugeben, dass der Unterschied zwischen ihrer burschikosen Seite, als die sie gerade in der Küche saß, und der eleganten jungen Frau, als die sie auf der Eröffnung aufgetreten war, gewaltig war.

„Nun, dann ist es schön, Sie wieder zu sehen“, versuchte Jiraiya die Situation mit einem Lächeln zu retten.

„Hn“, machte Sasuke in einem neutralen Ton.

Tsunade beschloss, das Thema zu wechseln. „Naruto sagt, Sie würden ´Irgendwas mit Chemie` studieren. Darf ich fragen, was genau?“

Das durfte sie, und die folgende Zeit verbrachten die Damen mit einem Frage-Antwort-Spiel bezüglich Sasukes Studiums und ihren Karriereplänen. Mein Großvater und ich kümmerten uns darum, den Tisch zu decken und Salat anzurichten, denn kurz darauf war die Lasagne fertig.

„Hast du dich jetzt eigentlich endlich für alle Kurse angemeldet?“, fragte Tsunade, die uns das Essen auftat.

Ich verdrehte die Augen. „Letzte Woche. Das hatte ich doch schon erzählt, oder?“

„Nicht, dass ich wüsste“, rümpfte sie die Nase.

„Na ja, jedenfalls ist das erledigt“, ignorierte ich ihre Kritik. „Dieses Semester muss ich Leichtathletik belegen.“

„Sasuke, die bis dato ungefragt gar nichts gesagt hatte, gab ein amüsiertes Schnauben von sich. „Das will ich sehen.“

„Du kannst gerne zur Prüfung vorbei kommen. Die Karte kostet fünfzig Euro“, zwinkerte ich ihr grinsend zu.

„Und mit dem Youtube-Video verdiene ich eine Millionen.“, erwiderte sie gelassen.

„Hm, dann bist du nicht mehr von der Firma deines Vaters abhängig und könntest tun, was du willst.“ Sasuke funkelte mich wütend an und knurrte kaum hörbar, sodass ich unverbindlich mit der Gabel auf meinen Teller deutete. „Zum Beispiel diese Lasagne verkaufen. Die ist köstlich.“

„Das stimmt“, half Jiraiya mir, der wohl spürte, dass wir uns dünnem gesprächsthematischem Eis näherten. „Ist Kochen ein Hobby von Ihnen?“

„Ja. Ein Hobby“, betonte sie, eindeutig ein meine Richtung.

„Du kannst gerne öfter vorbei kommen und unseren Koch-Muffel motivieren“, bot Tsunade an.

Sasuke nickte ungerührt, während ich meine Oma erstaunt ansah. Sie war nicht der Typ, ihre Zuneigung offen zu zeigen, aber meine Freundin hatte sie bereits nach fünfzehn Minuten akzeptiert, sonst hätte sie diese nicht von sich aus in ihr Haus eingeladen. Die Mädchen, die ich sonst mitbrachte, nahm Tsunade höflich hin, Sakura schätzte sie auch als angehende Medizinerin, aber eine derartige Offenheit war neu.

Meine überraschte Mine wandelte sich in ein breites Grinsen. Als Tsunade das sah, drehte sie demonstrativ den Kopf weg und erinnerte mich damit irgendwie an Sasuke.

Diese hatte mein Lächeln entweder nicht bemerkt oder ignorierte es, denn sie nickte nur langsam. „Wenn es sich ergibt, gerne.“

„Sind Sie fertig mit essen, Sasuke?“, wechselte Jiraiya mal wieder das Thema. „Dann würde ich abräumen.“

Ich bot an, das zu übernehmen, aber meine Großeltern sagten, dass sie sich um den Abwasch kümmern wollten, nachdem wir gekocht hatten. „Ok, danke. Willst du dann mein Zimmer sehen?“, fragte ich Sasuke, die nach kurzem Zögern nickte und mir nach oben folgte.

Wie gewohnt stapelten sich Wäsche, Bücher und Essensverpackungen auf jeder freien Fläche, sodass ich erst Mal meinen Schreibtischstuhl frei räumen musste, um meinen Gast einen Platz anbieten zu können. Dieser war in der Zwischenzeit vor meiner Fotowand gelandet.

„Was ist das denn?“, fragte sie und ich trat näher, um das Foto anzusehen, auf das sie deutete.

Darauf waren Kyuubi und ich zu sehen, beide geschminkt, er in Minirock, ich im Kleid. Ich grinste in die Kamera während Tenten versuchte, irgendwas mit Kyuubis Haaren zu machen, was diesem gar nicht zu gefallen schien.

„Da waren wir über Neujahr auf einer Selbstversorgerhütte in den Bergen. Die Mädels wollten das unbedingt machen.“

„Hm… Irgendwie sieht es aus, als würde dir das ein bisschen zu viel Spaß machen“, bemerkte sie amüsiert.

„Es war auch lustig. Eigentlich könnten wir das mal wieder machen. Und diesmal musst du mitkommen!“

„Ich kenne deine Freunde kaum.“

„Eben. Das wäre die perfekte Gelegenheit, das zu ändern“, beharrte ich, dann ließ ich Sasuke zurück, um den PC anzuschalten. „Ich lauf dir sogar in den Schnee nach, wenn du wieder so einen dramatischen Abgang wie auf Inos Party machen willst.“

„Halt die Klappe“, erwiderte sie würdevoll, wechselte dann aber rasch das Thema, indem sie auf ein anderes Foto deutete, auf denen ich jeweils unterschiedlich alt war und immer einen Anzug trug. „Was ist das?“

„Meine Abschlussbälle. Fuck, schau das von der Hauptschule bloß nicht so genau an. Ich weiß nicht, wieso ich so stolz auf diese drei Barthaare war.“

„Den weißen Anzug vom Abitur finde ich schlimmer“, kommentierte Sasuke und ich lachte. „Warum bist du nicht direkt aufs Gymnasium?“

„Ich schätze, ich hab etwas länger gebraucht, um den Sinn von Schule zu begreifen“, erklärte ich leichthin. Inzwischen lief eine Playlist, sodass ich zu meinem Gast zurückkehren und die Bilder mit ihr ansehen konnte. Wir amüsierten uns über diverse Aufnahmen, bis ich merkte, wie Sasukes Blick immer wieder von dem Foto in der Mitte angezogen wurde. „Das sind meine Eltern“, erwähnte ich wie nebenbei, bevor ich mich abwandte und aufs Bett fallen ließ. „Heute kommen wir ja ständig auf die beiden… So aufdringlich, Mom und Dad!“ Sasuke verließ unbehaglich die Fotowand und ließ sich auf dem frisch freigeräumten Stuhl nieder. Scheinbar wusste sie nicht, was sie sagen sollte, was mich irgendwie traurig machte. Wahrscheinlich musste sie an ihre Mutter denken, wenn wir über meine Eltern sprachen. „Tut mir Leid… Ist dir das unangenehm?“

Sasuke behielt den Blick nach draußen gerichtet, als sie antwortete: „Für dich muss das doch schwer sein.“

Es überraschte mich etwas, dass sie sich solche Gedanken um mich machte, und ich brauchte kurz, bis ich erwiderte: „Eigentlich nicht. Früher war ich sauer auf sie, weil sie mich alleine gelassen haben, und ich habe es meinen Großeltern nicht leicht gemacht.“

„Das habe ich jetzt schon öfter gehört.“

„Jahaa, kann sein…“, lachte ich etwas gequält und setzte mich im Schneidersitz hin, um sie ansehen zu können.

Nachdem ich auf Inos Party vermieden hatte, Sasuke alles über meine Jugendsünden zu erzählen, war das Gespräch nie mehr darauf gekommen. Mir gefiel der Gedanke, ihr von meinen schlechten Seiten zu erzählen, immer noch nicht. Sie war so perfekt, und ich war schon in meinem jetzigen Zustand bestenfalls ´normal`. Aber wenn ich es ihr in kleinen Dosen beibrachte, würde sie es vielleicht verstehen. Dass sie bereit war, zuzuhören, hatte sie ja schon durch ihre vorsichtige Formulierung gezeigt.

„Als Teenager habe ich echt viel Mist gemacht, auf den ich nicht gerade stolz bin.“ Ich rieb mir den Nacken und sah unsicher zu Sasuke, aber sie wirkte weder überrascht noch sonderlich neugierig. „Kleinere Diebstähle, Schlägereien, Schwänzen, Gras… Ich wurde nie erwischt, und wenn das rauskäme, könnte ich mein Studium an den Nagel hängen.“

„Hm… Ich weiß nicht, ob man so jemanden auf Kinder loslassen sollte.“

Ich lachte, weil ich ihr ansah, dass sie es nicht ernst meinte, aber meine Zweifel waren echt. „Jaha, das hab ich auch schon gedacht…“

Sasuke schwieg eine Weile, bevor sie langsam sagte: „Es kommt nicht darauf an, was man früher getan hat, sondern wer man heute ist. Man hat jeden Tag aufs Neue die Gelegenheit, ein besserer Mensch zu sein.“

„Schon, aber für die Vergangenheit hat man trotzdem Verantwortung.“

„Natürlich. Und die kannst du tragen, indem du andere Kinder von den Fehlern abhältst, die du gemacht hast.“

„Aber…“

„Naruto“, unterbrach sie mich scharf. „Hör auf zu jammern. Das nervt.“

Ich sah sie verdutzt an, dann schlich sich ein sanftes Lächeln auf meine Züge. So in der Art hatte Tsunade auch reagiert. Wenn diese beiden perfektionistischen Frauen glaubten, dass ich meine Fehler wieder gutmachen konnte, sollte ich das wohl auch. Vor allem, weil ich fürchtete, massakriert zu werden, wenn ich wiedersprach.

„Oh, schon gut. Ich hör ja schon auf.“

„Dieses Gejammer passt gar nicht zu dir“, schnaubte Sasuke leicht gereizt. „Ist ja furchtbar.“

„Ich sag ja schon gar nichts mehr“, lachte ich ergeben und ließ mich wieder aufs Bett fallen, sodass ich zur Decke blickte. „Ich dachte, ein bisschen Jammern gehört dazu, wenn man über tote Eltern und Jugendkriminalität redet.“

„So viel zu ´Ich sag nichts mehr`“, merkte sie amüsiert an.

Ich warf ein Kissen nach ihr, das sie mit Leichtigkeit auffing. „Du bist ein Arsch“, warf ich ihr vor und ging an mein Handy, das gerade zu klingen begonnen hatte.

„Wie bitte?“, fragte Sakura säuerlich, die am Telefon wohl noch den letzten Teil meines Satzes gehört hatte.

„Nichts, Sasuke ärgert mich, dich hab ich nicht gemeint.“

„Oh, Sasuke-kun ist bei dir.“

Sie klang angespannt und ich setzte mir alarmiert auf. „Alles ok, Sakura-chan?“

„Jaa… Ich wollte nur fragen, ob du Zeit hast, aber wenn du nicht alleine bist…“

„Wir sind bei mir. Komm doch vorbei“, schlug ich vor. Soweit ich wusste, verstanden die Mädchen sich ganz gut, und für mich galt sowieso die Devise: Je mehr, desto besser.

„Nein, ich will euch auch nicht stören… Was machst du eigentlich an deinem Geburtstag?“

„Ah, erinner mich doch nicht daran. Ich fühle mich sowieso schon so alt mir euch Kindern“, seufzte ich erschöpft und Sakura lachte. Na also, das klang doch schon besser als die Enttäuschung von eben.

„Du bist kindisch, da brauchst du eben junge Freunde“, neckte sie mich. „Also, was ist geplant?“

Ich stand auf, um den auf meinem Schreibtisch liegenden Kalender zu konsultieren. „Na ja, am zehnten geh ich mit meiner Familie essen. Sollen wir am Samstag danach weggehen?“

„Schaffst du das, alter Mann?“

„Nicht so frech, junge Dame“, grinste ich. „Fragst du die anderen?“

„Es ist dein Geburtstag. Kümmer dich selbst darum.“

Ich jammerte so lange, bis Sakura zustimmte, die Party für mich zu organisieren. Während wir diskutierten, wo es hingehen sollte, zog Sasuke ihr Buch aus der Tasche und begann zu lesen. Als ich sie von dem Stuhl verscheuchte, um am PC etwas nachsehen zu können, zögerte sie kurz, ehe sie sich auf meinem Bett niederließ.

Schmunzelnd drehte ich mich zum Bildschirm. Dass ich sie doch noch mal ins Bett bekommen würde, hätte ich auch nicht gedacht.

„Hast du deinen Stundenplan schon?“, wollte Sakura wissen, nachdem wir uns für Samstag im Gecko verabredet hatten, einem unserer Lieblingsclubs.

„Ja, aber ich werde fragen, ob ich ein paar Kurse wechseln kann. Die Zeiten sind teilweise echt blöd.“

Ich hörte praktisch, wie sie die Augen verdrehte. „Darauf kommt es nicht an, Naruto.“

„Ich weiß, ich weiß, man sollte sich nach den besten Dozenten richten… Hör mal, Sakura-chan, wir reden morgen nochmal, ok? Ich muss mich mal wieder um meinen Gast kümmern.“

„Oh… Ja, richtig… Na ja, dann… Ciao?“

„Ciao!“, rief ich fröhlich und drehte mich einmal mit dem Stuhl um mich selbst, nachdem ich aufgelegt hatte. „Hast du nächsten Samstag Zeit?“

Sasuke las einfach weiter. „Nein.“

„Komm schon, es ist für meinen Geburtstag!“, schmollte ich und rollte mit dem Stuhl näher zum Bett. „Wir wollen ins Gecko.“

„Dann erst recht nicht.“

„Boa, du bist so langweilig… Was liest du da eigentlich?“, wechselte ich das Thema, als ich einsah, dass Betteln nichts bringen würde.

„Der Tod in Rom von Wolfgang Koeppen.“

„Worum geht es?“

Mit einem Seufzen machte sie deutlich, dass sie mich für einen hoffnungslosen Fall hielt. „Um eine Gruppe von Menschen, die jeweils verschiedene Mentalitäten der Nachkriegszeit repräsentieren“, fasste sie äußerst knapp zusammen.

„Und sowas liest du zum Spaß im Schwimmbad?“

Unbefangen zuckte sie die Schultern. „Sonst habe ich nicht viel Zeit dafür.“

„Stimmt du arbeitest echt viel… Dann lass mal hören“, verlangte ich und machte es mir neben ihr im Bett bequem.

Kurz sah sie mich verdutzt an, doch als ich auffordernd auf das dünne, gelb gebundene Buch deutete, schlug sie es schicksalsergeben auf und begann zu lesen. Ich schloss die Augen, ihre Stimme genießend. Ohne sich künstlich anzustrengen verlieh Sasuke der komplexen Ausdrucksweise Tiefe und fing den Klang ein. Mal wieder fragte ich mich, ob es auch etwas gab, das sie nicht konnte, denn Vorlesen war es eindeutig nicht.

Ich wusste nicht genau, wie lange ich ihr zugehört hatte, als das Klacken der Buchdeckel das Ende unserer Leseinsel ankündigte. Die Geschichte war ziemlich anspruchsvoll und Sasuke hatte sie natürlich nicht ganz vorgelesen, trotzdem dauerte es eine Weile, bis ich wieder im Hier und Jetzt angekommen war.

Dann drehte ich mich auf den Bauch, um sie angrinsen zu können. „Spielen wir ´Der Vorlesen`? Aber nicht, dass du mich dann verführst.“

Sasuke verdrehte die Augen. „Das hättest du wohl gerne. Außerdem gehe ich davon aus, dass du lesen kannst.“

Ich verzog das Gesicht und machte eine vage Geste mit der Hand, was sie leise lachen ließ. Scheinbar ohne darüber nachzudenken, lehnte sie sich an das Rückenteil meines Bettes und legte ihr Buch auf das Nachtkästchen. Ich konnte gar nicht sagen, wie sehr mir dieses Bild gefiel. Als wären wir ein Ehepaar mittleren Alters, das vor dem Schlafengehen noch las…

Als sie stirnrunzelnd mein Schmunzeln zur Kenntnis nahm, schüttelte ich den Kopf. „Es ist nichts… Aber es ist echt schön, vorgelesen zu bekommen. Danke.“

„Hm“, machte Sasuke zustimmend.

„Hat dein Dad euch vorgelesen?“, erkundigte ich mich vorsichtig, worüber sie nur ungnädig lachte.

„Mein Vater ist der Meinung, jeder müsse sich selbst nehmen, was er will – Auch ein Buch, wenn er den Inhalt wissen möchte.“ Wie immer bevor sie von sich aus weitere Informationen über sich preisgab, zögerte sie kurz, ehe sie fortfuhr: „Aber Itachi hat mir als Kind manchmal vorgelesen. Er hat es mir auch beigebracht, als ich vier war.“

„Vier? Nicht schlecht“, sagte ich, einerseits beeindruckt, andererseits mal wieder nicht sonderlich angetan von den Erziehungsmethoden im Hause Uchiha. „Ich hab als Kind nie sonderlich gerne gelernt.“

„Das habe ich mir schon gedacht“, kommentierte sie trocken. „Aber jetzt willst du Kinder dazu zwingen, das zu tun?“

Lachend knuffte ich Sasuke gegen die Schulter, was sie mit einem arroganten Schnauben beantwortete. Dann erklärte ich: „Eben nicht. Ich will sie motivieren, damit ihnen Lernen Spaß macht.“

„Ich glaube nicht, dass das bei Teenagern möglich ist.“

„Wahrscheinlich nicht… Aber man braucht ja Ziele“, grinste ich.

Sasuke schnaubte erneut, dann herrschte die Art angenehme Stille, die gar keine Worte brauchte. Da ich ein Plappermaul war, war so etwas für mich sehr selten, aber neben Sasuke störte es mich nicht, einfach dazuliegen und der Musik zu lauschen.

„Hast du echt ein Lied, in dem es ums zur Ruhe kommen geht?“, fragte sie nach einiger Zeit, als ´Never let me go` von Florence and the Machine lief. Irgendwann in der letzten Stunde hatte sie sich hingelegt. Jetzt beleuchtete der PC als einzige Lichtquelle sie bläulich von hinten und ließ ihr Haar schimmern.

„Ich würde eher sagen, dass es ums Ankommen geht“, wiedersprach ich dem durchaus berechtigten Einwand. Ich und Ruhe waren praktisch Gegensätze. „Außerdem… Hab ich´s mir glaub ich nur runtergeladen, weil ich Florences Stimme toll finde. Mit dem Interpretieren hab ich´s nicht so, das weißt du doch.“

Über mein Geständnis verdrehte sie nur die Augen, dann drehte sie sich auf den Rücken. „Es ist jedenfalls sehr schön.“

Ich hätte sie gerne aufgezogen und gefragt, ob sie mein Bett meinte, aber so, wie ich Sasuke kannte, würde sie dann flüchten. Es wunderte mich sowieso, dass sie es sich so bequem gemacht hatte. Am Anfang unserer Bekanntschaft hatte sie mir nicht mal freiwillig ihren Namen gesagt, und jetzt lag sie neben mir und kritisierte meinen Musikgeschmack. Vor ein paar Monaten hätte ich das für unmöglich gehalten, aber inzwischen war sie meine beste Freundin geworden.

„Sasuke…?“, fragte ich leise. Sie machte ein schläfriges Geräusch und rollte sich zusammen, ohne zu antworten.

Vorsichtig stand ich auf, um den Laptop auszumachen, dann legte ich mich wieder zu ihr. Am liebsten hätte ich ihr Gesicht berührt, ihre Wange gestreichelt. Aber dann wäre sie aufgewacht und sehr wahrscheinlich gegangen. Und ich wollte nicht, dass sie ging und das Urvertrauen mitnahm, das man brauchte, um so seelenruhig neben jemandem einzuschlafen.
 

Am nächsten Morgen weckte mich ein mir unbekanntes Geräusch. Verschlafen setzte ich mich auf und sah mich nach dem seltsamen Brummen um, das inzwischen von einem Rascheln begleitet wurde.

Ich entdeckte eine schwarze Tasche, aus der der Laut zu kommen schien, und die mir genauso fremd erschien wie der Ton selbst. Schon wollte ich mich aufsetzen um die Quelle zu inspizieren, als eine Bewegung neben mir mich in die andere Richtung blicken ließ.

Was ich da sah, brachte mich trotz der Schläfrigkeit zum Lachen. Sasukes hatte sich aufgesetzt. Ihre Haare sahen schon tagsüber chaotisch aus, doch jetzt schienen sie sich jedweder Regulierung wiedersetzen zu wollen. Wild standen sie in alle Himmelsrichtungen ab, und das Gesicht unter ihnen wirkte zerknautscht, vor allem aber übelgelaunt. Sie sah aus, als würde sie denjenigen, der sie geweckt hatte, am liebsten ein Messer in den Rücken jagen.

Da ich im Moment das einzige Ziel für das potentielle Messer wäre, tarnte ich mein Lachen als Husten und nickte zu ihrer Tasche. „Ähm, ich glaube, das ist dein Handy.“

Träge robbte sie zum Rand des Bettes, schwang ihre Beine über den Rand, als würden sie nicht zu ihr gehören, und tapste davon. Ich war immer noch sehr bemüht, nicht zu kichern, was schwierig war, wenn man es sonst mit einer so beherrschten Person zu tun hatte und die sich dann als die Königin der Morgenmuffel herausstellte.

„Was?“, blaffte Sasuke in ihr Handy, als sie es nach einigem Herumkruschen gefunden hatte.

Was auch immer der Anrufer sagte, es wischte ihr die mürrische Miene aus dem Gesicht. Vollkommen angespannt hockte sie auf ihren Fersen, die Unterarme auf den Knien abgestützt, und lauschte etwas, das wohl eine Standpauke sein musste, so lange, wie der Monolog dauerte. Die befremdliche Szene endete darin, dass Sasuke meine Adresse nannte und auflegte.

Inzwischen war ich zum Rand des Bettes gerutscht und musterte meinen Gast besorgt. „Ist alles ok?“

Sie hatte sich über die Augen gerieben, doch jetzt nahm sie die Hand aus dem Gesicht, um mich zornig anfunkeln zu können. „Warum hast du mich nicht geweckt?“

„Was…?“

„Ich habe nie gesagt, dass ich hier schlafen wollen würde, oder?“, schnauzte sie mich weiter an, wobei sie erneut anfing, in ihrer Tasche zu kramen. Diesmal förderte sie eine Bürste zu Tage, mit der sie notdürftig versuchte, ihre Haarpracht zu bändigen. Das funktionierte erstaunlich gut, was wohl der dünnen Struktur ihrer Haare geschuldet war.

Im Moment hatte ich aber andere Probleme, als Sasukes Morgenroutine zu analysieren. „Es war schon echt spät und ich wollte dich nicht aufwecken… Außerdem ist doch nichts dabei, oder? Ich meine, du bist volljährig.“

„Dann ist ja alles gut“, schnappte sie sarkastisch, ehe sie aufstand und praktisch aus dem Zimmer stürmte.

Ich folgte ihr die Treppe runter und in den Vorgarten, in dem sie, wenn auch sichtlich unbehaglich, stehen geblieben war. „Willst du mir erklären, was los ist, oder…?“

Sie pfefferte die unschuldige Tasche zu Boden und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, womit sie ihre vorigen Bemühungen zu Nichte machte. „Itachi hat gerade angerufen. Er und Vater sind sehr besorgt… Ich hab nicht mal eine SMS geschickt oder so“, stöhnte sie, offensichtlich genervt von sich selbst.

Ich war nach wie vor der Meinung, dass sie übertrieb, obwohl es natürlich suboptimal war, seine Familie nicht in seine Pläne einzuweihen. Viel mehr wunderte mich aber, wie sehr Sasuke sich mir gegenüber aufregen konnte, während sie die Rüge ihres Bruders in stillschweigender Akzeptanz hingenommen hatte. So fügsam kannte ich sie nicht.

„Wir erklären es ihnen einfach, dann kriegen sie sich schon wieder ein, hm? Was soll denn Schlimmes passieren? Hausarrest?“ Ich lachte, aber Sasuke warf mir einen giftigen Blick zu, der mir einen erschöpften Seufzer entlockte. „Also schön… Ich nehme an, dass er dich abholt?“ Immerhin hatte sie sicher nicht umsonst meine Adresse weitergegeben. Als sie nickte, hob ich ihre Tasche auf und ging zurück ins Haus. „Dann komm jetzt erstmal wieder rein. Er braucht bestimmt noch eine halbe Stunde, bis er hier ist, und bis dahin können wir zumindest mal frühstücken und uns eine Erklärung ausdenken.“ Ich blieb im Türrahmen stehen und lächelte sie aufmunternd an. „Ok?“

Nur zögerlich folgte sie mir wieder ins Haus, und ich musste sie praktisch dazu zwingen, sich an den Küchentisch zu setzten. Äußerlich wirkte sie zwar wieder ruhig, sie hatte ihre durch die Anspannung erzeugte Wut wieder unter Kontrolle, aber ich traute dem Frieden nicht so recht. Sie wollte auch nichts essen, aber ich zwang sie, zumindest etwas Joghurt mit diesen Hipster-Chia-Samen von meiner Großmutter und ein wenig Obst zu sich zu nehmen.

„Puh… Wenn du auf Stress immer mit Nahrungsverweigerung reagierst, wundert mich nichts mehr“, stöhnte ich nach einer viertel Stunde Betteln und ließ mich erschöpft auf einen Stuhl fallen, um ein weitaus üppigeres Mahl zu mir zu nehmen. „Um dein Gewicht sollte dein Vater sich eher mal Sorgen machen.“

„Naruto…“, knurrte sie warnend.

„Schon gut, schon gut.“ Ich hob ergeben die Hände und ließ das Thema fallen. „Von mir aus können wir ihm erzählen, dass es meine Schuld war. Ich hatte… Keine Ahnung, Liebeskummer oder so und du bist zum Trösten geblieben.“

„Ja. Weil ich so gut im Trösten bin.“

Wir sahen uns kurz an, dann mussten wir beide irgendwie lachen. Ok, das war wirklich eine blöde Ausrede, aber von ihren Erzählungen her hatte ich irgendwie immer den Eindruck, dass ihre Familie Sasuke überhaupt nicht kannte und man ihnen somit eine solche Lüge leicht auftischen könnte. Da dem aber scheinbar nicht so war, tüftelte ich weiter an Erklärungen, wenn auch mehr, um Sasuke zu amüsieren, als für wirkliche Resultate.

Als es später an der Tür klingelte, hatte sie tatsächlich den Joghurt verputzt und die Kaffeetasse gelehrt, und sie schien nicht mehr ganz so aufgelöst, als sie mit ihrer Tasche bewaffnet an die Tür ging.

Vor dieser stand natürlich Itachi, und in seiner Wut ähnelte er seiner Schwester mehr denn je; Die attraktiven Gesichtszüge waren zu einer emotionslosen Maske versteinert, aus der nur noch die Augen hervorbrannten.

„Ins Auto“, war alles, was er zur Begrüßung zu sagen hatte.

Sasuke wollte schon an ihm vorbeischleichen, als ich mir ein Eingreifen doch nicht verkneifen konnte: „Hör mal, sie hat doch nur hier übernachtet. Klar ist es blöd, dass sie nicht Bescheid gesagt hat, aber das ist dir doch sicher auch mal passiert, oder?“

Der Eis-Blick, denn ich schon von Sasuke so gut kannte, wirkte aus einem männlichen Gesicht irgendwie noch imposanter. „Im Gegensatz zu meiner Schwester habe ich mich nie herumgetrieben, sodass meine Familie sich sorgen musste. Und das hat auch sie nicht, bevor sie dich kennengelernt hat.“

„Nun, vielleicht tut ihr das aber mal ganz gut“, murrte ich, da mir sein anklagender Ton überhaupt nicht gefallen wollte.

„Inwiefern sollte es einer jungen Frau aus gutem Hause zum Vorteil gereichen, sich des nächtens mit… Gesindel herumzutreiben?“, erwiderte Itachi, wobei sein herablassender Blick über meine gesamte Gestalt wanderte.

Ich nahm die Schultern ein wenig zurück und richtete mich auf. „Vielleicht würde es dir ´zum Vorteil gereichen` die Fresse zu halten?“

„Ich hatte nicht vor, mit dir zu sprechen, bevor du mit deiner impertinenten Art diese sinnlose Diskussion begonnen hast.“

„Es ist aber wohl auch offensichtlich, dass in eurer Familie mal eine Diskussion nötig ist, wenn du meinst, du seist im Recht, hier aufzutauchen wie ein durchgeknallter Windbeutel und mich zu beleidigen.“

„Manche vertragen eben die Wahrheit nicht“, entgegnete er kalt.

Schluss jetzt“, knurrte Sasuke, die bis dahin am Gartentor gestanden und auf ihren Bruder gewartet hatte. Auf diesen war auch ihr Blick gerichtet, als sie zischte: „Wir gehen.“

Itachi schien so verblüfft, dass er ihrer Aufforderung direkt nachkam. Ich war versucht gewesen, noch einiges zu sagen, beschränkte mich aber auf ein (Zugegebenermaßen trotzdem provokatives): „Ich ruf dich an“, in Sasukes Richtung.

„Das wirst du sicher nicht“, drohte deren Bruder, doch sie verfrachtete ihn mit ein wenig Gewalt ins Auto und die beiden brausten mit einem Affenzahn die Straße hinunter, der einige Nachbarn an die Fenster lockte um zu sehen, was den Lärm am frühen Morgen verursachte.

In mir war eine so unglaubliche Wut angestaut, dass ich unwillkürlich und mit einem Zornesschrei gegen die Hauswand trat. Danach tat mir zwar der Fuß weh, aber es ging mir auch besser. Viel schöner wäre es natürlich gewesen, es wäre Itachis Gesicht gewesen.

Der letzte Tag war so schön gewesen und Sasuke hatte sich sogar genug entspannt, um bei mir zu übernachten, und dann musste er alles kaputt machen. Jetzt verstand ich endlich, warum sie ihn nicht leiden konnte. Was bildete er sich überhaupt ein, wer er war? Ein Moralapostel? Ihr Wachhund? Noch dazu, wo es überhaupt keine Moral zu bewachen gab, wir hatten ja ganz friedlich nebeneinander geschlafen.

Und dann tauchte er hier auf und meinte, mich beleidigen zu müssen. Umgesehen hatte er sich in der Gegend zumindest schon mal nicht, denn dann wäre ihm klar gewesen, dass hier kein ´Gesindel` wohnte. Trotzdem war ich mir ziemlich sicher, dass keiner unserer Nachbarn so ein überhebliches Arschloch war wie dieser Uchiha-Snob.

Die Krönung des Ganzen war aber, dass Sasuke jetzt auch noch sauer auf mich war. Ich hatte es ganz genau in ihrem Blick gesehen; Sie nahm es mir übel, dass ich so ausgerastet war, obwohl oder gerade weil ich sie hatte verteidigen wollen. Sie konnte sich auch sicher denken, dass das Ganze noch weiter gegangen wäre, wenn sie uns nicht eingebremst hätte, und ich konnte nicht behaupten, dass nicht genug ´Gesindel` in mir steckte, dass ich Itachi nicht die Fresse poliert hätte.

Vor Wut hatte ich noch einige Minuten vor der Tür gestanden, doch jetzt kehrte ich ins Haus zurück. Inzwischen waren auch meine Großeltern wach, und Jiraiya fragte mich: „Hast du gesehen, was da grade für ein Radau war? Und wo ist Sasuke?“

„Ihr Bruder hat sie gerade ´abgeholt`“, schnaubte ich herablassend, eine Tonlage, die ich zuvor wohl noch nie angeschlagen hatte.
 

Meine Vermutung, Sasuke wäre sauer auf mich, bestätigte sich während der nächsten Tage. Ich rief sie mehrfach an und schrieb ihr einige Nachrichten – Darunter auch ein paar Entschuldigungen, obwohl ich mich nach wie vor im Recht sah – Aber sie reagierte nicht.

Ich fürchtete schon, einen erneuten Kontaktabbruch heraufbeschworen zu haben, aber nach gut einer Woche trafen wir uns dann doch wieder. Wir machten einen Spaziergang neben dem Fluss, der in weiter Ferne mit dem See zusammenfloss, in dem ich im Sommer mit Tenten gebadet hatte. Jetzt fielen die goldroten Blätter der Kastanien auf den Weg und ein paar Kinder sammelten die Nüsse.

Nachdem ich ungefähr fünfzehn Minuten lang versucht hatte, mich zu entschuldigen, gab ich auf. Sie wollte es offensichtlich nicht hören. Erst jetzt musterte ich Sasuke intensiver und stellte fest, dass sie ein wenig Make-Up aufgelegt hatte. Ungewöhnlich für sie, denn zuletzt hatte ich sie auf Inos Ladeneröffnung geschminkt gesehen. Irgendwie fiel mir auf, dass diese Gelegenheit auch etwas mit Itachi zu tun hatte, obwohl ich nicht wirklich einen physischen Zusammenhang zwischen unserem jetzigen Treffen und Sasukes Bruder festmachen konnte. Klar, wir hatten uns wegen ihm eine Weile nicht gesehen, aber ganz offensichtlich wollte sie nicht über ihn oder das Vorgefallene sprechen.

Dazu fiel mir auf, dass sie, trotz des klobigen Mantels, dünner aussah. Gerade so, als hätte sie nach der Joghurt-Zwangsernährung nichts mehr zu sich genommen oder wäre krank gewesen.

Als ich sie danach fragte, strich sie sich ihre Haare nach vorne über die Wange und zuckte die Schultern. „Die Hosen sind schon ziemlich alt. Da war ich dicker.“

Ich wusste nicht, woher diese Einsicht kam. Aber spätestens seit diesem Moment war mir klar, dass sie mir etwas verheimlichte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr lieben :D

Da ich am 17. (Also einen Monat nach dem letzten Update) im Urlaub sein werde, habe ich beschlossen, jetzt schonmal hochzuladen. Das nächste Kapitel gibt es dann aber (hoffentlich) wieder am 17. Juni. :3

So hat nun also auch Team Taka seinen Auftritt… Sui und Karin sind so kindisch, aber es macht Spaß, sie zu schreiben x´D Irgendwie kann ich mir Sas nur zu gut als ihre Kindergärtnerin vorstellen… Obwohl sie dafür wohl nicht die Geduld hätte xD

Auch Itachi taucht hier mal wieder auf und zeigt seine nicht so freundliche Seite. >´D Es soll zwar dramatisch sein, aber irgendwie muss ich doch über sein und Narutos Platzhirschgehabe lachen. Jaja, wenn Testosteron überkocht, haha…

Anyway, ich hoffe, ihr bleibt für das nächste Kapitel, das wieder aus Sasukes Sicht geschrieben ist, dran!
Sasuke muss die Konsequenzen für ihren kleinen Ausflug tragen, aber kann sie das?

Bis dahin,
lg Komplett anzeigen

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