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Drowning

LawxRuffy
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Endlich kommt ein neues Kapitel! Ich bin zwar etwas unzufrieden, weil meine Motivation in letzter Zeit gesunken ist, doch dank den vielen lieben Kommentaren hab ich mich wieder drangesetzt :) Im 17. Kapitel wird es wieder spannender und ich denke, dass ich dieses schneller fertigstellen werde. Komplett anzeigen

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Unknown Decisions

Ich war noch nie in meinem Leben verliebt gewesen. Noch kein einziges Mal.
 

Das Gefühl der Schmetterlinge, welche durch meinen Bauch flatterten und ein merkwürdiges Gefühl hinterließen, konnte ich somit nicht zuordnen, zumindest bis eben noch - bis diese Erkenntnis mich getroffen hatte wie ein furchterregender Blitz und mich Schwindeln ließ.
 

Man verliebte sich nicht von dem einen Tag auf den anderen, es war ein langwieriger Prozess, bei welchem die Gefühle sich vermehrten, fast schon überschlugen, so viel konnte ich sagen. Doch irgendwann holte er einen ein, so wie es die Vergangenheit tat und bei Law innerhalb der letzten Tage bereits getan hatte.
 

Nun, wo ich schon längst überholt worden war, wusste ich nicht, wie mir geschah oder wie ich mich verhalten sollte, beziehungsweise wie wir zueinander standen. Es war, als ob meine Gedanken nicht mehr so klar wären wie zuvor, als würde meine Feststellung etwas Offensichtliches ändern, doch das tat sie nach außen hin nicht.
 

Denn nur weil ich Law liebte, hieß dies nicht, dass er das selbe empfand. Innerlich musste ich schon fast mit einer Spur von Spott über meinen eigenen Gedanken lächeln. Es wirkte wie eine Unmöglichkeit auf mich, dass er jemals genauso fühlen könnte wie ich, wenn wir uns ansahen. Die Wärme, die Nervosität, das Kribbeln im Bauch... Es schien eher wie ein Wunschdenken, welches sich niemals erfüllen würde. Wahrscheinlich war dies auch so. Wie könnte jemand wie er, so jemand normalen, fast schon auswechselbaren Menschen wie mich lieben?
 

Es schien unmöglich für mich und ich wartete immer noch vergeblich auf eine Ausrede, die mir half, vor meinen Feststellungen zu fliehen; die mir zeigte, dass ich mich irrte. Ich war so verwirrt, wollte und wollte gleichzeitig auch nicht in Law verliebt sein. Meine Gefühle und Gedanken spielten verrückt und strömten nun, nach mehreren Stunden auf mich ein, wie nicht stoppender, dichter Regen. Und ich stand einfach nur mitten darin, wusste nicht wohin. Jeder Weg, jede Initiative schien nicht möglich.
 

Ich liebte ihn, das wusste ich nun. Mir war klar, dass ich noch nie zuvor gespürt hatte, was wahre Liebe war, wenn diese Gefühle erst bei ihm kamen. Law war der Erste, der sie hervorgerufen hatte und wohlmöglich würde er auch der Einzige bleiben, der dazu im Stande war. Dabei war ich mir so sicher, wie schon lange nicht mehr. In meinen siebzehn einhalb Jahren war ich noch nie auf einen Menschen wie ihn gestoßen.
 

Gleichzeitig wurden mir die Konsequenzen dieser Feststellung bewusst, schließlich hatte ich schon längst registriert und letztendlich auch akzeptiert, dass meine Gefühle für ihn stärker waren, als sie es eigentlich sein sollten. Doch nicht jeder würde meinen Entschluss gutheißen.
 

Das Wort „niemand“ traf dies wohl noch besser. Ich wusste nicht eine Person, der ich mich mit dem Thema anvertrauen könnte, obwohl ich Freunde hatte und irgendwo auch Überreste einer zerbrochenen Familie. Allerdings kamen mir meine Gefühle bezüglich ihm so intim vor, sie würden so viele Katastrophen auslösen. Zumindest wären sie dazu im Stande, dies zu tun.
 

Ich entschied mich beinahe sofort dazu, sie für mich zu behalten, sie in mir einzuschließen, wie in einem Käfig. Wenn der richtige Zeitpunkt, mit der richtigen Person gekommen war, würde ich ihn öffnen und den Schlüssel zu ihm wegwerfen.
 

Was mich jedoch verlegen machte, war, dass man mich von heute an schon eher als bi – wenn nicht homosexuell bezeichnen musste. Mir war meine genaue Orientierung noch nie wirklich klar gewesen und ich hatte mich auch noch nie einstufen wollen, beziehungsweise mir überhaupt große Gedanken darüber gemacht. Sicher konnte ich mir jetzt immer noch nicht sein, immerhin war Law bis jetzt der einzige Mann, den ich auf eine ungewöhnliche Art und Weise unglaublich anziehend fand. Und dies war nur eine Feststellung von vielen, die durch die vielen Ereignisse in mir hervorgerufen worden waren.
 

Durch den heutigen Abend wurden meine Gedanken somit mehr, falls dies überhaupt noch möglich war und mein Schlaf gleichzeitig weniger. Ich dachte immerzu an das eben Geschehene, an Law und seine, den See reflektierenden Augen, seine Umarmung und die funkelnden Sterne am Himmel. Die Informationen über seine Vergangenheit, meine damit verbundenen Fragen, die Hoffnung, mehr für ihn zu sein, als nur ein unbedeutender Mensch, der für eine kurze Zeit in sein Leben trat und wieder ging, ohne etwas Wichtiges mit sich zu nehmen.
 

Es verging keine Sekunde, in welcher ich mich nicht fragte, was wäre, wenn wir länger dort geblieben wären; dort am See. Vielleicht hätte ich ihn gefragt, warum er mich umarmt oder mir die Wahrheit erzählt hatte.

Vielleicht hätte ich aber auch nur still dort gesessen und mit mir selbst darum gehadert, welchen Schritt ich als nächstes wagen würde, ohne auch nur ein Stück voran zu kommen. Ich konnte nicht abschätzen, was ich in diesem Moment getan hätte, denn so etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt.
 

Kid hatte uns aus dieser kleinen Ewigkeit, die wir gemeinsam dort verbracht hatten, geholt und uns gefragt, wo wir waren. Law hatte sich früher sicherlich oft hier mit ihm getroffen, denn als er ihm als damaligen Aufenthaltsort nur „See“ nannte, hatte der Rothaarige uns am Rande des Waldes abgeholt, ohne auch nur ein Wort mit uns zu wechseln.

Die Fahrt war ebenso schweigsam verlaufen, wie der Weg dorthin, denn niemand hatte aussprechen wollen, dass dieser Abend sie wieder ein Stück zurück gezogen hatte. Zurück in ihre Vergangenheit, in das Unglück, das Loch, aus welchem sie eigentlich entkommen wollten. Sie hätten es fast geschafft, wäre nicht dieser Abend, dieses winzige Ereignis gewesen, welches sie, wie ein Stein, zurück an den Grund gezogen hatte.
 

Ich fragte mich, was in der Zwischenzeit mit Kid und Laws Eltern geschehen war, ob sie sich miteinander unterhielten, sich gestritten hatten. Keinerlei Vorstellung, die sich in meinem Inneren formte, schien der wahren Begebenheit entsprechen zu können und ich wusste nicht, was zwischen ihnen abgelaufen war, da keiner von uns an diesem Abend noch ein Wort darüber verlieren wollte.

Zuhause waren wir sofort ins Bett gegangen, doch ich konnte überhaupt nicht schlafen, schon gar nicht mit Law neben mir, noch immer lag ich wacher als jemals zuvor im Bett.
 

Ständig warf ich einen Blick in seine Richtung und beobachtete seinen schlafenden Körper. Die regelmäßigen Atembewegungen hatten mir gezeigt, dass er schlief und obwohl der Tag so schlimme Ausmaße vernommen hatte, war ich froh darüber, dass wenigstens er schlafen konnte.
 

Immer, wenn ich meine Augen schloss, öffneten sie sich im nächsten Moment wieder und ein Gedanke nach dem anderen hielt mich wach, ließ mich einfach nicht zur Ruhe kommen. Ich drehte mich hin und her und wenn Law wach gewesen wäre, dann hätte er mich sicherlich mit irgendetwas beworfen, weil ich ihn mit meiner ständigen Unruhe so sehr genervt hätte. Allerdings war genau er der Grund für meinen innerlichen Aufruhr, welcher sich einfach nicht bewältigen ließ. Nach dem eben Geschehenen hatten sich meine Fragen und Gedanken gestärkt und schienen sich einfach nicht vertreiben zu lassen, wie sonst so oft.

Ich drehte mich auf den Bauch und sah kurz zu Law hinab, welcher noch immer tief und fest schlief. Ein kleines Lächeln glitt über meine Lippen, als mein Blick auf sein ruhiges, von Straßenlaternen beleuchtetes Gesicht glitt. Wenn er schlief, schien er so unbeschwert zu sein.
 

Meine Augen wandten sich letztendlich dem Fenster zu und ich betrachtete den Nieselregen dabei, wie er leicht auf die Erde fiel.
 

Es wurde wieder kälter.
 

Diese Tatsache strich den seligen Ausdruck auf meinen Lippen mit einem Mal und ich blickte etwas betroffen auf meine dunkle Bettdecke. Immer wenn es kalt wurde, kam der Dezember und ich hasste ihn mehr als alles andere. Denn in diesem Monat gefror nicht nur die Welt, sondern auch mein Herz für einige Zeit zu festem Eis. Es taute erst wieder auf, wenn der Frühling gekommen war, langsam und vorsichtig, nur um sich für den nächsten Winter vorzubereiten. Ich zog mich zurück, wenn es soweit war. Jedes Jahr aufs Neue, ich konnte einfach nicht ertragen, am Leben zu sein, wenn Dezember war.
 

Denn zu dieser Zeit war Ace für immer von mir gegangen. Hatte mich hier zurück gelassen, mit dem Wunsch, dass ich an seiner Stelle gestorben wäre.

Mein Bruder war immer der Bessere von uns gewesen, er war erfolgreich, beliebt, unglaublich talentiert. Als wir nach Michigan gegangen waren, hatte ich niemanden mehr, während er nach einem Tag mehr Freunde gefunden hatte, als ich in meinem ganzen Leben. Doch das hatte mir nie etwas ausgemacht, zumindest kaum etwas, denn ich hatte ihn und Sabo bei mir gehabt, ich war nie alleine gewesen. Allerdings hatte Sabo früh bei der Polizei angefangen, ich bekam ihn immer seltener zu Gesicht und irgendwann gar nicht mehr.
 

Ich biss mir leicht auf die Unterlippe und unterdrückte die Tränen und die Angst, bei der Erinnerung an den Dezember, dem Denken an meine Brüder. Wenn die ersten Schneeflocken fallen würden, dann existierte der Ruffy, den alle kannten, für eine kurze Zeit nicht mehr. Der Mensch, der ich letztes Jahr gewesen war, würde wieder von mir Besitz ergreifen und erst gehen, wenn der Schnee taute, so wie mein Herz.
 

Doch dieser Mensch, diese Persönlichkeit, dies war nicht ich. Es war als würde einen Monat lang ein Fremder in meinem Körper hausen, welcher diesen steuerte. Gefühlslos und kalt, ganz anders, als ich es tun würde.
 

Noch aufgewühlter als zuvor setzte ich mich auf und fuhr mir durch mein feuchtes Gesicht. Meine Hände waren kalt und zitterten leicht, während meine Augen vor Müdigkeit ein wenig brannten. Trotzdem konnte ich nicht schlafen, bei den ganzen Gedanken, die von mir Besitz ergriffen.

So leise wie möglich verließ ich also das Zimmer, um mich ins Bad zu begeben, welches direkt gegenüber lag. Ich hoffte mich irgendwie beruhigen zu können, um wenigstens für wenige Stunden schlafen zu können. Im Flur tastete ich nach dem Lichtschalter und betätigte ihn nach einer schier endlosen Suche, ehe ich wieder nach vorne blickte. Es wurde hell. Direkt vor mir stand plötzlich eine Gestalt, welche ich erst im Nachhinein als Kid identifizierte und ich erschrak so sehr, dass ich zurücktaumelte. Mein Rücken drückte sich hart gegen die Wand und ich riss meine Augen vor Schreck weit auf, als ob ein Geist vor mir stehen würde.
 

Der Rothaarige blickte mich erst ein wenig überrascht an, jedoch nicht einmal annähernd so erschrocken wie ich, ehe er leicht die Augen verdrehte.

„Kann man nicht einmal nachts in Ruhe pissen?“, fuhr er mich leise flüsternd an und ich musste fast schon lachen, würde der Schock nicht immer noch tief in meinen Gliedern sitzen. Ich schüttelte leicht den Kopf und seufzte etwas beruhigt aus, ehe ich ihn erneut anblickte.

„Ich kann nicht schlafen“, murmelte ich, ohne zu wissen, warum genau ich ihm dies gestand. Es war nicht so, dass ich mit ihm über diese ganze Sache reden wollte, dafür war ich viel zu müde und meine Nerven waren nicht stark genug. Es würde sie überstrapazieren und mich kein bisschen weiterbringen. Ich wusste nicht genau, was ich erwartete, jedenfalls hoffte ich, keinen Tipp wie Schäfchen zählen zu bekommen, denn das würde ihm ziemlich ähnlich sehen.
 

„Ich auch nicht“, seine bernsteinfarbenen Augen hatten jeglichen spielerischen Schalk verloren, welcher noch vor wenigen Sekunden in ihnen gelegen hatte. Stattdessen saß die Sorge auf seinem Gesicht und schien sich nicht vertreiben zu lassen - schon seit Tagen nicht. Es war merkwürdig, wie wir hier mitten in der Nacht im Flur standen und uns gegenseitig ansahen, ohne die Worte zu wechseln, welche schon längst überfällig waren. Doch manchmal tat man dies nicht, nur, weil es die ganze Situation so viel einfacher machte.
 

„Mein Dad und ich haben morgen ein Beratungsgespräch im Krankenhaus“, brach es auf einmal aus ihm heraus und ich musterte ihn etwas perplex. Es war als würde nicht einmal er selbst wissen, warum genau er mir dies erzählte. „Ich werde ihn zu einer Chemotherapie in Georgia überreden und ihm eine neue Wohnung in der Nähe von unserer besorgen“, seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich und ich konnte nicht anders, als ihn für seine Hilfe zu bewundern. Ich wusste nicht, was damals vorgefallen war, doch dass er so viel für seinen Vater tun würde, überraschte mich ein wenig. Kid schien auf mich kein Familienmensch zu sein, ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass er nicht oft Dinge wie tiefe Zuneigung oder Liebe empfand. Auf mich wirkte er hart und kaum verletzlich, fast wie Law und doch irgendwie anders.
 

„Das ist eine gute Idee“, setzte ich sanft an, jedoch wollte er bereits fortfahren. „Ich werde nicht noch einmal hierher zurückkommen“, erklärte er kurzgebunden und fuhr sich erschöpft durch seine rote Mähne, sah dabei viel älter aus, als er in Wirklichkeit war. „Diese Umgebung macht nicht nur ihn, sondern uns alle kaputt, beinahe krank und das will ich nicht verantworten. Nicht mehr.“ Er biss sich auf seine Unterlippe und ich konnte nicht anders, als ihn beruhigend anzusehen und mir gleichzeitig zu wünschen, dass sein Plan gut verlaufen würde. Es könnte alles so viel besser werden, wenn er seinen Vater von hier wegholte und ihn dazu brachte, sich doch noch einer Therapie zu unterziehen. Vielleicht würde er doch einen Schritt in Richtung Heilung machen und glücklicher werden. Schließlich waren in letzter Zeit so viele unerwartete, mir suspekte Dinge geschehen, dass ich dies für möglich hielt.
 

„Wir sind bei dir Kid“, machte ich ihm freundschaftlich klar, dass er nicht alleine war. Zumindest ich war mit ihm gekommen, um ihm zu helfen. Zusammen könnten wir alles bewältigen, das wusste ich. Ein kleines Lächeln trat auf seine Lippen und zum ersten Mal wirkte er ein wenig sanft mir gegenüber, so als ob ihn meine Worte an etwas erinnert hätten, was schon längst in Vergessenheit geraten war. „Danke“, entgegnete er leise. Er hörte sich nicht ganz so freundlich an, wie er wollte, doch wusste ich wenigstens, dass sein Bedanken ernst gemeint war. Ein erneutes Lächeln legte sich auf meine Lippen, ehe er mir plötzlich nur ganz leicht gegen die Schulter boxte und dieses untypische Gespräch zwischen uns mit einem Mal beendete. „Das wird mir zu schnulzig“, stellte er grinsend fest, die Sorge war für den Bruchteil einer Sekunde von seinem übermüdetem Gesicht verschwunden. „Gute Nacht.“
 

Ich lachte kurz, ehe ich den Kopf leicht schüttelte und ihm dabei zusah, wie er zurück in sein Zimmer schlich. „Gute Nacht“, kam es noch über meine Lippen, ehe ich das Bad wie vorher geplant betrat, um einen Schluck Wasser zu trinken und meinen Verstand etwas zu beruhigen. Als ich anschließend wieder ins Bett fiel, schlief ich nach nur wenigen Sekunden ein. Es war, als hätte mir dieses Gespräch dabei geholfen und mich auf einer mir nicht bekannten Ebene beruhigt. Ich wusste nicht wie, jedoch war ich Kid dankbar dafür.
 

In dieser Nacht träumte ich davon, wie ich floh. Vor langen, starken Händen, welche nach mir griffen. Sie wollten mich in die Dunkelheit, in das Nichts ziehen, doch ich konnte dies nicht zulassen, obwohl mir klar war, dass ich nicht ewig laufen würde. So rannte und rannte ich, zeitlos, beinahe eine kleine Ewigkeit. Zumindest bis die Hände mich fingen und zurückzogen. Zurück in alles, was ich längst hinter mir gelassen hatte.

Es war nur eine Frage der Zeit gewesen.
 


 

Am nächsten Morgen schlief ich nicht so lange wie sonst immer. Es war kurz nach Neun, als ich meine Augen blinzelnd öffnete, erschöpft von meinem schlechten Schlaf, und auf mein Handy schaute. Ich seufzte leise auf und drehte mich zur Seite, um nach Law zu sehen, allerdings fand ich die Matratze auf dem Boden leer vor. Stirnrunzelnd richtete ich mich auf und fuhr mir kurz durch das Gesicht, ehe ich ein wenig orientierungslos durch den Raum blickte. Er war bereits aufgestanden und sicherlich schon unten bei Kid und dessen Vater. Gähnend und mich streckend, erhob ich mich ein wenig wiederwillig, um zu meiner Tasche zu gehen und mir einen Pulli, sowie eine Jeans herauszunehmen. Als ich sie ein wenig übermüdet übergezogen hatte, verließ ich das kleine Gästezimmer und hörte bereits leise Stimmen, welche aus der Küche drangen. Gleichzeitig roch es nach frischen Brötchen und Kaffee, was meinen Magen daran erinnerte, dass ich gestern Abend viel zu wenig gegessen hatte. Zumindest für meine Verhältnisse. So schlich ich die hölzerne Treppe hinunter und ging auf die Küche zu, in welcher sich mehrere Personen bereits angeregt zu unterhalten schienen, wie ich durch ihre Stimmen wahrnehmen konnte.
 

Ohne auf diese zu achten, trat ich ein und setzte ein leicht freundliches Lächeln auf. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich mich nach gestern Abend zu verhalten hatte, beziehungsweise wie die Beiden sich mir gegenüber benehmen würden.
 

Als ich Law in der Küche erblickte, schlug mein Herz augenblicklich schneller und ich wünschte mir, ich könnte dieses Gefühl unterdrücken, wenn ich in seiner Nähe war. Es machte mich nur noch nervöser, diese Erkenntnis – sie bedrückte mich. Denn jemanden zu lieben, der so facettenreich und doch in jeder Rolle, welche er für einen geringen Zeitraum spielte, so unglaublich geheimnisvoll war, war nicht einfach.
 

Gleichzeitig musste ich ganz plötzlich daran denken, dass dies der Grund für meinen Hass Bonney gegenüber war. Ich war eifersüchtig, so eifersüchtig, wie noch nie in meinem Leben. Vielleicht, weil sie Law länger kannte als ich und ihre Bindung stärker war als unsere, vielleicht aber auch, weil sie die Einzige war, die sich ihm auf einer Ebene nähern durfte, die ich nie erreichen würde.
 

Law sah müde aus, auch wenn er geschlafen hatte. Die dunklen Ringe unter seinen Augen zeigten das, was sich unter seiner monotonen Maske versteckte, sie zeigten, wie sehr ihn das Geschehene von gestern Abend zu schaffen machte. Seine Haare standen ein wenig von seinem Kopf ab und wirkten leicht struppig, während sein Pullover und die dunkle Jeans leicht zerknittert aussahen. Auf mich wirkte er wahrhaftig, als wäre er am Ende seiner Kräfte. Doch das sagte ich nicht; ich sagte nichts, sondern lächelte einfach nur, als ob alles wie immer wäre. Allerdings war es das nicht und das wussten wir alle, jedoch traute sich niemand dies auszusprechen und unser Wunschdenken in Trümmer zu reißen.
 

Kid stand neben ihm und deckte den Tisch. Er sah kurz zu mir auf und ich bemerkte, dass er wesentlich besser aussah als Law, was den Gesundheitszustand anzugehen schien, allerdings stand ihm die Aufregung ins Gesicht geschrieben. Ich erinnerte mich automatisch daran, dass heute der Tag war, an dem Kid seinem Vater den Vorschlag machen würde, nach Georgia zu kommen, dort, wo er in direkter Nähe zu seiner Familie sein würde. Es war ein wichtiger Tag, einer, dessen Ereignisse viele Auswirkungen auf die gesamte Zukunft haben würden, genauso wie der gestrige.
 

„Morgen“, kam es über meine Lippen und ich ließ mich auf dem Stuhl gegenüber von Law nieder, welcher mich bei jeder meiner Regungen zu beobachten schien. Ich fühlte mich unter seinen Blicken unwohl, obwohl ich bereits an diese gewöhnt sein müsste. „Auch mal wach?“, seine Stimme klang rau, sogar leicht kratzig. Die Frage sollte ironisch klingen, wohlmöglich die unausgesprochenen Worte zwischen uns in Vergessenheit bringen, doch das tat sie nicht. Viel mehr bemerkten wir beide, dass etwas anders war als sonst. Ich konnte nicht genau einordnen was es war, jedoch wusste ich, dass der gestrige Abend unser Verhältnis stark verändert hatte. Es würde nichts mehr sein, wie es war, denn nun erhaschte ich Teile des wahren Laws und bekam nicht nur seine undurchschaubare Maske zu sehen.
 

Kid brachte nur ein schwaches Lächeln zustande, stellte einen Korb mit Brötchen auf den Tisch und rief nach seinem Dad, welcher mit einer hohen Wahrscheinlichkeit im Wohnzimmer saß und sich erneut irgendeine Scheiße im Tv ansah. Ich fragte mich langsam, wie er diese asozialen Sendungen noch interessant finden konnte, wenn jedes Mal eigentlich dieselben Themen behandelt wurden, wie beispielsweise die Schwangerschaft im Teenageralter. Wenn ich Rentner wäre, würde ich meine Zeit anders vertreiben. Es dauerte nur wenige Sekunden, ehe Harry in der Tür erschien und seinen kühlen Blick über das zubereitete Essen gleiten ließ. Sichtlich zufrieden darüber, dass Kid den gesamten Haushalt für ihn machte, ließ er sich ebenfalls mir gegenüber nieder und das erdrückende Schweigen begann erneut, als wir alle anfingen zu essen.
 

Es quälte mich, dass niemand etwas sagte, allerdings hatte ich auch gleichzeitig nicht den Mut, ein Gespräch zu starten. Viel zu schnell könnte das Thema auf den gestrigen Abend fallen und über dessen Auswirkungen zu reden, würde die gesamte Situation eskalieren lassen. Ich wollte nicht wissen, was passierte, wenn wir über dieses Ereignis redeten, doch gleichzeitig schöpfte dies auch Neugier darüber, was Harry dazu sagen würde. Ob er ruhig bleiben, oder ähnlich wie Law reagieren konnte, ich wusste es nicht. Es kam allerdings gar nicht erst dazu, denn Kid begann schnell, über die Ursache seiner Nervosität zu reden, welche ihn dazu veranlasste, mit seinen Fingern einen unregelmäßigen Rhythmus auf den Tisch zu klopfen.
 

„Wir fahren in einer Stunde los, das Hospital ist immerhin nicht weit weg. Bist du bereit, Dad?“, er nahm einen Schluck von seinem überzuckertem Kaffee und seine Augen blickten fragend in die seines Vaters, welche ihnen in diesem Moment unglaublich ähnlich sahen.
 

Allerdings kniff der Ältere diese im nächsten Moment leicht zusammen, ehe er sein Kinn auf der eigenen Handfläche abstützte. „Bereit wofür?“, wollte er wissen, seine Stimme klang scharf wie ein Messer. Ich sah die verkrampfte Haltung, die er einnahm und bemerkte das leichte Beben seiner schmalen Lippen. Der Ältere wollte es nicht zeigen, doch schien er unglaublich aufgeregt zu sein, allerdings könnte es sogar Angst sein, welche ihn in diesem Moment heimsuchte. Ich konnte nachvollziehen, dass er seit seiner Diagnose mit niemandem über seine Krankheit reden wollte, doch nun war der Zeitpunkt gekommen, in welchem er nicht daran vorbei kommen würde. Kid hatte mir davon erzählt, dass er es ausnutzte, dass niemand mit ihm zum Arzt gegangen war, seitdem man von seiner Krankheit mitbekommen hatte. Doch nun war Kid da, um dies zu ändern.
 

„Für das Gespräch mit Dr. Krokus“, erwiderte er daraufhin, obwohl er wusste, dass sein Vater bereits im Klaren darüber war, wohin sie heute gehen würden. Er schien seinen Sohn nur provozieren zu wollen, was, auch wenn es verwunderlich war, heute nicht zu funktionieren schien. Wahrscheinlich war der Ernst der Lage so hoch, dass nicht einmal Kid in solch einer Situation spaßen wollte. Und das verstand ich auch. Würde es eines meiner Familienmitglieder betreffen, dann wäre auch ich voller Ernsthaftigkeit.
 

„Mehr oder weniger“, es hörte sich wie ein Knurren an, welches aus der Kehle seines Vaters drang und wahrhaftig bedrohlich wirkte. Es kam mir so vor, als ob ihn Kids Sorge stören würde und er nicht wollte, dass er medizinische Hilfe bekam. Doch so wie ich Kid verstanden hatte, war diese Hilfe mehr als nötig, wenn sein Vater noch einige Jahre leben sollte. Meines Wissens war er gerade einmal Mitte Sechzig, vielleicht ein wenig älter. Jedenfalls nicht alt genug, um dem Tod friedlich entgegen zu sehen, ihn gar zu erwarten. Es gab sicherlich noch genügend Auswege für ihn, noch viele Chancen, die er ergreifen konnte und Dinge, die sein Leben lebenswert machten. Eines von ihnen musste Kid sein, denn auch wenn viel zwischen ihnen lag, sah ich hinter dem harten Ausdruck auf seinem Gesicht, einen Mann, der seinen Sohn mit einer gewissen Wärme und Stolz betrachtete.
 

„Du brauchst das“, Kids Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich und die Tonlage seiner Stimme ließ automatisch vermuten, dass das Gespräch hiermit beendet war.

Wieder kehrte die Stille zurück und in diesen Momenten der Lautlosigkeit vermisste ich wirklich meine Freunde, mit denen mir so etwas niemals passieren würde.
 

Ich aß mein drittes Brötchen, als ich daran dachte, dass heute Samstag war und ich nur noch zwei Tage Ruhe hatte, bevor ich wieder in die Schule musste. Automatisch fiel mir diese beschissene Strafarbeit ein, welche erst aus einem aus Verzweiflung zerknülltem Papier bestand und etwa 1000 Meilen von mir entfernt, auf dem Boden meines Zimmers lag. Meine Augen weiteten sich ein wenig entsetzt, als mein Gehirn realisierte, dass ich nicht mehr damit fertig werden würde, bevor ich meinen reizenden Lehrer wiedersehen würde. Verdammte Scheiße. Warum eigentlich immer ich?
 

Während ich mir überlegte, wie ich am Besten davon kam, ohne, dass Akainu mich umbrachte, räumten wir den Tisch gemeinsam ab. Kids Vater war bereits im Wohnzimmer verschwunden, ich hörte den Fernseher bis hier hin. Ein wenig gedankenverloren räumte ich die, dank mir beinahe leere, Nutella vom Tisch und bemerkte Law, welcher sich einen zweiten Kaffee machte. Ich wollte gar nicht erst wissen, wie es sein würde, wenn er keine Tasse der schwarzen Flüssigkeit zu sich nehmen durfte. „Wir fahren in einer halben Stunde“, sagte Kid plötzlich, er lehnte sich an eine der Küchentheken, „seht zu, dass ihr euch fertig macht.“
 

Letztendlich war es nicht einfach, Harry ins Auto zu bekommen und Kid zu überzeugen, dass er nicht fuhr, sodass wir im Endeffekt zwei schlecht gelaunte Männer der Eustass Familie im Auto sitzen hatten, welche mit den vor der Brust verschränkten Armen beinahe wie kleine, beleidigte Kinder wirkten. Allerdings brachten mich ihre Blicke dazu, meinen Gedanken nicht laut auszusprechen. Immerhin wollte ich leben.
 

Ich hatte auf dem Beifahrersitz platzgenommen und beobachtete Laws tätowierten Hände dabei, wie sie das Lenkrad drehten und erinnerte mich an meinen Traum von letzter Nacht, in welchem mich ebenfalls Hände heimgesucht hatten. Ein Schauer fuhr über meinen Rücken und ich wusste nicht warum, jedoch hatte ich in diesem Moment Angst vor der Bedeutung dieses Traumes. Ich wollte gar nicht genauer darüber nachdenken, denn ich wusste, dass dies nicht gut ausgehen würde.
 

Kid hatte recht behalten, als er gesagt hatte, dass das Hospital nicht weit von dem Haus seines Vaters entfernt lag. Nach nicht einmal einer viertel Stunde waren wir da, was dafür, dass die Kleinstadt in der er lebte, irgendwo im Nirgendwo lag, ziemlich beeindruckend war. Es sah so ähnlich aus wie das, in welches mich Law gebracht hatte, als ich mir meinen Kopf gestoßen hatte. Dies war sicherlich kaum zwei Monate her, allerdings kam es mir so lang vor, als ob ich Law schon eine Ewigkeit kennen würde. Doch so war es nun einmal nicht, auch wenn ich mir genau dies sehnlichst wünschte.
 

„Hillside Hospital“, prankte der Name des Krankenhauses in Großbuchstaben über dem Eingang, den wir gerade betraten. Inzwischen war es heller geworden, nur vereinzelte Wolken bedeckten den Himmel. Als wir eintraten, bemerkte ich sofort den beissenden Geruch von Desinfektionsmittel und wieder wurde mir bewusst, wie sehr ich Krankenhäuser hasste. Law und ich folgten Kid und seinem Vater, welche den silbernen Aufzug am Ende des Eingangsbereiches nahmen und dabei so ernst wirkten, dass noch immer keiner von uns ein Wort aussprach.
 

Auf der dritten Etage machte der Aufzug einen Stop und wir verließen ihn, um kurz darauf vor einer Tür mit der Aufschrift „Beratungsstelle für Krebspatienten, Dr. E. Krokus“ Halt zu machen. Law nickte seinem besten Freund zu und setzte sich auf einen der Stühle gegenüber des Raumes, während dieser ihn nur kurz musterte. Es war, als hätte Law ihn bestärkt, denn wenige Sekunden darauf hörte man das Klopfen Kids an die Tür, auf dessen anderer Seite nach nur kurzer Zeit ein „Herein“ folgte. Bevor der Rothaarige mit seinem Vater darin verschwinden konnte, lächelte ich ihn an. „Viel Glück“, meinte ich leise klingend, mit dem Versuch, ihn ein wenig zu besänftigen. Er musste gerade unglaublich aufgeregt sein, auch wenn er nicht den Anschein machen wollte. Für den Bruchteil einer Sekunde erwiderte er mein Lächeln, jedoch blieb der besorgte Ausdruck in seinen Augen. „Das werde ich brauchen.“ Mit diesen Worten war auch er im angrenzendem Raum verschwunden und schloss die Tür hinter sich.
 

Ich entschied mich kurz darauf dazu, nicht mehr mitten im Flur herumzustehen und setzte mich neben Law auf einen der Stühle. Nun hieß es warten. Warten, bis klar war, wie es weitergehen würde. Meine Hoffnung war, dass es nicht zu lange dauerte, doch gleichzeitig wusste ich, dass es sicherlich schwer werden würde, mit Kids Vater Verhandlungen zu machen. Er war hartnäckig, so wie Kid und Nami, eine wirklich grausame Charaktereigenschaft, die ihr Durchsetzungsvermögen ins Unermessliche steigerte. Mit ihm zu reden würde sehr schwer werden, besonders über ein Thema wie dieses.
 

Ich seufzte leicht auf und blickte zu Law, welcher etwas gedankenverloren an die Wand uns gegenüber starrte, so als würde er etwas Besonderes an ihr betrachten. In diesem Moment kam das Verlangen in mir auf, ihn auf gestern Nacht anzusprechen.
 

Ich wollte wissen, ob dieses Ereignis etwas zwischen uns verändert hatte, etwas, dass von Bedeutung war und nicht nur meinen, sondern auch seinen Blick auf unser Verhältnis verstärkte. Doch nun, wo ich wusste, dass ich mich in ihn verliebt hatte – und dies war noch immer schwer zu realisieren – fiel mir jedes Wort in seiner Gegenwart unglaublich schwer. Ich hatte das Gefühl, dass dauerhaft ein Kloß in meiner Kehle lag, der nicht verschwinden wollte, während sich irgendetwas in meinem Kopf drehte und mich schwindeln ließ.
 

Ich erschrak beinahe, als eine schwarzhaarige, recht junge Krankenschwester an uns vorbeiging, ehe sie abrupt stehen blieb. Ihre braunen Augen weiteten sich, jedoch blickte sie nicht auf mich, sondern auf Law, welcher sie noch nicht bemerkt zu haben schien. Es war kaum zu beschreiben, wie viele Emotionen in sie zu kehren schienen, jedoch war der Unglaube ihr am Deutlichsten ins Gesicht geschrieben. Sie kam etwas näher, während ich sie verwirrt musterte, jedoch lag ihre Aufmerksamkeit allein auf meinem Sitznachbar.
 

„Law? Bist du das?“, der Schwarzhaarige blickte bei dieser direkten Anrede auf und musterte kühl das Gesicht der Frau ihm gegenüber, ließ sich nicht einmal die Verwunderung anmerken, die dabei entstanden sein musste, dass sie seinen Namen kannte. Er war eben der perfekte Schauspieler.

Die junge Frau hatte langes, dunkles Haar, braune Augen und trug einen roten Lippenstift, welcher mich an Laws Mutter erinnerte. Sie schien auch ähnlich wie diese zu reagieren, denn wenn ich es mir nicht einbildete, glaubte ich Tränen in ihren Augen zu sehen, welche sich bei dem Anblick meines Freundes gebildet haben mussten.
 

„Bebi?“, die Stimme des Schwarzhaarigen klang etwas skeptisch, so als wäre er sich nicht sicher, ob er die Person vor sich auch wirklich richtig identifiziert hatte. Mein Blick galt bei diesen ausgesprochenen Worten sofort ihm. Ich sah ihn verwirrt an, einerseits weil er noch nie etwas von einer Bebi erzählt hatte und andererseits weil ich nicht wusste, wer sie überhaupt war. Ich verband nichts mit diesem Namen, rein gar nichts um genau zu sein und das störte mich unheimlich. Es fanden keine Puzzleteile zusammen, ihr Auftauchen sorgte nicht für mehr Erklärungen, sondern für unaufhörbar aufkeimende Fragen.
 

„Ja, das bin ich!“, sie hörte sich unfassbar erleichtert an, so sehr, dass es fast schon ein wenig unheimlich klang. Meiner Vermutung nach mussten sie sich schon sehr lange kennen, immerhin war Law schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen, wie ich durch Camilla mitbekommen hatte. Doch, dass er kein Wort über sie verloren hatte, überraschte mich auf der anderen Seite irgendwie nicht. Er hatte mich noch nie freiwillig etwas über sich wissen lassen, wieso sollte er mir von seinen alten Bekanntschaften erzählen?
 

Die schwarzhaarige, von Law genannte Bebi kam näher, als ob sie Law genauer ansehen musste und lächelte traurig. Ihr Blick strahlte auf eine merkwürdige Art und Weise Sorge aus, welche ich weder verstand, noch einzuordnen wusste. Fast alle Menschen hier schienen sich Sorgen um ihn zu machen, doch konnte ich einfach nicht sagen, warum. Meiner Meinung nach gab es keine Lücke auf seiner Maske, welche einem ermöglichte, Sorgen aufgrund seiner mir nicht bewussten Probleme zu haben. Ich verstand es einfach nicht, jedoch hoffte ich, dass sich dies bald ändern würde, auch wenn mir meine Rolle als der stille Zuhörer langsam aber sicher gehörig auf die Nerven ging.
 

„Wie geht es dir? Ich habe dich schon so lange nicht mehr gesehen..“, sie warf ihm einen wissenden Blick zu und er nickte, lange, nachdenklich. Es war als würden sie heimlich miteinander kommunizieren, damit ich nicht hörte, was sie sagten, obwohl ihre Münder verschlossen blieben. Ich sah nur ihre Blicke, die winzigen Gesten und nicht durchschaubaren Bewegungen. Es kam mir vor, als wäre eine menge Zeit vergangen, als Law sich plötzlich aufrichtete und eine winzige Andeutung eines Lächelns auf seine Lippen legte. „Gut“, antwortete er zu spät, sein Blick lag allerdings auf mir. Es war, als ob er sich schon vollständig überlegt hatte, wie er nun handeln würde.
 

„Ich bin gleich zurück“, sein zuvor noch auf mir liegender Blick galt nun wieder der hübschen Frau vor mir, welche ihn anlächelte und folgte, als er begann durch die Gänge zu streifen.
 

Mein Gehirn brauchte einige Sekunden um zu realisieren, dass er sich gerade einfach aus dem Staub gemacht und mich hier stehen gelassen hatte. Mir war klar, dass er etwas mit dieser Frau zu bereden hatte, doch dass er mir nach gestern Nacht nicht genug vertraute, um mich dabei zu haben, verletzte mich.

Es zeigte mir, wie wenig er mir glaubte, gerade wo ich gedacht hatte, sein volles Vertrauen erlangt zu haben. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte die Stiche in meinem Herzen zu ignorieren. Wie eine Betäubung gegen die winzige Wunde, welche sich aufgetan hatte, wuchs der Trotz in mir und ich entschied mich kurzerhand dazu, ihm zu folgen. Wenn ich mich nicht schlecht anstellte, würde er mich nicht sehen.
 

So schlich ich wie ein Schwerverbecher durch die leeren Gänge des Krankenhauses und versuchte Law und Bebi zu finden, jedoch gleichzeitig nicht den Anschein zu erwecken, dass ich aus der geschlossenen Psychiatrieabteilung im oberen Stockwerk geflohen war. Doch plötzlich, nachdem ich nur wenige Abzweigungen genommen hatte, hörte ich eine leise Stimme aus dem Raum zu meiner rechten. Eine Besenkammer oder so, jedenfalls kein wichtiges Zimmer, welches beschildert war. Ich sog die Luft ganz vorsichtig ein und verlangsamte mein Tempo, um auch jedes Wort vernehmen zu können.
 

„Du bist davon weg? Und deine... Wunden?“, ich konnte nicht genau hören, was sie sagte, doch gehörte diese Stimme eindeutig zu der Frau von vorhin. Sie hörte sich noch immer an, als würde sie sich unglaublich um Law sorgen, was die Gesprächsfetzen, welche ich erhaschte, ebenfalls vermuten ließen.
 

„Es geht mir besser, Bebi. In der neuen Stadt ist es anders“, war die Antwort, ruhig und zurückhaltend. Das war Law. Nur er konnte dies sein, das wusste ich. Es war als könnte ich seine Anwesenheit spüren, obwohl ich ihn nicht einmal sah.
 

„Dein Neuanfang hat also geklappt?“, sie klang belustigt, allerdings auch ein wenig überrascht, so als hätte sie ihm dies nicht zugetraut. Zugegeben, nur die wenigsten Neuanfänge funktionierten auch und seiner tat es nicht. Doch ich war skeptisch was meinen anging, denn das Gefühl, dass dieser auch irgendwann fehlschlagen würde, verging einfach nicht.
 

Es folgte die Stille für einige Sekunden. Ich bekam keine Antwort zu hören, konnte die Meinung von Law nicht erschließen. Doch ich war mir sicher, dass er genauso dachte wie ich. Auch er wusste, dass seine Vergangenheit ihn heimgesucht hatte und er rein gar nichts dagegen unternehmen konnte.
 

„Ist der Junge bei dir ein Grund dafür?“, folgte plötzlich die nächste Frage und ich hielt automatisch die Luft an, als ob ich sichergehen wollte, dass ich auch seine Antwort genaustens hörte. Denn, dass sie über mich sprechen würde, hätte ich nicht gedacht und diese Tatsache ließ mein Herz lauter pochen als für gewöhnlich. Ich war eine Nebenfigur in Laws Leben, zumindest hatte ich noch immer das Gefühl eine zu sein. Man sprach nicht über mich, sondern über das Früher, über das, was für Laws Probleme sorgte.
 

„Ich kenne ihn erst seit ein paar Monaten“, wich er aus, seine Stimme klang distanziert. Mein Herz schlug schnell, denn er bestritt nichts, auch wenn dies nicht als eine Bestätigung angesehen werden konnte. Jemand wie ich war niemals der Grund dafür, dass es Law besser ging, immerhin hatte ich bisher noch nicht wirklich viel für ihn tun können, weil ich ihn nie gut genug gekannt hatte. Es war als würde seine Vergangenheit eine riesige Barriere zwischen uns darstellen, die es verhinderte, dass wir eine engere Bindung miteinander eingehen konnten.
 

„Aber du nimmst ihn mit hierher. Das würdest du mit keinem Menschen machen, den du nicht hier kennengelernt hast, das weiß ich. Ich kenne dich immerhin sehr gut. Also, wer ist er für dich, Law?“, folgte es darauf und ich konnte nicht anders, als verwirrt auf die weiße Tür zu sehen, an welcher ich wie ein neugieriges Kleinkind lauschen musste. Es war fast schon lächerlich und gleichzeitig hatte ich Glück, dass ich noch von niemandem bemerkt worden war.
 

„Er ist...“, gebannt wartete ich auf seine Antwort und wollte mich noch näher nach vorne lehnen, was mir in diesem Moment alles vermasselte. Meine Tollpatschigkeit übernahm wieder einmal überhand und ich verlor mein Gleichgewicht, was dazu führte, dass ich mich an der Tür abstützen wollte. Das laute Klatschen meiner Handfläche auf diese war zu hören und ich fuhr vor Schreck zusammen, als ob ich vom Blitz erfasst worden wäre. Ohne lange darüber nachzudenken, hörte ich auf die Alarmglocken in meinem Kopf, welche mich zu einem Rückzug aufforderten, obwohl die Neugier in mir brannte wie ein loderndes Feuer. In diesem Moment gab es keine andere Initiative als abzuhauen, wenn ich nicht für einen merkwürdigen Stalker gehalten werden wollte.
 

Ich lief also wie ein Bescheuerter zu dem Platz zurück, von welchem ich gekommen war, mit dem simplen Plan, mich einfach wieder hinzusetzten und so zu tun, als hätte ich geduldig auf Law gewartet. Das würde zu dem Ruffy passen, den die Anderen kannten, es würde Niemandem auffallen, dass ich nicht hier gewesen war. Doch nicht einmal dies funktionierte, an diesem Tag schien kaum etwas richtig zu laufen.
 

Ich war in meine Überlegungen und Ausweichpläne vertieft gewesen und rannte dabei fast in Kid und seinen Vater hinein, welche sich angeregt miteinander unterhielten, wenn nicht sogar stritten. Die Anspannung der beiden machte mich unsicher, sodass ich so gut es ging stoppte und vor ihnen stehen blieb, mit der Erwartung eine Aufklärung zu erlangen. Immerhin wollte ich wissen wie das Gespräch mit diesem Krokus Typen verlaufen war.
 

„Du bist sowas von egoistisch, weißt du das?“, hörte ich die Worte aus Kid heraussprudeln, ohne den Verlauf des vollständigen Gespräches zu kennen. Seine Stimme hallte durch den Gang und er gab einen Scheiß darauf, dass sämtliche Krankenschwestern und selbst Patienten sie hören und hier ebenfalls aufkreuzen könnten.
 

„Egoistisch?“, kam es krächzend von dem Älteren. Er wirkte fassungslos, schüttelte den Kopf. „Kid, ich will nicht mit dir nach Georgia kommen, ich will keine Chemotherapie machen. Wenn das alles schief läuft, wenn nichts gut wird, dann sitzt der Schmerz nur noch tiefer. Denn ich werde weg sein, vielleicht sogar schon bald und es ist besser, wenn du das nicht miterlebst.“
 

Es war, als würde ich keine Luft mehr bekommen, nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte.
 

Meine Brust schnürte sich zusammen, ich wusste nicht einmal wieso, doch mein Gedanke galt plötzlich wieder Ace und mir, seinem Tod.
 

Harry wusste nicht, was er sagte, wovon er da überhaupt sprach. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, bei Ace in diesem beschissenem Auto zu sein, bei ihm zu sein während er starb, dann hätte ich genau diese Gelegenheit genutzt. Immerhin spielte es keine entscheidende Rolle, wie groß unsere Entfernung war, der Tod riss einen trotzdem auseinander und hinterließ Schmerzen, welche nicht aufzuhalten und schon gar nicht zu verringern waren. Ich presste meine Lippen fest aufeinander, während ich Kid dabei zusah, wie er mehrere Male seinen Mund öffnete und wieder schloß, ohne dass Worte von ihm kamen. Letztendlich sagte er nichts, sondern verschwand einfach durch den Gang, ging direkt an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusehen. Ich glaubte Tränen in seinen Augen zu erblicken, doch das wirkte so unrealistisch, so undenkbar, dass es nicht möglich sein konnte. Kid weinte nicht, schon gar nicht vor anderen Menschen. Er würde das nie tun.
 

Ich drehte mich wieder zu Harry und ohne auch nur darüber nachzudenken, ob ich mich einmischen sollte oder nicht, tat ich es einfach. Die Wut in mir vermischt mit der Trauer um Ace kam in mir auf und tobte wie ein Sturm, den ich nicht zu bändigen wusste.

„Verstehst du es nicht? Kid hat dich jahrelang nicht mehr gesehen und selbst wenn es nicht mehr viel Zeit geben könnte, will er dich ab jetzt bei sich wissen. Du nutzt deine Chancen nicht, du hast einfach aufgegeben!“

Mein Mund sagte, was mir durch den Kopf geisterte und ich konnte ihn nicht zur Ruhe stellen, ohne ausgesprochen zu haben. Doch das war gut so.
 

Bevor er auch nur ein Wort erwidern konnte, drehte ich mich um, damit ich nach Kid suchen konnte. Ich wollte bei ihm sein, ihm sagen, dass mir die Verhaltensweise seines Vater Leid tat und trotzdem die Hoffnung in ihm zu erwecken, dass alles gut werden würde. Ganz gleich wann wir wegfahren würden, irgendetwas würde anders sein als jetzt. Doch ich wollte, dass dies positiv war und nicht für noch schlechtere Laune bei mir Zuhause sorgte.
 

Ich ging rasch den Gang entlang und sah, wie Kid hinter der Glastür den Aufzug betätigte, ein schwarzhaariger Mann, den ich augenblicklich als Law identifizierte, stand neben ihm und schien sich mit ihm zu unterhalten. Mir wurde augenblicklich mulmig zumute. Ich hatte noch immer Angst, dass Law gemerkt hatte, dass ich derjenige gewesen war, der ihn vorhin an der Tür belauscht hatte. Inzwischen schämte ich mich ein wenig dafür, doch gleichzeitig war ich wütend, ohne zu wissen auf wen genau. Einerseits auf ihn, weil ich ihm gezeigt hatte, dass er mir vertrauen konnte und er es trotzdem nicht tat, andererseits jedoch auch auf mich, weil ich so naiv gewesen war, dies zu glauben. Ich schüttelte meinen Kopf, als würde ich meine störende Gedanken vertreiben wollen.
 

Daraufhin beschleunigte ich mein Tempo und öffnete die Tür, ehe ich auf die beiden zutrat, welche sich genau in diesem Moment zu mir umdrehten. Gleichzeitig bemerkte ich erneut, wie schlecht sie aussahen, auch wenn Law in einem noch deutlich schlimmeren Zustand zu sein schien. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte lieber daran zu denken, was ich nun sagen könnte, doch konnte ich einfach nicht die Augen von seinem leeren Blick nehmen, der mich beobachtete und doch nicht wahrzunehmen schienen.
 

„Lasst uns nach Hause fahren“, es war der Rothaarige, der nun die Stimme erhob und mich damit etwas überraschte. Sie klang monoton und doch etwas verletzt, was ich verstand. Im Moment verstand ich Kid so gut, wie noch nie zuvor. Der einzige Unterschied war, dass er bereits vermuten konnte, dass sein Vater möglicherweise seinen Krankheiten erlag, während Ace einfach aus meinem Leben gerissen worden war.
 

Ich nickte und blickte ihm in die goldenen Augen. „Ja, lass uns fahren.“ Schweigend nahmen wir den Aufzug nach unten und verließen das Krankenhaus nach einigen Minuten noch bedrückter als zuvor. Draußen kam mir die kalte Luft entgegen und ich wünschte mir den Hochsommer zurück, besonders weil erneut die Erinnerung an den Dezember in mir aufkam, die ich nur noch vertreiben wollte. Die Blätter färbten sich bereits golden und es nieselte, der Herbst war da, zumindest schien es so.
 

Wir gingen zum Parkplatz, um in Laws Auto zu steigen, ehe ich eine Person bemerkte, welche bereits hinten saß und auf uns zu warten schien. Mit hochgezogener Augenbraue ging ich auf den teuren Wagen zu, öffnete die Hintertür und blickte Harry entgegen, dessen Augen eindringlich funkelten.
 

„Wie...“, entkam es mir und ich drehte mich ein wenig schockiert zu Law und Kid. Der Kleinere von beiden zog verwirrt die Augenbrauen zusammen und tastete in seiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel, welchen er nicht zu finden schien. Nur wenige Sekunden später bemerkte ich, wie dieser in den Händen von Kids Vater baumelte und er den Schwarzhaarigen triumphierend anblickte.
 

„Man merkt, dass er dein Vater ist“, hörte ich Law zischen, während Kid sich nicht entscheiden konnte, ob er sauer wegen vorhin, belustigt wegen dem „Diebstahl“ oder beleidigt wegen des Vergleiches sein sollte. Wahrscheinlich entschied er sich für das Erste, denn nur einen Moment später hörte ich, wie er nach Worten suchte.

„Was willst du denn hier?“, es klang viel mehr wie ein bösartiges Knurren, welches auf mich so bedrohlich wirkte, dass ich beinahe schon Angst bekam, während sein Vater ganz ruhig blieb, ein völliger Kontrast zu eben.
 

„Nach Hause gefahren werden“, antwortete er dreist, lehnte sich dabei nach hinten. Seine Augen funkelten seinen Sohn herausfordernd an.
 

„Und dann?“, fragte Kid weiter und verengte seine bernsteinfarbenen Augen zu schmalen, angsterregenden Schlitzen. Ich wusste ja, dass Kid gruselig sein konnte, aber das löste noch viel größere Überraschung vermischt mit ein wenig Angst in mir aus. Hoffentlich würde er niemals so angepisst von mir sein, wenn doch, dann würde dies nicht gut für mich ausgehen.
 

„Reden wir“, meinte er. „Über alles.“

Und das reichte Kid, um ins Auto zu steigen.
 

Ich sah Law an und er mich, ehe wir nickten.
 

Es war ein aussageloses Nicken, ein belangloses. Wir stiegen ein und fuhren los, jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  ormanelus
2016-08-28T19:33:37+00:00 28.08.2016 21:33
Tolle Story:)
Immer nur weiter so.
Antwort von:  attackonpsycho
04.10.2016 21:49
dankeschön :)
Von:  Tokyosketch
2016-04-21T21:27:10+00:00 21.04.2016 23:27
Ughhhhhhh ich liebe diese Story!!
Antwort von:  attackonpsycho
04.10.2016 21:52
danke! <3
Von:  Kyuubi19
2016-04-19T05:20:51+00:00 19.04.2016 07:20
Yay, ein neues Kapitel ^^
Freu mich das du wieder gefallen an dieser Geschichte findest, ich liebe sie nämlich, eine richtig gute
Bin gespannt wie sich Luffy nach dem Geständnis jetzt entwickelt und auch wie seine Veränderung wegen Ace von statten geht ^^
Dann freue ich mich mal aufs Neue Kapitel
LG Kyuubi19
Antwort von:  attackonpsycho
04.10.2016 21:52
dankeschön, ich hoffe dir gefällt das neue Kapitel auch :)


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