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Verloren und Gefunden

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe(r) Leser,

ich wünsche einen schönen 1. Advent und hoffe, der neue Teil enttäuscht nicht zu sehr. Ich persönlich mag die folgenden 10 Kapitel schon, aber irgendwie auch nicht... na ja, ihr werdet euch schon eine Meinung bilden, da bin ich sicher :) Komplett anzeigen

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Arztbesuch

Das Mittagessen war ohne große Schwierigkeiten verlaufen, Max und Kenny hatten den Abwasch freiwillig erledigt und auch der Nieselregen hatte aufgehört. Während ihr Chef sich mit Dizzy in sein Zimmer verzogen hatte, waren Tyson und Max zu einem Spaziergang aufgebrochen. Ray hatte sich mit einer Beybladezeitschrift auf einem der Sofas zusammengerollt und Kai lag auf seinem Bett und überlegte, wie er das Team loswerden konnte, wenn der Arzt eintreffen würde. Er hatte keine Lust auf Publikum bei seiner Untersuchung. Es ging die anderen gar nichts an und er wollte auch nicht, dass sie eventuell mehr hörten, als sie sollten. Er hatte keine Ahnung, welche Neuigkeiten Dr. Mikase mitbringen würde. Kai hatte eine starke Vermutung, dass es für seine linke Hand nicht gut aussehen würde, aber der Rest seines Körpers fühlt sich einigermaßen gut an. Er hoffte, dass er keine langfristigen Folgen von seinem "Urlaub" in Russland davongetragen hatte, aber jetzt ließ sich dagegen auch nichts mehr machen. Er würde sehen müssen, was sich schließlich ergab...
 

Einige Zeit war vergangen, als die beiden Chaoten von ihrem Spaziergang zurückkamen. Ray konnte deutlich ihre roten Gesichter sehen und aus irgendeinem Grund waren ihre Jacken und Hosen nass, obwohl es seit dem Mittag gar nicht mehr geregnet hatte. Tyson und Max sahen beinahe so aus, als hätten sie etwas angestellt. Ständig flogen verstohlene Blicke zwischen ihnen her. Sie waren noch nicht lange wieder da, als nach und nach der Rest von oben herunter kam. Doch die Frage, wie die Gegend so war und was sie gesehen hatten, brachte die Beiden in Erklärungsnot.

Kenny tauschte einen vielsagenden Blick mit seinem Bitbeast aus. Er und Dizzy hatten bereits seit Langem eine gewisse Vermutung, seit sie die beiden heimlich in einer Ecke beim Knutschen erwischt hatten. Dizzy hatte ihn letztendlich davon abgehalten, sich in diese Angelegenheit einzumischen und den beiden ihr Geheimnis zu entlocken. Sie würden schon damit herausrücken, wenn sie soweit waren.
 

"Wenn ihr die Gegend sowieso nicht erkundet habt, dann holt das doch einfach nach. So als Teamausflug."

Dass ausgerechnet Kai diesen Vorschlag machte, verblüffte die anderen ein wenig, doch Kenny griff die Idee begeistert auf: "Klasse! Dann ziehen wir uns nur schnell an und gehen noch eine Runde!" Sprach‘s und war bereits in seinem Zimmer verschwunden. Tyson und Max sahen ein wenig enttäuscht aus, doch sie waren sich bewusst, dass sie, um den Schein zu wahren, jetzt nicht protestieren konnten.

"Kai, kommst du auch mit?" Wenn er schon diesen Vorschlag machte, konnte er ja wohl mitkommen. "Tut mir leid, ich kann nicht. Das Bein, siehst du? Außerdem wird Dr. Mikase bald hier sein." Tyson folgte dem Fingerzeig und sah kurz den Gips an. Natürlich konnte er mit dem Bein nicht draußen in der Gegend rumrennen. Manchmal hatte er seinen Verstand wirklich zu Hause gelassen. An den Doktor hatte er auch nicht mehr gedacht. Schade eigentlich, er und Max hätten gerne Kai und Ray weiter beobachtet. Obwohl sie sich nicht viel Hoffnung machten, dass die zwei Wochen ausreichen würden, um die beiden zusammen zu bringen. Vielleicht musste man ihnen nur einen kleinen Stupser geben. Sie hatten da auch schon eine Idee...
 

Ray nahm Kais Vorschlag als Ausrede, um ein wenig Zeit alleine mit ihm zu verbringen. Er erklärte den anderen, dass er ebenfalls da bleiben würde, falls Kai irgendwelche Hilfe bräuchte. Immerhin dauerte es noch ein wenig, bis der Arzt kam und wer sollte Kai in dieser Zeit helfen, falls irgendetwas passierte? Einen Protest ließ Ray erst gar nicht zu und wenige Minuten später stand er in der Terrassentür und sah seinen Freunden zu, wie sie auf einem Pfad in die Berge verschwanden. Endlich waren sie allein. Kai schien zwar keineswegs zufrieden damit zu sein, doch das störte Ray momentan weniger. Bevor er aber etwas sagen konnte, hörten sie ein Auto vorfahren. Kai stand vom Sofa auf und humpelte zur Eingangstür, als es auch schon klopfte.
 

Dr. Mikase war ein durchschnittlich großer, älterer Japaner mit graumeliertem Haar und einem schneeweißen Kittel. Er hatte eine Arzttasche in der einen Hand und Unterlagen in der Anderen. Mit einem knappen Nicken bat Kai ihn herein und wies ihm den Weg ins Wohnzimmer.

"Danke Hiwatari-san. Sehr angenehm, Sie einmal persönlich zu treffen. Und Sie müssen Kon-san sein?" Die beiden Bladebreakers tauschten einen leichten Blick aus. Dr. Mikase war ein überaus korrekter Japaner und die beiden kamen damit nicht unbedingt gut klar. Abgesehen von Kenny und Tyson waren sie nur Halbjapaner - und in Rays Fall gar keiner - und hatten nicht viel mit den höflichen Umgangsformen am Hut. Natürlich hatten sie in den vier Jahren, die sie alle in dem Inselstaat lebten, die geläufigen Umgangsformen gelernt, aber es war ihnen immer ein wenig unangenehm. Das Team untereinander benutzte sie nicht und auch bei Mr. Dickenson, der aus England stammte, war das nicht nötig. Jedes Mal hatten die ausländischen Teammitglieder Angst, irgendetwas falsch zu machen. Japaner waren bei so etwas empfindlich. Trotzdem schafften sie es irgendwie, die Begrüßung ohne Fauxpas zu bestehen und Ray fragte den Arzt, ob er etwas trinken wollte.

"Ich danke Ihnen, Kon-san, doch ich denke, wir sollten gleich anfangen - wenn Sie nichts dagegen haben, Hiwatari-san?"

Kai schüttelte den Kopf und beide schauten Ray erwartungsvoll an.

Dieser brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, was sie von ihm wollten. "Ähm, dann geh' ich mal auf mein Zimmer."
 

So ein Mist! Eigentlich war sein Plan doch gewesen, bei der Untersuchung dabei zu sein, um herauszufinden, was genau mit Kai passiert war. Da er es nicht freiwillig verraten wollte, hatte Ray sich für diesen kleinen Trick entschieden. Leider war er direkt am Anfang durchschaut worden. Grummelnd stieg er die gewundene Treppe zur Galerie hinauf. Im Obergeschoss war es mittlerweile stockdunkel, obwohl draußen noch ein bisschen Licht vorhanden war. Wer hatte sich denn diese Bauform ausgedacht? Ray sah seine eigene Hand nicht vor den Augen. Wer weiß, was sich hier alles in der Dunkelheit versteckte und nur darauf wartete, dass er darüber fiel. Fast augenblicklich machte es in Rays Kopf 'Klick!'. Hier oben war es stockfinster, keiner würde es sehen, wenn er sich hier oben versteckte. So konnte er perfekt lauschen, ohne entdeckt zu werden. Er musste es nur geschickt anstellen, damit sie ihm nicht auf die Schliche kamen. Weiter grummelnd ging er bis zu seinem Zimmer. Er öffnete die Tür, doch statt hindurchzugehen, schlug er sie nach ein paar Sekunden zu und ließ sich an der Wand hinab auf den Boden gleiten. Ray hielt den Atem an und lauschte. Wenn sie seinen Trick durchschaut hatten, dann würde es richtig Ärger geben, das wusste er. Aber diese Chance konnte er sich einfach nicht entgehen lassen. Nicht, wenn Kai so verschlossen war wie zuletzt. Er wartete…

"Gut, ich denke, wir sollten gleich anfangen. Möchten Sie zuerst die Untersuchungsergebnisse durchgehen oder soll ich erst die Verbände kontrollieren?"
 

Kai stand mittlerweile mit nacktem Oberkörper im Wohnzimmer der Berghütte und fühlte sich mehr als unwohl. Dr. Mikase, der gerade die Verbände abwickelte, machte ihn nervös. Allein mit einem fremden Menschen zu sein reizte seine Nerven. Außerdem fühlte er sich beobachtet und diese starke Paranoia beunruhigte ihn zusätzlich. Er wusste, dass hier keiner war. Außer dem Team und der BBA wusste keiner, wo er zu finden war. Trotzdem war es sehr unangenehm. Die Blicke schienen aus dem Schatten zu kommen. Er musste dringend etwas gegen diese paranoiden Gedanken tun, aber er hatte einfach keine Kraft dafür. Vorerst musste Kai damit leben. Er war schon froh, dass keiner seiner Teamkameraden in der Nähe war. Die russischen Ärzte hatten ihn nach dem Unfall buchstäblich von Kopf bis Fuß untersucht und dabei Verletzungen gefunden, die garantiert nicht von einem Autounfall stammten. Natürlich würde auch Dr. Mikase Bescheid wissen und wenn er danach fragte, wollte er keine Mithörer haben. Das würde er nicht ertragen.
 

"Die Wunden auf Ihren Rücken sind sehr gut verheilt. Manche sieht man noch, aber die werden Ihnen keine Probleme bereiten. Allerdings dieser Schnitt an ihrem Oberarm - was ist damit passiert?" "Gestern auf dem Weg vom BBA-Flughafen nach Tokio musste der Bus scharf bremsen und jemand hat mich am Arm festgehalten, damit ich nicht stürze. Ich nehme an, dabei ist sie wieder aufgegangen."

"Ja, das sieht nicht gut aus. Ich fürchte, wir müssen den Schnitt nähen."

"Ich wollte schon in Russland, dass das genäht wird, aber dort hat man nicht auf mich gehört und gemeint, ein einfaches Pflaster wäre ausreichend."

"Das wäre es auch gewesen, aber der kleine Zwischenfall hat die Wundränder eingerissen. Ich müsste die Verletzung wenigstens klammern und dann können wir sie auch gleich nähen. Allerdings kann ich Ihnen keine Betäubung anbieten," Dr. Mikase zuckte entschuldigend mit den Schultern, "Es ist Ihre Entscheidung."

"Nähen Sie den Schnitt ruhig, Mikase-sensai. Es wird auch ohne Betäubung gehen." Die Worte kamen mutiger heraus, als er sich fühlte. Ohne Betäubung würde das eine sehr schmerzhafte und unangenehme Angelegenheit werden. Allerdings würde Rumjammern jetzt auch nichts helfen.
 

Oben in seinem Versteck verzog Ray entsetzt das Gesicht. Hätte er bei dem scharfen Bremsvorgang Kai ein wenig anders aufgefangen, wäre die Wunde nicht erneut aufgerissen und dann hätte sie jetzt nicht genäht werden müssen. Ohne Betäubung! Noch während dieser Gedanken drang ein unterdrücktes Knurren aus dem Wohnzimmer nach oben. Es klang schmerzhaft. Bei jedem Laut zuckte er zusammen und fühlte sich schuldig. Nicht eine Sekunde hatte er über die Gründe für die gestrige Aufregung gesucht. Das Blut war einfach da gewesen und sie hatten gemeinsam Abhilfe geschafft. Im Nachgang war er wirklich seltsam blind gewesen. Dass er nicht für eine Sekunde daran gedacht hatte, dass das genau die Stelle gewesen war, an der er sich festgeklammert hatte. Andererseits... wer hätte das auch ahnen können? Und eigentlich war er ja auch nicht unbedingt schuld daran.

Die Geräusche von unten weckten in Ray die morbide Neugier, zusehen zu wollen und so rutschte er lautlos auf den Knien an das Geländer. Wenn er von dort nach unten sah, konnte man ihn zwar entdecken, aber er wollte das unbedingt sehen. Viel konnte man jedoch nicht erkennen. Kai hatte den rechten Arm ausgestreckt und hielt ihn in dieser Position, solange Dr. Mikase daran arbeitete. Mit der linken Faust unterdrückte er das Stöhnen, das zweifellos von den Schmerzen durch die Behandlung herrührte. Der Anblick tat Ray selbst weh und er hielt es nur ein paar Augenblicke aus, bevor er sich wieder in den Schatten zurückzog. Lieber doch nur zuhören. Obwohl er eigentlich nichts gesehen hatte, war ihm schlecht geworden. Ob es so eine gute Idee gewesen war, heimlich Mäuschen zu spielen? Vielleicht war das die Strafe dafür.
 

Der Schmerz war massiv, aber Kai hatte schon Schlimmeres erlebt - und das nicht nur durch den exzessiven Drogenmissbrauch. Wenigstens war der Schnitt dann endlich genäht und würde keine Probleme mehr machen. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, dann war Dr. Mikase endlich fertig. Der Arm fühlte sich heiß und schwer an, aber da musste er jetzt durch. Schlimmer war dieses andauernde Gefühl, beobachtet zu werden. Und hörte er da nicht noch andere keuchende Atemzüge, die sich kaum von seinen unterschieden? Er durfte jetzt keine Panikattacke bekommen, schon gar nicht, wenn er nicht allein war. Und er durfte auch Ray nicht vergessen.
 

"So, fertig. Ich habe eine spezielle Folie über die Naht geklebt, so dass sie wasserdicht ist. Die restlichen Wunden sehen sehr gut aus. Ihre Rippenbrüche sind gut verheilt. Allerdings kann man das von Ihren Fingern nicht behaupten. Die Röntgenbilder zeigen, dass sich um die Gelenke eine Knochenwulst* gebildet hat. Sie werden leider nicht mehr in der Lage sein, die Finger einzuknicken. Man kann die Gelenke chirurgisch sanieren, in Anbetracht Ihrer zahlreichen Verletzungen und Ihres körperlichen Zustands müssen wir damit aber noch warten. Meine Kollegen und ich gehen davon aus, dass man die Operation in frühestens sechs Monaten in Angriff nehmen kann, wenn wir sicher sind, dass keine Spätfolgen auftreten. Es tut mir leid, Hiwatari-san."

Damit hatte Kai bereits gerechnet. Schon vor seinem Aufenthalt in Russland waren diese Finger nur unter Schmerzen zu benutzen gewesen, ein kleines Andenken von Balkov und seinem Großvater. Es machte ihn wütend, dass diese vier schmerzvollen Jahre sozusagen umsonst gewesen waren, jetzt, wo er keinen Finger mehr rühren konnte. Diese verdammten Schweine!

"Sie scheinen nicht schockiert zu sein. Wie oft schon?" Der Arzt sah ihn mitfühlend an. "Ich habe aufgehört, mitzuzählen.", war seine trockene Antwort.
 

Oben in seinem Versteck atmete Ray entsetzt durch. Kais Finger waren steif? Was bedeutete das für ihn, was bedeutet das für das Team? Beybladen war das, was sie alle miteinander verband. Nur durch den Sport hatten sie sich überhaupt kennen gelernt. Sie waren zusammengewachsen. Ray hatte plötzlich Angst, dass sich eine Menge ändern würde, wenn sie dieses Band nicht mehr hätten.
 

"Den Gips können wir dann abnehmen, denke ich. Ich habe Ihnen eine spezielle Schiene mitgebracht, die ihre Finger vor künftigen Verletzungen schützen wird. Weil Sie sie nicht mehr einknicken können, müssen Sie besonders darauf achten, keine Schläge oder Stöße gegen die Hand zu bekommen." Ein metallisches Geräusch begleitete die Arbeit des Arztes. Sobald der Gips abgenommen war, versuchte Kai ein paar Übungen mit den Fingern, aber es tat sich nichts. Er seufzte resigniert. Das war der erste bleibende Schaden, den er Biovolt verdankte.

Er durfte den Pullover wieder überziehen. Unwillkürlich zitterte er, denn als nächstes würde sich Dr. Mikase seine Beine ansehen wollen. In Unterwäsche in einem fremden Haus vor einem fremden Mann zu stehen war mehr als unangenehm. Das war mehr Nähe, als er einem Menschen zugestehen wollte, aber unvermeidbar. Immer wieder redete er sich ein, dass es nur zu medizinischen Zwecken war, aber seinen verschreckten Geist konnte er nicht beruhigen. Noch war es allerdings nicht so weit und er konnte die Panik noch zurückhalten.
 

"Die Schiene können Sie jederzeit abnehmen, auch wenn ich Ihnen das nur zum Waschen empfehlen würde. Sie müssen wirklich vorsichtig mit der Hand sein." Sein Patient nickte. Dr. Mikase wusste, dass nun der unangenehme Teil wartete, aber er hatte eine Idee. "Hiwatari-san, da drüben liegt eine Decke. Wenn Sie dann bitte Ihre Hose kurz ausziehen, damit ich mir Ihr Bein ansehen kann, können Sie sich die Decke gerne umlegen, damit Sie nicht frieren. Eine Erkältung ist wirklich das Letzte, was wir wollen."

Dankbar nickte Kai ihm zu. Der Arzt schien bemerkt zu haben, wie unangenehm ihm die Sache war. Die Decke bot eine gute Alternative, auch wenn er sich immer noch nicht wohl in seiner Haut fühlte. Trotz allem war zwischen Dr. Mikase und ihm nur diese dünne Decke. Irgendwie musste er es trotzdem ertragen. Kai wickelte sich in das Wolltuch ein und ließ sich auf eines der Sofas fallen. Zaghaft streckte er das gegipste Bein aus.

"Die Röntgenaufnahmen zeigen, dass der Bruch gut verheilt, aber Sie sollten sich wirklich noch schonen. Wenn Sie Krücken benutzen würden, würde das auch den Heilungsprozess beschleunigen. Aber ich wurde bereits von meinen Kollegen gewarnt, dass Sie in der Beziehung ein Dickkopf sind. Wie schon für die Hand, habe ich Ihnen auch für das Bein eine abnehmbare Schiene mitgebracht. Sie müssen sie unbedingt noch mindestens zwei Wochen lang tragen, aber sie können sie beim Waschen abnehmen. Alle anderen Verletzungen sind ebenfalls gut verheilt."
 

Ray fand, dass immerhin das eine gute Nachricht war. Wenigstens waren alle oberflächlichen Verletzungen gut verheilt und dem Bein schien es besser zu gehen. Vielleicht würde das seinen Mitbewohner ein wenig aufmuntern. Er hielt es fast nicht mehr aus. Eigentlich wollte er nach unten gehen und Kai trösten, doch dann würde er sich verraten. Außerdem: Kai schien nicht den Eindruck zu machen, dass er momentan Hilfe oder Trost wollte. Irgendwie war es auch ein bisschen unfair. Sechs lange Monate hatten sie auf seine Rückkehr gewartet und er wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Wie oft hatte Ray sich gewünscht, Kai würde wieder auftauchen? Er würde in der Tür stehen und im Nu wären sie beide glücklich und zufrieden. Das schien jetzt in weiter Ferne. Wie lange würde er darauf warten müssen, dass sein Phönix wieder normal wurde? Und wie lange würde er selber warten können? Er hatte das Gefühl, das er im Aufzug gehabt hatte, nicht vergessen und auch nicht, welch immense Anziehung er gespürt hatte, als sie gemeinsam auf dem Sofa gesessen hatten.
 

Kai war mittlerweile von seinen Gipsen befreit, alle Kleidungsstücke waren wieder an Ort und Stelle und er konnte sich etwas entspannen.

"So, damit sind wir zumindest mit den Verletzungen durch. Da alles soweit ganz gut verheilt ist, abgesehen natürlich von dem genähten Schnitt, sehe ich keinen Grund, warum Sie nicht wieder normal duschen könnten. Allerdings weise ich Sie darauf hin, es nicht zu übertreiben und auch nicht zu heißes Wasser zu verwenden. Ihr Blutdruck könnte dabei ansteigen und doch noch irgendwelche Schäden anrichten.

Ihre Blutwerte haben einen akuten Vitaminmangel ergeben. Sie müssen wieder normal essen, Hiwatari-san, aber ich denke, das wissen Sie selbst. Schonen Sie sich! Keine langen Spaziergänge oder Klettertouren durch die Gegend. Es ist nichts gegen ein bisschen Bewegung einzuwenden, aber in Maßen. Sie müssen mehr schlafen. Außerdem wollte ich Sie fragen - haben Sie über eine Therapie nachgedacht?"

Da war sie, die Frage. Natürlich wusste er, worauf Dr. Mikase anspielte und er hatte darüber nachgedacht, aber sah derzeit keinen dringenden Bedarf daran. Ein Hiwatari wurde selbst mit seinen Problemen fertig und ein Psychotherapeut war eine völlig fremde Person, der er seine Probleme anvertrauen sollte. Das konnte er einfach nicht.

"Nun, Sie müssen sich nicht gleich entscheiden. Falls Sie doch soweit sind, hier habe ich eine Telefonnummer. Ich habe mit Hino-sensai zusammen studiert und sie ist wirklich eine sehr gute und einfühlsame Ärztin. Sie hat eine Praxis in Tokio und erwartet Ihren Anruf."

Wortlos nahm Kai die hingehaltene Visitenkarte den Höflichkeitsregeln entsprechend mit beiden Händen entgegen und betrachtete sie einige Sekunden, bevor er sie vorsichtig auf dem kleinen Beistelltisch ablegte. Die Ärztin wusste also schon Bescheid? Wie viel hatte man ihr erzählt?

"Keine Sorge, ich habe ihr lediglich von einem Patienten erzählt, der ihre Hilfe gebrauchen könnte. Sollten Sie sie kontaktieren, sagen Sie, dass ich Sie geschickt habe. Sie weiß dann schon Bescheid. Ich lasse Ihnen außerdem noch ein paar Vitaminpillen und Schmerztabletten hier. Die Vitamine nehmen Sie am besten zu jeder Mahlzeit ein und die Schmerzmittel je nach Bedarf. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Hiwatari-san?"
 

Oben in der Dunkelheit war Ray hellhörig geworden. Um was für eine Therapie ging es? Was hatte Kai für Probleme, die ein Therapeut lösen sollte? Oder besser gesagt eine Therapeutin in Tokio. Ging es dabei um ein körperliches Problem oder um etwas Geistiges? Irgendwie gefiel das Ray nicht. Der Gedanke, dass Kai einen Knacks im Kopf hatte, war ihm unangenehm. So hatte er sich seine Zukunft nicht vorgestellt. Wie lange würde es dauern, bis dieser Albtraum endlich vorbei war? Erst diese endlosen Monate und auch jetzt konnte er nicht mit Kai über seine Gefühle reden. Er sah ein, dass sein Teamcaptain erst wieder in die Spur kommen musste, aber wo würde er dabei bleiben?


Nachwort zu diesem Kapitel:
* Nachtrag zu diesem Kapitel: Ich habe im Vorfeld einigermaßen recherchiert um so präzise wie möglich und auch so realitätsnah wie möglich zu sein. Allerdings gehört zu meinem Lebenslauf kein Medizinstudium und das, was ich an Informationen gesucht und gefunden habe war sicherlich mehr als dürftig. Ich bitte also darum, dass die zwangsläufig falschen bzw. abstrusen Dinge, die hier beschrieben wurden, der künstlerischen Freiheit zugerechnet werden.

Ansonsten sehen wir uns nächste Woche in gewohnter Frische zum nächsten Teil wieder. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  LeilanaSirana
2015-12-01T16:20:56+00:00 01.12.2015 17:20
Hey,

also ich finde du hast das mit den Verletzungen und Kais Zustand ganz gut hinbekommen. ^^
an sich ist dir der Kappi wieder gut gelungen

man kann sich auch gut in Kais Lage versetzten wieso ihm die Behandlung so unangenehm ist
und dann fühlt er sich auch noch (zu recht) beobachtet- böser Ray

Immerhin ist einiges an seinen Verletzungen ganz gut verheilt- gott sei dank könnte es sonst dem A*** nicht verzeihen!
Aber ich kann mir auch vorstellen das sowohl die anderen äußerlichen Wunden als auch die seelischen Wunden noch brauchen werden um zu heilen bei Kai....
Aber sein Team wird ihn in diesem Fall bestimmt unterstützen, da bin ich mir sicher ;)
vorallem von Ray Seite her.

Ich freue mich schon wie es nun wohl weitergehen wird.
Ich habe nämlich das Gefühl das es jetzt erst richtig anfangen wird.
Freue mich schon auf demnächst dann wieder bd ^^

LG LeilanaSirana
Antwort von:  Winterwolke
08.12.2015 23:13
Hi und vielen Dank für deine Kommentare.
Ich bin selbst noch unsicher, wie lang die Geschichte wird, hauptsächlich weil Teile manchmal länger werden, als sie es sollten... Aber wir können wohl davon ausgehen, dass wir uns hier noch im 1. Drittel befinden.
Und vielleicht hebst du dir deine Hassgefühle noch ein bisschen auf. Könnten sich später noch als nützlich erweisen ^.^


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