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Last Desire 12

von

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Elohim erwacht

Es war früh am morgen, als L und Beyond langsam aufstanden und sich müde ins Badezimmer schleppten. Ein Blick auf die Uhr genügte um festzustellen, dass sie viel zu früh aufgestanden waren und ihre Nacht damit viel zu kurz war. Nun, sie wurden dafür entschädigt als sie nach einer heißen Dusche nach unten gingen und sahen, dass Lacie ein englisches Frühstück vorbereitet hatte. Fast alle saßen bereits am Tisch, nur Ezra fehlte und so wie sich herausstellte, hatte sich sein Gesundheitszustand nicht sonderlich gebessert und wie sie hörten, konnte er sich eh nicht sonderlich bewegen, da er starke Schmerzen hatte. „Ist es schlimm?“ erkundigte sich L bei seiner Mutter, die in der Familie nach Hesters Tod die medizinische Betreuung übernommen hatte. Sie konnte ihn beruhigen. „Das sind die Wachstumsschmerzen. Bei Jungs kommt so was ja immer auf dem letzten Drücker und da Ezra ohnehin wegen seiner Erkältung leichtes Fieber hat, habe ich ihm erst mal Schmerzmittel gegeben und ihm gesagt, er solle heute im Bett liegen bleiben. Inzwischen schläft er aber wieder.“ Nun, wenn es nichts Ernstes war, brauchten sie sich ja keine Sorgen zu machen. Gleich schon, als sie sich setzten, goss Lacie ihnen einen Kaffee ein und sie wirkte gut gelaunt. Obwohl sie immer noch diese aristokratische Ausstrahlung und diese kühle Schönheit besaß, so wirkte sie viel lebhafter und fröhlicher als gestern, als sie sie gerettet hatten. Sie hatte ein richtiges Leuchten in den Augen und schien Spaß daran zu haben, hier in der Runde zu sitzen. Beyond wandte sich an Frederica. „Da hast du dir aber mit dem Frühstück Mühe gegeben.“ Das Albinomädchen lächelte verlegen und erklärte „Das war nicht ich. Als ich aufgewacht bin, stand Lacie bereits in der Küche.“

„Ich dachte mir, dass dies ein guter Weg ist, mich für eure Rettung und für die Gastfreundschaft zu bedanken, dir ihr mir entgegenbringt. Und ehrlich gesagt freue ich mich auch, dass ich mit so vielen Leuten zusammensitzen kann, da ich für gewöhnlich alleine in meiner Wohnung bin.“ L versuchte sich an das letzte Mal zu erinnern, dass er ein typisch englisches Frühstück hatte. Nun, seine Mutter hatte sich damals kaum die Mühe gemacht und meist war das immer geschehen, wenn sie arbeiten musste und sein Vater stattdessen das Frühstück gemacht hatte. Sein Blick wanderte schließlich zu Liam, dessen Blick irgendwie noch düsterer war als die letzten Tage auch schon und er war auch deutlich schweigsamer geworden. Ein Zeichen dafür, dass er sich Gedanken machte. Und wahrscheinlich war es auch seine Sorge um Jeremiel, die ihn ins Schweigen verfallen ließ. „Schon etwas Neues von Eva?“ erkundigte sich L und sogleich kam ein Kopfschütteln von dem Mafiaboss, der sich mit einer Tasse schwarzen Kaffee begnügte. „Sie liegt immer noch im Koma. Samajim kommt nachher vorbei, als ich ihn über unser Vorhaben in Kenntnis gesetzt habe. Er wollte noch ein paar Fragen klären, die er an Elohim hat.“ Aha… na dann konnte doch eigentlich nicht viel schief gehen, wenn Samajim dabei war. Schließlich aber bekam L einen Seitenstoß von Sheol, der leichte Augenringe hatte. Offenbar hatte er wohl nicht so gut geschlafen. „Sag mal, Elion wird doch wieder normal werden, wenn wir das wirklich machen. Er wird doch nicht für immer Elohim bleiben, oder?“ Ein fragender Blick wanderte zu Lacie, die eindeutig mehr darüber Bescheid zu wissen schien. Sie konnte Sheol und auch Elion diese Sorge nehmen und erklärte „Das wird nicht dauerhaft so bleiben, keine Sorge. Das Problem ist einfach, dass menschliche Körper nicht fähig sind, eine solche Kraft auszuhalten. Sie würden daran sterben und der Körper eines Proxys ist auch nicht unendlich belastbar. Immerhin hat Elion zwei Seelen in seinem Körper und wenn Elohim die Kontrolle übernimmt, verbraucht es viel Kraft und deshalb kann er auch nicht dauerhaft in diesem Zustand bleiben. Ich denke, dass es maximal ein paar Stunden dauert, aber mehr auch nicht.“ Das hieß also, so oder so würde Elohim wieder verschwinden, wenn Elion am Ende seiner Kräfte war. Nun, wenn die Situation tatsächlich eskalierte, dann brauchten sie sich schon mal keine allzu großen Sorgen machen. Also stand es fest, dass sie Lacies Angebot annahmen und Elohim aufweckten, wenn Samajim da war. Zuletzt fragten sie Elion nach seiner Meinung und ob er dazu einverstanden war. Der Proxy, der nach Liams aufbauenden Worten und dem Besuch bei der Wahrsagerin neuen Mut geschöpft hatte, nickte und fügte hinzu „Wenn das der beste Weg ist, um Jeremiel zu retten, dann werde ich alles tun, was ich tun kann. Ich will doch auch, dass ihm nichts passiert und dass wir Mutter aufhalten können.“ Eines musste man Elion lassen: er war wirklich eine treue Seele und er war genauso bereit wie jeder andere auch, jedes Opfer zu bringen, um den Alpha-Proxy aufhalten. Aber man merkte trotzdem, dass diese Sache ihm Kopfschmerzen bereitete und er senkte den Blick. „Trotzdem habe ich Angst.“ „Das brauchst du nicht“, beruhigte Nastasja ihn und nahm seine Hand. „Es wird alles gut werden, das verspreche ich dir. Glaub mir, keiner von uns wird zulassen, dass du für immer verschwindest. Du hast genauso ein Recht zu leben wie jeder Mensch auf der Welt. Und dabei spielt es auch keine Rolle, ob du ein Proxy bist, oder nicht.“ Nach dem Frühstück räumten Frederica und Lacie auf, während Elion und Sheol nach Ezra sehen wollten. Liam telefonierte derweil mit seinen Leuten, um neue Anweisungen zu erteilen und Nastasja und Dathan waren derweil unter sich. Das Albinomädchen war schon ein wenig aufgeregt und das blieb der geheimnisvollen Engländerin nicht verborgen. Als Frederica versehentlich einen Teller fallen ließ, kam sie zu ihr hin, um ihr beim Aufsammeln der Scherben zu helfen. „Das Ganze ist schon sehr nervenaufreibend, nicht wahr?“ „Ja“, gab Frederica zu und seufzte. „Immerhin treffe ich gleich Evas Mentor, der ja auch eine Vaterfigur für sie ist. Und ehrlich gesagt bin ich auch schon nervös genug, weil wir Elohim aufwecken wollen. Ich habe ja selbst gesehen, wie stark er ist und so etwas habe ich noch nie erlebt. Eva und Liam haben ja nie ihre ganze Kraft freigesetzt und als sich der Vorfall in der Fabrik ereignete, hab ich es ehrlich gesagt auch mit der Angst zu tun bekommen. Aber sag das bitte nicht L und den anderen, ja?“ „Kein Problem. Aber es ist doch nicht schlimm, Angst zu haben.“

„Ich weiß, aber… L verlässt sich auch auf mich, weil ich eben eine Unvergängliche bin. Er leidet doch sowieso schon unter diesem Druck und wenn ich auch noch anfange, schwach zu werden, dann wird es noch ein böses Ende nehmen, das weiß ich. Wir alle versuchen, für den anderen stark zu sein und wenn nur einer einknickt, dann wird alles zusammenbrechen, davor habe ich Angst.“

„Das glaube ich nicht, dass es so schlimm enden wird. Man darf nur nicht den Glauben aufgeben. Ich jedenfalls bin mir sicher, dass wir es gemeinsam schaffen werden und dass es für uns alle ein glückliches Ende gibt. Wenn es tatsächlich so wäre, dass wir es nicht schaffen könnten, dann hätte Madame Arcana doch etwas gesehen und uns das auch gesagt. Außerdem hat Samajim ja einen Plan, wie wir es schaffen können und ich denke, es war auch eingeplant gewesen, dass ich zu euch dazustoße, um euch zu unterstützen. Deshalb sehe ich auch eigentlich keinen Grund, Angst zu haben.“ Dieser Optimismus war ja schon fast beneidenswert. Nachdem sie die Scherben beseitigt hatten, ging Lacie zum Klavier hin, welches sie bereits in der Nacht gespielt hatte und setzte sich. Früher hatte Alice hier ihre Stücke gespielt… Sie setzte sich auf den kleinen Hocker und begann langsam und leise die ersten Töne zu spielen. Es war „Schwanensee“, eines ihrer Lieblingsstücke. Während sie spielte, hatte sie die Augen geschlossen und bemerkte nicht, dass Nastasja neben dem Klavier stand, sich mit verschränkten Armen gegen die Wand lehnte und sie beobachtete. Und als sie es sah, da lächelte sie nur und spielte weiter. „Entschuldige. Ich habe mich wohl ein bisschen zu sehr hingegeben.“ Nastasja sagte erst nichts und sie beobachtete Lacie durch ihre Brille genau. Dann aber murmelte sie nachdenklich „Es ist verrückt.“ „Was?“ „Du hast für einen Moment wie Alice ausgesehen. Und auch sonst… dieselbe gewählte Art zu reden… die Liebe fürs englische Frühstück… das Interesse für Bücher und dann auch noch die Leidenschaft fürs Klavier.“

„Alice und ich hatten schon immer viele Gemeinsamkeiten.“

„Zu viele…“, kommentierte die Russin und es zeigte sich deutlich, dass sie der blonden Engländerin nicht wirklich traute. Doch das störte diese nicht wirklich. „Tja, man kann das vielleicht Seelenverwandtschaft nennen und wir konnten uns deshalb so gut miteinander identifizieren, genauso mit der Musik. Ich habe schon immer Tschaikowskis „Schwanensee“ sehr geliebt, obwohl es traurig war. Ich meine, das arme Mädchen wird erst verzaubert und als sie ihrer Rettung von dem Zauber nahe ist, taucht der Zauberer mit ihrem bösen Ebenbild auf und täuscht den Prinz, sodass er der Falschen seine ewige Liebe schwört. Und das Ende war immer, dass entweder das Schwanenmädchen oder ihr Prinz stirbt. Und dann habe ich auch eine Version gesehen, wo beide sterben. Aber bislang konnte ich nie ein Ende finden, wo sie beide ihr Glück finden. Trotzdem glaube ich, dass vielleicht irgendwo mal eine Version von „Schwanensee“ aufgeführt wird, wo beide überleben und glücklich werden können. Aber Alice hatte da immer ein anderes Lied geliebt. Ich weiß nur leider nicht mehr, wie es ging.“

„Was genau hast du eigentlich vor?“

„Ist das nicht offensichtlich? Ich möchte euch helfen und dafür sorgen, dass Dathan sein Glück findet. Er ist ein sehr guter Freund von mir und da liegt es mir sehr am Herzen, dass er glücklich wird. Darum war ich auch gestern sehr erstaunt, aber auch sehr froh, als er mir von euch beiden erzählte. Damit hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet, weil er ja für gewöhnlich sehr scheu ist und große Berührungsängste hat. Aber als ich ihn mit euch sah, da wirkte er viel selbstbewusster als sonst und ich habe ihn sogar richtig lächeln sehen. Und… dafür möchte ich mich bedanken, dass ihr euch so gut um ihn kümmert und dass er besonders dank dir endlich den Mut gefunden hat, auf andere zuzugehen, nachdem er in den letzten zwei Jahren so gut wie nie das Haus verlassen hat.“

„Dann läuft da gar nichts zwischen euch?“ Als Lacie das hörte, unterbrach sie ihr Spiel und sah Nastasja perplex an. Dann aber musste sie lachen. Nun verstand sie so langsam das Misstrauen von Nastasja und war insgeheim erleichtert. Sie schüttelte den Kopf und erklärte „Nein, ich habe in dem Sinne auch kein solches Interesse für Dathan. Es ist nur so, dass er mir als guter Freund wichtig ist und ich mich ein Stück weit für ihn verantwortlich fühle. Außer mir und Samajim hatte er sonst niemanden und er brauchte jemanden zum reden. Da brauchst du dir keine Gedanken machen. Es gibt schon jemanden, dem mein Herz gehört.“ Damit begann Lacie nun die Mondscheinsonate zu spielen und so langsam entspannten sich auch Nastasjas Gesichtszüge. Zwar wusste sie immer noch nicht so wirklich, was sie von dieser Lacie halten sollte, aber zumindest war das geklärt. Sie hatte schon fast damit gerechnet, dass diese Frau mehr von Dathan wollte als nur Freundschaft. Als es langsam Mittag wurde, klingelte es an der Haustür und Frederica ging hin, um zu sehen, wer da war. Und als sie Samajim persönlich im Türrahmen stehen sah, da blieben ihr erst mal die Worte im Hals stecken. Dann aber verbeugte sie sich tief und grüßte ihn. „Guten Tag, Sie sind sicher wegen… ähm… also…“ Sie hatte vor lauter Aufregung vollkommen vergessen, was sie sagen sollte, aber Samajim lächelte nur amüsiert darüber und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Wir brauchen doch nicht gleich so förmlich zu werden. Ich bin sowieso nicht der Typ für so etwas. Du bist sicherlich Frederica, Evas letzter lebende Abkömmling, nicht wahr?“

„J-ja…“

„Schön, auch mal die Person kennen zu lernen, die es geschafft hat, 58 Male die Zeit zurückzudrehen, um Evas Wunsch zu erfüllen. Na komm, gehen wir doch erst mal wieder rein. Es ist ziemlich kalt.“ Damit ging Samajim herein und legte sogleich seinen Schal und seinen Mantel ab. Er trug wieder seine Kleidung als Pfarrer und schien heute ohne Begleitung zu sein. Wahrscheinlich hatte er seinem Diener Nabi mal wieder irgendwelche Aufgaben gegeben, die dieser noch abarbeiten musste. Frederica führte ihn ins Wohnzimmer, wo ein paar von ihnen bereits warteten. Samajim grüßte sie gut gelaunt und machte es sich in einem Sessel bequem. „Und wie schaut’s bei euch soweit aus? Hat der Besuch bei Minha was gebracht?“ „Wie man’s nimmt“, antwortete Liam. „Dass Jeremiel die Karte des Todes erhält, hat nicht sonderlich dafür gesorgt, dass wir uns beruhigen konnten. Und ehrlich gesagt erkenne ich nicht so wirklich den Sinn mit dieser Aktion.“ Nachdem Frederica Samajim einen Tee gebracht hatte, gab dieser drei Löffel Zucker hinein und erklärte es ihnen. „Wie ich schon sagte: es war eine kleine Aufmerksamkeit meinerseits für das, was ihr tut. Denn immerhin seid ihr mit der Bürde aufgewachsen, unsere Konflikte zu beenden, um diese Welt vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Für euch mag es vielleicht nur billige Jahrmarktsgaukelei gewesen sein, aber vergesst nicht, dass Minha als eine der großen Alten auch die Händlerin der tausend Wunder genannt wird. Sie hatte keinen Einfluss darauf, was euch offenbart wurde. Es waren die Zeichen des Schicksals, die den bisherigen Verlauf eures Lebens und auch eure Zukunft offenbaren. Es sind kleine Wegweiser, die sie euch mit an die Hand gegeben hat, damit ihr für euch erkennt, welchen Weg ihr gehen wollt, ganz unabhängig von der jetzigen Situation. Und sie hat euch die Antwort auf die Frage mitgegeben, wie ihr den Feind besiegen könnt und wie es ausgehen wird. Aber das ist es auch nicht, weshalb ich hier bin. Ihr wolltet Elohim wecken und da ich persönlich noch etwas mit meinem alten Freund zu klären habe, wollte ich gerne dabei sein. Also, wo ist euer Proxy-Freund?“ Nastasja stand auf, um ihn holen zu gehen, doch das war nicht mehr nötig, denn da kam auch schon Lacie mit ihm und Dathan in Begleitung ins Wohnzimmer und grüßte sogleich Samajim mit einer freundschaftlichen Umarmung, Dathan tat dasselbe, bevor auch sie Platz nahmen. Elion wirkte sehr nervös und in seiner Hand hielt er einen kleinen Schlüsselanhänger mit einem Teddybären, den er von Ezra geschenkt bekommen hatte. Seine Hand zitterte sogar ein wenig. Er atmete tief durch und versuchte, sich irgendwie zu entspannen. „Versprecht mir bitte, dass Ezra mich nicht in diesem Zustand sieht, okay?“ „Darüber mach dir mal keine Sorgen“, beruhigte Nastasja ihn und strich ihm in einer mütterlichen Art und Weise durchs Haar. „Wir sind alle bei dir und es wird schon nichts passieren. Sheol ist erst mal bei ihm und Ezra wird sowieso im Bett liegen bleiben.“ Dieser Gedanke beruhigte den Proxy ein wenig, denn er hatte schon Angst, dass Ezra ihn so sehen und dass es vielleicht ihr Verhältnis zueinander beeinträchtigen könnte. Das wäre das Allerschlimmste für ihn und das wussten sie alle. Deshalb konnte jeder seine Angst auch nachvollziehen. Schließlich ging Lacie zu ihm hin und riet ihm, sich zu setzen mit der Erklärung „Es kann gut sein, dass du gleich kurz ohnmächtig wirst und du könntest dich dann schlimmstenfalls noch verletzen.“ Also nahm Elion Platz und sie alle warteten gespannt, was Lacie nun vorhatte. Diese begab sich mit ihm auf eine Augenhöhe und sah sie fest an. Dann erhob sie ihre rechte Hand und begann nun damit, langsame Schleifenbewegungen zu machen. „Folge einfach der Bewegung meiner Hand und entspann dich.“ Elion folgte ihrer Anweisung und es wirkte irgendwie so, als wolle die Engländerin ihn auf eine etwas unkonventionelle Art und Weise hypnotisieren. Langsam bewegte sie ihre Hand und dann, als sie sie nach einigen schleifenförmigen Bewegungen ihre Hand nach oben zog und Elion dieser Bewegung folgte, da verdrehte er die Augen und kippte nach vorn. Ganz offensichtlich hatte er das Bewusstsein verloren und er war auch nicht mehr ansprechbar. Dann aber sah Lacie ihn wieder fest an und sprach „Elohim… z’man le-hit’orer…“ Es dauerte eine Sekunde, bis sich etwas tat. Tatsächlich begannen sie eine wachsende Kraft zu spüren, die wie eine gewaltige Welle über sie hereinbrach. Sie war so stark, dass der Boden leicht zitterte und zwei oder drei Gläser urplötzlich zu Bruch gingen. Und dann öffnete der Bewusstlose die Augen. Langsam hob er den Kopf und Lacie ging ein paar Schritte zurück, woraufhin sie sich wieder zu den anderen gesellte. Eine lastende Stille war eingekehrt und sie alle hielten den Atem an, gespannt auf das, was gleich folgen würde. Ein wenig benommen wirkte er wohl noch, doch als sein Blick zu Dathan wanderte, der beinahe fassungslos aussah, da weiteten sich seine Augen und er erhob sich langsam. „Nivkha…“ sagte er mit einer Stimme, die zwar Elions ähnlich klang, aber sich dennoch von ihm unterschied. Sie klang älter und fremder. Nun konnte Dathan nicht mehr an sich halten. Tränen sammelten sich in seinen Augen als er diese vertraute Wärme spürte und auch diese Stimme eindeutig wiedererkannte. „Dad…“, sagte er nur und lief direkt zu ihm hin. Er umarmte ihn und auch Elohim kamen die Tränen, als er seinen Sohn in den Armen hielt. Er hielt ihn fest an sich gedrückt, als wolle er ihn nie wieder loslassen und als sie alle die Freude und die Erleichterung in seinen Augen sahen, da entspannten sie sich alle. „Nivkha… ich kann es einfach nicht glauben. Du lebst wirklich noch. Ich bin so froh… ich hatte schon Angst gehabt, ich hätte dich für immer verloren. Es tut mir leid, dass das alles passiert ist und ich nicht für dich da war. Ich bin ein furchtbarer Vater gewesen.“ „Ich hab dich vermisst, Dad.“ Diese Szene rührte insbesondere Nastasja zu Tränen und sie wurde richtig emotional. Schließlich aber lösten sich Vater und Sohn wieder voneinander und Elohim legte seine Hände auf Dathans Schultern. „Ich kann es nicht glauben, dass du wirklich lebst. Ich hatte wirklich gedacht, sie hätten dich auch getötet. Aber wie…“ Er sprach nicht zuende, denn da bemerkte er Samajim und verstand so einiges. „Samajim… hast du ihn…“ „Ich kann doch wohl schlecht meinen alten Freund im Stich lassen. Na komm her!“ Und damit grüßten sich auch die beiden mit einer Umarmung und dann setzten sie sich wieder. Samajim erklärte Elohim, dass er damals Nivkha gefunden und versteckt habe, nachdem er von dem Attentat erfahren hatte und dass er ihn daraufhin mit in die Menschenwelt gebracht habe, damit dieser dort unerkannt leben konnte. Elohim, der nur sehr wage Erinnerungen an den Krieg selbst hatte, ließ sich alles erzählen und war selbst erschüttert von den ganzen Ereignissen. Aber dann mischte sich Dathan ein, dem eine wichtige Frage unter den Fingernägeln brannte und die er unbedingt beantwortet haben wollte. „Dad, warum ist das alles damals passiert und wieso hast du das getan? Warum hast du diesen Krieg begonnen und deinen besten Freund umgebracht, obwohl er doch gar nichts getan hat? Erklär es mir bitte. Das warst doch nicht du. Du hättest doch nie jemandem etwas getan und du hast mir immer gesagt, dass es falsch ist, andere zu töten oder sie zu unterdrücken. Warum also hast du so etwas Schreckliches getan?“ Ja, das war eine berechtigte Frage und sie waren alle gespannt auf die Antwort. Einen Moment schwieg Elohim und auf seinem Gesicht zeichnete sich Ernst ab. Er sah einen Sohn prüfend an und fragte „Du erinnerst dich also nicht, was in dieser Nacht passiert ist?“ Dathan schüttelte den Kopf und erklärte „Ich habe mich bis vor kurzem an rein gar nichts erinnert. Samajim hat mein Gedächtnis gelöscht und mich glauben lassen, ich sei ein Mensch, weil er mich auf diese Weise vor den großen Alten beschützen wollte. Ich kann mich ehrlich gesagt nur sehr wage an damals erinnern, aber an das Attentat selbst habe ich keine Erinnerungen.“ „Und du hast ihm nichts gesagt?“ fragte Elohim nun Samajim und es war nicht klar herauszuhören, ob es nur eine einfache Frage, oder ein indirekter Vorwurf war. Der Pfarrer faltete die Hände und seufzte. Auch sein Lächeln war verschwunden. „Ich dachte, es wäre das Beste, wenn du es ihm sagst, bevor ich ihm noch etwas Falsches erzähle, weil ich noch nicht alle Zusammenhänge genau kenne.“ Stumm nickte der Unvergängliche und wandte sich wieder seinen Sohn zu. In seinem Blick lag Schmerz und tiefe Trauer. Sie alle begannen zu ahnen, dass etwas viel Schlimmeres passiert sein musste. „Du hattest Geschwister, Nivkha. Insgesamt sechs und du warst der Jüngste von allen. Als sich das Attentat ereignete, brannten sie unser Haus nieder und töteten sie alle, ich selbst wurde schwer verletzt und überlebte nur mit knapper Not. Ich verlor in dieser einen Nacht meine ganze Familie durch die großen Alten und dann töteten sie auch noch einen meiner besten Freunde.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  pri_fairy
2015-01-25T17:50:14+00:00 25.01.2015 18:50
Ein super Kapitel! :) Wie traurig und auch grausam... Kein Wunder, dass Elohim so einen Groll in sich hat.
Von: abgemeldet
2015-01-25T16:13:01+00:00 25.01.2015 17:13
Das Kapitel war großartig *-*


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