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Love Me or Shut Up

Chris und Ryan Two
von

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Sport und Spot

Ryan
 

Draußen war es düster, die schweren Regenwolken zogen gemächlich am Himmel entlang und dicke Tropfen prasselten gegen die Fensterscheiben. Seit dem frühen Morgen hatte es nicht aufgehört zu regnen. Ryan wollte wie jeden Tag um die Zeit hinaus, aber er entschloss sich doch das es besser wäre drinnen zubleiben. Dass er nass geworden wäre, störte ihn nicht. Er mochte es im Regen spazieren zu gehen und die angenehme Kühle des Regens auf der Haut zu spüren. Viel mehr hatte er keine Lust nachher pitschnass im Klassenzimmer zu sitzen.

Also folgte er seinen Mitschülern vom Klassenraum in die Mensa, in der er bis jetzt noch nicht war. Die meisten Schüler gingen gleich zur Essenausgabe und holten sich ein Tablett, sie setzten sich alle zusammen in Gruppen an die Tische. Ryan setze sich etwas weiter weg in eine Ecke der Mensa. Der Geruch nach allerlei Essen verstärkte seinen Drang hinauszugehen. Aber er blieb sitzen und schaute einfach nur aus dem Fenster und wartete bis der Unterricht wieder weiter ging. Gelegentlich schaute er zu seinen Klassenkameraden die alle zusammen aßen. Die Mädchen unterhielten sich ruhig, ließen sich es aber auch beim Essen nicht nehmen ab und zu einen anzüglichen oder zweideutigen Satz loszuwerden.

Ryan beobachtete wie die einzelnen Tropfen an der Scheibe hinunterliefen und dabei andere einsammelten. Am Horizont wurde es langsam wieder hell und allmählich zeigten sich ein paar Sonnenstrahlen. Als Ryan aus seinen Gedanken erwachte um auf die Uhr zu schauen, war die Mensa nicht mehr ganz so voll. Bis der Unterricht wieder anfing hatte Ryan noch gut Zehn Minuten Zeit, also blieb er noch sitzen.

Auf einmal tat sich neben ihm etwas. Er schaute nicht hin und tat so, als würde er es nicht bemerken. Jemand rückte den Stuhl neben ihm zurück und setzte sich. Aus dem Augenwinkel sah er, dass es ein Mädchen war. Er fragte sich wieso sie sich neben ihn setzte, es gab doch noch genug andere freie Plätze. Insgeheim hoffte er dass sie gleich wieder verschwinden würde.

“Hi, wie geht’s?”, waren ihre ersten Worte. Sie hatte eine angenehm ruhige Stimme. Ryan antwortete nicht und sah sie auch nicht an. Er richtete den Blick ununterbrochen hinaus. “Wieso isst du denn nichts? Hast du keinen Hunger?”

Er blieb weiterhin stur und schaute nur hinaus. Aber ihr schien das nichts auszumachen. In ihrer Stimme schwang ein leichter Ton von Besorgnis mit, der ihn an Chris erinnerte.

“Geht es dir nicht gut? Du siehst ja aus wie Dracula, so bl…” Doch ehe sie ihren Satz beenden konnte, stand Ryan ruckartig auf. Ohne sie auch nur anzusehen, ging Ryan zum Ausgang der Mensa und zurück in seine Klasse. Nach weiteren zwei Stunden war die Schule für heute aus.

Als einer der letzten ging Ryan hinaus. Es war nach dem Regen schön kühl. Die Sonnenstrahlen warfen ihr Licht in die Pfützen auf dem Hof und lies sie scheinen und glänzen. In ihnen spiegelte sich der Himmel ab, an dem langsam das Blau hindurch schien. Ryan lief ziellos über das Gelände. Nur wenige Schüler waren draußen. Auf dem Tennisplatz, wo Ryan Gestern mit Daniel und Tammy gespielt hatte, war niemand.

Dann hörte er Schritte auf dem Kiesweg. Ein Mann mittleren Alters in einem cremefarbenen Anzug kam auf ihn zu. Herr Schreiber mustere ihn von oben bis unten mit einem Blick den Ryan nicht recht zu deuten wusste. Als der Lehrer neben ihm stand fragte er: “Wie geht es dir? Hast du dich gut eingelebt?”

Er führte Ryan über die verschiedenen Sportfelder und redete auf ihn ein, dass er sich doch für eine Sportart entscheiden solle. Doch Ryan lehnte jeden Vorschlag ab. Sport passte nicht zu ihm.

Herr Schreiber war darüber enttäuscht. “Gut. Dann sehen wir uns mal das Nächste an”.

Gleich neben dem Baseballplatz war der Fußballplatz auf dem ein paar Jungs Torschüsse übten. Immer wenn einer ins Tor traf jubelten sie laut. Ryan fand das immer schon albern. Sich so zu freuen nur weil man nach ewigen hin und her ein einziges Tor erzielt hatte.

“Wie wäre es mit Fußball? Das wählen die meisten Schüler. Und ich darf sagen, dass unsere Mannschaft nicht gerade die Schlechteste ist“.

“Ich mag Fußball nicht”, sagte Ryan.

Diesmal schien der Lehrer eher überrascht als enttäuscht.

Als nächstes kamen sie zum Footballplatz. Die großen Tore waren beeindruckend. Ryan hatte ein Footballfeld schon öfters aus der Nähe gesehen. Damals als er und seine Eltern noch in den USA lebten. Herr Schreiber bemerkte das Ryan sich den Platz genauer anschaute.

“Das ist zwar einer der anstrengenden Sportarten, aber hat man erstmal die Kraft und das Durchhaltevermögen kann man es weit bringen. Die besten Spieler der Mannschaft haben das Team mit viel Ehrgeiz an die Spitze der Footballmannschaften in der Gegend gebracht. Sogar an Meisterschafen haben sie teilgenommen und der Schule Preise und Pokale eingebracht” Er machte eine Pause und schaute zu ein paar Jungs hinüber, die in voller Montur das Feld betraten. “Wenn du dich dafür interessierst und dich durchsetzt kannst du sicher bald mit ihnen an entscheidenden Spielen teilnehmen“.

Unbeeindruckt von der lobenswerten Rede des Lehrers sagte Ryan: “Ich hab keine Lust in einer Mannschaft zu sein, die wie wildgewordene Bullen einem Ball hinterher rennen und alles nieder rennen was im Weg kommt”. Sein Vater hatte früher Football geliebt und ihn oft zu Spielen mitgenommen. Und das waren keine schönen Erinnerungen. Sein Vater hatte immer wieder versucht Ryan das Spiel beizubringen, doch statt Lob und Spaß am Spiel gab es immer nur Streit und Gebrülle für ihn und seine Mutter. Ryan war als Kind nun mal schmächtig gewesen und hatte nichts getaugt, so wie er für alle Sportarten nichts taugte.

Herr Schreiber war in dem Punkt einsichtig “Ja, das ist wohl doch nicht ganz das Richtige für dich”.

Als nächstes kamen die Spielfelder für Basketball, Laufen, und schließlich das Schwimmbecken. Ryan hatte aufgehört alles gleich abzulehnen. Weil Herr Schreiber langsam an ihm verzweifelte. Aber Ryan hatte keine Lust mit Jungs Basketball zu spielen die allesamt größer als er waren und ihn locker weg schubsten und Ryan nicht mal den Ball in den Korb bekam. Er hatte keine Lust sinnlos im Kreis herum zu rennen und keine Lust im Schwimmbecken herum zu plantschen.
 

Chris
 

Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein seit ich Ryan gesehen hatte. Ich konnte nicht abstreiten das ich mir Sorgen machte. Manchmal rief ich ihn an und fragte wie es ihm ging. Viel erzählt hatte er nicht. Besuchen durfte ich ihn jedoch noch nicht. Das machte mich misstrauisch. Aber ich konnte ihn ja außerhalb der Schule treffen wenn ich wollte. Und das hatte ich heute auch vor.

Gerade war die letzte Schulstunde zu Ende und der Lehrer hatte den Raum verlassen. Lisa kam auf mich zu und fragte: “Wieso bist du denn letztens so plötzlich verschwunden?”

“Mir fiel ein, dass ich etwas erledigen musste”.

“Ich dachte wir wollten zusammen einen Kaffee trinken gehen. Es wäre so schön geworden”.

“Sorry“, sagte ich mit gespielten Bedauern.

“Was hattest du denn so plötzlich zu erledigen?”

“Nichts Besonderes”.

“Wollen wir dann nachher zusammen Kaffee trinken gehen?”

“Geht das nicht Morgen? Draußen ist nicht gerade schönes Wetter”.

Tatsächlich hatte es den ganzen Morgen über geregnet. Aber zu meiner Besorgnis sah man ganz deutlich, dass es sich wieder aufhellte. “Es regnet doch gar nicht mehr. Außerdem soll es heute noch sehr schön werden. Also lass und gehen!”

“Tut mir leid, aber ich habe heute schon was vor”.

Sie schaute mich mit ihren blauen Augen verwundert an und legte ihren Kopf schief. “So. Was denn?”

Ich stand auf und nahm meine Tasche. “Ist nichts Besonderes. Wirklich nicht”. Ich ging um sie herum. “Fragt doch Alex ob er mit will. Wir sehen uns dann morgen. Bye”. Und rasch war ich draußen.

Ich lief über den Schulhof und wollte auf der Straße gleich mein Handy herausholen. Doch ehe ich über den Hof gelaufen war, legte mir jemand die Hand auf die Schulter und sagte “Hey Kumpel. Lust einen drauf zu machen?”

Ich drehte mich um und sah Steffen. Er war in meiner Klasse. Aber wir hatten nie groß miteinander geredet. Was größtenteils daran lag, das ich immerzu mit Lisa, Alex und Michael zusammen war. Und mit denen hatte Steffen nichts zu tun. Außer das ich manchmal hörte wie er über Lisa sprach. Steffen einer der nichts außer Mädchen, Alkohol und Party im Kopf hatte. Deshalb hatte ich auch selten etwas mit ihm zu tun gehabt und fragte mich dementsprechend was er so plötzlich von mir wollte.

Als ich nicht sofort auf seine schön formulierte Einladung reagierte, sagte er: “Ich und die Jungs wollen am Treff was trinken und nen paar Mädels anbaggern. Komm doch mit!”

Mit Treff meinte er wohl irgendwo eine Kneipe oder Disco. Und was er unter Trinken verstand konnte ich mir gut vorstellen Ich kannte Steffen nicht so gut, aber in der Klasse war er immer der, der am meisten auffiel und das war nicht positiv gemeint. Außerdem stellte er in der Pause oft den Mädchen hinterher. Ich fragte mich aber immer noch was das mit mir zu tun hatte. “Wieso fragst du mich?”

“Wieso nicht?”, war seine aufklärende Antwort. “Die Sache ist die: Ein Kumpel hat gesagt du kannst ganz gut mit Mädels. Und da dacht ich es wäre nicht falsch dich mal dabei zu haben”.

Ich wollte gerade etwas sagen, da kam ein Mädchen auf uns zu und stellte sich neben Steffen. Der legte den Arm um sie und sagte: “Hi, Jenny. Kommste auch mit?“

Und ehe ich kapierte was los war, kamen auch schon die anderen Kumpels von Steffens Stammgruppe und führten alle, mich inklusive, vom Schulhof quer durch die Stadt und zum sogenannten Treff. Dieser entpuppte sich als einen freien Platz in der Innenstadt, über den laut Steffens Angaben viele hübsche Mädchen liefen. Und die wurden von ihm und den andern mehr oder weniger erfolgreich mit jedem nur erdenklichen Spruch angemacht. Jenny saß währenddessen neben mir und lachte jedes Mal über die Sprüche, die bei den Mädchen nur den Effekt hatten das sie schneller von ihm wegliefen. Kein Wunder, Steffen war nicht gerade freundlich. Da musste schon ein Mädchen kommen das genauso drauf war wie er. Und so wie es aussah würde hier so eine nicht auftauchen.

Denn der Platz befand sich direkt vor einem großen Einkaufsgeschäft. Und dort kamen nur Mädchen heraus die hübsche Klamotten und hübsche Jungs im Kopf hatten. Und dazu passte Steffen kein Stück. Er trug Punkklamotten, eine grüne Haarsträhne und Piercings. Und als gutaussehend konnte man ihn und auch seine Kumpels nicht bezeichnen. Ich fragte mich auch was Jenny mit solchen Jungs am Hut hatte. Sie sah eigentlich ganz normal aus. Sie trug normale Klamotten, sprach normal, benahm sich anständig und wie ich später erfuhr, trank sie auch keinen Alkohol.

Nach der zehnten Absage kam Steffen zu mir. “Mach auch mal was! Du bist doch nicht nur zum rumsitzen mitgekommen”.

“Was soll ich machen?”, fragte ich erstaunt.

“Was glaubst du warum ich dich mitgenommen hab?” Das fragte ich mich allerdings auch. Aber mir hat ja niemand mal was gesagt. “Jetzt reis auch mal eine auf”. Er schaute auf eine Gruppe Mädchen die lachend mit bunten Tüten aus dem Geschäft kamen. “Da die da. Schnapp sie dir und dann her damit”.

Was sagte er da? Noch bevor ich auch nur ein Wort erwidern konnte, wurde ich von Steffen von der Mauer geschuppst, auf der ich bis jetzt saß und mit den Worten “Los jetzt“, auf die Mädchen zugeschubst.

So wie ich jetzt dastand kam ich mir wirklich bescheuert vor. Sollte ich die Mädchen jetzt einfach ansprechen und sie fragen ob sie nicht was mit Steffen trinken gehen wollten? Das würde nie und nimmer hinhauen. Die Mädchen waren nicht in seiner Liga.

“Mach schon”, sagte er und ich bekam noch einen Schubs.

„Nein“, protestierte ich. Langsam wurde mir das Ganze zu blöd.

„Was heißt hier nein. Und ob du jetzt zu der Tusse hin gehen wirst“, und noch einmal wurde ich in den Rücken geschubst. Diesmal etwas fester. „Oder stehst du etwa nicht auf Weiber?“, lachte er hämisch.

Bei mir schellten alle Alarmglocken. Jetzt hatte er zu viel gesagt. Nun war ich bereit ihm eine kräftig zu langen. Doch ehe ich ihm mit geballter Faust eine verpassen konnte sagte Jenny: „Chris ist doch mit Lisa zusammen. Sag bloß du wusstest das nicht?“

Sie legte Steffen beruhigend eine Hand auf den Arm. “Jetzt lass ihn! Das klappt doch nicht. Wieso sollte er für dich Mädchen abbaggern? Er hat doch eine Freundin”.

Steffen sah sie genervt an. “Ach, hier haben wir die Expertin. Und wie klappt es sonst?”

“Jedenfalls nicht so. Jetzt lass Chris ihn Ruhe und mach es selbst”.

Ich atmete auf und huschte aus der Gefahrenzone. Steffen schaute Jenny sauer an und sagte: “Was soll das. Das war doch deine Idee”.

“Was? Das ist doch wohl nicht dein ernst. Ich hab doch nicht gedacht, dass du das echt machst und Chris einfach mitschleppst”.

“Ach und wie war es sonst gemeint?”

“Überleg doch selbst. So blöd bist du jawohl nicht”. Sie zeigte ihm die kalte Schulter. “Ich hab jedenfalls keine Lust mehr. Ich hau ab”. Sie ging an ihm vorbei und griff nach meinem Arm. “Komm mit! Wir lassen den Macho seine Arbeit machen”.

„Führ dich nicht so auf Jenny!“, rief Steffen als Jenny mich schon einige Meter mitgezogen hatte. „Chris bleibt hier. Nicht wahr Mann?“

Jenny drehte sich dann doch noch mal um. „Du bist so ein Blödmann“.

Unerwartet kam Steffen auf uns beide zu. „Ach, komm schon!“ Seine Mundwinkel zuckten. Seinen Arm ließ er auffällig über den Platz kreisen. „Jetzt kommt doch erst die beste Zeit um ein paar geile Bräute zu angeln“. Von Nach einen Augenblick in dem sich die beiden herausfordernd anstarrten, griff Steffen nach meinem Arm, zog mich mit einem Ruck von Jenny weg und sagte: „Der bleibt hier! Was du machst ist mir egal“.

So langsam fühlte ich mich wie der Teddy um den sich Maria letzten mit ihrer Freundin gestritten hatte.

Jenny sah aus als wollte sie Steffen gleich wie ein wütender Tiger anfallen und zerfleischen. Doch sie schien sich der Situation zu fügen und ergab sich. Besiegt ließ sie die Schultern hängen, hockte sich wieder auf die Mauer und beobachte uns Jungs mit geschärftem Blick.

Eine halbe Stunde später hatten die Freunde von Steffen einige Flaschen Alkohol und Zigaretten besorgt. Während diese eine Budel nach der andern leerten und die Frauen, die ignorierend an uns vorbei liefen, nachschauten, rauchte Jenny genüsslich ihre Zigaretten und sagte kein einziges Wort. Ich war immer noch bei meinem ersten Bier. Lust mich hier zu besaufen hatte ich nicht. Vielmehr überlegte ich mir wie ich hier am einfachsten weg kommen könnte. Steffen und seine Kumpels hatten sich nun schon an der Mauer auf den Boden niedergelassen und wirkten teilnahmslos. Steffen beobachtete die Leute aufmerksam.

„Wird das heute noch was?“, fragte Jenny schließlich. „Bis auf den Drogenhändler mit seinem Hund von vorhin scheinen euch die Leute ja nicht weiter zu beachten. Von den Frauen mal ganz zu schweigen“.

Steffen schlug die Hände auf die Knie, stand etwas schwankend auf und sah mich auffordert von oben herab an. „Jetzt machen wir mal Ernst! Wird Zeit etwas mehr Stimmung zu machen. Auf geht’s, Chris“.

Nur widerwillig stand ich auf und folgte Steffen. Der ging ein Stück zur Fußgängerzone. Kurz ließ er seinen prüfenden Blick über die Menge schweifen, entdeckte jemanden und zeigte mit dem Finger Richtung Einkaufszentrum. „Schau mal, die da drüben, mit dem blauen Shirt“.

Das Mädchen mit dem dunkelblauen Top und den kurzen Jeanshorts kam gerade aus dem Einkaufszentrum. Gleich würde sie an uns vorbei gehen. Sie schien etwas älter zu sein als wir, aber ansonsten nicht so eine zu sein, die sich mit fremden Jungs auf offener Straße trink.

Steffen sah das anders und schubste mich dem Mädchen direkt vor die Füße, was mich beinahe zu Boden warf. Toller Anfang um jemanden anzusprechen, dachte ich sarkastisch, und wollte mich gerade abwenden um schnurstracks zu Jenny und den andern zurückzugehen. Da sagte das Mädchen mit zuckersüßer Stimme: „Hallo“.

Verwundert sah ich sie an und sagte ebenfalls „Hallo“..

Steffen verpasste mir einen Faustschlaf auf dem Arm. „Und weiter?“

Das Mädchen mit dem fesch geschnittenen kurzen Haar, lächelte amüsiert und hielt sich dabei eine Hand vor die Lippen, in der zwei Piercings stecken.

Als ich nichts weiter sagte ergriff Steffen das Wort. „Hör mal, wir feiern grad nen wenig“, erklärte er in einem etwas schüchternen Ton, den ich ihm gar nicht zugetraut hätte. „Wenn du Lust hast kannste mit machen. Wie wär’s? Gibt auch was zu trinken“.

Das kecke Mädchen musterte Steffen flüchtig, doch als sie mich von oben bis unten prüfte blieb ihr Blick an mir hängen und sie lächelte wieder. „OK, wieso nicht“, antwortete sie zu mir.

Überraschender Weise ging sie wirklich mit und setzte sich neben Steffen auf die Mauer. Der gab ihr eine Flasche Bier, die er für sie geöffnet hatte. Ich hockte mich wieder dorthin wo meine, noch halbvolle, Bierflasche auf der Mauer stand. Ein stückweit weg von Jenny, aber nun nicht so weit weg von Steffens unbekannter Eroberung.

„Wie heißte denn?“, fragte Steffen, der sich so locker wie möglich neben ihr drapierte. Für mich sah er dabei eher aus wie ein betrunkener Affe der versucht es sich in einem Dornenbusch bequem zu machen.

„Ich heiße Tina“, sagte sie. „Und ich bin Single“, fügte sie in einem verführerischen Ton hinzu. Dummerweise sah sie dabei mich an, statt Steffen. Sie nahm einen Schluck aus ihrer Flasche und leckte sich über die roten Lippen.

In dem Moment als sie mir auch noch eine Hand mit rot-lackierten Nägeln auf meinen Oberschenkel legte, hätte ich nichts lieber getan als abzuhauen. Steffen dachte wohl das Selbe. Denn er schaute mich mit mörderischem Blick an. Blöderweise bemerkte er dabei nicht, dass sich seine Bierflasche langsam in Richtung von Tina senkte und ihr der schaumige Inhalt sachte über ihre Shorts floss.

Wie eine Sprungfeder hüpfte Tina mit einem Aufschrei von der Mauer und sah entsetzt auf ihre Beine, an denen das Bier hinunter ran. Steffens Freunde lachten schadenfroh. Er selbst blieb stumm. Ich dagegen war erleichtert aus der peinlichen Situation feinheraus zu sein.

„Hey du verdammtes Arschloch“, rief Tina wutentbrannt und warf Steffen einen Todesblick zu. Immer noch hatte sie ihre Bierflasche, die noch fast voll war, in der Hand. Dann rächte sie sich an Steffen, indem sie den gesamten Inhalt höhnisch kichernd über Steffens Hose schüttete, die Flasche kirrend weg warf und dann einfach auf ihren hochhakigen Schuhen davon stolzierte.

Ich meinerseits rückte lieber ein Stück weg von Steffen und tat einen auf unschuldig.

Jenny jedoch lachte. „Das geschieht dir ganz recht, du Trottel“.

Steffen erwachte nun endlich aus seiner Schockstarrte, doch statt die schadenfrohe Jenny anzugiften schaute er mich schäumend vor Wut an. „Was klotz du so blöd?“, spie er.

Ich rutsche von der Mauer. Bereit einfach abzuhauen, was ich besser schon viel früher hätte tun sollen. „Ich geh…“

Doch ehe ich mich verabschieden konnte, grölte Steffen: „Wie kann man nur denken, dass so einer wie du, gut Mädchen anabaggern könnte. Du bist nichts weiter als ein Weichei. Mach dich weg du Schwuchtel“.

Mich durchfuhr ein Blitz der mich stocksteif stehen bleiben lies.

„Steffen, halt dein Maul“, schrie Jenny ihn an.

Doch er dachte nicht daran still zu sein. „Stimmt doch. Er ist eine Memme. Und so sieht er auch aus. Na, was sagst du dazu, Goldlöckchen? Haust du jetzt zu deinen Weichei-Freunden ab und heulst dich aus?“ Selbstgefällig trat er dicht neben mich. „Hast du überhaupt welche außer deinen Homos?“

„Steffen…“, schrie Jenny und trat näher. „Hör auf, oder ich…“

Weiter kam sie nicht. Blind vor Wut, ballte ich die Fäuste, drehte mich um und schlug Steffen meine Rechte in den Magen. Der ging keuchend in die Knie und hielt sich den Bauch. Jenny zog scharf die Luft ein. Die zwei andern Trottel, standen auf und eilten zu ihrem Kumpel.

Gerade wollte ich Steffen noch eine mit der linken verpassen, da ergriff Jenny geistesgegenwärtig meinen Arm und zog mich zu sich. „Lass es!“

Ehe die zwei andern Affen auf die Idee kamen sich auf mich zu stürzen, hatte ich mich wieder einigermaßen im Griff. Ich nahm Jenny bei der Hand, die einen bleichen Gesichtsausdruck hatte, und zog sie mit. Weg von diesen verdammten Idioten.

Hinter uns hörten wir Steffen krächzen: „Das zahl ich dir heim, du Arschloch!“

Jenny und ich gingen nebeneinander durch die belebte Innenstadt. Die kühle Nachtluft tat meinen Fingerknöcheln gut, die rot geworden waren. Doch noch immer regte es mich fürchterlich auf was Steffen gesagt hatte. Ich war mir jedoch im Klaren darüber das es nur leere Worte waren. Er kannte mich ja nicht, und auch meine Freunde nicht.

„Geht’s wieder“, fragte Jenny.

Bei ihrem Anblick hätte ich sie das besser gefragt. Nach meinem Ausbruch wurde sie leichenblass. Nun ging es jedoch wieder und ihre Wangen hatten ein zartes Rosa angenommen. „Ja, alles okay“, antwortete ich.

Sie lächelte. „Wusste gar nicht, dass du so schlagfertig sein kannst“, scherzte sie. Wurde dann aber schnell wieder ernst. „Mach das aber bitte nicht wieder“. Wir gingen die Treppe einer U-Bahn Station hinab und suchten nach der nächsten Abfahrt. „Steffen kann ein richtiger Mistkerl sein. Aber das du ihm so eine verpasst hat er nicht verdient“.

Ich traute meinen Ohren nicht. „Oh, doch. Und ob er das verdient hat. Hast du nicht gehört was er gesagt hat?“

„Klar war das nicht nett, aber er hat es sicher nicht so gemeint. Ich kenne ihn schon lange, so fies war er noch nie“.

Ich schwieg. Begreifen warum sie ihn so verteidigte konnte ich nicht. Und mir war es ehrlich gesagt auch egal. Ich wollte einfach nur nach Hause.

Als die Bahn endlich kam und die Türen sich öffneten, hielt Jenny mich fest. So wie sie es vorhin schon einmal getan hatte. Fragend blickte ich sie an.

„Bitte geh noch nicht! Ich möchte jetzt nicht alleine sein“.

Jäh erinnerte sie mich mit ihrer traurigen Stimme und den Augen in denen Tränen glänzen an Ryan. Meine Wut über sie und Steffen verzog sich mit einem mal und ich blieb bei ihr. „Wollen wir noch einen Kaffee trinken gehen?“, fragte ich schließlich.

Dankbar lächelte sie und nickte. An diesem Tag kam ich nicht mehr dazu Ryan anzurufen.



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