Zum Inhalt der Seite

A Winters Tale

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

...erwachte ich im tiefsten Winter.

"Woran denkst du?" frage ich dich leise.

"An den Tag an dem du mich in der Schule besucht hast."
 

Ich muss lächeln. Du und deine abstrusen Gedankensprünge...

"Wie kommst du jetzt darauf?"
 

"Ach, mir fiel gerade im Nachhinein auf, dass ab diesem Tag Matt und seine Freunde ganz plötzlich aufgehört haben mich zu triezen. Hattest du damit irgend etwas zu tun?"
 

Und ich erinnere mich wieder, als wäre es gestern gewesen, an den Tag vor einigen Jahren an dem Charlie zum ersten Mal mit einem blauen Auge bei mir im Tempel aufgetaucht ist.

Ich hatte vorsichtig versucht aus ihm heraus zu bekommen wie das passiert war.

Aber er wollte nicht so recht heraus rücken und ich wollte ihn nicht weiter drängen, als er mich abwimmelte mit den Worten

"Ich bin irgendwie blöd gestolpert und gegen meinen Spint gekracht."

Aber als sich die blauen Flecken und Schrammen häuften, wurde ich unruhig. Ich musste etwas unternehmen.
 

Tage später konnte ich live mit ansehen, wie ein paar seiner Mitschüler Charlie beim Stolpern "halfen".

Es war schon gut, dass ich ihm in die Schule gefolgt war.

Diese Bengel sollten lernen, dass man mit Charles van Strauss nur so umspringen konnte, wenn man auch das Echo vertrug.
 

Nachdem ich diesen Matt und seine zwei Kumpels Felix und Aron vor der Mittagspause im Hof abgefangen und ihnen mit meinem Fuchsfeuer einen ordentlichen Schrecken eingejagt hatte, leistete ich Charlie bei seinem Mittagessen auf dem Dach Gesellschaft.
 

Ich hatte dir damals aufgetischt, dass ich nur aus Langeweile vorbei geschaut hatte...

"Hm... kann mich nicht so genau erinnern." Wich ich dir nun also nur schmunzelnd aus.
 

Das reicht dir wohl, denn du rollst dich auf der Picknickdecke herum und legst deinen Kopf auf meinem Bauch ab.

Dein Lieblingsplatz zum vor dich Hindösen.

Ich lasse meinen Blick hinauf in den Himmel schweifen. Die Herbstsonne ist heute ungewöhnlich stark.

Aber der Duft von Winter liegt bereits wieder in der Luft und dieser warme Oktobertag wird wohl unser letzter Picknick-Tag in diesem Jahr sein....
 

Schon nächste Woche wirst du nach Paris zu Onkel Claude fliegen und wir werden uns erst wieder Anfang nächsten Monats sehen. Und dann immer nur einmal im Monat übers Wochenende. Zweieinhalb Jahre lang.... und wer weiß ob du dann zurück kommst nach Moonlight Hills.
 

Diese Gedanken wollten mich einfach nicht loslassen und vielleicht war das auch mein Unterbewusstsein, welches mich versuchte abzuhärten. Damit es mich nicht zu hart treffen würde, sollte Charlie mich tatsächlich irgendwann nicht mehr an seinem Leben teilhaben lassen wollen.

Aber da konnte man genauso gut versuchen sich auf eine Naturkatastrophe vor zu bereiten.

Nichts würde mich vor dem Schmerz schützen, ohne meinen Liebling weiterleben zu müssen.
 

Geistesabwesend streichle ich durch dein Haar und genieße es wie du mir in warmen Kreisen über den Arm streichst.
 

"Ich werde dich vermissen."

Verdutzt halte ich inne und überlege zunächst, ob ich das jetzt laut gesagt habe.

Dabei ist das der eine Gedanke, der mir seit Monaten omnipräsent ist und den ich doch nicht ausspreche.

Dann bemerke ich deinen Blick zu mir herauf.

Du hast das gerade gesagt.
 

Erst nickte ich nur.

Als ich deinen enttäuschten Blick bemerke, beeile ich mich zu erwidern

"Ich dich auch. Sehr."

Was nicht einmal halb ausdrückte wie sehr.

Aber dein Blick wird plötzlich ganz weich und du lehnst dich über mich.

Die Herbstsonne verschwindet hinter deinem Rücken und alles ist plötzlich weich und warm.
 

Auch deine Lippen auf den meinen. Weich und warm.

Deine Lippen...
 

Deine Lippen?!

Verdutzt reiße ich meine geschlossenen Augen - wann hatte ich die zugemacht?! - auf und blickte hinauf in dein Gesicht, das über meinem schwebt. Immer noch berühren sich unsere Lippen und noch bevor ich überlegen kann, was das bedeutet, öffnest du deine Augen und weichst ein Stück ab von mir.

Die Berührung endet und du lächelst mich furchtbar süß und verlegen an und legst deinen Kopf wieder auf meinem Bauch ab.
 

Und wie der jämmerliche Feigling, der ich nun mal bin, spreche ich dich nicht darauf an.

Auch nicht als du dich von mir verabschiedest am Tag deines Fluges.

Ich lächle dich an und hoffe, dass die Tage schnell vergehen bis du wieder zu mir zurück kommst.
 

~~*~~
 

Überglücklich schließe ich dich in die Arme als du Anfang November für dein erstes Wochenende nach deiner Abreise wieder nach Hause und wenig später zu mir in den Tempel kommst.
 

Endlich lässt der Druck an meinem rechten kleinen Finger, der eine direkte Leitung zu meinem gequälten Herzen zu haben scheint, nach.
 

Mein Onkel hatte die Frage nach Schmerzen im rechten kleinen Finger nur mit einem mitleidigen Blick beantwortet.

Was das nun heißen sollte, wollte ich, glaube ich, gar nicht so genau wissen.
 

Ich hatte für den Moment meinen kleinen Liebling - der mich mittlerweile an Körpergröße fast eingeholt hatte - wieder in Reichweite.
 

Begeistert erzählte er mir von Paris. Dem bunten Treiben auf der Champs-Elysees, die schicken Cafés und Klamottenläden, dem Eiffelturm und der faszinierenden Goldschmiedewerkstatt von Claude.
 

"Ich bin sehr gelehrig, sagt Claude! Und bald darf ich ihm auch im Verkaufsladen helfen. Ach, Narjan, das ist alles so aufregend und spannend! In meiner Klasse in der Berufsschule sind zwei sehr nette Mädels mit denen ich mich gut verstehe. Monique und Valerie steigen beide ins Familiengeschäft ein. Können mir also auch viel erzählen und beibringen. Wenn ich erst mal fertig mit meiner Lehre bin, dann arbeite ich eine Weile und spare mir Geld zusammen für einen eigenen Laden in Moonlight Hills. Das wird so klasse."
 

Lächelnd lauschte ich dir und hoffe es würde tatsächlich alles so geschehen.
 

Wir spielten Schach, aßen Marie van Strauss´ berühmte Haselnuss-Plätzchen und fegten das Laub vor und hinter dem Tempel zusammen und verbrannten es in einem lustigen Fuchsfeuer. Während wir lachend Gestalten im Rauch zu erkennen versuchten, neigte sich das Wochenende langsam zu seinem Ende und Charlie musste sich wieder von mir verabschieden.
 

Innerlich fürchtete ich, dass ich mit jedem Abschied ein wenig schwächer würde.

Ich fühlte mich wirklich nicht gut.

Aber was sollte ich tun? Ihm sagen -Bleib, weil ich ohne dich verkümmere. Lass dein Leben hinter dir und werde zu meinem?-

Winkend stand ich vor meinem Tempel am Treppenabsatz und sah Charlie hinterher wie er hinter der Lichtung verschwand....
 

**~~**
 

Mein Unwohlsein fand wenige Wochen später seinen Höhepunkt kurz nachdem Marie, Charlies Mutter, vorbeigeschaut hatte um mir Bescheid zu geben, dass Charlie über die Feiertage und zu meinem Geburtstag im Dezember nicht würde kommen können.
 

Er hatte wohl einen wichtigen Einstufungstest, aber ich hörte Maries Worte nur dumpf in meinen Ohren wiederhallen

"... Charlie wird es deshalb leider nicht schaffen nach Hause zu kommen. Wenn Du ihn zu sehr vermisst, dann komm uns doch besuchen, Narjan. Dann können wir zusammen mit ihm telefonieren, da wir ihn schon nicht sehen können..."
 

Ich ging spazieren und kam wohl nach Stunden, denn es war schon dunkel geworden, desorientiert wieder zu mir.

Vor dem See, in dem wir im Sommer immer gemeinsam baden gingen und im Winter Schlittschuh laufen, war ich am Ufer zu einem Häufchen Elend am Boden zusammen gesunken.

Der See hatte jetzt Anfang November schon eine leichte Eisschicht.

Während ich noch dumpf und innerlich erkaltet auf den See vor mir starrte, hatte ich plötzlich das seltsame Gefühl neben mir zu stehen.

Ich sah meinem Körper zu, wie er seitlich zu Boden sank.

Wie ohnmächtig lag ich da und ich wollte mir selbst zurufen "Steh auf. Es ist zu kalt, Narjan. Komm schon!"
 

Aber mein Körper rührte sich nicht und ich, außerhalb meines Körpers, fühlte mich plötzlich wie magisch angezogen vom See. Ich tauchte ein in die dunklen Tiefen und spürte keine Kälte.

Losgelöst von allem ging es mir endlich wieder gut.

Oder fühlte ich nur einfach gar nichts mehr?

Auf dem Weg zurück zur Oberfläche versperrte mir eine dünne Eisschicht den Weg.

Aber ich wollte hier eh nicht mehr weg.

Beide Hände an die Fläche gelegt, starrte ich nach oben in den Himmel dem Mond entgegen.

Er schien mich mitleidig anzusehen.

Mein Blick fiel auf meinen rechten kleinen Finger.

Er war vollkommen blau angelaufen.

Aber das kümmerte mich jetzt nicht mehr.

Ich schloss die Augen und trieb gedankenlos vor mich in.

Zugedeckt mit einer dünnen Decke aus Eis, einem Laken aus kühlem Nass und dem Mond als treues Nachtlicht.
 

~~*~~
 

In einem kleinen Einzimmer Appartment in Paris schreckte Charlie schweiß gebadet aus einem Alptraum auf.

Keuchend saß er aufrecht im Bett. Die Hände vor den Mund geschlagen, kam er langsam wieder zu sich.

Als er seine Hände von seinem Gesicht fort nahm, sah er im Licht des Mondes, das durch sein Dachfenster hereinschien, dass sein linker kleiner Finger komplett blau angelaufen war....



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Enrico
2015-06-27T05:46:40+00:00 27.06.2015 07:46
"Ach, mir fiel gerade im Nachhinein auf, dass ab diesem Tag Matt und seine Freunde ganz plötzlich aufgehört haben mich zu triezen. Hattest du damit irgend etwas zu tun?"

Das wäre eine Situation die ich als Leser gern live miterlebt hätte, als sie nur erzählt zu bekommen.

Tage später konnte ich live mit ansehen, wie ein paar seiner Mitschüler Charlie beim Stolpern "halfen".
Es war schon gut, dass ich ihm in die Schule gefolgt war.

Lach, der Sarkasmus hat mir richtig gut gefallen.

Endlich lässt der Druck an meinem rechten kleinen Finger, der eine direkte Leitung zu meinem gequälten Herzen zu haben scheint, nach.

Okay o.O. Hier habe ich etwas gestutz. Herzschmerzen die sich am Kleinen Finger äußern?
Wenn sie sich körperlich bemerkbar machen, warum dann nicht an seinen Fuchsmerkmalen, dann hätten die zumindest mal eine Bedeutung für die Gesichte.

Lächelnd lauschte ich dir und hoffe es würde tatsächlich alles so geschehen.
An dieser Stelle hätte ich mit etwas Eifersucht gerechnet. Charlie erzählt von zwe Mädchen die ihm gefallen. Ist das nicht Konkurenz für Narjan?

Den scheibar ersten Kuss der beiden hast du wirklich gut beschreiben. Da war man richtig im Moment mit drin und konnte ihn miterleben. Leider war der dann aber auch schnell abgehandlt und wir springen sofort zum Abflugtag. Trotzdem hat mir die Stelle bisher am Besten gefallen.

Ziemlich drastiche Reaktion auf einen ausgefallen Besuch Charlies. Gleich eine Art Selbstmord, nur weil er nicht kommen kann? Er hat ja nicht schluss gemacht oder so. Aber gut.
Interessant und verwirrend finde ich die Verbindung über die kleinen Finger.
Ansonsten frage ich mich warum Narjan seinen Körper im Eis beschreibt, wenn er den doch am Uferrand zurück gelassen hat und nur geistig in den See gegangen ist.

Gruß Enrico
♪♫ Feedback-Club-Kommi ♪♫

Von:  aesthetiquarius
2014-11-24T07:56:34+00:00 24.11.2014 08:56
T-T
Ich hoffe wirklich es war nur ein Alptraum.
Obwohl der blau angelaufene Finger ein Indiz dafür wäre,
dass sie verbunden sind und es wirklich passiert.
Kann es wieder gar nicht abwarten weiter zu lesen :)
Antwort von:  rea_seraph
24.11.2014 10:11
Du hast den richtigen Riecher...
aber keine Angst es geht spannend weiter.
Sehr bald. :)
*chuuu* und lieben Dank für deinen Kommi <3
Von: abgemeldet
2014-11-23T13:06:02+00:00 23.11.2014 14:06
Oh das ist ja ein trauriges Kapitel. Charlie ist nun weg und Narjan vergeht voll Elend. Und nun ist er im See gefangen oder auch nicht?
Zudem scheinen sie auch durch ihre kleinen Finger verbunden zu sein.

Ich bin mal gespannt wie es weiter geht.
Antwort von:  rea_seraph
24.11.2014 10:10
Vielen Dank erneut für deinen lieben und feinsinnigen Kommentar! :)
Es geht spannend weiter. ;3


Zurück