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Last Desire 6.5

Just another Desire
von

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Der letzte Abend

Am Abend saß Jeremiel noch auf der Terrasse und las „Romeo und Julia“ und war gerade an der Stelle angelangt, wo sie sich heimlich getraut hatten, da kam Liam ein wenig abgekämpft und müde mit einer Flasche Bier und setzte sich auf einen der Stühle. Der 25-jährige sah ihn mit einem unbestimmten Blick an und fragte sich, ob der Unvergängliche bis gerade eben noch mit der Operation beschäftigt gewesen war. „Alles gut gelaufen?“ „Ja. Mr. Parker wird es überleben.“ „Das ist schön zu hören. Für die Kinder wäre es sicher sehr schlimm, ohne Vater aufzuwachsen und keine Familie zu haben.“ Liam trank einen Schluck und rieb sich ein wenig müde die Augen. Ihm war deutlich anzusehen, dass er wohl viel Stress gehabt und wohl auch ziemlich unter Anspannung gestanden hatte. Es war ja auch einiges passiert und da konnte man ihm nicht verdenken, dass er erschöpft war. „Du hattest sicher viel zu tun, oder?“

„Kann man wohl sagen. Nicht nur, dass wir einen Kunden aufspüren mussten, der sich mit einem Haufen Schulden klammheimlich aus dem Staub machen wollte, wir müssen auch noch einen Verkauf von knapp 200 Sportwagen über die Bühne bringen. Und bei der Menge ist immer Vorsicht geboten. Und ich hatte heute noch einige Operationen nebenbei. Neben Mr. Parker noch ein kleines Mädchen, das eine Nierentransplantation braucht und dann noch eine Mutter, die am Herz operiert werden musste. Spätestens dann merkt man, dass ein menschlicher Körper selbst dann irgendwann an Grenzen stößt, wenn man ihn schon den eigenen Ansprüchen angepasst hat. Deshalb sind solche ruhigen Abende eigentlich gar nicht mal so schlecht. Und? Wie war dein Stadtbummel mit Johnny?“ Ohne direkt zu antworten, holte Jeremiel sein Geschenk hervor und überreichte es dem Unvergänglichen. Es war ein Lederarmband mit einem kleinen Stahlschild und einer Gravur: יְרַחְמְאֵל Die hebräische Schreibweise von „Jeremiel“. Der 25-jährige beobachtete genau die Reaktion von Liam, konnte aber nicht genau einschätzen, wie dieser sich fühlte, denn der Blick könnte als Erstaunen, Fassungslosigkeit oder auch Entsetzen gedeutet werden. Fragend schaute er ihn an und schwieg. Als er dann aber das Lächeln sah, da wusste er, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Liam legte das Armband an, dann stand er auf und ging zu ihm hin, woraufhin er ihn küsste. „Dankeschön, das ist ein wirklich schönes Geschenk.“ In diesem Moment begann Jeremiels Herz wieder wie verrückt zu schlagen. Sein Gesicht begann zu glühen und obwohl sein Gesichtsausdruck unverändert blieb, als hätte er irgendeine Lähmung, sah man ihm schon an, dass Liams Kuss ihn völlig aus der Bahn warf. Er senkte etwas verlegen den Blick und verstand auch nicht, wieso sein Körper jetzt wieder heftig reagierte, obwohl es doch nur ein Kuss war. Es würde wirklich noch eine lange Zeit brauchen, bis er sich an diese Situation gewöhnt hatte und wo er endlich verstand, was da eigentlich mit ihm los war. Und auch Liam schien wohl nicht immer ganz zu verstehen, was da gerade in Jeremiel vorging. Nun, da dieser auch nicht gerade der wortgewandteste und expressivste Mensch war, kamen nun mal so gewisse Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Insbesondere, wenn sein Gesicht immer so nichts sagend aussah und er wirklich nur dann Gefühle zeigte, wenn es schon zu viel für ihn war. Und auch jetzt wurde der Unvergängliche noch nicht ganz schlau daraus, was in ihn wohl so vor sich ging. „Alles in Ordnung mit dir?“ „I-ich weiß nicht. Mein Herz rast wie wild und irgendwie bin ich ganz rot im Gesicht.“

„Das ist normal, wenn man verliebt ist. Und ich…“ Liam hielt inne und sah auf, da er eine Bewegung wahrnahm. Und tatsächlich erkannte er Delta, der da versuchte, heimlich durch die Fenster zu schauen. Als er bemerkte, dass er aufgeflogen war, versuchte er sich noch schnell zu verstecken, doch dafür war es schon zu spät. Liams Gesicht wurde so düster wie noch nie und er funkelte den Crossdresser mit einem schon fast todbringenden Blick an. „Verschwinde Delta, aber dalli oder ich zieh dir das Fell schön verkehrt herum an!“ Schon kurz darauf kam Johnny, schnappte sich den Kimonoträger und ging mit ihm davon. Liam war sichtlich genervt und die Stimmung, die gerade noch da gewesen war, war natürlich ruiniert. Und das alles war nur Deltas Schuld. „Langsam frage ich mich echt, was bei dem kaputt ist. Der muss dringend mal zum Seelenklempner hin…“

„Er ist sehr neugierig, oder?“

„Es ist echt furchtbar mit ihm. Wenn ich ihn nicht langsam mal in die Schranken weise, wird der noch mit irgendwelchen dämlichen Ideen ankommen. Aber lass uns jetzt nicht mehr die ganze Zeit über Delta reden. Es gibt noch andere Dinge, über die ich mit dir sprechen will.“

„Und die wären?“ Liam setzte sich und wurde ernst. Auch verdüsterte sich sein Blick deutlich, was darauf schließen ließ, dass es wohl um etwas ging, was sie beide betraf. Denn wenn er so aussah, dann war das ein Zeichen für Verunsicherung bei ihm. „Ich habe die Adresse deines Bruders. Es war nicht gerade einfach sie herauszufinden, aber ich könnte dich morgen zu ihm hinbringen, wenn du willst.“ Jeremiel sah ihn immer noch mit diesem Gesicht an, welches weder Begeisterung, noch Nervosität oder Skepsis zeigte. Doch an seinen Augen ließ sich ganz deutlich erkennen, dass er fürchterlich nervös war. Immerhin würde er endlich seinen jüngeren Zwillingsbruder L kennen lernen! Und natürlich wusste er auch, dass dies insbesondere für Liam schwer war, denn er schien wohl immer noch in diesem Glauben gefangen zu sein, dass er den Menschen verlieren würde, den er über alles liebte. Er hatte Angst davor, ihn gehen zu lassen und wahrscheinlich hätte er ihn am liebsten aufgehalten oder sogar im Zimmer eingesperrt, aber das wäre falsch gewesen. Diesen Fehler hatte er schon begangen und ohne Evas etwas zweifelhafte Eigeninitiative und Deltas Engagement wäre es nie zu einer Annäherung gekommen. Aber er wurde einfach von dieser entsetzlichen Angst beherrscht, nach Nikolaj auch noch Jeremiel zu verlieren. Damals hatte er Nikolaj gehen lassen in dem Vertrauen, dass ihm bei Eva nichts passieren konnte. Aber er hatte sich geirrt und Nikolaj war auf grausame Art und Weise gestorben. Im Haus lebendig verbrannt, zusammen mit Dimitrij, während der Rest von Evas Familie von den Opritschnina grausam abgeschlachtet worden war. Ihm war nichts als Trauer und Wut geblieben und diese entsetzliche Leere in seinem Herzen. Er wollte das nicht noch mal erleben und Jeremiel verlieren, weil er ihn einfach so gehen ließ. Natürlich ließ er sich seine Angst um ihn nicht einfach so anmerken. Es war einfach nicht seine Natur, so emotional zu werden und Schwäche zu zeigen. Stattdessen versuchte er dies mit aller Macht zu verbergen, aber das hatte dann zur Folge, dass er kaltschnäuzig und rücksichtslos erschien. Und dann tat er auch Dinge, die die Menschen um ihn herum verletzten. Diese eine Nacht, als er Jeremiel so wehgetan hatte, dass dieser schließlich in Tränen ausgebrochen war, hatte ihm endgültig die Augen geöffnet. Wenn er ihn nicht verlieren wollte, dann musste er ihn gehen lassen, so widersprüchlich das auch klang. Aber wenn das der einzige Weg war, damit sie eine Zukunft hatten, dann würde er es tun. „Wenn du zu L gehst, musst du mir ein paar Dinge versprechen.“

„Die wären?“

„Du meldest dich sofort, wenn irgendetwas sein sollte und ich möchte auch, dass du dich zwischendurch mal meldest. Egal ob bei mir, Delta oder Johnny. Und ich möchte dich bitten, dass du in L’s Gegenwart über mich schweigst. Er muss nicht unbedingt von mir wissen und ich habe auch keine große Lust, hinterher noch in sein Visier zu geraten. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist so ein verdammter Detektiv, der Ärger macht.“

„Okay, das verspreche ich! Aber ich möchte dich dann auch bitten, dass du L und Beyond nichts tust, wenn es Schwierigkeiten mit ihnen geben sollte. Ich meine, man kann es ihnen nicht verübeln, wenn sie mir misstrauen. Immerhin bin ich Sam Leens gewesen und als solcher habe ich unverzeihliche Dinge getan und deshalb habe ich auch Verständnis dafür, wenn sie mich dafür hassen.“ Liam gab ihm sein Ehrenwort und somit war das geklärt. Sie saßen eine ganze Zeit schweigend zusammen und dachten über verschiedene Dinge nach. Jeremiel blieb nicht verborgen, dass Liam sich immer noch große Sorgen machte. Aber wie konnte er ihm helfen? Er dachte nach, was er in seinen Büchern gelesen hatte und was dort für hilfreiche Tipps genannt wurden. Daraufhin versank er in ein noch tieferes Schweigen und legte dabei sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Schließlich aber hatte er doch was gefunden, stand daraufhin auf und zog Liam mit sich zu einem der Gartensofas und setzte sich dort mit ihm hin. Dann lehnte er sich bei ihm an und legte seinen Kopf auf dessen Schulter ab. Der Unvergängliche war ein wenig verwundert und fragte „Was ist denn mit dir los?“ „Ich habe in meinem Beziehungsratgeber gelesen, dass es sehr hilfreich ist, dem Partner körperliche Nähe und Zuwendung zu geben. Damit vermittelt man ihm das Gefühl, dass man für ihn da ist. Und ich mag es nicht, dich so zu sehen.“

„Du liest Beziehungsratgeber?“ Jeremiel nickte und erklärte „Ich weiß rein gar nichts über Gefühle und wie man sich anderen Menschen gegenüber korrekt verhält. Das ändert sich ja je nach Gefühlslage und da ist es auch eben ziemlich schwierig für mich. Deshalb sind solche Beziehungsratgeber und Psychologiebücher eigentlich sehr hilfreich. Und wenn ich trotzdem nicht klar komme, frage ich eben Delta und Johnny. Trotzdem wird das noch dauern, bis ich verstehe, wieso Menschen wütend werden oder lachen, wieso sie einander wehtun und warum sie sich wie verhalten. Und vor allem möchte ich alles über Beziehungen lernen, weil es mir wichtig ist, dich glücklich zu sehen.“

Als der Unvergängliche das hörte, konnte er einfach nicht anders als zu schmunzeln. Er legte einen Arm um Jeremiel und küsste ihn. Dieser erwiderte nach kurzem Zögern den Kuss. Mit einem Mal war diese bedrückte Atmosphäre weg und auch gefühlsmäßig vollkommen unerfahrene 25-jährige merkte, dass Liam etwas entspannter war als gerade eben noch. Offenbar habe ich da doch alles richtig gemacht, dachte er sich. Na wenigstens ist er jetzt nicht mehr so bedrückt, weil ich morgen meinen Bruder aufsuchen gehe. Ich mag es ja auch nicht sonderlich, wenn ihn irgendetwas bedrückt. Schließlich aber kam ihm noch ein Gedanke und er löste sich kurz, wobei er in diese tief roten Augen mit dem goldenen Ring in der rechten Iris blickte. „Liam, kannst du nicht noch mal mit deiner Schwester reden und ihr endlich verzeihen?“

„Was?“ fragte er stirnrunzelnd und löste sich von dem Blondschopf, wobei sein Gesichtsausdruck sich sogar noch mehr verdüsterte als vorher. Dieses Mal war es aber keine Verunsicherung, sondern der tief liegende Groll gegen Eva, der selbst nach über 400 Jahren nicht erloschen war. „Du willst, dass ich ihr verzeihe? Ist dir eigentlich klar, was sie getan hat und vor allem was du ihretwegen durchgemacht hast? Wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätte „Sam Leens“ niemals existiert und du hättest wahrscheinlich mit deinem Bruder ganz normal aufwachsen können!“

„Ich weiß. Aber ich habe auch darüber nachgedacht, warum alles so passiert ist. Es mag sein, dass Eva viele Fehler gemacht hat, aber sie wollte doch eigentlich nichts Böses. Ich meine, wenn ich nicht als Sam Leens gelebt hätte, dann hätte ich Beyond nicht helfen können und wir beide hätten uns wahrscheinlich auch nie getroffen.“

„Du bist damals ihretwegen erst gestorben, obwohl sie dich beschützen sollte! Sie hat mir die Person genommen, die ich über alles geliebt habe. Wieso sollte ich ihr das verzeihen?“

„Weil sie doch auch ihre Familie verloren hat“, erklärte Jeremiel ruhig, während Liams Ton immer bedrohlicher wurde und spätestens jetzt hätte jeder normale Mensch sofort die Flucht ergriffen aus Angst, er könnte gleich zu Hackfleisch verarbeitet werden. Doch der Blondschopf hatte keine Angst vor Liam und blieb standhaft. „Als Nikolaj gestorben ist, da hattest du doch noch Johnny, Delta und Marcel. Aber Eva hatte niemanden mehr. Sie war ganz alleine und auch jetzt ist sie furchtbar einsam. Wen hat sie denn noch außer ihrem Bruder? Ihre Familie lebt ohne sie weiter und sie hat sich Mühe gegeben, um dir zu helfen. Sie war so traurig, als sie gegangen ist und auch wenn ich selber verärgert bin, dass sie zugelassen hat, dass ich zum Mörder wurde, so denke ich einfach: vielleicht hatte alles einen Grund. Wer weiß, vielleicht wäre alles noch viel schlimmer geworden, wenn es nicht so gekommen wäre. Beyond wäre gestorben, genauso wie Andrew und mein Bruder wäre ganz alleine gewesen. Vielleicht hätte er diesen Kira-Fall auch nicht überlebt. Vielleicht musste ich diese Zeit durchmachen, damit die anderen gerettet werden konnten. Das ist ja auch möglich. Und wichtig ist doch, dass es nicht endgültig zu spät ist. Ich lebe und bin jetzt der Mensch, der ich eigentlich sein sollte. Vielleicht habe ich ja Glück und L gibt mir eine Chance, wenn er erkennt, dass ich nicht Sam Leens bin. Ich muss es einfach versuchen.“

„Du bist echt unglaublich, weißt du das? Dass du so etwas sagst, wo du doch so am Boden zerstört warst, als du die Wahrheit herausgefunden hast. Aber weißt du, selbst wenn du es nicht schaffen solltest und du scheiterst, kannst du jederzeit zu mir zurückkommen.“ Das war ja zumindest ein Hoffnungsschimmer. Dann brauchte er sich wenigstens keine Sorgen zu machen, dass er dann ganz alleine war und nicht wusste, wohin er gehen sollte. Nun gut, er hatte immer noch ein wenig damit zu kämpfen, dass er ein Mörder war, aber inzwischen hatte er auch selber eingesehen, dass das nicht er gewesen war, sondern eine andere Person. Er war nicht Sam Leens und sowohl das als auch Deltas, Liams und Johnnys Beistand halfen ihm, darüber zu stehen. Liam hielt seine Hand fest und man sah ihm an, dass er sich immer noch Sorgen machte. Nicht, weil Jeremiel irgendetwas körperlich zustoßen könnte oder dass er nicht zurückkehren würde. Sondern, dass er vielleicht enttäuscht werden könnte. Liam war für gewöhnlich nicht so, dass er sich wegen jeder Kleinigkeit so dermaßen den Kopf zerbrach und sich so schnell Sorgen machte. Aber Jeremiel war die große Ausnahme, eben weil er ihn so sehr liebte. Und wahrscheinlich half ihm auch dies, Eva zu verstehen. Denn sie liebte auch ihre Familie und war dafür sogar bereit gewesen, andere Leben zu opfern, um sie zu retten. Das Gleiche machte ja auch Liam oder zumindest würde er es tun. Doch so ganz überzeugt war er noch nicht und er schüttelte den Kopf. „Du hast doch keine Ahnung, was Eva getan hat. Sie hat damals versucht gehabt, die ganze Welt unvergänglich zu machen und niemanden mehr sterben zu lassen. Kannst du dir vorstellen, was das für ein Chaos gegeben hätte? Sie hätte nicht nur das Gleichgewicht durcheinandergebracht, sondern es hätte zum Kollaps führen können!“

„Aber sie hat es doch nicht aus böser Absicht getan. Sie war verzweifelt und hat es nicht ertragen, all jene sterben zu sehen, die sie ins Herz geschlossen hatte.“

„Sie ist wie ein dummes und naives Kind, das einfach nicht über die Konsequenzen nachdenkt. Sie denkt immer nur an sich und sie hat mich einfach im Stich gelassen, als ich sie gebraucht habe. Also warum sollte ich denn jetzt für sie da sein, wenn sie nie für mich da war?“

„Weil ihr euch dann immer streiten werdet, wenn sich nichts ändert. Und so kann es doch auch nicht für immer weitergehen. Ich habe in meinen Büchern gelesen, dass es wichtig ist, wenn man sich ausspricht und vor allem über seine Gefühle redet, wenn es Differenzen gibt. Wir beide haben doch auch auf diese Weise gelernt, einander zu verstehen, weil wir offen über alles geredet haben. Also ist es jetzt an der Zeit, dass du dich mit Eva vernünftig aussprichst und dich mit ihr verträgst. Ich mag es doch auch nicht zu sehen, wie du immer wieder so wütend wirst, wenn sie da ist oder wenn man allein nur ihren Namen ausspricht. Man kann jemanden doch nicht bis in alle Ewigkeit so sehr hassen.“ Wenn es nach Liam gegangen wäre, dann hätte er seine Schwester tatsächlich für immer so gehasst und verachtet für all das, was sie getan hatte. Immerhin hatte sie zugelassen, dass Jeremiel als Sam Leens Menschen tötete und 25 Jahre lang nicht er selbst war. Sie hatte Nastasja Kasakowa, Henry Lawliet und die Kinder im Norington Waisenhaus geopfert, um ihre Familie zusammenzubringen und das war unverzeihlich. Aber… sie hatte es aus Liebe getan. Sie liebte ihre Familie einfach zu sehr und das war das Fatale. Sie machte dann wieder irgendeine Dummheit und unschuldige Menschen mussten dafür bezahlen. Anstatt, dass sie sich endlich mal den Menschen anpasste, setzte sie leichtfertig ihre Kräfte ein. Das konnte er einfach nicht verzeihen. „Eva weiß sich nicht anders zu helfen, weil sie ganz alleine ist und niemanden hat. Wenn du sie in deine Familie aufnehmen würdest, dann hätte sie doch keinen Grund mehr dazu und sie wäre dann auch nicht so alleine.“ Liam schwieg und dachte nach, wobei sein Gesicht immer noch so unendlich düster wirkte. Dann aber seufzte er geschlagen und nickte. „Also gut, ich werde mit meiner Schwester sprechen. Wenn es dir so wichtig ist, dann werde ich es tun.“

„Ich denke, dass es nicht nur ihr sondern auch dir gut tun wird, wenn dieser Streit endlich beendet wird.“ Wirklich unglaublich. Der Junge versteht so gut wie gar nichts von Gefühlen und gibt mir noch irgendwelche Tipps. Aber er ist wirklich immer noch derselbe geblieben wie damals. Eva hatte schon Recht. Egal ob er sich an sein altes Leben erinnert oder nicht, er bleibt dennoch derselbe. Und daran wird sich wohl auch so schnell nichts ändern. Liam legte wieder seinen Arm um ihn und wünschte sich insgeheim, dass dieser Tag so schnell nicht enden würde und Jeremiel weiter an seiner Seite bleiben würde. Aber… er würde ja nicht für immer gehen. Über 400 Jahre hatte er gewartet und diese kurze Zeit konnte er auch noch ausharren. Es war ja nicht für immer. „Sag schon, was fühlst du gerade?“ Der 25-jährige betrachtete ihn fragend und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Ich merke, dass dich irgendetwas beschäftigt, aber ich kann nicht erkennen, was es ist. Bist du verärgert, weil ich dich wegen deiner Schwester angesprochen habe?“

„Nein, das ist es nicht“, erklärte Liam kopfschüttelnd und trank noch einen Schluck Bier. „Es ist nur so, dass ich so lange darauf gewartet habe, dir endlich wieder so nah zu sein wie jetzt. Und nun muss ich dich wieder gehen lassen. Wenn es nach mir ginge, würde ich dich gar nicht erst gehen lassen und dich notfalls sogar abhalten. Aber ich hab auch verstanden, dass ich mich auch mal selber zurücknehmen muss. Ich bin nun mal ein sehr dominanter Charakter und ich lasse mir auch nicht gerne was sagen. Ebenso ungern lasse ich mir auf der Nase herumtanzen und ich bin auch ziemlich besitzergreifend. Das gebe ich zu und ich hasse es auch, wenn es nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle. Aber ich weiß auch, dass das vollkommen falsch wäre und rein gar nichts bringt und ich schlimmstenfalls alles nur kaputt machen würde. Ich will dich ja nicht verlieren und dich einzusperren ist sowieso Unsinn. Wir wissen ja beide, wie es ausgegangen ist. Zugegeben, ich bin nicht gerade der Feinfühligste. Ich neige immer dazu, mich durchzusetzen und auch nicht nachzugeben und dabei stoße ich anderen schnell vor dem Kopf und mache Fehler. Deshalb hat Delta ja auch die Aufgabe, mir auch klar zu sagen, wenn irgendetwas schief gelaufen ist. Er mag zwar durchgeknallt sein, aber er lässt sich auch nicht die Butter vom Brot nehmen und hat das Herz am rechten Fleck. Im Grunde verkörpern er und die anderen nicht nur die negativen Seiten der Menschen, sondern auch teilweise meine persönlichen Eigenschaften. Marcel ist der eiskalte Geschäftsmann, dem das Leben und das Schicksal anderer egal ist, weil er nur an seine persönlichen Vorteile denkt. Johnny ist der Unruhestifter, der es liebt, Böses zu tun und Chaos zu verbreiten. Delta hingegen ist der Leidenschaftliche, der immer mit dem Herzen dabei ist und trotz seines durchgeknallten Charakters immer sehr mitfühlend ist und sich um die anderen kümmert.“ Jeremiel betrachtete ihn und strich ihm schließlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann aber küsste er ihn und schloss ihn in den Arm. „Ich werde dich auf jeden Fall besuchen kommen, wenn ich länger wegbleiben sollte. Und… der Tag ist ja noch nicht vorbei.“ Als Liam das hörte, zog er ein wenig die Augenbrauen zusammen. Er schien noch ein wenig mit sich zu zögern, aber dann fragte er „Wollen wir gleich ins Schlafzimmer gehen?“ Der 25-jährige lächelte und nickte. „Klar, können wir gerne machen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  pri_fairy
2014-11-09T17:08:42+00:00 09.11.2014 18:08
super schönes Kapitel !:)
Von: abgemeldet
2014-11-09T14:02:16+00:00 09.11.2014 15:02
Ein starkes Kapitel^^


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